03.05.2024

Taiwan Today

Politik

Im Einklang mit globalen Standards

01.03.2013
Staatspräsident Ma Ying-jeou bei einer Ansprache zu Teilnehmern der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung von Taiwans erstem nationalen Menschenrechts-Berichtes auf der Grundlage von ICCPR und ICESCR im April 2012. (Foto: Central News Agency)
Während Demokratie und Menschenrechte historisch als unterschiedliche Konzepte betrachtet werden mögen, sind die beiden Begriffe zunehmend miteinander verflochten, weil sich die damit verbundenen Vorstellungen weiterentwickeln. In einer modernen Gesellschaft kann Demokratie nicht ohne Menschenrechte funktionieren, und die Erfahrung zeigt, dass Menschenrechte ohne Vorhandensein von Demokratie nicht garantiert werden können. Mit seinem wesentlichen Wachstum von Demokratie im Laufe der vergangenen Jahrzehnte nach weitreichenden politischen Reformen hat Taiwan bei seinen Menschenrechtsstandards ebenfalls Fortschritte gemacht.

Obwohl die Vereinten Nationen (United Nations, UN), ein entscheidendes Forum für die Entwicklung von internationalen Gesetzen und Standards zu Menschenrechten, der Republik China die Anerkennung verweigern, werden in Taiwan inländische Gesetze überprüft und überarbeitet, um Taiwans Praktiken bei Menschenrechten in Einklang mit UN-Standards zu bringen. Bei Frauenrechten zum Beispiel billigte der Legislativ-Yuan (立法院), also Taiwans Parlament, im Jahr 2007 das UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (United Nations Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, CEDAW) in Taiwan, im gleichen Jahr wurde das Gesetz vom damaligen Staatspräsidenten Chen Shui-bian (陳水扁) unterzeichnet. 2011 verabschiedete der Legislativ-Yuan das Gesetz zur Umsetzung von CEDAW, das im Jahr darauf in Kraft trat. „Die Bedeutung des Implementierungsgesetzes beruht darin, dass ein internationales Übereinkommen in ein Gesetz des Staates verwandelt wird“, unterstreicht Ho Bih-jen, Generalsekretärin der Nationalallianz von Taiwans Frauenverbänden. „Daraus ergibt sich, dass wir uns von der Förderung des CEDAW-Konzepts dahin bewegt haben, uns wirklich vor Gericht darauf berufen zu können.“

Ebenfalls im Jahr 2012 gründete der Exekutiv-Yuan (行政院), also Taiwans Regierungskabinett oder Ministerrat, die Abteilung für Gleichberechtigung der Geschlechter. Die neue Abteilung hat die Aufgabe, sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter und den Schutz der Menschenrechte von Frauen einzusetzen, und ihre Gründung ist ein Meilenstein bei Taiwans Streben, geschlechterbedingte Diskriminierung zu unterbinden.

Frauenrechte auf dem Arbeitsmarkt erfreuen sich mittlerweile dank mehrerer Änderungen am Gesetz über Gleichberechtigung der Geschlechter am Arbeitsplatz auch eines stärkeren Schutzes. Statistiken vom Rat für Arbeitnehmerfragen (Council of Labor Affairs, CLA) belegen, dass in den vergangenen Jahren weniger Firmen bei Entscheidungen über Leistungen für Angestellte das Geschlecht berücksichtigten. Die Anzahl der Unternehmen, bei denen das Geschlecht bei der Arbeitszuweisung eine Rolle spielte, fiel etwa von 40 Prozent im Jahr 2007 auf 30 Prozent im Jahr 2011, bei Entscheidungen über Versetzungen und Beförderungen sank die Zahl im gleichen Zeitraum von 5 auf 2 Prozent.

