29.04.2024

Taiwan Today

Politik

Auf Größe setzen

01.01.2013
Der Shihmen-Stausee im Landkreis Taoyuan. Der See ist nicht nur wichtig für Bewässerung, Stromerzeugung und öffentliche Nutzung, sondern ist seit seiner Vollendung im Jahr 1964 auch ein beliebtes Ausflugsziel in Nordtaiwan. (Foto: Central News Agency)
Im August 2012 wurde dem Innenministerium der Republik China ein Gesuch von der Verwaltung des Landkreises Taoyuan (Taoyuan County Government, TCG) zur Prüfung vorgelegt, den administrativen Status des Landkreises zu dem einer regierungsunmittelbaren Stadt (直轄市) aufzuwerten. „Die administrativen Grenzen neu zu ziehen hat das Ziel, größere, effizientere Städte zu schaffen, indem man Ressourcen zusammenfasst, um dadurch die Wettbewerbsfähigkeit einer Region zu steigern und die regionale Entwicklung zu fördern“, begründet John Wu (吳志揚), Vorsteher des Landkreises Taoyuan. „Wir sind zuversichtlich, dass Taoyuan in allen Punkten soweit ist, diese Rolle zu spielen.“

Das Innenministerium leitete das Gesuch von der TCG an die zuständigen Behörden der Zentralregierung für vorläufige Prüfung weiter. Das Ministerium trug Einschätzungen aus den Behörden zusammen und schickte sie an den Exekutiv-Yuan der Republik China (行政院), also Taiwans Regierungskabinett oder Ministerrat, der dann binnen sechs Monaten das Gesuch durchzusehen und eine Entscheidung über eine etwaige Aufwertung zu treffen hatte. Am 23. November stimmte das Innenministerium dem Antrag, dem Landkreis Taoyuan den Status einer regierungsunmittelbaren Stadt zu gewähren, zu, am 3. Januar dieses Jahres folgte der Exekutiv-Yuan dieser Empfehlung. Damit steht fest, dass Taoyuan am 25. Dezember 2014 die sechste solche administrative Einheit in Taiwan wird und sich nun in den Monaten bis dahin auf den neuen Status vorbereiten kann.

Der Landkreis Taoyuan befindet sich an der Südgrenze von New Taipei City im Norden Taiwans und verdankt seinen Namen (/I>taoyuan 桃園 bedeutet auf Deutsch „Pfirsichgarten“) den vielen Pfirsichbäumen, die dort von frühen Zuwanderern gepflanzt worden waren. Heute sind die meisten Pfirsichbäume aufgrund der Wirtschaftsentwicklung verschwunden, und der Landkreis hat sich von einer ländlichen Agrargemeinde zu einem modernen Stadtgebiet gemausert. Dieses Wachstum wurde von einer Vielzahl von Faktoren vorangetrieben, darunter der Entwicklung des Internationalen Flughafens Taiwan Taoyuan (Taiwan Taoyuan International Airport, TTIA) in der Küstenebene, Taiwans Haupt-Zugangspforte zur Welt. Der Landkreis Taoyuan ist überdies dank seines reichen touristischen Angebots und eines guten Verkehrsnetzes ein beliebtes Ziel für Reisende in Nordtaiwan. Im Hinblick auf industrielle Leistung rangiert der Landkreis in Taiwan sogar auf Platz eins, Hersteller in 24 Industriegebieten erzeugen einen jährlichen Produktionswert in Höhe von 2,32 Billionen NT$ (61,05 Milliarden Euro). Im Jahr 2011 kamen in Taoyuan Steuereinkünfte von 168 Milliarden NT$ (4,42 Milliarden Euro) zusammen, dabei wurde der Landkreis von allen taiwanischen regierungsunmittelbaren Städten, Landkreisen und Städten auf Kreisebene nur noch von der Stadt Taipeh übertroffen.

