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Sonne, Wind und heiße Quellen

01.01.2001
Auf dem Forum wurde das Thema "alternative Energien" von Referenten aus sechs Ländern aus den verschiedensten Blickwinkeln erörtert.

Man wolle statt elitärer Wissenschaft im Elfenbeinturm einen wissenschaftlichen Austausch mit sehr direktem Bezug zur Praxis und zum Alltag der Menschen fördern, hatte Theresa Tang, die Generalsekretärin des DAAD-Alumnivereins Taiwan, zu Beginn der Tagung erklärt. Dass ihre Überlegungen und Anstrengungen für das Zustandekommen des Forums wesentlich waren, bestätigte Prof. Dr. Albert Walenta, Rektor der Universität Siegen und DAAD-Vorstandsmitglied. Der DAAD habe das Tagungskonzept als von ebenso wissenschaftlichem wie allgemeinem Interesse betrachtet und deshalb sehr gerne an der Finanzierung und Vorbereitung der Tagung mitgewirkt.

Mit größter Aufmerksamkeit verfolgten die gut 300 Tagungsteilnehmer, dass Staatspräsident Chen Shui-bian gleich zu Beginn des Forums an die Ergebnisse und Absprachen der Internationalen Klimaschutzkonferenz 1997 in Kyoto (Japan) erinnerte, den Ausstoß von so genannten Treibhausgasen nachhaltig zu reduzieren und mindestens auf die Mengen des Jahres 1990 zurückzuführen. Taiwan sei es zwar aus politischen Gründen verwehrt, sich direkt an diesem Vertrag zu beteiligen. Aber: ... wir sind ein Teil des global village , wir sehen die Klimaschutzkonvention als Verpflichtung auch für uns an", stellte Präsident Chen fest.

In Taiwan wisse man, dass Deutschland die weitere Erforschung und Nutzung erneuerbarer Energien aktiv vorantreibe, seine Kapazitäten zur Windenergienutzung innerhalb der vergangenen drei Jahre bereits verzehnfacht habe, mehr als vier Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr aus Windkraft produziere und damit weltweit an erster Stelle stehe, fuhr Chen fort. Bemerkenswert sei das im April verabschiedete deutsche Gesetz über Erneuerbare Energien, weil darin unter anderem festgehalten sei, den Anteil der alternativen Energien an der gesamten Energieproduktion zu verdoppeln und damit auf 10 Prozent zu bringen. solche gesetzgeberischen Maßnahmen könnten Taiwan als wertvolles Beispiel dienen.

Präsident Chen erklärte weiter, die Insel sei zwar von der Natur mit reichen Energiequellen ausgestattet, es fehle jedoch an deren Nutzbarmachung. Von einem zu engen ökonomischen Standpunkt aus betrachtet könnten erneuerbare Energien bisher nicht mit konventionell erzeugten Energien konkurrieren. Doch dem lägen Vorurteile zugrunde: Die von der konventionellen Energiewirtschaft verursachten Schäden gingen nicht in die Kostenrechnung ein. Die von einer alternativen Energiewirtschaft ausgehenden positiven Effekte für Wirtschaft und Gesellschaft würden nicht als kostensenkender Faktor beachtet. Präsident Chen betonte, er wolle trotzdem an seiner Vision von Taiwan als einer sauberen, grünen, dynamischen, computerproduzierenden Insel (= silicon island") festhalten. Zum Beweis für sein persönliches Engagement werde er sofort prüfen lassen, ob auf dem Dach des Präsidentenpalastes in Taipeh nicht auch Solarmodule angebracht werden könnten.

Dem Bundestagsabgeordneten und Forschungspolitischen Sprecher der Fraktion der Grünen/ Bündnis 90, Hans-Josef Fell, war es dann aufgegeben, zum Thema Energiepolitik in Deutschland" vorzutragen. Er machte darauf aufmerksam, dass das Fördermaximum der Ölfelder in einigen Jahren überschritten werde. Ab dann werde das Ölangebot sinken, dagegen die Nachfrage steigen, das bedeute, der Ölpreis werde in die Höhe gehen. Die Lösung der Probleme der Energieversorgung sehe er nur in der langfristigen Alternative Sonnenenergie. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz werde Deutschland den Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland bis zum Jahr 2010 mindestens verdoppeln. In der Hauptsache würden das Solarenergie, Windenergie und Gas aus Biomasse sein. Deutschland werde innerhalb der nächsten 15 Jahre endgültig aus der Nutzung der Atomenergie aussteigen.

