04.05.2024

Taiwan Today

Politik

Für ein neues Verhältnis

01.07.2013
Staatspräsident Ma Ying-jeou (rechts) begrüßt den stellvertretenden Handelsrepräsentanten der USA Demetrios Marantis im Präsidialamt in Taipeh. Marantis leitete eine amerikanische Delegation zu den bilateralen Handelsgesprächen unter dem Rahmenabkommen für Handel und Investitionen (TIFA), die im März dieses Jahres stattfanden. (Foto: Central News Agency)
Im März dieses Jahres erfuhr das bilaterale Verhältnis zwischen der Republik China (Taiwan) und den Vereinigten Staaten eine Belebung, als die bilateralen Handelsgespräche unter dem Rahmenabkommen für Handel und Investitionen (Trade and Investment Framework Agreement, TIFA) nach einer Pause von über fünf Jahren wieder aufgenommen wurden. Vize-Wirtschaftsminister Cho Shih-chao (卓士昭) leitete bei den Gesprächen, die in Taipeh stattfanden, die taiwanische Delegation, die amerikanische Gruppe wurde von Demetrios Marantis, dem stellvertretenden US-Handelsvertreter, geführt. Nach den Beratungen sagte Cho, die Diskussionen seinen „fruchtbar“ gewesen und hätten eine solide Grundlage geschaffen für die weitere Entwicklung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen beiden Seiten, während Marantis die Gespräche als „großen Erfolg“ beschrieb.

Die Konferenz im März war die siebte Runde von TIFA-Gesprächen seit der Unterzeichnung des Abkommens am 19. September 1994 in Washington. Die erste TIFA-Konferenz fand im März 1995 in der US-amerikanischen Hauptstadt statt. In den Jahren seither war TIFA der Kernmechanismus, durch den die beiden Länder ihre Wirtschaftsbeziehungen vertieften. „[TIFA] bietet ein Forum für hochrangige Vertreter beider Seiten, regelmäßigen Dialog über maßgebliche wirtschafts- und handelspolitische Fragen zu führen“, urteilt Dale Jieh, stellvertretender Chefunterhändler im Amt für Handelsgespräche im Wirtschaftsministerium der Republik China. Das nächste TIFA-Treffen soll im kommenden Jahr in Washington abgehalten werden.

Taiwan und die USA erfreuen sich seit Jahrzehnten starker Wirtschaftsbeziehungen. Im vergangenen Jahr erreichte das gesamte Handelsvolumen zwischen beiden Ländern um die 56,6 Milliarden US$, wodurch die USA Taiwans drittgrößter Handelspartner nach Festlandchina und Japan sind. „Wirtschafts- und Handelsaustausch zwischen den beiden Ländern ist in der Regel ein Indikator für das bilaterale Verhältnis insgesamt“, weiß Jieh. „Trotz Veränderungen der globalen Wirtschaftsbedingungen sind die USA weiterhin ein wesentlicher Investor in Taiwan und eine Quelle für hochwertiges technologisches Knowhow.“ Jieh fügt hinzu, die USA seien überdies ein wichtiger Zielort für taiwanische Studierende, die ein weiterführendes Studium im Ausland anstreben.

Nach der sechsten Runde von TIFA-Gesprächen in Washington im Jahr 2007 wurden die Verhandlungen ausgesetzt, vor allem weil Taiwans Bestimmungen über Nahrungsmittelimporte die Einfuhr von amerikanischen Rindfleischprodukten, die den Futtermittelzusatz Ractopamin für magereres Fleisch in Nutzvieh enthielten, verboten. Im Juli vergangenen Jahres verabschiedete der Legislativ-Yuan der Republik China (立法院), also Taiwans Parlament, Revisionen am Gesetz über Nahrungsmittelhygiene und ermächtigte damit die Regierung, eine „zulässige Toleranz“ für solche Zusätze in Fleischprodukten festzulegen. Das Gesundheitsministerium setzte daraufhin eine Vorschrift um, die eine minimale Menge von Ractopamin-Rückständen in importiertem Rindfleisch erlaubte. Die neue Vorschrift ebnete den Weg für mehr amerikanische Rindfleischimporte und beseitigte das sperrigste Hindernis für zukünftige TIFA-Gespräche. „Unsere Regierung hat ihren Standpunkt klargestellt und brachte eine starke Entschlossenheit zum Ausdruck, die Gespräche wieder aufzunehmen, die für eine umfassende Entwicklung der Beziehungen zwischen Taiwan und den USA von entscheidender Bedeutung sind“, teilte Jieh mit.

Zu den Hauptthemen bei der diesjährigen TIFA-Konferenz zählten Landwirtschaft, Digitalwirtschaft, Rechte an geistigem Eigentum, Pharmazeutika und medizinische Geräte sowie regionale und multilaterale Wirtschaftskooperation. „Zwar haben beide Seiten in jenen Fragen ihre eigenen Positionen, doch auf den TIFA-Konferenzen können sie Meinungen austauschen, bei abweichenden Ansichten einander näherkommen und das gegenseitige Verstehen vergrößern“, berichtet Jieh.

