30.04.2024

Taiwan Today

Kultur

HipHop Academy Hamburg goes Taiwan

01.09.2014
Bei ihrem Besuch in Taiwan trafen Dörte Inselmann (Vierte von links) und Axel Zielke (Fünfter von links) von der HipHop Academy Hamburg unter anderem mit Viv Chou (Dritte von links), der Vorsitzenden der Taipei Alliance for the Advancement of Multi Art Culture, zusammen. Mit im Bild Chen Yin-ying (Dritte von rechts) von der Abteilung für Kulturaustausch des Kulturministeriums und Alex Mardi (ganz links), der das Graffiti im Hintergrund entwarf. (Foto mit freundlicher Genehmigung der HipHo
Rückblick ins Jahr 2010: Die Jugendlichen sind ziemlich aufgeregt. Sie freuen sich auf einen ganz besonderen Gast. Gleich wird die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die HipHop Academy Hamburg besuchen. In der Pumphalle des Kultur Palast Billstedt, in dem die HipHop Academy ihr Zuhause hat, erwartet die Intendantin und Geschäftsführerin Dörte Inselmann zusammen mit den Jugendlichen die Regierungschefin. Wenig später zeigen die jungen Menschen zwischen 13 und 25 Jahren mit Beatbox-, Rap- und Tanzeinlagen, was sie draufhaben. Die Kanzlerin ist begeistert.

Die HipHop Academy Hamburg ist ein bislang deutschlandweit einzigartiges Projekt zur professionellen Talent- und Potenzialförderung Jugendlicher aus ganz Hamburg. Sie besitzt im Hinblick auf das Thema Integration in sozial benachteiligten Stadtteilen bundesweit Modellcharakter. Dies war der Anlass, dass Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel im Dezember 2010 die HipHop Academy besuchte und sich von dem Projekt, der Vielfalt der Kunstform Hip-Hop und den Fähigkeiten der jugendlichen Künstler sehr beeindruckt zeigte. Das Innovative des Projektes lässt sich am besten so auf einen Punkt bringen — anstatt über Integration zu reden, wird Integration in der Academy gelebt, und da Hip-Hop die weltweit größte Jugendkultur ist, arbeitet hier eine junge Generation weltweit kreativ und gestalterisch zusammen. Für niemanden in der Academy zählt, woher man kommt, sondern vielmehr, was man kann. Neben hohem künstlerischen Können imponierte dieses respektvolle Miteinander der Kanzlerin sehr.

Im selben Jahr wurde die HipHop Academy von der Initiative „Deutschland — Land der Ideen“, unter der Schirmherrschaft des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler als „Ausgewählter Ort“ ausgezeichnet. Zahlreiche weitere Würdigungen folgten.

Junge Talente zwischen 13 und 25 Jahren werden in der HipHop Academy in allen Ausdrucksformen der Hip-Hop-Kultur unterrichtet. Die Academy versteht sich als eine Schule für Rapper, Beatboxer, Breakdancer, DJs, Newstyler, Graffiti-Artists und Musikproduzenten. Prominente Trainer aus der Hip-Hop-Szene bilden die Teilnehmer professionell aus.

Dörte Inselmann, Intendantin der HipHop Academy und Vorstandsvorsitzende der Träger-Stiftung, erzählt, wie die HipHop Academy entstanden ist: „In einem Randgebiet von Hamburg — einem Stadtgebiet mit etwa 100 000 Einwohnern — gründete das Kulturzentrum einen neuen Musikclub mit einer offenen Bühne für Nachwuchsmusiker. Gerade junge Hip-Hopper forderten dort massiv und energisch Hip-Hop-Programme ein. Nach einer deutschlandweiten Recherche und dem wachsenden Interesse der jungen Hip-Hopper wurde die Entscheidung getroffen, mehr aus dieser Begeisterung der jungen Leute für Hip-Hop zu machen und es nicht bei den kurzen Auftritten auf offener Bühne zu belassen. Damals gab es eine Initiative, die sich ,Lebenswerte Stadt‘ nannte. Die Stadt Hamburg vergab Gelder, um Randgebiete zu reaktivieren und wiederzubeleben. Das Augenmerk war auf die Förderung in sozialen Brennpunkten gerichtet. Das Konzept der Academy, Hip-Hop-begeisterte Jugendliche und Nachwuchstalente von der Straße bis hin zur professionellen Arbeit auf dem Kultur- und Musikmarkt nachhaltig und systematisch zu fördern, erhielt eine Zusage, und die HipHop Academy war geboren.“

