07.05.2024

Taiwan Today

Politik

Nachwuchs für internationalen Austausch

01.01.2014
Roger Liu (links) und Mitschüler von der Chung Shan Medical University reisten im Juli vergangenen Jahres als Mitglieder des staatlich finanzierten Jugendbotschafter-Programms nach Swasiland. (Foto: Courtesy Roger Liu)
Ende Juli vergangenen Jahres kehrten Roger Liu, ein 22-jähriger Studierender an der Chung Shan Medical University in der zentraltaiwanischen Stadt Taichung, und fünf seiner Mitschüler von einer Reise nach Swasiland im südlichen Afrika zurück. Es war die Aufgabe der Gruppe gewesen, die Anwohner dort über wichtige Gesundheitsfragen zu informieren und zu erziehen. Da Swasiland eines der Länder ist, die am schwersten von Aids heimgesucht wurden, besprach die Gruppe nach Lius Worten bei ihren Besuchen in Schulen überwiegend die Verhütung und Behandlung der Krankheit, erste Hilfe, Mundhygiene und die therapeutische Anwendung von Akupressurpunkten.

„Für mich war es sehr bedeutsam, für öffentliche Gesundheit [in Swasiland] zu werben“, versichert Liu. „Ich bin dankbar, dass ich mein Wissen und meine Erfahrung mit den Menschen dort teilen konnte. Abgesehen von unserer Arbeit im gesundheitlichen Bereich war es für uns ein einzigartiges Erlebnis, in Afrika zu reisen. Zu den Höhepunkten zählten die spannenden Begegnungen mit wilden Tieren in den riesigen, offenen Ebenen. Die wunderschönen Landschaften und das Können der Einheimischen beim Tanzen und Singen machten gleichfalls tiefen Eindruck.“

Jedes Jahr ermöglichen es staatliche Programme nicht nur jungen Taiwanern wie Liu, in anderen Ländern Hilfe zu leisten und an Kulturaustausch teilzunehmen, sie bringen zudem junge Ausländer nach Taiwan. Das Ziel der Programme — die Jugend-Botschafterprogramme, Schulungskurse, Studienferien und Stipendien umfassen — besteht darin, gegenseitiges Verständnis zu fördern, indem man junge Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenbringt.

Nach den Worten von Vanessa Shih (史亞平), stellvertretende Außenministerin der Republik China, will das Außenministerium Jugendaustausch auch dadurch fördern, dass man Arbeitsferienabkommen mit Partnerländern unterzeichnet. In Taiwan wie im Ausland zählen zu den Wirkungen solcher Austauschprogramme die Erweiterung des Horizonts der Teilnehmer, Erleichterung von Kontakten zwischen jungen Leuten aus verschiedenen Ländern und Förderung von Verständnis und Freundschaft, fügt sie hinzu.

Antragsverfahren für die Jugendprogramme des Außenministeriums sind auf der Website youthtaiwan.net, die im Juni vergangenen Jahres eingerichtet wurde, dargestellt. Laut Shih dient diese Website als Informationsforum für die Programme und Ressourcen des Ministeriums und ermuntert junge Leute, solche Gelegenheiten zu nutzen, um die Welt zu erkunden.

Liu und seine Mitschüler reisten im Rahmen des Jugendbotschafterprogramms, das vom Außenministerium gesponsert wird, nach Afrika. Mit dem Programm können Hochschulstudierende Erfahrungen über das Leben in anderen Ländern und Kulturen sammeln, und gleichzeitig haben die Menschen in den Gastgeberländern die Möglichkeit, mehr über Taiwan zu erfahren.

Taiwanische Jugendbotschafter besuchen nicht nur diplomatische Verbündete der Republik China, sondern auch Staaten, die keine offiziellen Beziehungen mit der Republik China unterhalten. Das jährliche Programm wurde 2009 gestartet und in den Jahren darauf ausgeweitet. Im vergangenen Jahr zum Beispiel bildeten 245 Studierende 35 Gruppen, die 36 Länder besuchten, ein deutlicher Anstieg gegenüber 2009, als 42 Studierende 6 Gruppen formten und 6 Länder besuchten.