Weltweit führende Firmen für Informationstechnologie, darunter solche aus Taiwan und den USA, zeigen auf einer jährlichen Handelsmesse im Welthandelszentrum Taipeh ihre Ware. (Foto: Huang Chung-hsin)

Ein wichtiges Ergebnis bei der diesjährigen Konferenz war die gemeinsame Erklärung zu Fragen wie handelsbezogene Prinzipien für Dienstleistungen des Bereichs Informations- und Kommunikationstechnologie (Information and Communications Technology, ICT). Die Erklärung entsprach jenen, welche die USA in Zusammenarbeit mit der europäischen Union und Japan bekannt gegeben hatten. Da sowohl Taiwan als auch die USA bedeutende Größen auf dem ICT-Weltmarkt darstellen, wird die Formulierung und Konsolidierung von Prinzipien wie über offene Netzwerke und Spektrumnutzung beiden Ländern hilfreich sein, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Taiwan und die USA einigten sich überdies darauf, neue TIFA-Arbeitsgruppen zu bilden, um Investitionsfragen und technische Hindernisse für Handel anzupacken. Chang Pen-tsao, Vorsitzender der Allgemeinen Handelskammer der Republik China, kommentierte die neuen Arbeitsgruppen mit den Worten, sie seien für Taiwans Außenhandelsverhandlungen ein großer Schritt vorwärts.

Es bleiben aber Punkte, in denen Uneinigkeit herrscht und über die weiter verhandelt werden muss. Im Bereich der Fleischexporte der USA zum Beispiel verliehen die amerikanischen Unterhändler ihrer Hoffnung Ausdruck, dass Taiwans Nahrungsmittelsicherheit-Vorschriften in Einklang mit internationalen Standards gebracht würden, während in Taiwan Sorgen über Fragen bleiben wie Rückstände von Futtermittelzusätzen in Produkten anderer Fleischsorten außer Rindfleisch.

Laut Marantis war die Wiederaufnahme von TIFA-Gesprächen zwischen Taiwan und den USA deswegen bedeutsam, weil dies eine neue Phase im bilateralen Wirtschaftsverhältnis darstelle, und der positive Ausgang der Konferenz bezeuge die Liberalisierung von Taiwans Wirtschaft und die sich vertiefenden Verbindungen mit globalen Partnern. Nach Jiehs Überzeugung hat die außenpolitische Richtung unter der Regierung von Ma Ying-jeou (馬英九), Staatspräsident der Republik China, eine entscheidende Rolle dabei gespielt, die Verbindungen zwischen Taiwan und den USA zu stärken. „Der immer pragmatischere und flexiblere außenpolitische Ansatz unserer Regierung wandelte unsere Rolle, so dass wir von anderen Ländern nicht länger als potenzielle Ursache internationaler Konflikte betrachtet werden, sondern man uns stattdessen als aktiven Förderer internationaler Ordnung ansieht“, freut sich Jieh.

Cho lässt sich vernehmen, dass Taiwan als elftgrößter Handelspartner der USA eine Menge tun kann, um bilaterale und multilaterale Wirtschaftsintegration voranzutreiben. Jieh hat da gleichfalls hohe Erwartungen. „Die Wiederaufnahme der TIFA-Gespräche könnte als wichtiger Schritt in Richtung eines eventuellen Freihandelsabkommens zwischen Taiwan und den USA gelten“, sinniert er. „Außerdem können beide Seiten, weil sie gleichermaßen Mitglied in der Asiatisch-pazifischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit (Asia-Pacific Economic Cooperation, APEC) und der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) sind, in diesen internationalen Rahmengebilden zusammenarbeiten und einander unterstützen.“

Entscheidend für Entwicklung

Taiwan hält die Mitgliedschaft in solchen regionalen und globalen Handelsorganisationen im Hinblick auf anhaltende Wirtschaftsentwicklung für entscheidend. Bei einer Begegnung mit Marantis und der amerikanischen Delegation in seinem Amtssitz in Taipeh sagte Präsident Ma, die Regierung arbeite auf das Ziel hin, in die Transpazifische Partnerschaft (TPP) und die Regionale umfassende Wirtschafts-Partnerschaft (Regional Comprehensive Economic Partnership, RCEP) aufgenommen zu werden, zwei angeregte Freihandelsblöcke, denen viele der größten Volkswirtschaften der Erde angehören würden.

Jieh weist darauf hin, dass Taiwans Wirtschaft eine beträchtliche Umstrukturierung und Marktliberalisierung durchlief, als das Land im Jahr 2002 Mitglied der WTO wurde. „Das bedeutet, dass unser Ausgangspunkt für weitere Liberalisierung nicht schlecht ist“, wirbt er und bezieht sich damit auf Taiwans laufende Bemühungen, Vorbereitungen für eine Beteiligung an wirtschaftlichen Rahmengebilden wie TTP und RCEP zu treffen. „Wir können uns dem Ziel der Beteiligung nähern, wenn wir richtig und adäquat arbeiten.“

(Deutsch von Tilman Aretz)

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