04.05.2024

Taiwan Today

Politik

Unverändertes Streben nach Beteiligung

01.11.2013
Während der UN-Klimawandelkonferenz 2012 in Doha (Katar) sprach EPA-Vizeminister Yeh Shin-cheng bei einem Forum, das die taiwanische Delegation organisiert hatte. (Foto: Courtesy EPA)
Die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) trat im März 1994 als Ergebnis der Konferenz der Vereinten Nationen (United Nations, UN) über Umwelt und Entwicklung („Erdgipfel“) im Juni 1992 in Rio de Janeiro in Kraft. Die Konvention ist von über 190 Ländern ratifiziert worden, also fast jedem Land auf diesem Planeten, und bildet einen globalen Rahmen für Umwelt- und Industrieabkommen, welche die wachsende Bedrohung des Klimawandels bekämpfen sollen. Weil die Republik China kein Mitglied der UN ist, ist sie auch kein Unterzeichner des Abkommens und kann deswegen nicht offiziell bei UNFCCC-Veranstaltungen vertreten sein, doch in Taiwans Umweltschutzverwaltung (Environmental Protection Administration, EPA) hofft man, dass es in diesem Punkt Abhilfe geben möge. „Taiwan braucht direkten, stabilen Zugang zu den Konferenzen und Aktivitäten der UNFCCC, um die Auswirkungen des Klimawandels besser bewältigen zu können“, fordert EPA-Minister Shen Shu-hung (沈世宏). „Wir müssen für die Welt stärker sichtbar sein.“

Angesichts der Realitäten von Taiwans einzigartigem politischen Status verschob das Land in den jüngsten Jahren seinen Schwerpunkt von dem Versuch, UN-Mitgliedschaft zu erlangen, auf das praktischere Ziel, nach einer offiziellen Präsenz in UN-Sonderbehörden und Arbeitsgruppen zu streben. Im Mai 2009 zum Beispiel wurde Taiwan eingeladen, als Beobachter an der jährlichen Konferenz der Weltgesundheitsversammlung (World Health Assembly, WHA), dem Beschluss fassenden Gremium der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) der UN, teilzunehmen. Seitdem waren jedes Jahr Delegationen unter der Führung von Taiwans jeweilig amtierendem Gesundheitsminister bei dem WHA-Forum in Genf dabei. Der Durchbruch kam, nachdem man sich über ein Jahrzehnt um eine offizielle Präsenz in der globalen Gesundheitsorganisation bemüht hatte. Shen teilt mit, er würde sich freuen, wenn das Modell der formalen Beteiligung Taiwans in der WHA auf UNFCCC-Veranstaltungen übertragen würde.

Der Umweltminister schreibt den Erfolg bei der Bewerbung auf Repräsentation in der WHA der Beharrlichkeit von Taiwan zu, einerseits um Unterstützung in der internationalen Gemeinschaft zu werben und andererseits einen pragmatischen, konstruktiven Dialog mit Festlandchina bei den Angelegenheiten über die Taiwanstraße aufzubauen. „Verbesserte Beziehungen über die Taiwanstraße halfen Taiwan dabei, seine Präsenz auf der Weltbühne auszudehnen“, versichert Shen. Kooperation beim Klimawandel ist ein Beispiel für konstruktiven Dialog, und die EPA und Festlandchinas Abteilung für Klimawandel in der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (National Development and Reform Commission, NDRC) wechseln sich seit 2010 dabei ab, Klimawandel-Foren über die Taiwanstraße auszurichten. Das jüngste Treffen dieser Art fand im Mai dieses Jahres in Beijing statt, Taiwans Delegation wurde von Minister Shen geleitet.

Der diesjährige UNFCCC-Gipfel wird zwischen dem 11. und 22. November in Warschau stattfinden und auch die 19. Parteienkonferenz (Conference of Parties, COP) umfassen, das jährliche Treffen des Gremiums, das die Umsetzung der Konvention beaufsichtigt, und zudem die neunte COP-Sitzung in Funktion als Konferenz der Parteien zum Kyoto-Protokoll. Das Kyoto-Protokoll, das im Dezember 1997 bei der COP 3-Konferenz in der japanischen Stadt angenommen und nach ihr benannt wurde, setzt Grenzwerte für den Treibhausgasausstoß industrialisierter Länder fest.

