27.04.2024

Taiwan Today

Politik

Gelebte Demokratie

18.02.2016
Am 16. Januar 2016 beschlossen die Bürger der Republik China an der Wahlurne, das höchste Amt im Staat an die Vorsitzende der Demokratischen Progressiven Partei (DPP) Tsai Ing-wen zu vergeben. Tsais Sieg mit 56,1 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen ging mit einer Neu-Ausrichtung der politischen Macht im Legislativ-Yuan, also Taiwans Parlament, einher. Dort gewann die DPP eine absolute Mehrheit der Sitze und stellt damit erstmals in der Geschichte der Republik China die regierende Mehrheitspartei. Die jüngsten Wahlen ebneten den Weg für den dritten Machtwechsel in Taiwan nach 2000 und 2008. Abgesehen vom Wechsel der Regierungspartei von der Nationalen Volkspartei (Kuomintang, KMT) zur DPP bedeutet Tsais Sieg einen weiteren historischen Meilenstein, weil mit ihr erstmals eine Frau Staatsoberhaupt der Republik China wird.

Tsai gelobte, nach ihrer Amtseinführung am 20. Mai die Infrastruktur des Landes weiter zu entwickeln, die Wirtschaft durch Ausbau der Handelsbeziehungen mit Südostasien anzukurbeln und das Wohlstandsgefälle zu vermindern. Im Hinblick auf die Beziehungen über die Taiwanstraße bemerkte die designierte Präsidentin nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses gegenüber Angehörigen der internationalen Medien, man werde „gemäß dem Willen und des Konsens der Taiwaner daran arbeiten, den Status Quo für Frieden und Stabilität über die Taiwanstraße aufrechtzuerhalten, um so den größten Nutzen und Wohlergehen für die Taiwaner zu erzielen“.

Daneben will Tsai darauf beharren, Taiwans Rolle in der globalen Gemeinschaft weiter zu stärken. „Taiwan ist bereit, sich an internationalen Anstrengungen zur Zusammenarbeit zu beteiligen und den gleichen Nutzen zu ernten und die gleichen Pflichten zu schultern wie unsere Partner in aller Welt“, sagte sie am Abend des 16. Januar zu den Medienvertretern.

Bei der Parlamentswahl erhielt die DPP durch ihren Triumph ein machtvolles Mandat und gewann 68 der 113 Sitze im Legislativ-Yuan, wogegen die KMT sich mit 35 Sitzen begnügen musste. Trotz der Dominanz in der Volksvertretung hat Tsai versprochen, dass die DPP mit anderen politischen Parteien zusammenarbeiten und einen Rahmen zum Besprechen wichtiger politischer Maßnahmen aufbauen möchte. Außerdem sollte vermerkt werden, dass ein nicht unwesentlicher Anteil der Wähler für die so genannte Dritte Kraft stimmte, also politische Gruppierungen, die nicht direkt an die Regierungspartei oder Minderheitsparteien ausgerichtet sind. Die New Power Party (NPP), die Anfang vergangenen Jahres als Forum für jugendlichen Aktivismus gegründet worden war, hat nun die Gelegenheit, zur Entwicklung des Landes beizutragen. Die aufstrebende Organisation gewann drei Wahlkreise und zwei der über Parteienproporz für politische Gruppierungen mit mehr als 5 Prozent der Wählerstimmen vergebenen Mandate. Der Aufstieg von Organisationen wie der NPP belegt die robuste, pluralistische Demokratie der Republik China.

Freedom House, eine 1941 gegründete und in den USA ansässige Nichtregierungsorganisation, welche Freiheit, politische Rechte und Bürgerfreiheiten untersucht und fördert, stuft Taiwan als frei ein. In einer Studie über die politische Landschaft in Taiwan, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, beschrieb Freedom House ein Mehrparteiensystem mit lebhaftem Wettbewerb, in dem „Oppositionsparteien ohne Störung funktionieren können“. Durch die jüngsten Wahlen hat die Republik China wieder einmal anderen Ländern in der Region und der Völkergemeinschaft vorgeführt, dass sie zu den freiesten Ländern der Welt zählt. Die designierte Präsidentin Tsai Ing-wen hat gelobt, das Land in diesem Geist der Freiheit und Selbstbestimmung zu führen. „Ich werde gemeinsam mit den 23 Millionen Menschen in Taiwan voranschreiten. Zusammen werden wir die Herausforderungen meistern, denen dieses Land gegenübersteht. Wir werden durch eine Wahl nicht gespalten. Stattdessen werden wir wegen unserer Demokratie noch einiger werden.“

—Deutsch von Tilman Aretz
—Quelle: Taiwan Review, 02/01/2015 (Februar 2016, S. 1)
—Zuschriften an die Taiwan heute-Redaktion unter taiwanheute@yahoo.com

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