03.05.2024

Taiwan Today

Gesellschaft

Ein Preis für die Welt

01.07.2013
Samuel Yin (links), der den Tang-Preis ins Leben gerufen hatte, und der Präsident der Academia Sinica Wong Chi-huey gaben im Januar dieses Jahres bei einer Veranstaltung in Taipeh die Gründung des neuen Preises bekannt. (Foto mit freundlicher Genehmigung der Tang Prize Foundation)
Im Januar dieses Jahres stellte die Academia Sinica, Taiwans renommierteste Forschungsinstitution, in Taipeh einen neuen Preis für herausragende Forschungsergebnisse aus der ganzen Welt vor. Benannt wurde der „Tang-Preis“ nach der Tang-Dynastie (618-907) im alten China, die für ihre politische und wirtschaftliche Stärke sowie ihre pluralistische Kultur bekannt wurde. Ab dem kommenden Jahr wird der mit 40 Millionen NT$ (1,02 Millionen Euro) dotierte Preis in jedem der vier Bereiche — biopharmazeutische Wissenschaft, Rechtsstaatlichkeit, Sinologie und nachhaltige Entwicklung — von bis zu drei Finalisten aus der ganzen Welt geteilt werden. Zusätzlich werden bis zu 10 Millionen NT$ (256 410 Euro) als Zuschüsse für Forschungsprojekte bereit gestellt, die ein Preisträger vorgelegt hat, diese Gelder müssen binnen fünf Jahren benutzt werden. Die Preisgeld-Gesamtsumme von 50 Millionen NT$ (1,28 Millionen Euro) je Kategorie ist höher als beim Nobelpreis, welcher die brillantesten Errungenschaften der Welt bei Chemie, Frieden, Literatur, Medizin, Physik und Wirtschaft anerkennt.

Das höhere Preisgeld soll nicht heißen, dass der Tang-Preis ins Leben gerufen wurde, um dem Nobelpreis Konkurrenz zu machen, versicherte Preisstifter Samuel Yin (尹衍樑) auf einer Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des neuen Preises und der Bildung der Tangpreis-Stiftung. Die Stiftung und die Preise werden durch eine Spende von Yin in Höhe von 3 Milliarden NT$ (76,9 Millionen Euro) finanziert. „Die Absicht besteht darin, den Geist des Nobelpreises auszuweiten“, erklärte Yin, der die Schaffung des Preises als Verwirklichung eines der größten Träume seines Lebens beschrieb. Der Philanthrop fügte hinzu, er hoffe, dass der Preis mehr Forschung der Spitzenklasse ermutigen werde, um der Menschheit zu nützen und die Welt zu verbessern. Die Tangpreis-Stiftung bezeichnet den Preis als neuen Beitrag chinesischsprachiger Gesellschaften für die Welt.

Yin ist Vorsitzender der Ruentex-Gruppe und Chefingenieur ihres Bau- und Entwicklungssektors. Ruentex ist zudem in anderen Wirtschaftssektoren tätig wie Bildung, Finanzen, medizinische Dienstleistungen, Einzelhandel und Textilien. Der Vorsitzende ist studierter Historiker und promovierte in Betriebswirtschaft an der National Chengchi University (NCCU) in Taipeh. Derzeit lehrt er als Teilzeitdozent an der Abteilung für Bauwesen der National Taiwan University (NTU) in Taipeh. 2004 wurde der Ruentex-Chef zum Mitglied des Chinesischen Instituts für Bauwesen und Hydrobau in Taipeh gewählt, 2008 wurde er in die Internationale Akademie für Ingenieurwesen in Moskau aufgenommen, deren Taiwan-Niederlassung er leitet. 2010 verlieh die Amerikanische Gesellschaft der Bauingenieure, eine renommierte Organisation in diesem Bereich, Yin den Henry L. Michel-Preis für industrielle Forschungsförderung, der seit 1996 vergeben wird, um führende Persönlichkeiten im Design- und Baugewerbe zu würdigen.

Wichtige Unterschiede

Der Tang-Preis wird sich auf wichtige Weise vom Nobelpreis unterscheiden. Zum einen legt der Nobelpreis großes Gewicht auf Ursprünglichkeit bei wissenschaftlicher Forschung, wogegen der Tang-Preis den Auswirkungen einer bestimmten Untersuchungsreihe gleiche Bedeutung beimessen wird. Nach Auskunft der Tangpreis-Stiftung wird zum Beispiel der Preis für biopharmazeutische Wissenschaft Forschung anerkennen, die sowohl ursprünglich ist als auch deutlichen Einfluss auf Verhütung, Erkennung oder Behandlung größerer Krankheiten hat. Der Tang-Preis für Sinologie wird Studien in Bereichen wie Archäologie, Kultur, Geschichte, Linguistik, Literaturwissenschaft und Religion hervorheben, literarische Werke jedoch ausschließen, weil diese vom Nobelpreis anerkannt werden.