Der EPA-Chef macht darauf aufmerksam, dass Taiwan beim Kampf gegen den Klimawandel größere Beiträge leisten könnte, wenn das Land umfassender in der COP und der UNFCCC beteiligt wäre. „Wir verfolgen die gleichen Ziele, streben nach einer nachhaltigen, blühenden Zukunft für die ganze Menschheit, und wir wollen unser Bestes tun, unsere Aufgaben für die Weltgemeinschaft zu erfüllen“, verkündet Shen.

Teil eines rekonstruierten Feuchtgebietes in der südtaiwanischen Stadt Tainan. Die Stadt wurde als regionale Drehscheibe für die Entwicklung von Zonen mit niedriger Belastung durch kohlenstoffhaltige Schadstoffe ausgewählt. (Foto: Huang Chung-hsin)

Bislang haben Delegierte aus Taiwan nur begrenzten Zugang zu COP-Veranstaltungen. Das Land wird jedes Jahr vom quasi-offiziellen Forschungsinstitut für industrielle Technologie (Industrial Technology Research Institute, ITRI) vertreten, der größten Organisation für Forschung und Entwicklung in Taiwan. ITRI, dessen Zentrale sich in der nordtaiwanischen Stadt Hsinchu befindet, ist eine von gut 1600 Nichtregierungsorganisationen (Nongovernmental Organisation, NGO), die als Beobachter bei COP-Sitzungen zugelassen sind. Neben ITRI-Mitarbeitern umfasst die Delegation in der Regel mehrere Regierungsbeamte wie von EPA und entsprechenden Ministerien sowie Repräsentanten akademischer Kreise und aus der Geschäftswelt. Nur drei andere taiwanische NGOs werden vom UNFCCC-Sekretariat anerkannt, nämlich die Stiftung für Schutz der Umweltqualität (Environmental Quality Protection Foundation, EQPF), das Taiwan-Institut für nachhaltige Energie (Taiwan Institute for Sustainable Energy, TAISE) und die Stiftung Delta Electronics (der karitative Zweig des gleichnamigen Weltklasse-Schaltnetzteilherstellers), die in diesem Jahr UNFCCC-Beobachterstatus erlangten.

Im Juni 2012 nahm die von EPA-Vizeminister Yeh Shin-cheng (葉欣誠) geleitete ITRI-Delegation an Rio+20 teil, der UN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro, 20 Jahre nach dem Erdgipfel. Später im gleichen Jahr führte Yeh eine zweite Delegation zur COP 18-Konferenz in Doha (Katar), wobei das Team ein Forum mit dem Titel „Komparative Studien über Klimawandel-Adaption auf dem Erdball: Von den am wenigsten entwickelten Ländern bis Afrika und kleine Inseln“ im Qatar National Convention Centre am 1. Dezember jenes Jahres organisierte. An dem Forum nahmen über 200 Personen teil, darunter Beamte und Fachleute von den diplomatischen Verbündeten der Republik China wie Burkina Faso, Marshallinseln und Palau, sowie vom Klimaparlament, einem in London ansässigen globalen Verbund von Parlamentsabgeordneten, die sich für Fragen des Klimawandels interessieren. Die Zusammenkunft war die größte Veranstaltung am Rande von COP, die je von einer taiwanischen Delegation arrangiert worden war, und sie lockte Teilnehmer und Medienvertreter aus mehreren Ländern an. Taiwanische Delegierte waren während COP 18 auch bei über 10 bilateralen Treffen mit anderen Umweltbeamten und Führern internationaler Organisationen zugegen, und die diplomatischen Verbündeten der Republik China äußerten ihre Unterstützung für die Beteiligung des Landes an COP-Konferenzen als Beobachter.

