05.05.2024

Taiwan Today

Gesellschaft

Kulturelle Vielfalt bewahren

11.06.2015
Seit der Liberalisierung und Demokratisierung der Republik China hat sich das Land zu einer pluralistischen Gesellschaft entwickelt, in der Glaubensvorstellungen und Werte aller kulturellen, ethnischen und religiösen Gruppen respektiert werden. Während der japanischen Kolonialherrschaft (1895-1945) und der Anfangsphase nach der Ankunft der von der Nationalen Volkspartei (Kuomintang, KMT) geführten Regierung der Republik China verursachte jedoch eine Politik, welche die Vorherrschaft einer einzelnen Sprache anstrebte und kulturelle Assimilierung vorantreiben wollte, einen Niedergang der Sitten und Gebräuche sowie der Muttersprachen von Taiwans Ureinwohnervölkern. Heute sind die Sprachen und Traditionen vieler Ureinwohnerstämme vom Aussterben bedroht.

In den jüngsten Jahrzehnten hat sich die Regierung der Republik China gemeinschaftlich mit Ureinwohnergruppen auf allen Stufen der Gesellschaft bemüht, dieses Unrecht der Vergangenheit wiedergutzumachen. Einer der Schlüsselaspekte in diesem Ablauf ist, das Recht jeder Ureinwohnergruppe auf eigenständige Identifikation aufrechtzuerhalten. Seit dem Jahr 2001 stieg die Zahl der offiziell anerkannten Ureinwohnerstämme in Taiwan von neun auf 16, was die reiche Vielfalt des Kulturerbes unter den Ureinwohnervölkern des Landes zeigt.

Die Regierung der Republik China beteiligt sich überdies aktiv an Anstrengungen zur Wiederbelebung von Ureinwohnersprachen. Die Sprachen der Ureinwohner sind seit 2001 in Ureinwohnergemeinden Pflichtfächer in den Grundschulen, und in diesem Sommer feierte Taiwan Indigenous Television, der erste Fernsehkanal Asiens, dessen Programm sich vollständig um Ureinwohner dreht, sein 10-jähriges Bestehen. Daneben arbeitet der Rat für Ureinwohnerfragen (Council of Indigenous Peoples, CIP), eine Behörde in Ministeriumsrang, daran, die Zahl von Schulen in Ureinwohnergemeinden zu steigern und die Bemühungen zur Dokumentierung der Stammeskulturen und –dialekte zu stärken.

In vergleichbarer Weise hat der Rat für Hakka-Angelegenheiten (Hakka Affairs Council, HAC) sich bemüht, die Sprache und Traditionen der Hakka in Taiwan zu revitalisieren. Die Hakka, eine Untergruppe der Han-chinesischen Bevölkerungsmehrheit, machen ungefähr 20 Prozent von Taiwans Bevölkerung aus und haben eine eigene, unverwechselbare Kultur und Muttersprache. In den jüngsten Jahrzehnten wurde beobachtet, dass die Sprache der Hakka weniger gesprochen wird, deswegen hat der HAC — wie der CIP eine Behörde in Ministeriumsrang — ein Spektrum von Programmen entwickelt, welche die Sprache neu beleben sollen, etwa Schulungskurse für Lehrer und Initiativen zum Online-Lernen.

Taiwan hat zudem internationale Beziehungen unter Ureinwohnergruppen gepflegt. In Anerkennung des gemeinsamen austronesischen Kulturerbes, das die Maori in Neuseeland und Taiwans Ureinwohner teilen, enthält das 2013 zwischen beiden Ländern unterzeichnete Wirtschaftsabkommen Klauseln über Ureinwohner-Kooperation. Außerdem fungiert Taiwan seit 2002 als Gastgeber der jährlichen internationalen austronesischen Konferenz.

Während die Regierung der Republik China sich für die Verjüngung einheimischer Kulturen einsetzt, wird auch Respekt vor und Verständnis für die vielfältigen Traditionen unter den zahlreichen neuen Zuwanderern des Landes gefördert. Taiwan wurde im Laufe seiner Geschichte durch aufeinanderfolgende Wellen von Einwanderung gekennzeichnet, und das jüngste Beispiel für diesen Trend ist die Ankunft einer großen Zahl von neuen Mitbürgern aus Festlandchina und südostasiatischen Ländern wie Indonesien und Vietnam. Nach Angaben des Innenministeriums leben in Taiwan inzwischen über 700 000 Zuwanderer der ersten und zweiten Generation, und man schätzt, dass bis zum Jahr 2025 annähernd 13 Prozent in der Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren Zuwanderer der zweiten Generation sein werden.

Die Regierung der Republik China hilft den neuen Bewohnern, sich in die taiwanische Gesellschaft einzufügen, darüber hinaus wurden politische Maßnahmen verfügt, welche sie und ihre Kinder ermutigen, ihre Sitten und Gebräuche beizubehalten, wovon man sich erhofft, dass diese Menschen Brücken für Wirtschafts- und Kulturaustausch werden können. Unter diesen Initiativen ist das Projekt „New Immigrant Torch“ zu nennen, ein 2012 gestartetes ministeriumsübergreifendes Programm, das neuen Zuwanderer-Eltern und ihren Kindern pädagogische Unterstützung bietet und Sprachkurse finanziert, in denen ihre Muttersprachen unterrichtet werden. Abgesehen davon zeichnet Taiwan sich durch ein tolerantes Milieu für Menschen aller Glaubensrichtungen aus, was sich an der Tatsache ablesen lässt, dass das Land im Religionsvielfalt-Index, den das Pew Research Center in den USA im vergangenen Jahr veröffentlichte, auf Platz zwei von 232 Ländern und Territorien eingestuft wurde.

Zwar wurde in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge erreicht, doch die Regierung der Republik China erkennt an, dass noch mehr getan werden muss, um die Ureinwohnerkulturen zu bewahren und multikulturelles Verständnis zu fördern, und sie strebt unablässig danach, ihre Bemühungen auszuweiten und zu verbessern. Kulturelle Vielfalt stärkt und bereichert Taiwan, und das Land ist entschlossen, eine vollkommen aufgeschlossene Gesellschaft auf der Grundlage von Gleichberechtigung, Respekt und Toleranz aufzubauen.

—Deutsch von Tilman Aretz
—Quelle: Taiwan Review, 02/01/2015 (Februar 2015, S. 1)
—Zuschriften an die Taiwan heute-Redaktion unter taiwanheute@yahoo.com

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