05.05.2024

Taiwan Today

Gesellschaft

Grüne Juwelen

01.09.2013
Nach anfänglichem Protest gegen die Bestimmungen, die der Nationalpark Kenting verfügte, ist Tsai Cheng-rong (mit Stock) mittlerweile als einer der Ökotour-Führer im Park tätig. (Foto: Courtesy Tsai Cheng-rong)
Als im September 2010 die namhafte Berghütte „Paiyun Lodge“ (排雲山莊) im Yushan-Nationalpark für Renovierungen geschlossen wurde, musste die Mehrheit von Taiwans Gipfelstürmern den Traum, auf dem Gipfel des Jadeberges (Yushan) zu stehen, vorübergehend aufgeben. Mit 3952 Metern ist der Yushan der höchste Berg Taiwans und auch Ostasiens östlich des Himalaya. In diesem Sommer flammte das Yushan-Gipfelfieber stärker auf als zuvor, als Paiyun Lodge am 20. Juli wiedereröffnet wurde. Viele Jahre lang bot dieses auf 3400 Metern Höhe gelegene Gästehaus Bergwanderern Unterkünfte für Übernachtung, so dass sie anschließend frühmorgens für den letzten Abschnitt zum Gipfel aufbrechen konnten.

Die Renovierungsarbeiten an der Berghütte hatten das Ziel, das Besuchererlebnis dort zu verbessern und gleichzeitig die Umwelt zu schützen. In der Paiyun-Berghütte werden nun Speisen serviert, wogegen in der Vergangenheit die Bergwanderer ihre eigene Verpflegung hoch im Bergland mitführen mussten. „Der Speiseservice ist umweltfreundlicher“, kommentiert Lin Ling, Expertin in der Nationalparkabteilung (National Parks Division, NPD) des Bau- und Planungsamtes (Construction and Planning Agency, CPA) im Innenministerium. „Früher haben viele Bergwanderer ihre Überbleibsel zusammen mit Plastikbeuteln für das Essen einfach in den Bergen weggeschmissen. Dank des neuen Service werden wir künftig deutlich weniger mit dieser Unsitte zu kämpfen haben.“

Der Drahtseilakt des Yushan-Nationalparks, den Bedürfnissen von Besuchern Rechnung zu tragen und gleichzeitig Schäden für die Umwelt zu verhüten, ist ein üblicher Zwiespalt in Nationalparks in Taiwan und dem Rest der Welt. Seit der Gründung des Nationalparks Kenting, dem ersten Nationalpark der Republik China, an Taiwans Südspitze im Jahr 1984 haben die Verantwortlichen in den inländischen Nationalparks sich bemüht, Wege zu finden, die Auswirkungen menschlichen Treibens auf empfindliche und seltene ökologische Systeme, Landschaften und Lebensräume mit hoher Biovielfalt zu begrenzen.

Taiwans acht Nationalparks machen 8,59 Prozent der Landfläche aus. Sechs der Parks liegen auf der Insel Taiwan, die anderen beiden auf vorgelagerten Inseln. Der 1985 in Zentraltaiwan eingerichtete Yushan-Nationalpark ist im Hinblick auf Landfläche mit 105 490 Hektar der größte Nationalpark. Am abgelegensten ist der Nationalpark Dongsha-Atoll, ein Meeresgebiet mit einem kreisförmigen Korallenriff im Südchinesischen Meer, das auch unter dem Namen „Pratas-Inseln“ bekannt ist und sich ungefähr 450 Kilometer südwestlich der südtaiwanischen Hafenstadt Kaohsiung befindet. Der Nationalpark Dongsha-Atoll war 2007 ins Leben gerufen worden und ist Taiwans einziger Nationalpark, dessen Oberfläche überwiegend aus Wasser besteht — von den 353 668 Hektar des Nationalparks sind lediglich 174 Hektar Landmasse.

Der Taijiang-Nationalpark, der jüngste Nationalpark der Republik China, war 2009 an der Südwestküste gegründet worden und umfasst ein Schutzgebiet für den Schwarzgesichtigen Löffelreiher (Platalea minor), eine bedrohte Wasservogelart. „Dass die Zahl der Nationalparks zunimmt, ist eine gute Sache“, lobt Hsu Yi-chung, Professor an der Abteilung für Tourismus-, Erholungs- und Freizeitstudien der National Dong Hwa University im osttaiwanischen Hualien, die anhaltende Entwicklung des Parksystems.