Angesichts der Bedeutung der Arbeit von Taiwans NGOs organisierten das Außenministerium der Republik China und EPA im August dieses Jahres in Taipeh gemeinsam ein Forum über die Verbesserung der Beteiligung von Beobachterorganisationen im UNFCCC-Verfahren. Zu den geladenen Referenten zählten Repräsentanten von Delta, EQPF, ITRI und TAISE sowie Marilyn Averill, Vorsitzende des UNFCCC-Steuerungskomitees für Forschung und unabhängige NGOs (Research and Independent NGOs, RINGOS), und Gotelind Alber, die als Brennpunkt für den Bereich Frauen und Gleichberechtigungs-NGOs fungiert. (Anmerkung der Redaktion: Beobachtende NGOs können sich in UNFCCC einem der neun thematischen NGO-Arbeitsbereiche — auf Englisch constituency — anschließen.) Die „Brennpunkte“ (auf Englisch focal point) der gegenwärtig neun Arbeitsbereiche sorgen für Koordination und einen besseren Informationsaustausch zwischen dem UNFCCC-Sekretariat und den zugelassenen Beobachter-Organisationen. Während einer Pressekonferenz im Außenministerium in Taipeh erklärte Averill, Menschen aus der ganzen Welt sollten zusammenarbeiten, um die Auswirkungen des Klimawandels zu lindern, und Alber machte darauf aufmerksam, dass die Anstrengungen moderner Volkswirtschaften zur Bewältigung von Klimawandel-Fragen ohne Länder wie Taiwan, nach ihren Worten hoch entwickelt und ein Vorreiter beim Angehen des Problems, keinen Erfolg haben würden.

Tatsächlich ist Taiwan zwar, wie Shen hervorhebt, weder UN-Mitglied noch UNFCCC-Unterzeichner, doch das Land befolgt bereitwillig internationale Umweltabkommen und ist entschlossen, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu verringern, „so wie es jedes verantwortungsbewusste Mitglied der Weltgemeinschaft tun sollte“. Die Ausgabe des Jahres 2012 von Key World Energy Statistics, ein Bericht über maßgebliche internationale Energiestatistiken von der internationalen Energiebehörde (International Energy Agency, IEA), stufte Taiwan im Hinblick auf das Jahr 2010 beim Gesamtvolumen von CO2-Emissionen durch Treibstoffverbrennung auf Platz 20 und bei den Pro-Kopf-Emissionen von CO2 auf Platz 19 ein. Gemäß den im Jahr 2008 vom Exekutiv-Yuan (行政院), also Taiwans Regierungskabinett oder Ministerrat, verabschiedeten Richtlinien bezüglich nachhaltige Energiepolitik zielt Taiwan darauf ab, bis 2020 die CO2-Emissionen auf das Niveau von 2005 zu reduzieren, bis 2025 auf das Niveau von 2000 und bis 2050 gar auf das halbe Niveau von 2000. Statistiken vom Energieamt im Wirtschaftsministerium zeigen, dass Taiwans Emissionen von 248,7 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr einen Rückgang von 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellten, womit das Land sich den Emissionen von 245,2 Millionen Tonnen des Jahres 2005 annähert. „Im Kontrast zur Zunahme der CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2007 um das 2,4-fache haben wir in den vergangenen fünf Jahren eine Abnahme der Emissionen verzeichnet“, freut sich Shen.

Obwohl der Minister die Ergebnisse zum Teil schwächeren Graden von Wirtschaftsentwicklung in bestimmten Sektoren während dieses Zeitraums zuschreibt, rechnet er sie auch den Anstrengungen der Regierung an. Solche Initiativen umfassen die Förderung von LED-Beleuchtung und Solarstrom, wobei das Land gegenwärtig in beiden Bereichen außerdem ein führender Hersteller ist, und Veränderungen bei den Praktiken der Müllabfuhr, die vor über einem Jahrzehnt begonnen wurden und zu einer Haushalts-Recyclingrate von über 40 Prozent führten. In jüngerer Zeit hat die Regierung die Entwicklung und den Einsatz von Elektrofahrzeugen subventioniert.