Als Staatspräsident Ma Ying-jeou (馬英九) im Mai 2008 in sein Amt eingeführt wurde, erklärte er seine Entschlossenheit, Taiwans Menschenrechtspolitik auf internationales Niveau zu heben, und nahm sich sofort der Aufgabe an, zwei UN-Übereinkommen zu ratifizieren und umzusetzen — den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights, ICCPR) sowie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, ICESCR). Beide wurden im März 2009 vom Legislativ-Yuan gebilligt, und Präsident Ma unterzeichnete die Ratifizierungsurkunden zwei Monate später. Tatsächlich hatte die Republik China als Gründungsmitglied der UN die beiden Pakte 1967 mit unterzeichnet, kann sich aber seit 1971, als der Sitz für die Vertretung Chinas in der UN verloren ging, nicht mehr an UN-Aktivitäten beteiligen.

Gemäß UN-Bestimmungen tritt ein ratifiziertes Übereinkommen in der Regel drei Monate, nachdem es in der Weltorganisation eingereicht wurde, in Kraft. Zwar wurde die Hinterlegung der Ratifizierungsdokumente aus der Republik China 2009 wegen der einzigartigen politischen Situation des Staates abgelehnt, aber der Legislativ-Yuan verabschiedete trotzdem ein Implementierungsgesetz, um die Inhalte der beiden Übereinkommen ins taiwanische Recht aufzunehmen.

Als nächstes wurde im Dezember 2010 das Menschenrechts-Beratungskomitee im Präsidialamt eingerichtet. Der damalige Vizepräsident Vincent Siew (蕭萬長) diente als erster Einberufer des Komitees, dessen Mitglieder Personen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund umfassen, die alle durch ihr Engagement für Menschenrechte bekannt wurden. Die Gruppe ist zuständig dafür, Anregungen zu wichtigen Menschenrechtsfragen zu formulieren, außerdem prüft das Komitee geltende Gesetze und Bestimmungen des Landes, um zu gewährleisten, dass sie den beiden Übereinkommen entsprechen.

Das Menschenrechts-Mahnmal auf der Grünen Insel vor Taiwans Südostküste umfasst eine Liste von politischen Gefangenen aus der Zeit des Kriegsrechts vor 1987, die in der Strafanstalt auf der Grünen Insel inhaftiert gewesen waren. (Foto: Central News Agency)

Eine weitere wichtige Aufgabe des Komitees ist die Erstellung eines Menschenrechtsberichts gemäß dem von den UN vorgegebenen Format, wie es in den Übereinkommen dargelegt ist. Das Dokument liefert detaillierte Daten über einen umfassenden Bereich von Menschenrechtsfragen — vom Schutz der Grundrechte bis zu Taiwans rechtlichem und politischen Rahmen, Meinungsfreiheit, Maßnahmen zur Eliminierung von Diskriminierung und Schutz für diverse benachteiligte Gruppen sowie Gesundheit, Bildung, Beschäftigung und zahlreiche weitere soziale Indikatoren. Zur Vorbereitung des ersten Berichts, der im April vergangenen Jahres vorgestellt wurde, hat man über 90 Konferenzen und öffentliche Anhörungen abgehalten, um eine Vielfalt von Meinungen zu sammeln. „Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, um die beiden UN-Übereinkommen ins Recht der Republik China aufzunehmen, waren nicht nur Kosmetik“, versicherte Präsident Ma während der Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts. „Sie sind vielmehr in der aufrichtigen Hoffnung durchgeführt worden, die Menschenrechtsstandards in Taiwan auf ein Niveau zu erhöhen, wie es sonstwo auf der Welt bekannt ist.“ Das Staatsoberhaupt betonte überdies, die Ratifizierung der Übereinkommen sei nur der Anfang, denn Taiwan müsse noch verschiedene Mechanismen und Regeln schaffen und diese anschließend anwenden, um die Menschenrechte im Land zu verbessern.

Der Nationalbericht über Menschenrechte hat drei Teile — das Kerndokument, das einen Teil der Berichte bildet, ferner die Umsetzung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, und Umsetzung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Eine englischsprachige Version des Berichts erschien im Dezember 2012. Bei einer Medienkonferenz zur Vorstellung der englischen Fassung sagte Ma, etwa 70 Prozent der Änderungen, die erforderlich seien, um Taiwans Gesetze in Einklang mit den Übereinkommen zu bringen, seien bereits vollendet. Exemplare der englischsprachigen Fassung wurden an mehrere internationale Fachleute für Menschenrechte geschickt. Zehn Menschenrechtsexperten und Gelehrte aus 10 Ländern besuchten Taiwan im Februar dieses Jahres, um sich ein Bild darüber zu machen, ob die Menschenrechtspraktiken des Landes die Standards der UN einhielten.