Die Parks werden mit den strengen Schutzbestimmungen des 1972 verkündeten Nationalpark-Gesetzes reguliert. Nach den Klauseln des Gesetzes kann man den Raum in einem Nationalpark als einen von fünf Arten von Verwaltungszonen betreiben. Ökologisch geschützte Gebiete unterliegen dem höchsten Grad von Umweltschutz, gefolgt von Landschaftsgebieten, die wesentliche und unersetzliche natürliche Merkmale aufweisen, und anschließend Erholungsgebiete, wo Freizeiteinrichtungen gebaut werden dürfen und begrenzte Nutzung von Ressourcen gestattet ist. Der Zweck von Kulturerbe-Schutzgebieten ist nicht Umweltschutz, sondern eher die Bewahrung von Stätten und Monumenten mit historischem Wert. Vorhandene Nutzungsgebiete wiederum umfassen das Land und die Wasserressourcen eines Parks, die zu keinen anderen Verwaltungsgebieten gehören, und dort können sich auch Wohnstätten und Siedlungen befinden.

Das Nationalparkgesetz verwehrt Besuchern Zugang zu ökologisch geschützten Gebieten in Nationalparks, Ausnahmen werden nur Forschern und dem Nationalparkpersonal gewährt. Dort dürfen auch keine Bauten errichtet werden, außer für Parkverwaltung, öffentliche Sicherheit und Forschung. In dem empfindlichen gebirgigen Umfeld des Yushan-Nationalparks zum Beispiel machen ökologisch geschützte Gebiete 71,4 Prozent der Parkfläche aus, vorhandene Nutzungsgebiete 24,8 Prozent, Landschaftsgebiete 3,3 Prozent, Kulturerbe-Schutzgebiete 0,27 Prozent und Erholungsgebiete 0,23 Prozent. In jedem Nationalpark des Taiwangebietes wurden ökologische Schutzgebiete eingerichtet, mit Ausnahme des Kinmen-Nationalparks, der vor allem deswegen gegründet worden war, um den historischen Kriegsschauplatz und kulturelle Schätze zu schützen.

Der Nationalpark Dongsha-Atoll verfolgt das Ziel, eines der führenden Meeresforschungszentren der Welt zu werden. (Archivfoto)

Schutz von Tier- und Pflanzenarten genießt hohe Priorität in Taiwans Nationalparksystem, und auf die geleisteten Anstrengungen ist man zudem recht stolz. Das CPA verweist zum Beispiel auf Bemühungen zur Wiederherstellung von Lebensräumen — etwa des Hengchun-Vogelflügelfalters (Troides aeacus kaguya) im Kenting-Nationalpark, des Formosa-Salamanders (Hynobius formosanus) und des Formosa-Binnenlachs (Oncorhynchus masou formosanus) im Nationalpark Shei-Pa, sowie der Zugvogelart Madagaskar-Spint (Merops superciliosus) im Nationalpark Kinmen — als Schlüsselfaktoren beim erfolgreichen Schutz dieser Arten.

Gleichzeitig wurde der größte Teil der Forschung über den Formosa-Schwarzbär (Ursus thibetanus formosanus) im Yushan-Nationalpark und über den Formosa-Sambahirsch (Cervus unicolor swinhoei) im osttaiwanischen Taroko-Nationalpark durchgeführt. Beide Arten sind in den drei taiwanischen Nationalparks mit Hochgebirgsökologie anzutreffen, also Yushan, Taroko und Shei-Pa.

Die ersten Workshops, welche Vertreter der Verwaltungen aller drei Parks zusammenbrachten, um den Schutz des Formosa-Schwarzbären und des Formosa-Sikahirsches zu erörtern, fanden im vergangenen Jahr statt. „Der Austausch zwischen den drei Parks soll zu einheitlicheren Methoden beim Schutz der beiden Arten führen“, legt Lin dar.

Gleichzeitig ist der Schutz der natürlichen Meeresschätze am Dongsha-Atoll angelaufen. Nach Auskunft von Hsu Shao-liang, Sekretär der Meeres-Nationalparkzentrale (Marine National Park Headquarters, MNPH), die sich in der Stadt Kaohsiung befindet und für die Verwaltung des Nationalparks Dongsha-Atoll zuständig ist, hat der globale Anstieg der Meerestemperaturen im Jahr 1998 den Korallen im Park erheblichen Schaden zugefügt. Zerstörerische Fischereimethoden, derer sich zahlreiche Fischer aus Festlandchina und anderen Ländern bedienen, haben sich gleichfalls abträglich auf das Atoll ausgewirkt, geißelt er.