Beim Jugendbotschafterprogramm 2013 konzentrierte das Außenministerium sich darauf, Studierende auszuwählen, die Hauptfächer in den Bereichen Umweltschutz, Gastronomie und Fremdenverkehr, Informationstechnologie, Medizin und Darstellende Kunst belegen. Die neue Strategie soll das fachliche Können junger Taiwaner vorführen und die Wirkung von Austauschaktivitäten steigern.

Besonders Medizin und die Förderung öffentlicher Gesundheit nehmen im Jugendbotschafterprogramm eine zunehmend hervorstehende Stellung ein. Während Lius Gruppe von Medizinstudierenden Swasiland bereiste, verbrachten Nachwuchsmediziner von der südtaiwanischen Kaohsiung Medical University Zeit auf den Salomonen im Südpazifik, und Studierende vom Mackay Medical College in New Taipei City besuchten den pazifischen Inselstaat Kiribati. Unterdessen hielt sich eine Studentengruppe von der Taipei Medical University (TMU) im westafrikanischen Gambia auf, eine weitere besichtigte Guatemala in Mittelamerika.

Jugendbotschafter von Taiwans National Sun Yat-sen University während einer Präsentation über Taiwans Kultur und traditionelle Kunst am Trinity College Dublin in der Republika Irland. (Foto: Courtesy Ruby Chen)

Nach Shihs Darstellung richtet das Jugendbotschafterprogramm nun größeres Augenmerk auf Gesundheitspflege, weil Taiwan in diesem Bereich vergleichsweise stark ist. Nach ihrer Überzeugung können die Teilnehmer aufgrund der soliden medizinischen Ausbildung, die sie in Taiwan erhalten, den Verbündeten in Afrika, Mittelamerika und im Pazifik nützliche Dienste bieten. Gleichzeitig erhalten die jungen Gesundheitsbotschafter aus Taiwan die Gelegenheit, mehr über Tropenkrankheiten wie Malaria und Parasiteninfektionen zu erfahren, die in manchen der Länder noch verbreitet sind, so Shih.

Obwohl die Bedeutung von Gesundheitspflege wächst, spielt Kulturaustausch im Jugendbotschafterprogramm immer noch die Hauptrolle. Die 25-jährige Ruby Chen studiert am Institute of Communications Management der National Sun Yat-sen University (NSYSU) in Kaohsiung. Im vergangenen Jahr repräsentierten Chen und vier Kommilitoninnen von der NSYSU Taiwan während eines zweiwöchigen Besuchs in Großbritannien und Irland.

Vor ihrer Beteiligung an dem Programm hatte Chen nach eigenem Bekunden nie davon geträumt, international renommierte Schulen wie die Cambridge University und die London School of Economics and Political Science in Großbritannien zu besuchen, und erst recht nicht hatte sie daran gedacht, dass sie in solchen Institutionen Präsentationen zu Taiwans Demokratie, Nachtmärkten oder kleinen und mittleren Unternehmen geben würde. Doch am Ende tat sie genau das, und zu ihrem Entzücken erwies das Publikum sich als begeistert. „Unsere Präsentationen erhielten von den Anwesenden eine warme Resonanz“, berichtet Chen. „Viele brachten ihr Interesse zum Ausdruck, mehr über Taiwan zu erfahren oder sogar hinzufahren.“ Chen profitierte überdies auf persönlicher Ebene von ihrem Großbritannienbesuch, weil sie durch die Reise und die Begegnungen mit Menschen dort mit neuen Denkweisen in Kontakt kam.