Zwar nicht für neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dafür aber für emotionalen Schwung sorgte dann der SWR -Fernsehmoderator und Buchautor Dr. Franz Alt. Die heutigen energiequellen Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran gehen in wenigen Jahrzehnten zu Ende", warnte Alt. Sie werden deshalb immer teurer, und sie belasten die Umwelt immer mehr. Hingegen reichen alternative Energien wie die Sonnenenergie, Wind, Wasserkraft, Biomasse, Biogas und Geowärme ,ewig', sie sind umwelt- und klimafreundlich und werden immer preiswerter. Sonne, Wind und heiße Quellen schicken keine Rechnung. Die Sonne schenkt uns 15 000 Mal mehr energie, als zur Zeit von allen Menschen verbraucht wird. Was wollen wir mehr? Die solare Energiewende ist bis zum Jahr 2050 weltweit möglich und nötig." Dieser Aussage hatte der Präsident der Academia Sinica in Taipeh, der Nobelpreisträger Prof. Lee Yuan-tseh, die Bemerkung vorangestellt: Auf Taiwan strahlt innerhalb von 45 Minuten soviel Sonnenenergie, wie seine 22,5 Millionen Bewohner nur während eines ganzen Jahres verbrauchen."

Vor einem problematischen Umgang mit Fakten und unangemessener Euphorie warnte dann jedoch der Experimentalphysiker Prof. Dr. Klaus Heinloth aus Bonn, Delegierter der Bundesregierung für Klimaschutzangelegenheiten bei den Vereinten Nationen und Leitender Autor des Intergovernmental Panel on Climate Change der Weltorganisation der Meteorologie. Die weltweite Umstellung von der traditionellen Energiewirtschaft auf die Nutzung erneuerbarer Energien werde die geradezu unvorstellbare Summe von 60 Billionen US$ kosten, das entspreche dem globalen Bruttosozialprodukt von zwei Jahren. Damit sei erkennbar, vor welch gewaltigen Hürden die Einführung alternativer Energien stünde.

Das Angebot an Wasser- und Windenergie, an Sonnenlicht, Biomasse und Erdwärme ist zumindest weltweit insgesamt reichlich", sagte Heinloth. Allerdings unterliegen vor allem Wind und Sonneneinstrahlung sowohl örtlich als auch jahreszeitlich starken Schwankungen und Beschränkungen. Nachwachsende Biomasse steht als Energieträger nur in sehr beschränktem Umfang zur Verfügung: Die Gesamtheit aller Wälder wird vom Menschen bereits weitgehend übernutzt. Und fast alle zugänglichen, nicht bewaldeten Grünflächen der Erde werden derzeit schon für die Nahrungsgewinnung für die 6 Milliarden Menschen benötigt. Der Kostenaufwand für die Umwandlung erneuerbarer Energien in die vom Menschen mehr oder minder überall und immer benötigten Energieformen ist im Durchschnitt etwa dreimal höher als der für die derzeitige Nutzung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas."

Sonne, Wind und heiße Quellen

Bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Energieforums wurden alternative Energien in Taiwan aus gesellschaftlicher Sicht besprochen.