Jochen Schindlbeck, stellvertretender Geschäftsführer, erläutert das Trainingskonzept: „Die Trainings finden in verschiedenen Levels in den unterschiedlichen Sparten der Hip-Hop-Kultur statt. Dabei haben wir von Anfang an mit Schulen, Jugendhäusern und anderen Institutionen kooperiert, um Trainings und Workshops im Anfängerkurs kostenlos für Jugendliche in der gesamten Stadt und in der angrenzenden Region anzubieten. Einmalig ist auch, dass alle Partnerstandorte der Academy ihr Angebot für alle Jugendlichen öffnen und gemeinsam einen offenen Trainingskalender für Hamburg anbieten.“

Die HipHop Academy Hamburg macht nicht nur mit energiegeladenen Tanztheaterproduktionen von sich reden, sondern leistet im Bereich Integration zudem wertvolle Arbeit mit Jugendlichen, von denen die meisten einen Migrationshintergrund haben. (Plakatdesign © Bobby Analog)

Ausgehend vom Erkennen des eigenen Potenzials, der Vermittlung von Leistungsbereitschaft, Zielorientierung, Selbstbewusstsein und Verantwortungsbewusstsein bietet das Level 1-Training einen starken Impuls zur Persönlichkeitsentwicklung. Alle höheren Leistungsebenen, ebenfalls kostenlos für die Studenten, sind im Kultur Palast Billstedt beheimatet.

„Mit den Besten der Academy haben wir vor vier Jahren ein eigenes Ensemble gegründet, das sich mittlerweile mit preisgekrönten Produktionen im Bereich Musiktanztheater am Markt etabliert hat“, berichtet Axel Zielke, zuständig für künstlerische Programme und Produktionen der Academy.

Nimmt man alle Kursbereiche zusammen, so haben im Jahr 2013 insgesamt 585 Jugendliche an der HipHop Academy trainiert. Die Academy erreicht Jugendliche aller Nationalitäten und Herkunft (80 Prozent haben einen Migrationshintergrund) und bietet ihnen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu professionalisieren und diese mit nationalen und internationalen Auftritten sichtbar zu machen.

Can Gülec, der Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters, war von Anfang an dabei. Er hat Auftritte in Videos bekannter Musiker wie Xavier Naidoo, tanzt auf großen Bühnen, und er reist zu Auftritten etwa in Europa oder Shanghai. New Style heißt sein Tanzstil, den er in der HipHop Academy gelernt hat. Mittlerweile ist er Mitglied im Profi-Ensemble der Academy und trainiert hier Jugendliche, die es ihm gleichtun wollen. Als Vorbild zeigt er ihnen, dass kontinuierlicher Einsatz und Begeisterung für eine Sache Lebenssituationen verändern und neue Wege eröffnen können.

Die Academy ist mit fast 100 Auftritten im Jahr und mit über 70 000 Besuchern in Hamburg und weit über die Stadtgrenzen hinaus sehr präsent und bekannt. Dabei ist es dem Team um Dörte Inselmann sehr wichtig, die gesellschaftliche Relevanz und die kulturelle Bedeutung von Hip-Hop sichtbar zu machen. Entscheidend ist, so findet die engagierte Kulturmanagerin, immer wieder neue Wege zu gehen. So auch die Idee, mit Taiwan zu kooperieren. Nicht ohne Stolz erzählen sie und Axel Zielke von der außergewöhnlichen Musiktanztheaterproduktion „Sampled Identity“, einer Koproduktion mit dem renommierten Streichorchester „Ensemble Resonanz“. Die Uraufführung 2012 auf der Bühne der international bekannten „Kulturfabrik Kampnagel“ in Hamburg feierte das Publikum mit Standing Ovations. Die Produktion bringt das Beste aus der Welt des Hip-Hop und den Bereichen klassischer Musik und Tanz zusammen. Dabei lassen sich die klassisch ausgebildeten Musiker des jungen Orchesters und die Künstler des Hip-Hop-Ensembles auf eine spannende Begegnung von Hochkultur und Subkultur ein. Dieses Konzept könnte auch für Taiwan von großem Interesse sein.