Der Verwaltungsschwerpunkt für Dongsha liegt eindeutig auf Umweltschutz, da es im Nationalpark an Unterkünften und Frischwasser mangelt, die man für einen konstanten Zustrom von Touristen bräuchte. Infolgedessen sind Besuche auf jährlich zwei Gruppen mit je 25 Studierenden beschränkt.

Seit der Einrichtung des Nationalparks Dongsha-Atoll im Jahr 2007 wechseln sich neun hauptamtliche Beschäftigte zum Einsatz dort ab, Riffe werden beobachtet und wiederhergestellt, und man assistiert den Schiffen von der Küstenwachenverwaltung (Coast Guard Administration, CGA) der Republik China bei dem Bemühen, Fischerboote davon abzuhalten, das Atoll zu beschädigen. Diese Arbeit scheint sich auszuzahlen, denn Hsu Shao-liang hat festgestellt, dass die Korallenriffe von Dongsha sich langsam aber stetig erholen. Der Nationalpark verfolgt das Ziel, eigene Schutz- und Wiederherstellungs-Erfahrungen zu sammeln und ein international bedeutendes Meeresforschungszentrum zu werden, ergänzt er.

Ökologische Auswirkungen

Unangemessene Entwicklung ist eine der maßgeblichsten Bedrohungen für die Tiere, Pflanzen und außergewöhnlichen Landschaften in Taiwans Nationalparks. Ein Beispiel der jüngeren Zeit, dem in den Medien viel Beachtung geschenkt wurde, war die Entwicklung des Yoho Beach Resorts, einer großen privaten Ferienanlage in einem vorhandenen Nutzungsgebiet des Kenting-Nationalparks. Yoho ist seit 1999 in Betrieb, doch im Mai dieses Jahres brachte ein Medienbericht an den Tag, dass die Anlage nie einer Einschätzung über die Auswirkungen auf die Umwelt (Environmental Impact Assessment, EIA) unterworfen worden war, die für alle kommerziellen und industriellen Entwicklungen in Nationalparks Vorschrift ist. Seit die Sache ans Licht kam, stehen die Kreisverwaltung Pingtung, die Verwaltung des Nationalparks Kenting und die Umweltschutzverwaltung (Environmental Protection Administration, EPA) — eine Behörde in Ministeriumsrang — in der Kritik, sich nicht energisch der Angelegenheit angenommen zu haben.

Andere wie Jenner Lin, Generalsekretär der Wildnis-Gesellschaft, einer Nichtregierungs-Umweltschutzorganisation, die seit 1995 ihren Sitz in Taipeh hat, stellen die Frage, ob Entwicklungsprojekte wie Yoho in Nationalparks überhaupt jemals passend seien. „Wir besuchen einen Nationalpark, um der Natur nahe zu sein, nicht weil wir in einem Luxushotel wohnen wollen“, meint er. „Das muss die Öffentlichkeit lernen.“

Der Yushan-Nationalpark wurde 1985 gegründet, ist von der Fläche her der größte Nationalpark Taiwans und auch weist den höchsten Gipfel in Ostasien auf. (Foto: Cheng Yuan-ching)

Seit die Yoho-Kontroverse in Gang kam, hat die EPA Lokalverwaltungen im ganzen Land angewiesen, nach Fällen zu suchen, bei denen Bauträger Anlagen errichteten, ohne sich die vorgeschriebene EIA-Genehmigung zu besorgen. Diese Weisung erstreckt sich auf sämtliche Orte, wo EIAs erforderlich sind, darunter Nationalparks, und könnte damit diesen Parks als weiterer Schutzwall gegen Entwicklung dienen. „Der Fall Yoho ist möglicherweise ein Ausgangspunkt für Fortschritt, ein Ereignis, das den staatlichen Sektor dazu anregen kann, bei der Aufsicht bessere Arbeit zu leisten“, sinniert Hsu Yi-chung.