Dr. Horst Vollmar, Leiter des Bereichs Innovative Energien der Firma Siemens, berichtete dann, wie sich ein Weltkonzern die Energiewirtschaft der Zukunft vorstellt. Sie baue auf neue Kraftwerkstypen, die einen wesentlich höheren Nutzungsgrad bei der Ausbeute sowohl traditioneller wie auch kommender Energieträger (Wasserstoff) brächten. Die zukünftige Energielandschaft wird geprägt von den Auswirkungen der Energiemärkte mit getrennten Unternehmen für Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Versorgung, sowie neuen Marktteilnehmern wie Händlern, Brokern und Investoren", berichtete Vollmar. Dienstleistungen und Kundenbeziehungen werden ausgeweitet und spielen eine deutlich größere Rolle. Zentrale konventionelle Kraftwerke werden nach wie vor eine wichtige Rolle spielen. Wir werden aber zunehmend einen Energiemix aus zentraler und dezentraler Energieversorgung haben. Neu hinzukommen werden dezentrale Einheiten unter Einschluss regenerativer Techniken -- Biomasse, Solar, Wind -- und neue Technologien, wie zum Beispiel Brennstoffzellen als Wandler, Hightech-Komponenten für die Fernübertragung (HGUE) sowie revolutionierende Konzepte und Komponenten auf der Ba sis von Supraleitern (Kabel, Strombegrenzer, Trafos, Speicher) für Transport und Verteilung. Für das Management dieses komplexen Systems werden modernste Kommunikationstechnologien eingesetzt."

Zu den Möglichkeiten einer staatlichen Förderung bei der Nutzung erneuerbarer Energien referierte Dr. Paul-Georg Gutermuth über entsprechende Erfahrungen in Deutschland. Der Energiemarkt sei vorrangig ein politisches Aktionsfeld. Der ehemalige Ministerialbeamte betonte, der Staat sei sehr wohl in der Lage, entscheidend in die Energiewirtschaft einzugreifen. Die Politik könne das Kostenverhältnis zwischen traditioneller und alternativer Energiewirtschaft beeinflussen und durchsetzen, dass die externen Kosten der traditionellen Energiewirtschaft (Folgekosten, entstehend u. a. aus Umweltschäden bis zur Schädigung der Volksgesundheit) angemessener berücksichtigt werden. Sie habe gesetzgeberische, verwaltungsrechtliche und organisatorische Möglichkeiten zur Unterstützung geeigneter Energieträger.

Nach Dr. Gutermuths Worten habe die Politik es bisher aber versäumt, einen möglichen alternativen Energiemarkt mit allen Kräften auszubauen und zu unterstützen. Der großen Chancen einer solchen alternativen Politik sei man sich noch immer nicht bewusst geworden. Es gebe noch erhebliche Informationsdefizite, Lücken im Bildungs- und im Erziehungswesen. In Deutschland habe man seit den siebziger Jahren zunehmend gute Ergebnisse erzielt auf den Feldern der politischen Projektion, der Unterstützung bei der Erforschung und Entwicklung alternativer Energien sowie entsprechender Demonstrationsanlagen. Man habe vermehrt finanzielle Förderungsprogramme gestartet und die internationale Zusammenarbeit verstärkt. Konkret nannte Gutermuth die deutschen Schritte zur Förderung der alternativen Energiewirtschaft: Energiewirtschaftsgesetz, Energie -Einspeisungsgesetz, Erneuerbare-Energien-Gesetz, staatliche Zuschüsse, Steuererleichterungen und Kredite für private Investitionen in Solarkraft- und Windkraftanlagen. Ohne staatliche Unterstützung und finanzielle Hilfen sei ein Wechsel von traditioneller zu alternativer Energiewirtschaft nicht zu machen.

Prof. Dr. N. K. Bansal, vormaliger Chef des Zentrums für Energieforschung am indischen Institut für Technik der Universität Delhi, berichtete über die umfangreichen Erfahrungen bei der Nutzung der Windenergie in seinem Land. Eine genaue Analyse des Verhältnisses zwischen Energieausbeute und Umweltbelastung mache die Nutzung der Windenergie zur attraktivsten Option unter allen Formen der Energieproduktion. Die Windenergienutzung stelle zugleich den am schnellsten wachsenden Bereich unter den Energiesystemen dar. Infolge gravierender technischer und anderer Mängel bei manchen Anlagen könne es aber auch zu Rückschlägen kommen. Wegen des sehr schnellen Entwicklungsprozesses sei größte Sorgfalt bei der Planung der Anlagen geboten; nicht nur Wind- und Klimabedingungen eines in Aussicht genommenen Standorts müssten über mehrere Jahre hinweg genauestens untersucht werden. Es seien zahlreiche weitere Faktoren zu berücksichtigen: Turmbauweise und Turmhöhe, Turbinenart mit einem oder zwei Rotorblättern, Flügelkonstruktion, Bauweise des Generators und der Getriebe, Geschwindigkeitsmessung und -kontrolle etc.