„Hip-Hop ist die weltweit größte Jugendkultur und inzwischen auf allen Kontinenten verbreitet“, erzählt Dörte Inselmann begeistert. „Deswegen war es uns auch von Anfang an wichtig, internationale Austauschprojekte durchzuführen. Jede Begegnung, die junge Menschen verschiedener Kulturen zusammenbringt, ist für beide Seiten enorm fruchtbar und hat jedes Mal zu großartigen Ergebnissen geführt.“ Dies kann Axel Zielke nur bestätigen. „Ganz nebenbei entsteht zwischen den Beteiligten gegenseitiger Respekt, aufrichtige Toleranz gegenüber anderen Kulturen und nicht selten andauernde Freundschaft.“

Zu den Ländern, mit denen die HipHop Academy in der Vergangenheit erfolgreich kooperiert hat oder in denen sie bereits aufgetreten ist, zählen Frankreich, Festlandchina, Dänemark, Indien, Russland, Ägypten und die USA. Im vergangenen August folgte eine erste Kooperation mit der HRC Dance Academy in Taiwan, wo Hip-Hop-Tänzer in zunehmendem Maße das Stadtbild im ganzen Land beleben.

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zu Besuch bei der HipHop Academy Hamburg. (Foto: Kathrin Brunnhofer)

Zu Gast bei Taiwans Kulturministerin

Aufgrund von Kontakten der Academy zu den Taipeh-Vertretungen in Hamburg und Berlin und deren großem Engagement für einen Austausch zwischen jungen Hip-Hop-Künstlern aus Taiwan und Deutschland flogen Inselmann und Zielke im Dezember 2013 auf Einladung des Kulturministeriums der Republik China für eine Woche nach Taiwan. Dort trafen sie sich mit verschiedenen Hip-Hop-Initiativen aus Taichung, Taipeh und New Taipei City und waren begeistert von dem großzügigen Empfang und der Gastfreundschaft, die ihnen entgegengebracht wurde.

Eine besondere Ehre war die Einladung durch die Kulturministerin Lung Ying-tai (龍應台) zum „Taiwan German Hip-Hop Forum“ im Kulturministerium, woran 30 verschiedene Hip-Hop-Musiker und Choreographen teilnahmen. Inselmann resümiert beeindruckt: „Die Veranstaltung trug definitiv dazu bei, Hip-Hop als ernstzunehmende Kunstform sichtbar zu machen und ihm eine Bühne zu geben.“

Von ihren Begegnungen mit verschiedenen Hip-Hop-Initiativen erzählt sie weiter: „In Taipeh trafen wir auf eine blühende Hip-Hop-Szene, die von herausragenden Künstlern geprägt ist. Ein Treffen mit den Organisatoren der HRC Dance Academy und Vertretern der Stadtverwaltung von New Taipei City führte uns schnell zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit.“

Bboy Bojin (陳柏均), Gründer der HRC Dance Academy und Organisator der New Taipei Bboy City Battles, führt die Kooperation weiter aus: „Die HRC Dance Academy organisiert im Auftrag der Stadtverwaltung von New Taipei City einen der größten asiatischen Tanzwettbewerbe für die urbanen Tanzstile Hip-Hop und Breakdance. Das New Taipei Bboy City World Final findet jährlich im November in New Taipei City statt. Über mehrere Vorentscheide — sogenannte Prelims — können sich Tänzer auf der ganzen Welt für das Finale qualifizieren. Die Prelims finden unter anderem in China, Japan, den Philippinen, Malaysia und Laos statt. Schnell war die Idee geboren, einen Vorentscheid für Europa in Hamburg zu etablieren.“

In intensiven Gesprächen mit Bboy Bojin loteten Inselmann und Zielke die Rahmenbedingungen der Kooperation aus und riefen gemeinsam den New Taipei Bboy City Europe Prelim ins Leben. Vor mehreren hundert begeisterten Zuschauern fand am 23. und 24. August 2014 die europäische Vorentscheidung im Rahmen des großen Hamburger Street Art-Festivals „STAMP!“ statt.