In gleicher Weise beleuchten die beiden anderen Tang-Kategorien ebenfalls die praktischeren Interessen akademischer Forschung über gesellschaftliche Entwicklung, menschliche Zivilisation und die Naturwelt. Der Preis für nachhaltige Entwicklung wird wissenschaftliche und technologische Innovationen in Bereichen wie Bau, Energie und Umweltstudien erfassen; der Preis für Rechtsstaatlichkeit soll die Prinzipien fördern, dass alle Menschen von Geburt an gleich sind und alle Menschen, Nationen und internationalen Organisationen entsprechend regiert werden sollten, um den Frieden zu wahren und die Menschenrechte zu schützen.

Auf Bambusleisten geschriebene Han-chinesische Schriftzeichen wie in altertümlichen chinesischen Büchern. Der Tang-Preis wird auch Leistungen in Sinologie und drei anderen Bereichen würdigen. (Foto: Chen Mei-ling)

Die Tangpreis-Stiftung hat ein Abkommen mit der Academia Sinica unterzeichnet, das die renommierte Forschungsorganisation mit den Aufgaben betraut, den Nominierungsablauf zu lenken und die Gewinner des neuen Preises auszuwählen. Nach Auskunft der Academia Sinica wird das Auswahlsystem sich insofern am Stil der Nobelpreise orientieren, als das Auswahlkomitee qualifizierte Personen oder Institutionen bitten wird, Nominierungen vorzulegen. Angesichts der Bedeutung des neuen internationalen Preises haben Vertreter der Academia Sinica versprochen, ihr Bestes zu tun, um ein reibungsloses Arbeitsverhältnis mit der Stiftung zu gewährleisten.

Auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Tang-Preises wies Wong Chi-huey (翁啟惠), der Präsident der Academia Sinica, darauf hin, dass viele der Gelehrten in seiner Institution hohes Ansehen in einem weiten Bereich von Feldern im In- und Ausland gewonnen haben, weswegen die Academia Sinica eine verantwortungsbewusste Wahl für das Preiskomitee ist. „Wir werden einheimische und ausländische Experten aus verschiedenen Bereichen auffordern, ein Auslesekomitee zu bilden, um eine gewissenhafte und objektive Wahl der ursprünglichsten und einflussreichsten Forscher oder Organisationen aus den vier Hauptfeldern zu treffen und dadurch allmählich die internationale Glaubwürdigkeit des Tang-Preises aufzubauen“, erklärte Wong.

Einfluss der Academia

Als einer der international führenden Genomforscher zählt Wong nach allgemeiner Auffassung zu den taiwanischen Wissenschaftlern, denen man die besten Chancen zuschreibt, in Zukunft einen Nobelpreis zu erhalten. Als Nachfolger von Lee Yuan-tseh (李遠哲), der 1986 gemeinsam mit Dudley R. Herschbach und John C. Polanyi den Nobelpreis für Chemie erhalten hatte, wurde Wong im Jahre 2006 Präsident der Academia Sinica. Lee dient heute als Präsident des Internationalen Wissenschaftsrates in Paris und war bei der Ankündigung des Tang-Preises anwesend. Bis März dieses Jahres umfasste die Academia Sinica in den Reihen ihrer Ehren-Akademiemitglieder auf Lebenszeit über 260 Persönlichkeiten aus den Geisteswissenschaften, Biowissenschaften, der Mathematik, Physik und Sozialwissenschaften, nicht eingerechnet waren dabei die vielen talentierten Forscher, die mit der Institution verbunden sind.

Ab Mai dieses Jahres konnten Nominierungen beim Tangpreis-Auswahlkomitee eingereicht werden, die letzten Nominierungen werden im September entgegengenommen. Die Preisträger wird die Tangpreis-Stiftung am 18. Juni 2014 bekanntgeben, einem Datum, das aus einem besonderen Grund festgelegt wurde — an jenem Tag vor über 1300 Jahren hatte der erste Kaiser der Tang-Dynastie den Thron bestiegen.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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