Als Reaktion gaben Covenants Watch — eine Koalition aus über 40 Bürgerinitiativen — und der Taiwan-Verband für Menschenrechte einen Monat nach Vorlage des Regierungsberichtes den Taiwan Human Rights Report 2011: Shadow Reports on the ICCPR and ICESCR from NGOs heraus. Es wurden nicht nur offenbare Beispiele von Menschenrechtsverletzungen aufgeführt, die im Bericht der Regierung fehlten, der Schattenbericht bemängelte überdies, dass in der offiziellen Version die zahlreichen allgemeinen Kommentare für die beiden Übereinkommen ausgelassen worden seien, in denen sich konkrete Interpretationen zu den Klauseln in den Verträgen finden.

Unterschiedliche Standpunkte

Nach Auffassung von Menschenrechtsaktivisten bekräftigt der Regierungsbericht lediglich statistische Aufzeichnungen, anstatt kritische Analysen zu bieten, die ein Licht auf die tatsächlichen Menschenrechtsverhältnisse hätten werfen können, oder konkrete Maßnahmen zur Verbesserung dieser Verhältnisse anzuregen. Nach den Ausführungen des Rechtsanwalts und Einberufers von Covenants Watch Kao Yung-cheng unterscheidet der Schattenbericht sich vom offiziellen Bericht, weil er Taiwans Menschenrechtssituation vom Blickwinkel der Zivilgesellschaft und nicht der Regierung aus repräsentiert. „Es gibt unterschiedliche Ansichten und Interpretationen, weil die Standpunkte verschieden sind“, sagt er. „Was auch immer beide Seiten zu sagen haben, es sollte gehört werden, bevor eine faire Bewertung durchgeführt werden kann.“ Die Aufsichtsgruppe plante, eine englischsprachige Version des Schattenberichts Fachleuten zur Verfügung zu stellen, die den Regierungsbericht prüfen.

Eine Angelegenheit, die im Bericht der Regierung behandelt wird und bereits Aufmerksamkeit erregte, sind die Rechte von Gastarbeitern. Ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen in den achtziger Jahren hatten zur Folge, dass Taiwan in bestimmten Branchen, darunter Fabrikation, Bauwesen und Fischerei sowie für Jobs als Pflege- und Hilfspersonal in Institutionen und Privathaushalten, ausländischen Arbeitskräften in großer Zahl Zugang gewährte. Laut CLA leben momentan etwa 425 000 ausländische Arbeitskräfte in Taiwan.

Wie in der Umsetzung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hervorgehoben, werden die Grundrechte der Gastarbeiter durch Taiwans Arbeitnehmergesetze geschützt. Solche Arbeitskräfte, die in Branchen tätig sind, auf welche das Arbeitnehmerstandards-Gesetz anwendbar ist, haben bei Arbeitsbedingungen, Mindestlohn, Arbeitszeiten und Gesundheits- und Arbeitnehmerversicherung Anspruch auf die gleichen Rechte wie Staatsbürger der Republik China. Seit Mai 2011 können Gastarbeiter in die Vorstände von Gewerkschaften aufgenommen werden. Der CLA bietet außerdem Lokalverwaltungen Zuschüsse, damit sie Beratungszentren für solche Arbeitskräfte mit dem Ziel einrichten, ihre Rechte und ihr Wohlergehen zu schützen, indem man danach strebt, erzwungene Arbeit und andere Formen der Ausbeutung zu verhindern. Mitarbeiter dieser Zentren besuchen regelmäßig Gastarbeiter in ihren Wohngebieten, um ihre Lebens- und Beschäftigungsverhältnisse zu prüfen, und um dafür zu sorgen, dass ihre Arbeitgeber alle gesetzlichen Beschäftigungs-Auflagen erfüllen.