Nach Wus Worten wird einer der größten Vorteile von Taoyuan im globalen Wettbewerb die geplante Taoyuan Aerotropolis sein, ein derzeit laufendes Projekt, das 2021 abgeschlossen sein soll. Dabei wird der TTIA vergrößert und zum Zentrum eines wachsenden Ringes von Städten, Unternehmen und Freizeitzonen. Am Schluss soll die Aerotropolis örtliche Arbeitskräfte, Lieferanten, Führungskräfte und Handelsware mit dem Weltmarkt verbinden, die Funktion als internationales Zugangstor zu Taiwan bleibt natürlich bestehen.

Bequem und vollständig

Der Landkreis Taoyuan verfügt bereits über eines der bequemsten Landverkehrssysteme des Landes, mehrere Autobahnen und Eisenbahnstrecken stellen Verbindungen zu anderen Teilen der Insel her. Dieses System wird bald noch vollständiger werden, wenn die Trasse der Schnellbahn (Mass Rapid Transit, MRT) von Taipehs Innenstadt zum TTIA im kommenden Jahr in Betrieb genommen wird. Taoyuan hat zudem Pläne für den Bau eines eigenen MRT-Systems entworfen, das 2021 eingeweiht werden soll. Das fertige System mit einer Länge von 29,3 Kilometern und 20 Haltestellen soll die Aerotropolis, den Bahnhof Taoyuan der Hochgeschwindigkeitseisenbahn und eine Umsteigestation zur MRT-Strecke von Taipeh zum TTIA erfassen.

Abgesehen vom Bau neuer Einrichtungen arbeitet der Landkreis Taoyuan aktiv an der Verbesserung seiner Infrastruktur für Informations- und Kommunikationstechnologie (Information and Communication Technology, ICT). Am Anfang stand 2004 ein Projekt für e-Verwaltung, das den Bürgern online Informationen und Dienstleistungen bietet. 2007 initiierte die Landkreisverwaltung dann das Projekt M-Taoyuan, das sich auf den Aufbau eines landkreisweiten drahtlosen Netzverbundes für Computer und mobile Geräte konzentriert, außerdem sollen dabei mit ICT staatliche Dienstleistungen wie Verkehrsbeobachtung oder Messung von Luftverschmutzung bereitgestellt werden.

Taoyuan ist dafür bekannt, über eines der bequemsten Verkehrsnetze der Insel zu verfügen. Die Autobahn 2, auf dem Bild von links oben nach rechts unten, verbindet den internationalen Flughafen Taiwan Taoyuan mit dem Formosa Freeway. (Foto: Central News Agency)

Inzwischen wirbt der Landkreis Taoyuan für sein Projekt I-Taoyuan, mit dem durch die Anwendung umweltfreundlicher Technologien Energie gespart, die natürliche Umgebung geschützt und ein besseres Umfeld für Leben und Geschäfte geschaffen werden soll. Das Projekt war so erfolgreich, dass die Landkreisverwaltung 2009 gleich zwei Mal vom Intelligent Community Forum (Forum intelligenter Gemeinden), einer Denkfabrik in New York, die globale ökonomische und soziale Entwicklungen studiert, geehrt wurde. Unter Hunderten von Kandidaten aus der ganzen Welt würdigte das Forum Taoyuan sowohl als Intelligente Gemeinde der Innovation als auch als Smart21-Gemeinde, also eine der 21 intelligentesten Gemeinden auf diesem Planeten. In den Jahren 2010 und 2011 schaffte der Landkreis es gleichfalls auf die Smart21-Liste.

Im Landkreis Taoyuan leben etwa 2,2 Millionen Menschen, verteilt über 13 Städte (市), städtische Gemeinden (鎮) und ländliche Gemeinden (鄉), samt und sonders selbstverwaltete Einheiten unter der Kreisverwaltung. In den jüngsten Jahren sind viele junge Bewohner aus Taipeh und New Taipei City, beides regierungsunmittelbare Städte mit stark steigenden Immobilienpreisen, wegen der niedrigeren Lebenskosten in den Landkreis Taoyuan gezogen. Die Immobilienpreise im Landkreis Taoyuan betragen zum Beispiel nur ein Viertel von denen in der Stadt Taipeh. Mit bequemen Autobahn- und Eisenbahnverbindungen, die das Pendeln erleichtern, mag es nicht überraschen, dass der Landkreis Taoyuan im Hinblick auf die Bevölkerungszahl eines der am schnellsten wachsenden Gebiete Taiwans geworden ist.