Von einer Energiewirtschaft ganz anderer Art und aus einem Land mit ganz anderen problemen als denen der Industrienationen berichtete Prof. Dr. Zagdyn Bold, Abteilungsleiter an der Nationalen Universität der Republik Mongolei in Ulan Bator. In einem Land von der dreifachen Ausdehnung der Bundesrepublik Deutschland, jedoch einer Einwohnerzahl von weniger als 3 Millionen Menschen, von denen mehr als 90 Prozent als Nomaden nicht an bestimmten Orten in festen Wohnungen leben, kann es keine Probleme mit großen zentralen Energiewirtschaftsunternehmen geben. Die Mongolei setze vor allem auf die Entwicklung kleiner mobiler Einheiten zur Nutzung der Wind- und der Sonnenenergie. Vorrangig gelte das für Wärmekollektoren, von Interesse seien aber auch alle Systeme der Photovoltaik, also der Produktion von Solarstrom.

Thailand bezieht bereits rund 19 Prozent seines gesamten Energieaufkommens aus Biomasse: aus Holz, aus der Bagasse von Zuckerrohr, Reisstroh, Palmölabfall, Dung und anderen landwirtschaftlichen Abfällen. Dennoch habe das Land unübersehbar Probleme bei der Entwicklung dieser alternativen Form der Energiewirtschaft, berichtete Prof. Dr. Paiboon Danvirutai von der Khon Kaen Universität Thailand. Die Technologie habe nur geringe Akzeptanz bei der ländlichen Bevölkerung gefunden. Man müsse davon ausgehen, dass schon mehr als die Hälfte der seit etwa 40 Jahren gebauten kleineren Biogasanlagen stillgelegt sei. Er habe bei einer genaueren Untersuchung in Nordthailand ermittelt, dass nicht nur Form, Arbeitsweise, Betrieb und Pflege der Anlagen mangelhaft seien, sondern dass es auch erhebliche kulturelle Ursachen für Fehlentwicklungen gebe. Bei richtiger Einführung der jeweils geeigneten Anlagen und angemessener Betriebsart sei die Biogasproduktion in Thailand bereits für bäuerliche Kleinbetriebe mit mehr als vier Rindern bzw. Wasserbüffeln, 15 Schweinen und einer durchschnittlichen Menge häuslicher Abfälle wirtschaftlich interessant. Vor dem Hintergrund der Ölpreisexplosion im Jahr 2000 sei davon auszugehen, dass die Biogasproduktion aus landwirtschaftlichen und industriellen Abfällen wieder stärker ins Blickfeld gerate und Biogas mehr als bisher genutzt werde, was der Umwelt nur diene.

Dem internationalen Teil der Tagung folgte anschließend ein regionaler Teil. Wissenschaftler und Politiker Taiwans traten hier in einen Dialog über die künftige Energieversorgung in der Republik China ein. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass Sonne, Wind und heiße Quellen in Taiwan bisher noch ebenso wenig genutzt werden wie Biomasse und Biogas; vor allem aber auch vor dem Hintergrund, dass die Regierung in Taipeh noch im Oktober 2000 endgültig über die Frage entscheiden wollte, ob das in unmittelbarer Nachbarschaft der Hauptstadt Taipeh im Bau befindliche Kernkraftwerk fertiggestellt und als die dann vierte Anlage dieser Art auf der Insel in Betrieb genommen werden soll. Das Projekt ist zwischen Regierung und Opposition heftig umstritten. Die Entscheidung zum Bau des Meilers hatte die frühere KMT-Regierung gefällt, nach dem Machtwechsel im Mai 2000 hat die neue Regierung gegen die Proteste der KMT einen Baustopp verfügt. Vor dem Hintergrund des Streits über das vierte Atomkraftwerk in Taiwan kann dem DAAD-Forum über erneuerbare Energie noch größere gesellschaftspolitische Bedeutung beigemessen werden.



Volker Bräutigam ist Auslandskorrespondent
der in Hannover erscheinenden Zweiwochenzeitschrift
Ossietzky".

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