Der 21-jährige Chen Yi-en und andere Tanzschüler von der National Taiwan University of Arts (NTUA) in New Taipei City bildeten eine weitere Gruppe junger Kulturbotschafter. In Theatern und Schulen in Italien und im Vatikan führte die NTUA-Gruppe im Juni 2013 taiwanische Ureinwohnertänze und Hakka-Teepflückertänze auf. „Kultur ist eine sehr gute Methode für internationalen Austausch, weil sich fast jeder dafür interessiert“, behauptet er. „Wir haben taiwanische Musik und taiwanisches Theater in unser Tanzrepertoire aufgenommen, um unsere Darbietungen unterhaltsam und hinsichtlich unserer Kultur ausdrucksstark zu machen. Wir waren so begeistert, wenn der Applaus der Zuschauer losbrandete.“

In Europa zu reisen und aufzutreten brachte Chen Yi-en dazu, seine Prioritäten zu überdenken. „Durch die Reise erkannte ich, dass die Welt so groß ist und es so viele Dinge zu sehen und zu lernen gibt“, schwärmt er. „Nun fühle ich den Drang, mehr zu reisen und Wissen aufzunehmen.“ Deswegen büffelt er momentan für eine Prüfung für ein staatliches Stipendium, um eine fortgeschrittene Tanzausbildung in Europa zu verfolgen.

Der Internationale Kooperations- und Entwicklungsfonds (International Cooperation and Development Fund, ICDF) organisiert einen breiten Bereich von Austauschaktivitäten für junge Leute, darunter Seminare, Ferien-Studienlager, Berufsschulungskurse, Möglichkeiten für freiwillige Arbeit und Workshops. Der ICDF, Taiwans größte Behörde für Auslandshilfe, erhält sein Budget größtenteils von der Regierung, und der Fonds plant manche seiner Aktivitäten selbst, andere laufen im Auftrag des Außenministeriums.

Der ICDF kooperiert außerdem mit 19 taiwanischen Hochschulen, um Bachelor-, Magister- und Promotionsprogramme in Taiwan für Studierende aus den mit der Republik China diplomatisch verbündeten Staaten und internationalen Partnerländern anzubieten. Alle Kurse für solche Studierende werden auf Englisch unterrichtet. Nach Auskunft von ICDF-Generalsekretär Tao Wen-lung (陶文隆) zielen die Kurse und Aktivitäten darauf ab, menschliche Ressourcen in den Heimatländern der Teilnehmer zu entwickeln, denn eine kompetente Arbeitnehmerschaft bildet die Grundlage, auf die alle anderen Entwicklungsformen sich stützen. „Taiwans eigene Entwicklungserfahrungen zeigen, dass Investitionen in menschliche Ressourcen ungeheuer große Erträge bringen können“, wirbt er.

Austausch erleichtern

Der ICDF veranstaltet seit 2010 jedes Jahr sein Internationales Kooperations- und Entwicklungs-Sommerlager, um das Verständnis junger Leute für internationale kooperative Entwicklungsprojekte zu steigern und Jugendaustausch durch Gruppendiskussionen, Vorträge und Freizeitaktivitäten wie Gruppenbildungsübungen zu erleichtern. Das unlängst im Juli 2013 ausgerichtete Sommerlager im Jinshan Youth Activity Center in New Taipei City brachte annähernd 100 Schüler und Studierende aus 23 Ländern zusammen, ungefähr die Hälfte von ihnen aus Taiwan, die anderen aus Partnerländern und mit Taiwan diplomatisch verbündeten Staaten.

In jenem Sommerlager wurde großes Augenmerk auf Umweltfragen gelegt, meldet Tao. Klimawandel erfuhr besondere Betonung wegen seiner Auswirkungen auf Wirtschaftsangelegenheiten, Nahrungsmittelerzeugung, Gesundheit, Sicherheit und andere Gebiete. In Vorträgen wurden zum Beispiel Maßnahmen gegen Klimawandel wie saubere Energie, Umweltplanung und –sicherungen sowie nachhaltige Entwicklung angesprochen.