Die Menschen, die in einem Nationalpark wohnen, haben sich dagegen in der Vergangenheit immer wieder mit der Nationalparkverwaltung über das streiten müssen, was die Bewohner als drakonische Beschränkungen betrachten. Zwar bleiben Meinungsverschiedenheiten, aber die Nationalparks haben mehrfach mit Erfolg Versuche unternommen, die Beziehungen mit den Anwohnern zu verbessern, von denen die überwiegende Mehrheit in einem vorhandenen Nutzungsgebiet lebt. Im Kenting-Nationalpark zum Beispiel, wo über 20 000 Menschen wohnen (mehr als in den anderen Nationalparks im Taiwangebiet), wurde ein besseres Verhältnis mit den Gemeinden in Sheding und einigen anderen Gebieten in den Grenzen des Nationalparks aufgebaut. Tsai Cheng-rong, ein Meinungsführer in Sheding, stand in den achtziger Jahren an der Spitze heftiger Proteste von Anwohnern gegen die Parkverwaltung. Ein besonderer Stein des Anstoßes war die zwangsweise Beschlagnahme von Ackerland, das Bewohner der Gemeinde von der Kreisverwaltung Pingtung geleast hatten, freilich wurden die Bauern für ihre Verluste entschädigt. Das beschlagnahmte Land wurde später in eine pädagogische Zone umgewandelt, wo Führer die einzigartigen Arten im Park vorstellen.

Vor sieben Jahren begann die Parkverwaltung damit, auf die Bürger von Sheding zuzugehen, indem man ihnen half, Ökotouren für Besucher zu organisieren. Heute stehen 14 Führer, einschließlich Tsai und seine Frau, für Besucher bereit, die mehr über die Tiere und Pflanzen im Nationalpark erfahren möchten. Unternehmen in Sheding, unter ihnen Unterkunftsanbieter und Restaurants, haben laut Tsai ebenfalls von der Entwicklung von Ökotourismus profitiert. Tatsächlich berät er heute den Park bei Umweltschutzerziehung und Ökotourismusentwicklung. „Ich habe eine Partnerschaft mit der Parkverwaltung aufgebaut“, berichtet er und fügt hinzu, dass fünf weitere Nachbargemeinden, nachdem sie den Erfolg von Sheding wahrnahmen, selbst Ökotourismus-Führerdienste einrichteten.

Ein weiteres Beispiel ist die Gemeinde Sibao im Taroko-Nationalpark, wo sich die Bewohner und die Parkverwaltung hinsichtlich der Bestimmungen über Landnutzung früher uneins waren. Ab dem Jahr 2010 traf der Park mit der Tse-Xin-Stiftung für biologische Landwirtschaft vertragliche Vereinbarungen, drei Haushalten in Sibao beim Umsteigen auf den Anbau biologischen Gemüses zu helfen. Die Verwaltung ermuntert Bauern, biologische Pflanzen anzubauen, damit chemische Insektenvertilgungsmittel und Dünger nicht weiter der Umwelt des Parks schaden. „Diese Nationalparks haben die Pflicht, gute Beispiele zu setzen, welche die Öffentlichkeit über umweltfreundliche Praktiken erziehen“, versichert Lin Ling. Biologischer Anbau wird nun von sieben weiteren Haushalten praktiziert. Angesichts dieses Erfolges arbeitet die Parkverwaltung daran, biologische Anbautechniken in benachbarten Dörfern einzuführen.

Ansichten kundtun

Die Bewohner von Nationalparks haben mittlerweile mehr Gelegenheiten, gegenüber den für die Aufsicht über die Nationalparks Verantwortlichen ihre Meinungen zu äußern. Das Nationalparkgesetz zum Beispiel sieht vor, dass ein Nationalpark alle fünf Jahre einer gründlichen Prüfung unterzogen werden sollte. Seit kurz nach der Jahrtausendwende sind die Prüfungsausschüsse verpflichtet, Beamte der Lokalverwaltungen als Vertreter der Anwohner zu den Konferenzen einzuladen, an denen vorher nur Experten und Angehörige der Zentralregierung teilnahmen.