Der Regierungsbericht verweist überdies auf bestimmte Einschränkungen, denen ausländische Arbeitskräfte unterworfen sind. So müssen sie beispielsweise beim Visums-Antrag nachweisen, dass sie keine Vorstrafen haben, dann gilt es für ein Arbeitsvisum einen Gesundheitstest zu bestehen, und es gibt strenge Beschränkungen für die Umstände, unter denen sie den Arbeitsplatz wechseln dürfen. Da das Gesetz für Arbeitnehmerstandards zudem nicht auf inländische Arbeitskräfte in bestimmten Berufsgruppen wie private Pfleger und Helfer anwendbar ist, werden Angestellte in diesen Branchen nicht von der Arbeitnehmerversicherung erfasst, sie sind jedoch krankenversichert.

Philippinische Gastarbeiterinnen in Taiwan in festlicher Kleidung anlässlich von Santacruzan, einer traditionellen religiösen Feier aus ihrer Heimat. Derzeit leben etwa 425 000 Gastarbeiter in Taiwan. (Foto: Central News Agency)

Menschenrechtsgruppen begrüßen, dass der Bericht die Beschränkungen für Gastarbeiter offiziell anerkennt, aber sie sehen viel Spielraum für Verbesserungen. „Die Rechteinhaber in den beiden Übereinkommen werden als ,menschliche Wesen‘ bezeichnet und nicht als ,Staatsbürger‘“, heißt es in dem Schattenbericht. „Das bedeutet, wir sollten die Rechte aller menschlichen Wesen in diesem Land schützen und nicht nur die der Staatsbürger.“ Die Regierung hält dagegen, ausländische Arbeitskräfte seien Beschränkungen unterworfen, um die Beschäftigungsmöglichkeiten für Staatsbürger der Republik China, die Wirtschaftsentwicklung des Landes und die soziale Stabilität zu schützen. Der Schattenbericht empfiehlt, die Regierung solle einen Zeitplan für eine gründliche Überprüfung aller Gesetze mit Arbeitnehmerbezug aufstellen und erforderliche Änderungen vornehmen, damit alle Arbeitnehmer, ob Ausländer oder nicht, sich der gleichen Rechte erfreuen können.

Eine weitere Angelegenheit, die im Regierungsbericht zur Sprache kam und eine intensive Debatte auslöste, dreht sich darum, ob Taiwan die Todesstrafe abschaffen sollte oder nicht. Statistiken des Justizministeriums zeigen, dass sowohl die Zahl der Todesurteile als auch die der Vollstreckungen in Taiwan im Laufe der Zeit deutlich gesunken sind. Die Zahl der Todesurteile betrug im vergangenen Jahrzehnt verglichen mit dem Jahrzehnt davor ein Drittel. Im Jahr 2004 gab es nicht mehr als drei Hinrichtungen, 2005 ebenfalls drei, und zwischen 2006 und 2009 wurde niemand exekutiert. 2010 wurden wieder Todesurteile vollstreckt, in jenem Jahr waren es vier, dann fünf im Jahr 2011 und sechs im vergangenen Jahr. Zur Zeit sitzen 55 Verurteilte in der Todeszelle.

Die Wiederaufnahme der Hinrichtungen seit 2010, ein Jahr nach der Annahme von ICCPR durch Taiwan und der Übernahme seiner Klauseln ins einheimische Recht, zog erhebliche Kritik von Menschenrechtsgruppen auf sich. Nach der Überzeugung von Lin Hsin-yi, der geschäftsführenden Direktorin der Taiwan-Allianz zur Abschaffung der Todesstrafe, widerspricht die Todesstrafe völlig dem Geist von ICCPR. „Die Regierung hätte das Moratorium für Hinrichtungen wie zwischen 2006 und 2009 beibehalten sollen“, findet sie. Internationale Menschenrechtsgruppen brachten gleichfalls ihre Sorge zum Ausdruck. „Die Todesstrafe ist niemals die richtige Antwort und darf nie angewandt werden, weder als Mittel zur Verbrechensverhütung noch für Unterdrückung oder sonstige Politik“, definierte Roseann Rife, Leiterin der Region Ostasien bei Amnesty International, nachdem am 21. Dezember 2012 sechs Delinquenten in Gefängnissen in vier taiwanischen Städten von Scharfrichtern erschossen worden waren — kurz nach dem Erscheinen der englischsprachigen Fassung des nationalen Menschenrechtsberichtes. „Wie kann eine Regierung glaubhaft behaupten, sie wolle die Todesstrafe abschaffen, wenn sie weiterhin solche Akte begeht?“ fragte sie.