Wie andere Städte und Kreise in Taiwan erhält der Landkreis Taoyuan seine Einkünfte aus selbst eingetriebenen Steuern, Zuschüssen von der Zentralregierung und dem nationalen Steuer-Umverteilungsfonds. Taiwans Lokalverwaltungen sind stark von Einkünften aus dem Steuer-Umverteilungsfonds abhängig, und ein Grund, eine Aufwertung zur regierungsunmittelbaren Stadt anzustreben, ist der größere Finanzanteil, den jene aus dem Fonds einstreichen. „Das Problem an der Politik mit dem Steuer-Umverteilungsfonds ist, dass die regierungsunmittelbaren Städte stark begünstigt werden“, moniert Hoping Wang, Wissenschaftler in der Inlandsangelegenheiten-Sektion der Nationalen Politikstiftung, einer Denkfabrik in Taipeh. „Eine Handvoll regierungsunmittelbarer Städte nimmt sich ein großes Stück aus dem Kuchen, und viele Landkreise und Städte auf Kreisebene müssen sich den Rest teilen.“

Die ungleiche Verteilung der nationalen Finanzressourcen hat verständlicherweise zu häufigen Debatten geführt. Lokalverwaltungen beklagen, dass durch die Bevorzugung der regierungsunmittelbaren Städte im Steuer-Umverteilungsfonds das Land in zwei Klassen eingeteilt wurde — auf der einen Seite die reichen regierungsunmittelbaren Städte, auf der anderen Seite die armen Landkreise und Kreisstädte. „Die Bewohner der regierungsunmittelbaren Städte dürfen sich über einen dominanten Anteil an den Ressourcen freuen, doch die Menschen an anderen Orten werden ärmer und bekommen zunehmend das Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein“, geißelt Wang. „Mit Blick auf das größere Budget will jeder den Status einer regierungsunmittelbaren Stadt erlangen, sobald sich die Gelegenheit bietet.“

Abgesehen von einer gerechteren Verteilung der Einkünfte gibt es andere gute Gründe, regierungsunmittelbare Städte zu schaffen. Von einer Perspektive der nationalen Entwicklung aus gesehen können mehr regierungsunmittelbare Städte dazu beitragen, dass das Land die Herausforderungen durch die Globalisierung besser meistern kann, denn größere Städte mit mehr Ressourcen sind eher in der Lage, es mit internationaler Konkurrenz aufzunehmen. Vom Blickwinkel der lokalen Selbstverwaltung aus kann eine regierungsunmittelbare Stadt ein Gebiet effizienter verwalten als eine Ansammlung kleinerer Lokalverwaltungen. Mit den größeren Kompetenzen und Ressourcen einer regierungsunmittelbaren Stadt kann man beispielsweise Entwicklungsprojekte wirkungsvoller planen und umsetzen als bei individuellen Bemühungen von Städten, städtischen und ländlichen Gemeinden.