Im Jahr 2005 wurden die Beiträge von Anwohnern beim Nationalparkbetrieb weiter vermehrt, als das Grundgesetz der Ureinwohnervölker verkündet wurde, in dem es heißt, die Gründung eines neuen Nationalparks, wo ein Teil des Gebiets als „Ureinwohnersiedlungen“ klassifiziert wurde, solle von den örtlichen Ureinwohnern gebilligt werden, und die Ureinwohner sollten zudem an den Mechanismen zur Parkverwaltung beteiligt werden. Im Jahr 2009 kündigte das Innenministerium Regelungen an, welche die Gründung von Komitees aus Experten, Regierungsvertretern und Ureinwohner-Anwohnern vorsehen, die für die Verwaltung von Nationalparks mit Ureinwohnersiedlungen zuständig sind. Laut diesen Regelungen sollen Ureinwohner nicht weniger als 50 Prozent der Sitze eines solchen Komitees einnehmen. Bis dato haben vier Nationalparks mit Ureinwohnersiedlungen solche Verwaltungskomitees eingerichtet.

Eine Bäuerin aus der Gemeinde Sibao im Taroko-Nationalpark. Die seit 2010 laufende Arbeit des Parks, biologische Landwirtschaft in Sibao einzuführen, hat das Verhältnis mit den Anwohnern verbessert. (Foto: Courtesy Taroko National Park)

„Es ist heute nicht mehr so einfach wie früher, einen Nationalpark zu gründen“, weiß Hsu Shao-liang. „Neben der Durchführung von Ressourcen-Studien muss man nun mit den Anwohnern kommunizieren und Beziehungen mit ihnen aufbauen.“ Die MNPH etwa hat angeregt, einen neuen Nationalpark im südlichen Teil der Penghu-Inselgruppe in der Taiwanstraße ins Leben zu rufen. Der Anstoß kam durch die Aufnahme der Penghu-Bucht in den in Frankreich ansässigen Klub „Die schönsten Buchten der Welt“ im vergangenen Jahr. Um Anregungen für den vorgeschlagenen Nationalpark, der vier Inseln und ihre umliegenden Gewässer umfassen würde, zu sammeln, hat die Behörde 17 Konferenzen mit Anwohnern und Umweltschützern organisiert. „Angehörige der Öffentlichkeit haben ein stärkeres Bürgerbewusstsein und auch die Fähigkeit entwickelt, ihre Meinungen zu artikulieren“, bemerkt Hsu Shao-liang. „Es ist unwahrscheinlich, dass es mit dem Nationalpark vorangeht, bis alle Beteiligten einen Konsens erzielt haben, doch langfristig ist das besser so.“

Nachdem die MNPH ihre Durchführbarkeitsstudie für den angeregten Penghu-Park vollendet hat, wären die nächsten Schritte laut Hsu Shao-liang eine Bewertung des Nationalpark-Planungskomitees im CPA und eine Prüfung durch den Exekutiv-Yuan (行政院), also Taiwans Regierungskabinett oder Ministerrat. Er glaubt, es bestünden gute Chancen, dass der Penghu-Vorschlag im kommenden Jahr oder so genehmigt werden könnte. Wenn der neue Park in Betrieb genommen wird, dann wäre die MNPH die einzige Behörde in Taiwan, die mehr als nur einen Nationalpark verwaltet. Abgesehen von Penghu prüft MNPH zur Zeit außerdem die Möglichkeit, drei weitere Nationalparks zu gründen, die sich auf Inseln und ihre umliegenden Gewässer konzentrieren. Einer dieser neuen Parks hätte die Grüne Insel (綠島) als Zentrum, ein anderer die Orchideeninsel (蘭嶼), die sich beide vor Taiwans Südostküste befinden, der dritte Park würde aus drei unbewohnten Inseln vor Taiwans Nordostküste bestehen.

Es wird erwartet, dass ausgewählte Nationalparks bis Anfang 2014 zumindest einen Teil ihres eigenen Einkommens erzeugen, denn ab jenem Jahr werden von Besuchern Eintrittsgelder erhoben. Diesem Beispiel sollen am Ende alle Nationalparks folgen. Bislang können Besucher sämtliche öffentlich zugänglichen Zonen eines Nationalparks gratis betreten, wogegen in Festlandchina und in den USA Besucher normalerweise zahlen müssen, bevor man sie in Nationalparks einlässt. „Amerikanische Nationalparkverwalter sind recht überrascht, wenn sie erfahren, dass Nationalparks hier zu 100 Prozent von der Zentralregierung finanziert werden“, enthüllt Hsu Yi-chung und verweist auf das Beispiel des Yosemite-Nationalparks in Kalifornien, der Eintrittsgeld erhebt und Spenden von der Öffentlichkeit akzeptiert, zusätzlich zur Teilfinanzierung durch die US-amerikanische Bundesregierung.