In Wirklichkeit ist die Todesstrafe gemäß dem ICCPR nicht ausdrücklich verboten. Das Übereinkommen erkennt ihre rechtmäßige Anwendung „für die schwersten Verbrechen“ an, wenn sie auf der Grundlage von Gesetzen verhängt wurde, die dem ICCPR nicht widersprechen, wobei Völkermord ausgeschlossen ist, und wenn sie „nach einem endgültigen Urteil, erlassen von einem sachkundigen Gericht“, vollstreckt wurde. In der Umsetzung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte heißt es, zwar habe die Republik China den Pakt gebilligt, allerdings müsste ihre Politik hinsichtlich der Frage, ob die Todesstrafe abgeschafft werden solle und wie man das erreiche, noch klar formuliert werden.

Gleichzeitig gibt es eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit, an der Todesstrafe festzuhalten. Meinungsumfragen von staatlichen Behörden und dem nichtstaatlichen Sektor zeigen übereinstimmend, dass zwischen 75 und 80 Prozent der Taiwaner gegen die Abschaffung der Todesstrafe sind. In einer Umfrage des Justizministeriums im Juli vergangenen Jahres gaben zwar 76 Prozent der Befragten an, sie würden einer Aussetzung von Hinrichtungen nicht zustimmen, aber 82 Prozent erklärten, sie würden eine schrittweise Reduzierung der Anwendung der Todesstrafe unterstützen.

Justizminister Tseng Yung-fu (曾勇夫), der sich mehrfach öffentlich über die Politik der Regierung zur Todesstrafe äußerte, vermerkt, die Abschaffung der Todesstrafe sei ein internationaler Trend, man könne das jedoch nicht über Nacht erreichen. Die Entscheidungen zur Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich (1981) und Großbritannien (1998) zum Beispiel erfolgten über drei Jahrzehnte, nachdem die beiden Länder die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundrechte (allgemein bekannt als Europäische Konvention für Menschenrechte) 1950 unterzeichnet hatten, und der Abschaffung war in jenen Ländern viel Fürsprache und Einsatz vorangegangen. Taiwan hat in dieser Hinsicht eine wesentliche Rechtsreform erzielt, etwa die Änderung am Strafgesetzbuch im Jahre 2005, welche die Verhängung der Todesstrafe in Fällen mit Tätern unter 18 Jahren verbietet, oder eine andere Gesetzesänderung im Jahr 2006, welche die obligatorische Todesstrafe für bestimmte Vergehen aufhob. „Die Regierung hat die Zahl der Todesurteile [durch Methoden wie Änderungen am Strafgesetzbuch] mit dem Ziel reduziert, die Todesstrafe in der Zukunft abzuschaffen“, behauptet Justizminister Tseng. „Es gibt keinen Zeitplan für eine Abschaffung, und einstweilen sollte das Justizministerium die Rechtsstaatlichkeit respektieren.“

Was den jüngsten Menschenrechtsbericht aus Taiwan angeht, so bedeutet die derzeitige internationale Politik, dass die UN die Hinterlegung der Ratifizierungsdokumente der Republik China wahrscheinlich nicht akzeptieren wird, ganz gleich wie viele internationale Menschenrechts-Experten den Regierungsbericht prüfen und ob das Land die Todesstrafe abschafft. Durch die Verabschiedung der beiden Übereinkommen als Staatsrecht sendet Taiwan eine klare Botschaft sowohl ans eigene Volk als auch an die internationale Gemeinschaft über die Entschlossenheit des Landes, die Konzepte und Ideale universaler Menschenrechte aufrechtzuerhalten.

(Deutsch von Tilman Aretz)


 

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