Für den Wettbewerb konnte die Academy international renommierte Juroren und DJs gewinnen, darunter den Juste Debout Hip-Hop-Sieger von 2012 Ben Wichert und die lebende Hip-Hop-Legende Niels „Storm“ Robitzky. In der Kategorie „Breakdance 1 on 1“ machte der niederländische Tänzer Jessy Kemper das Rennen. Am 1. und 2. November wird er Holland beim New Taipei Bboy City World Final in Taiwan repräsentieren.

Dörte Inselmann und Axel Zielke mit Chen Keh-miin (Mitte), der die taiwanisch-deutsche Kooperation federführend zusammen mit Vertretern der HipHop Academy Hamburg initiierte und unterstützte. (Foto mit freundlicher Genehmigung der HipHop Academy Hamburg)

Neben der erfolgreichen Zusammenarbeit mit der HRC Dance Academy haben Dörte Inselmann und Axel Zielke zahlreiche weitere Kontakte geknüpft, die in der Zukunft Früchte tragen könnten.

Für 2015/2016 plant die HipHop Academy eine Kooperation mit dem renommierten Tänzer und Choreografen Billy Chang (張逸軍). Eine gemeinsame Musiktheaterproduktion soll Hip-Hop, Contemporary, Klassik und spezifische kulturelle Spielarten Taiwans und Deutschlands vereinen. Als loser Rahmen ist die Oper „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart anvisiert.

Der ausgebildete Contemporary-Künstler Chang ist weltweit für diverse Ensembles und Institutionen aktiv, darunter das Colorado College Theatre and Dance Department und den Cirque du Soleil. Chang ist eine Schlüsselfigur in der Tanzszene Taiwans, da er als Bindeglied zwischen sogenannter Hochkultur und urbanen Kunstformen wie Hip-Hop fungiert. Aufgrund seiner außerordentlich guten Vernetzung kann er, ähnlich wie die HipHop Academy in Deutschland, Brücken zwischen verschiedenen Kulturformen bauen und innovative Kunst ins Leben rufen. Die geplante Produktion soll neben Aufführungen in Taiwan und in Deutschland auch auf eine internationale Gastspieltour gehen.

„Ein besonders interessantes Treffen fand auch mit Viv Chou (周玥), der Vorsitzenden der Taipei Alliance for the Advancement of Multi Art Culture, statt“, erinnern sich Inselmann und Zielke. „Neben ihrem Youth Centre, in dem Chou zahlreiche Workshops für Musiker und Graffiti-Künstler organisiert, ist sie in Zusammenarbeit mit der Gruppe Citymarx für die Organisation des jährlich stattfindenden größten Graffiti-Festivals in Taipeh verantwortlich. Darüber hinaus organisiert sie Auftrittsplattformen für die Kunstform VJing, in der zu Musik in Echtzeit elektronisch Visuals programmiert und kunstvoll gestaltet sowie durch Projektion sichtbar gemacht werden. Eine Kooperation mit Viv Chou würden wir auf jeden Fall begrüßen“, bekräftigt Inselmann.

Nicht zuletzt haben die Gespräche mit Gino Huang (黃柏青), dem Betreiber von THE BEST CREW (TBC), bei den Vertretern der HipHop Academy einen bleibenden Eindruck hinterlassen. TBC zählt zu den besten Breakdance-Crews Taiwans. In einem großen Tanzstudio in Taipeh werden Kurse in allen Hip-Hop-Tanzstilen angeboten. Eine mögliche Kooperation in der Zukunft wird im Bereich des Künstleraustausches erwogen.

Wer die engagierte Zusammenarbeit der Hip-Hop-Künstler aus Taiwan und Deutschland weiterverfolgen möchte, kann die Webseite der HipHop Academy besuchen. Unter www.hiphopacademy-hamburg.de berichtet die Academy unter anderem über aktuelle Projekte, internationale Kooperationen und neue Tanztheaterproduktionen.

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