Der Nutzer zahlt

Experten wie Hsu Yi-chung und Umweltschützer wie Jenner Lin sind energische Verfechter der Politik „der Nutzer zahlt“, weil dadurch die Auswirkungen menschlichen Treibens in den Parks zum Teil ausgeglichen werden können. Laut CPA gab es im Jahr 2010 in Taiwans Nationalparks insgesamt 16,7 Millionen Besuche von Touristen aus dem In- und Ausland, im vergangenen Jahr stieg diese Zahl auf 19 Millionen. Man rechnet mit einem anhaltenden Anstieg der Besuchszahlen, weil die Parks mehr Touristen von außerhalb verzeichnen, besonders aus Festlandchina. Leider führen mehr Besuche im Regelfall zu stärkeren Auswirkungen auf die Umwelt und zu einer schwereren Belastung der Parkverwaltungen. Das durch Eintrittsgelder erzeugte neue Einkommen würde man dazu benutzen, die Umwelt zu säubern, Anlagen zur Bewältigung von Andrang aufzubauen und Ausrüstung zu warten. Nach Lin Lings Worten werden die Einkünfte aus den Eintrittsgeldern in einen allgemeinen Fonds fließen, der unter den acht Nationalparkverwaltungen aufgeteilt wird. Der Anteil, den ein Park erhalten wird, hängt nicht nur von der Besucherzahl dort ab, sondern auch von den Bedürfnissen für Finanzierung von Sonderprojekten, fügt sie hinzu.

Gleichzeitig wird die laufende Umgestaltung der Zentralregierung zu einer Aufwertung führen, die es der Nachfolgeorganisation von NPD, also dem Nationalparkdienst (National Park Service, NPS), einfacher machen sollte, seine Aufgabe zu erfüllen. Gegenwärtig ist NPD eine Behörde der vierten Klasse unterhalb des Exekutiv-Yuan, des Innenministeriums und CPA. Anfang 2014 soll indes ein neues Ministerium entstehen, das voraussichtlich den Namen „Ministerium für Umwelt und Naturschätze“ tragen wird. NPS soll NPD ablösen, und die umbenannte Einheit wird in der Behördenhierarchie eine Stufe aufrücken, da sie direkt dem neuen Ministerium unterstehen wird und nicht einer untergeordneten Behörde dazwischen. Die Status-Aufwertung soll NPS helfen, mit anderen Regierungsbehörden der dritten Klasse zu kommunizieren, was bei Parkangelegenheiten die Koordination zwischen ihnen vereinfacht. Die Aufwertung wird zudem die Fähigkeit von NPS stärken, sich gegen ökologisch fragwürdige Praktiken in Nationalparks zu stellen, die von anderen Regierungsbehörden vorgeschlagen würden, wirbt Hsu Yi-chung.

Die Aufgabe, einige der schönsten Flecken des Landes und die seltensten Arten vor Schaden zu bewahren, während man eine steigende Zahl von Besuchern begrüßt, ist ein schwieriges Unterfangen. Dennoch scheint Taiwans Nationalparksystem durch die neuen Vollmachten, die aus dem laufenden Regierungsumbau gewonnen werden, durch vermehrte Einkünfte aus Eintrittsgeldern und erweiterte Beiträge von den Anwohnern gut vorbereitet zu sein, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

(Deutsch von Tilman Aretz)


Natur für Stadtmenschen

Ou Cheng-shing, Direktor des Vorbereitungsbüros des Shoushan-Nationalnaturparks im Südwesten von Kaohsiung, vergleicht seinen Park häufig mit dem bekannten Yangmingshan-Nationalpark nördlich von Taipeh. „[Shoushan] liegt nicht so hoch und ist deutlich kleiner, ist aber für Naturfreunde aus der Stadt ebenso leicht erreichbar“, sagt er. Während beide Parks eine grüne, relativ natürliche Zuflucht für Stadtbewohner bieten, bedecken die Hügel und Bäume von Shoushan lediglich 1122,6 Hektar, der höchste Punkt liegt gerade mal 300 Meter über dem Meeresspiegel, wogegen die Fläche von Yangmingshan ungefähr zehn Mal so groß ist und der höchste Punkt auf 1120 Metern liegt.