Trotz der Vorteile, die man mit dem Aufbau von mehr regierungsunmittelbaren Städten verbindet, verstrichen nach 1979, als Kaohsiung diesen Status erlangte, über dreißig Jahre, in denen keine neuen geschaffen wurden. Das änderte sich schließlich, als im April 2009 Novellierungen am Lokalverwaltungsgesetz vorgenommen wurden, damit Städte und Landkreise, die bestimmte Entwicklungskriterien erfüllten, durch Zusammenschlüsse oder Aufwertungen den Status einer regierungsunmittelbaren Stadt beantragen konnten. Nach der Verabschiedung dieser Gesetzesänderungen war der Landkreis Taoyuan einer von elf Städten und Landkreisen, die Gesuche einreichten, welche — wären sie alle gebilligt worden — die Bildung von sieben neuen regierungsunmittelbaren Städten nach sich gezogen hätten. Nach Durchsicht der Gesuche genehmigte der Exekutiv-Yuan die Aufwertung des Landkreises Taipeh zur regierungsunmittelbaren Stadt, die mit der Umbenennung zu „New Taipei City“ einherging, sowie die Zusammenschlüsse von der Stadt Taichung mit dem Landkreis Taichung und der Stadt Tainan mit dem Landkreis Tainan, mit gleichzeitiger Aufwertung. Daneben wurde die Ausweitung der vorhandenen regierungsunmittelbaren Stadt Kaohsiung durch Anschluss des Landkreises Kaohsiung gutgeheißen.

Ein Terminal am internationalen Flughafen Taiwan Taoyuan, der zur Zeit ausgebaut wird. Der Flughafen bildet den Kern für das Projekt Taoyuan Aerotropolis, das 2021 vollendet werden soll. (Foto: Central News Agency)

2009 war das Gesuch des Landkreises Taoyuan zurückgewiesen worden. Der Prüfungsausschuss des Exekutiv-Yuan war zu dem Schluss gekommen, dass der Landkreis über beachtliche Kultur- und Fremdenverkehrsressourcen verfüge und zudem eine blühende Wirtschaft und stabile Infrastruktur zu bieten habe, bei einer Rolle in Regionalpolitik und Förderung regionaler Entwicklung dagegen Defizite vorhanden seien. Der Ausschuss verwies auch darauf, dass der Landkreis Taoyuan etwas bevölkerungsschwächer als die anderen Antragsteller sei. Dieser Aspekt war freilich umstritten, denn der Zusammenschluss von Stadt und Landkreis Tainan wurde genehmigt, obwohl die Bevölkerung des dabei neu entstandenen Verwaltungsbereichs geringer war als die des Landkreises Taoyuan.

Die Reaktionen auf Taoyuans damals gescheiterten Versuch, regierungsunmittelbare Stadt zu werden, waren gemischt. Laut Chen Chao-chien, Dozent an der Abteilung für Öffentliche Angelegenheiten der Ming Chuan University in Taipeh und wohnhaft in Taoyuan, war Taoyuan abgesehen von der relativ geringen Bevölkerung von 1,96 Millionen Menschen gleichwertig oder sogar besser qualifiziert als erfolgreichere Bewerber, die „besonderen Anforderungen in ihrer politischen, ökonomischen, kulturellen und städtischen Entwicklung“ zu erfüllen, wie es das Lokalverwaltungsgesetz vorschreibt.

Andererseits findet Chen, die Ablehnung des Aufwertungs-Gesuchs 2009 sei für Taoyuan nicht unbedingt nur schlecht gewesen. Für Lokalverwaltungen, die eine Aufwertung zur regierungsunmittelbaren Stadt in Betracht ziehen, sei es wichtig, die Auswirkungen auf die Einkommensquellen genau unter die Lupe zu nehmen, denn obwohl regierungsunmittelbare Städte mehr Geld aus dem Steuer-Umverteilungsfonds kassieren mögen und über mehr Möglichkeiten als Verwaltungen auf niedrigeren Ebenen verfügen, Einkünfte zu erzeugen, haben sie auch höhere Ausgaben und müssen mit Einbußen von anderen Finanzierungsquellen der Zentralregierung rechnen. Zum Beispiel teilen sich bei Taiwans nationalem Krankenversicherungssystem (National Health Insurance, NHI) die Versicherten, die Arbeitgeber und die Lokalverwaltungen die Prämienzahlungen. Die Landkreisverwaltungen sind verpflichtet, nur für Landwirte, Fischer und Familien mit niedrigem Einkommen Beiträge zu leisten, wogegen regierungsunmittelbare Städte sich diesbezüglich um die gesamte Arbeitnehmerschaft in ihrem Verwaltungsgebiet kümmern müssen.