Ein in Taiwan entwickeltes Elektroauto. (Foto: Jimmy Lin)

Anreize zum Handeln

Laut Shen stimmt die Methode der Regierung mit den Ansätzen in anderen entwickelten Ländern überein. Gegen Ende 2009 gründete der Exekutiv-Yuan ein Komitee zur Koordinierung von Energiesparbemühungen verschiedener Ministerien untereinander. Im gleichen Jahr billigte der Legislativ-Yuan (立法院), also das Parlament der Republik China, beträchtliche Revisionen am Energieverwaltungsgesetz, das 1980 verkündet worden war, und verabschiedete überdies das Gesetz über die Entwicklung Erneuerbarer Energie, das Unternehmen in dem Bereich Anreize bietet.

„Wir arbeiten aktiv an der Entwicklung von Solarzellen-Dächern, Windrädern, Anlagen für Geothermie-Strom und anderen neuen Energiequellen“, teilt Shen mit und fügt hinzu, solche Quellen würden nach dem Auslaufen von Atomkraft in Taiwan eine noch wesentlichere Rolle spielen. Andere bedeutende Gesetze in Vorbereitung sind das vorgeschlagene Energiesteuergesetz und das Gesetz über die Verminderung von Treibhausgas-Emissionen. Letzteres würde Emissions-Standards und Strafen für Verstöße festlegen und wird derzeit vom Legislativ-Yuan geprüft.

Taiwan ist bei internationaler Zusammenarbeit in Umweltfragen gleichermaßen aktiv. Im Juli dieses Jahres verlängerten Taiwan und die USA erneut ein Abkommen über technische Zusammenarbeit bei Umweltschutz, das erstmals 1993 unterzeichnet worden war. Darüber hinaus kooperiert EPA mit der EU und NASA bei atmosphärischer Beobachtung, wobei man sich manchmal auf Daten stützt, die von einheimischen Messstationen oder von damit beauftragten Frachtschiffen oder Linienflugzeugen gesammelt wurden. Ein solches Unterfangen, das Daten von einheimischen Messstationen verarbeitet, ist das Projekt Sieben Südostasiatische Studien (Seven South East Asian Studies, 7-SEAS), eine gemeinsame Initiative mit NASA, welche die Verteilung von Luftverschmutzung durch Verbrennung von Biomasse in der ganzen Region des Südchinesischen Meeres nachzeichnet. Im Februar dieses Jahres wurde damit begonnen, vier Monate lang Daten für 7-SEAS zu sammeln, und es waren auch Forscher aus Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam beteiligt. „Für Umweltprojekte braucht man eine große Menge und einen weiten Bereich von Wissen, Fertigkeiten und Technologien“, beschreibt Shen. „Deswegen sind internationaler Austausch und Partnerschaften unerlässlich.“

Der Minister betont auch Anstrengungen an der Basis, Städte und Gemeinden mit geringem Ausstoß kohlenstoffhaltiger Schadstoffe heranzubilden: „New Taipei City, Taichung, Tainan und der Landkreis Yilan wurden als regionale Drehscheiben für die Entwicklung von Zonen mit niedriger Belastung durch kohlenstoffhaltige Schadstoffe ausgewählt.“ Gemeinsam mit Projekten auf den vorgelagerten Inselgruppen Penghu und Kinmen plant EPA im großen Umfang bis 2020 in ganz Taiwan die Schaffung von Gemeinden mit niedriger Belastung durch kohlenstoffhaltige Schadstoffe, die durch umweltfreundliche Wohnstätten und Unternehmen gekennzeichnet sind. Shen: „Die Regierung ergreift die Führung, indem alle Taiwaner in den laufenden Kampf gegen den Klimawandel eingebunden werden. Ich hoffe, durch die sinnvolle Beteiligung von Taiwan in globalen Mechanismen wie der UNFCCC größere Erfolge für das Land und die internationale Gemeinschaft gleichermaßen zu sehen.“

(Deutsch von Tilman Aretz)

Meistgelesen

Aktuell