In Taiwan gibt es zwar acht Nationalparks, doch Shoushan ist der erste, der das Wort „Natur“ in seinem Namen eingefügt hat. Die Ursprünge des Parks lassen sich bis 1997 zurückverfolgen, als Umweltschutzgruppen die Lokalverwaltung aufriefen, die natürliche Umgebung des Shoushan-Gebietes, welches den Hauptteil des heutigen Parks ausmacht und von den Anwohnern meist „Chaishan“ genannt wird, wiederherzustellen. Wu Den-yih (吳敦義), damaliger Bürgermeister von Kaohsiung und heute Vizepräsident der Republik China, reagierte auf den Appell der Gruppen, indem er die Kalkstein-Steinbrüche im Hauptteil von Shoushan und von Banpingshan — einem kleineren Teil des Parks nordöstlich von Shoushan — stilllegte.

Nach der Schließung der Steinbrüche wurde Wiederaufforstung in Angriff genommen, doch Umweltschutzgruppen forderten nach wie vor größeren Schutz für die Gegend. Während eines Besuches im Oktober 2009 durch Wu, zu jener Zeit Premierminister der Republik China, bat ihn Chen Chu (陳菊), seit Ende 2006 Bürgermeisterin von Kaohsiung, um seine Mithilfe bei der Einrichtung eines National-Naturparks. Mit Wus Beistand wurde das Nationalparkgesetz im November 2010 überarbeitet und erfasste fortan zwei Arten von Parks: Nationalparks und National-Naturparks. Verglichen mit Nationalparks wird ein National-Naturpark vom Gesetz als Nationalpark mit kleinerer Fläche oder geringeren natürlichen Ressourcen definiert. Shoushan hat zum Beispiel im Gegensatz zu sieben von acht Nationalparks im Taiwangebiet kein ökologisches Schutzgebiet vorgesehen.

Shoushan wurde im Dezember 2011 offiziell eingeweiht und wird wie reguläre Nationalparks derzeit von der Nationalparkabteilung im Innenministerium verwaltet. Das Vorbereitungsbüro des Parks soll erst nach der Einrichtung des neuen Ministeriums für Umwelt und Naturschätze Anfang 2014 in den Rang einer vollwertigen Parkverwaltung erhoben werden.

Nach Shoushans Beispiel werden in Zukunft wahrscheinlich weitere National-Naturparks eingerichtet, darunter vorgeschlagene Gebiete im Bergland des Bezirks Tucheng in New Taipei City und im Bezirk Meinong in Kaohsiung. Taiwans Städte sind zunehmend bereit, die Verwaltung von Berggebieten am Stadtrand wie Shoushan der Zentralregierung zu übertragen, um Entwicklung abzuwehren. „Das ist ein guter Trend, denn Lokalverwaltungen sind anfälliger für Druck durch örtliches Entwicklungsstreben auf Kosten von Umweltschutz“, urteilt Jenner Lin von der Wildnis-Gesellschaft.

Zwar sollte der Status eines National-Naturparks den Schutz eines Gebietes leichter machen, doch bei der Verwaltung eines Parks, der an oder in einem Stadtgebiet liegt, gibt es trotzdem einige Herausforderungen zu bewältigen. Lange Zeit haben in der Nähe von Shoushan lebende Bürger von Kaohsiung das Gebiet für Freizeitaktivitäten genutzt und die Umgebung verändert, indem sie da und dort Raststätten einrichteten, berichtet Ou, nach dessen Einschätzung bis zu 10 000 Menschen den Park unter der Woche betreten. „Nun bemühen wir uns, den ursprünglichen Zustand der Gegend wiederherzustellen, freilich geht das nicht von heute auf morgen.“

Im National-Naturpark Shoushan gibt es überdies das einzigartige Problem, wie man mit den dort lebenden Formosa-Makaken (Macaca cyclopis) umgehen soll — laut einer Studie des Vorbereitungsbüros beträgt die Population 1400 bis 1500 Exemplare. Seit langem werden die Makaken von den Menschen gefüttert, was nicht nur die Fressgewohnheiten der Affen veränderte und das ökologische Gleichgewicht der Gegend bedrohte, sondern die Primaten zudem dazu ermunterte, Besucher wegen Futter anzufallen. Seit der Park das Fütterungsverbot für Makaken im April dieses Jahres mit Geldstrafen aktiv umzusetzen begann, sieht man nach Ous Beobachtung nur noch selten Touristen, welche diese Tiere füttern, wodurch sich die Zahl der Attacken vermindern sollte.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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