Abzüge bei den Finanzierungsquellen der Zentralregierung außerhalb des Steuer-Umverteilungsfonds betreffen die regierungsunmittelbaren Städte ebenfalls. Während eine Gemeinde in einem Landkreis bis zu 90 Prozent der Gelder für ein Entwicklungsprojekt direkt von der Zentralregierung erhalten kann, beträgt die Obergrenze für Finanzhilfen der Zentralregierung zu Entwicklungsprojekten von Bezirken regierungsunmittelbarer Städte 50 Prozent. Es ist wichtig für die Lokalverwaltungen, solche finanziellen Feinheiten sorgfältig abzuwägen, wenn man über den Status einer regierungsunmittelbaren Stadt nachdenkt. „Da gibt es viel zu rechnen“, weiß Wang.

Die gute Nachricht ist, dass die Änderungen am Gesetz über die Zuteilung von Staatseinkünften und –ausgaben bereits im Parlament erörtert werden. Es wird erwartet, dass die Veränderungen für einen gerechteren Modus bei der Verteilung von Staatsgeldern sorgen. Weniger gut ist wiederum die Nachricht, dass von einem reibungslosen Passieren der Gesetzesänderungen im Parlament keine Rede sein kann. Der Exekutiv-Yuan, die Oppositionsparteien und einzelne Abgeordnete schlugen ein Dutzend verschiedene Änderungen vor, doch welche Änderungen wann abgesegnet werden, steht in den Sternen.

Zwar war dem ersten Gesuch des Landkreises Taoyuan von 2009, zur regierungsunmittelbaren Stadt aufgewertet zu werden, kein Erfolg beschieden, doch Anfang 2011 gelang es dem Landkreis, einen Status zu erlangen, den man in staatlichen Begriffen als „quasi-regierungsunmittelbare Stadt“ (準直轄市) bezeichnet. Möglich wurde das durch eine im Mai 2007 verfügte Änderung am Lokalverwaltungsgesetz, laut der ein Landkreis, dessen Bevölkerung die 2-Millionen-Marke überschreitet — was bei Taoyuan im Juni 2010 der Fall war — den Status einer quasi-regierungsunmittelbaren Stadt erlangt. Außer Taoyuan gibt es derzeit keine anderen quasi-regierungsunmittelbaren Städte in Taiwan; der Landkreis Taipeh zählte ab Oktober 2007 zu dieser Klasse, bis er am 25. Dezember 2010 als New Taipei City zur regulären regierungsunmittelbaren Stadt aufgewertet wurde.

Die auf Pfeilern stehende Erweiterung der Sun Yat-sen-Autobahn vom Bezirk Wugu in New Taipei City nach Yangmei im Landkreis Taoyuan soll die häufigen Staus in dem Abschnitt lindern. (Foto mit freundlicher Genehmigung der Landkreisverwaltung Taoyuan)

Viele der Bestimmungen, die für regierungsunmittelbare Städte gelten, werden auch auf quasi-regierungsunmittelbare Städte angewandt. Für die TCG bedeutet dies, dass das bestehende System mit Verwaltungsbüros von Landkreis- und Gemeindeverwaltungen beibehalten wird, während man die meisten Zuständigkeiten für Personalmanagement, Verwaltung und Haushaltsangelegenheiten gewinnt, welche auch die regierungsunmittelbaren Städte innehaben. Unglücklicherweise hat der Quasi-Status für Taoyuan aber auch zur Folge, dass die Finanzierung geringer ist als das, was die regulären regierungsunmittelbaren Städte bekommen. Taoyuans Anteil am nationalen Steuer-Umverteilungsfonds als quasi-regierungsunmittelbare Stadt beträgt zum Beispiel laut Wu lediglich 70 Prozent von dem, was es als regierungsunmittelbare Stadt erhalten würde. Die 2012 für den Landkreis Taoyuan veranschlagten Gesamteinkünfte etwa beliefen sich auf 62 Milliarden NT$ (1,63 Milliarden Euro), bei Tainan, einer regierungsunmittelbaren Stadt mit einer geringeren Bevölkerung als Taoyuan, betrug diese Zahl dagegen 83 Milliarden NT$ (2,18 Milliarden Euro).

