06.05.2024

Taiwan Today

Politik

„Unbeabsichtigte“ Folgen

01.07.2013
Drei Tage nach dem tödlichen Vorfall wurde das taiwanische Fischerboot GDX-28 am 12. Mai nach Abschluss der Spurensicherung zum südtaiwanischen Hafen Donggang abtransportiert. (Foto: Central News Agency)
Am 9. Mai dieses Jahres eröffnete ein Schiff der philippinischen Küstenwache (Philippine Coast Guard, PCG) das Feuer auf ein Fischerboot aus der Republik China (Taiwan). Der Vorfall ereignete sich in einem Gebiet, wo sich die Ausschließlichen Wirtschaftszonen (Exclusive Economic Zone, EEZ) der beiden Länder überschneiden. Ein taiwanischer Fischer wurde bei dem Beschuss getötet, das Boot (Guang Da Xing No. 28 / GDX-28) beschädigt. Der Einsatz scharfer Munition allein war schon schockierend genug, doch die ersten Reaktionen der philippinischen Regierung sorgten rasch für Spannungen zwischen Taiwan und dem südlichen Nachbarn.

Für die Republik China war die Situation recht klar. Der bewaffnete Angriff auf ein unbewaffnetes taiwanisches Boot war grundlos, vollkommen überzogen und überdies ein Verstoß gegen das Seerechts-Übereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS). Bei Redaktionsschluss waren die Ermittlungen und Untersuchungen bereits abgeschlossen, aber noch nicht publik gemacht. Für den taiwanischen Standpunkt sprechen zweifellos eine solide Argumentation und sämtliche vorläufige Beweise.

Der Fahrtenschreiber von GDX-28 belegt zum Beispiel eindeutig, dass die Position des Bootes zur Zeit des Zwischenfalls sich in der EEZ-Überschneidungszone befand, zu keiner Zeit der Fahrt war das Boot in ausschließlich philippinische Hoheitsgewässer eingedrungen. Die Philippinen behaupteten, dass ihr Schiff, das von PCG und dem Fischereiamt des Landes gemeinsam betrieben wird, in der philippinischen EEZ auf das taiwanische Boot traf.

Besatzungsmitglieder von GDX-28 erklärten in Medienberichten, sie hätten direkt nach dem Auftauchen des philippinischen Schiffes versucht, vom Schauplatz zu entkommen. Diese Aussage wird ebenfalls vom Datenaufzeichnungssystem des Bootes bestätigt, das zeigt, dass das taiwanische Fischerboot nach der ersten Begegnung mit dem philippinischen Schiff zügig nach Norden fuhr. Das PCG-Schiff verfolgte GDX-28 eine Weile, laut taiwanischer Crew unter anhaltendem Beschuss, später zählten taiwanische Ermittler 45 Einschusslöcher an dem Wasserfahrzeug, die wahrscheinlich von automatischen Waffen verursacht worden waren. Dagegen verlautete die philippinische Seite, ihr Schiff habe in Selbstverteidigung geschossen, um GDX-28 zu stoppen, nachdem das Fischerboot versucht habe, das philippinische Schiff zu rammen. Der Vorwurf des versuchten Rammens ist sehr unglaubwürdig, wenn man die unterschiedliche Größe der beiden Boote bedenkt — das PCG-Schiff ist mit 30 Metern Länge und 115,45 Tonnen riesig im Vergleich zu GDX-28 mit 14,7 Metern Länge und 15,15 Tonnen. Daneben sprechen die Zahl der Einschusslöcher und die Tatsache, dass das taiwanische Boot verfolgt wurde, gegen die Behauptung der Selbstverteidigung.

Bei der Untersuchung des Rumpfes von GDX-28 zählten taiwanische Ermittler nicht weniger als 45 Einschusslöcher, was gegen die Darstellung der Philippinen spricht, man habe nur zur Selbstverteidigung gefeuert. (Foto: Courtesy Ministry of Justice)

Vorläufige Mitteilungen aus Manila boten keine vernünftige Erklärung, warum ihr PCG-Personal zu so überzogener Gewalt griff oder warum der Kommandant des PCG-Schiffes die Verfolgung abbrach, wenn er glaubte, sich in philippinischen Hoheitsgewässern zu befinden. Darüber hinaus sind die Klauseln in UNCLOS recht eindeutig über die Maßnahmen, die ein Staat ergreifen darf, um seine EEZ zu sichern, und diese Maßnahmen beschränken sich auf an Bord gehen, Inspektion, Festnahme und Gerichtsverfahren. Schießen und töten sind unter keinen Umständen zulässig.

Die Republik China nahm eine Entschuldigung der Philippinen zur Kenntnis, verwahrte sich allerdings gegen die unannehmbare Formulierung, dass der Tod des taiwanischen Fischers „unbeabsichtigt“ gewesen sei. Kaum jemand könnte akzeptieren, es sei unwahrscheinlich, dass wiederholtes Schießen auf ein Fischerboot zum Verlust von Menschenleben führen würde. Außerdem waren die eigenen Ermittlungen der Philippinen zu jenem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Das Angebot, Spenden philippinischer Bürger an die Hinterbliebenen des Erschossenen weiterzuleiten, genügte gleichfalls bei weitem nicht einer offiziellen Entschädigung und damit Eingeständnis von Fehlverhalten.

Die Republik China forderte, umgehend eine umfassende Untersuchung durchzuführen und die Täter zu bestrafen. Die Ergebnisse der Ermittler auf der taiwanischen Seite wurden den Medien angeboten und in einer YouTube-Präsentation online postiert, sobald die Beweise vorlagen. Die philippinische Seite war zunächst nicht bereit, mit den Ermittlern aus Taiwan zusammenzuarbeiten, obwohl beide Seiten am 19. April dieses Jahres ein Abkommen über gegenseitigen rechtlichen Beistand in Kriminalfällen unterzeichnet hatten, und Manila wollte sich nicht auf Strafmaßnahmen gegen die als schuldig Befundenen festlegen. Taiwan rief außerdem die philippinische Regierung dazu auf, Verhandlungen über ein Fischereiabkommen aufzunehmen, damit sich solche Vorfälle nicht wieder ereignen.

Gleichzeitig versprach die Regierung der Republik China den Tausenden von Filipinos, die in Taiwan leben und arbeiten, dass sie ihre Rechte respektiere und ihre Sicherheit schützen werde.

Die Republik China ist ein friedliebendes Land, doch sie muss ihre Souveränität verteidigen und die Rechte ihrer Bürger aufrechterhalten, darunter auch die Fischereirechte. Die Nation ruft die Philippinen auf, in verantwortlicher, aufrichtiger, pragmatischer und positiver Weise zu handeln, damit beide Seiten voranschreiten können. Taiwans Reaktionen waren klar und begründet, sie beruhten auf Beweisen und stimmten mit internationalen Normen überein. Solch faires Vorgehen zu Krisenzeiten bringt erneut an den Tag, dass Taiwan ein verantwortungsbewusster Akteur in der internationalen Gemeinschaft ist.

(Deutsch von Tilman Aretz)

Meistgelesen

Aktuell