Mit dem Status einer quasi-regierungsunmittelbaren Stadt war das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, es handelte sich eher um eine Etappe auf dem Weg zum vollen Status einer regulären regierungsunmittelbaren Stadt. Nachdem 2011 der Quasi-Status erreicht wurde, begann Taoyuan sofort damit, sich auf den Rest des Weges vorzubereiten. Die nächsten größeren Meilensteine passierte man im April vergangenen Jahres, als die Kreisverwaltung ihr Aufwertungsgesuch vollendete und es dem Kreisrat zur Abstimmung vorlegte, im August 2012, als das Gesuch ans Innenministerium weitergeleitet wurde, und am 23. November, als das Innenministerium dem Antrag stattgab.

Gemischte Reaktionen

Während die Kreisverwaltung, der Kreisrat und die meisten Bürger sich begeistert die Vorteile ausmalen, welche die Aufwertung bringen soll, ist die Unterstützung für das Gesuch nicht einmütig. Nach Wus Einschätzung wird die größte Veränderung für Taoyuan nach einer offiziellen Aufwertung darin beruhen, dass die vormaligen Städte, städtischen und ländlichen Gemeinden administrativ in Bezirke umgewandelt werden, deren Vorsteher vom Bürgermeister ernannt werden. „Es wird keine Wahlen auf Bezirksebene geben, und die gegenwärtigen Vorsteher der Städte, städtischen und ländlichen Gemeinden sowie Bürgervertreter werden ihre Rolle in der Lokalpolitik verlieren“, enthüllt Wu. „Viele von ihnen sind seit langem oder sogar seit Generationen in der Lokalpolitik aktiv, deswegen ist es für sie schwer, das alles einfach aufzugeben und eine neue Laufbahn einzuschlagen.“

Um für die Vorteile der Aufwertung für Taoyuan zu werben, besuchte Wu alle 13 Städte, städtischen und ländlichen Gemeinden im Landkreis und erörterte dort die Angelegenheit mit Anwohnern und Lokalpolitikern. Die meisten Lokalpolitiker sehen die Notwendigkeit einer Aufwertung inzwischen ein, behauptet Wu, und fügt hinzu, er werde weiterhin mit den Skeptikern kommunizieren.

Wu ist zuversichtlich, dass Taoyuan für den Status einer regierungsunmittelbaren Stadt bereit ist. Vor dem positiven Bescheid im November waren Akademiker ebenfalls der Ansicht, dass Taoyuans Aussichten für eine Aufwertung günstig seien. Wang von der Nationalen Politikstiftung meinte, zwar gebe es gute Gründe hinsichtlich Wirtschafts-, Gesellschafts- und Regionalentwicklung, Taoyuan in den Rang einer regierungsunmittelbaren Stadt zu erheben, doch der entscheidende Faktor sei das Bevölkerungswachstum des Landkreises von 1,96 Millionen, der im Gesuch von 2009 aufgelisteten Zahl, zu den 2,02 Millionen im jüngsten Gesuch. Wang räumt ein, dass in absoluten Zahlen die zusätzlichen 60 000 Menschen wahrscheinlich nicht als große Zunahme betrachtet werden können, doch wenn es um politische Macht geht, sind 2 Millionen eine magische Zahl. „Bei der Schaffung einer regierungsunmittelbaren Stadt sind immer viele politische Erwägungen im Spiel, es geht nicht nur um das Neuziehen administrativer Grenzen“, klärt er auf. „Eine Bevölkerung von über 2 Millionen hat eine politische Bedeutung, die man nicht außer Acht lassen kann.“

(Deutsch von Tilman Aretz)

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