Fast 100 Studierende aus 23 Ländern beteiligten sich im Juli vergangenen Jahres am Sommerkurs des Internationalen Kooperations- und Entwicklungsfonds (ICDF) in New Taipei City. (Foto mit freundlicher Genehmigung des International Cooperation and Development Fund)

Solche Themen waren insbesondere attraktiv für Teilnehmer wie den 31-jährigen Binarake Tebamuri aus Kiribati, der mit einem ICDF-Stipendium an der NSYSU Elektroenergietechnik studiert. „Das Sommerlager war gut organisiert, und die Vorträge ergänzten meinen Unterricht an der Uni“, lobt Tebamuri. „Außerdem gefiel mir die Einteilung von Teilnehmern in Gruppen [mit je 10 Personen]. Zusammenarbeit als Team und Gruppen-Brainstorming bringen bessere Ideen und Lösungen hervor.“

Tebamuri war nach Taiwan gekommen, um sich über erneuerbare Energiequellen wie Solar- und Windenergie zu informieren sowie über Wege, Kohlendioxid-Emissionen zu vermindern. „Der von der Erwärmung des Erdklimas verursachte steigende Meeresspiegel bedroht viele niedrig gelegene Staaten, darunter Kiribati“, bemerkt er. „Deswegen ist Klimawandel eine drängende Angelegenheit [für mein Land]. Ich freue mich, ein tieferes Verständnis für dieses Problem zu erlangen und während meines Studiums hier mehrere Gegenmaßnahmen kennen zu lernen. Ich möchte mehr erfahren, damit ich nach dem Examen in diesem Jahr in meine Heimat zurückkehren und dort für den Einsatz sauberer Energie werben kann, was wichtig ist, weil sich dadurch die Stromqualität erhöhen und Kosten senken lassen.“

Tebamuri lebt gerne in Taiwan, und unlängst unternahm er allein eine achttägige Fahrradtour rund um die Insel. Abgesehen von Mandarinchinesisch will er noch den taiwanischen Dialekt erlernen, um sich mit mehr Einheimischen unterhalten zu können. „Taiwan ist meine zweite Heimat, und ich möchte ein Einheimischer werden“, gelobt er.

Der 20-jährige Sommerlager-Teilnehmer Daniel Antonio Guzman Briman stammt aus Nicaragua und studiert mit einem ICDF-Stipendium Betriebswirtschaft an der National Chengchi University (NCCU) in Taipeh. 2013 war er zum zweiten Mal bei einem Sommerlager vertreten. „Das jüngste Sommerlager war mehr Workshop-orientiert, und es waren mehr Gelehrte und Experten dabei, die [über Arbeitserfahrungen und Fälle aus dem wirklichen Leben] sprachen“, resümiert Briman. „Für mich war das hilfreich, weil ich in diesem Jahr Examen machen möchte. Es war gut, eine ungefähr gleiche Verteilung von taiwanischen und ausländischen Studierenden zu haben. Wir hatten produktiven Austausch und haben schnell Freundschaft miteinander geschlossen.“ Briman interessiert sich für einen breiten Themenbereich und hat aktiv an unterschiedlichen Veranstaltungen und Wettbewerben in Taiwan teilgenommen, darunter einem Wettstreit von Ausländern, die Chinesisch lernen. Nach Abschluss seiner Studien in der NCCU möchte er sich um eine Praktikantenstelle im Unterhaltungsgewerbe in den USA bemühen.

„Ich will lernen und so viel Erfahrung ansammeln wie möglich, solange ich jung bin, und dann schauen, wie ich bei der Entwicklung meines Landes helfen kann“, fährt Briman fort. „Ich brauche nur noch fünf Jahre, dann werde ich jemand sein. Bis dahin könnte ich dann eine Person sein, die vom ICDF eingeladen wird, um über die Erfahrungen im Sommerlager zu sprechen.“

Ally Lee, eine taiwanische Studentin am Graduierteninstitut für Internationale Politik der National Chung Hsing University (NCHU) in Taichung, profitierte nach eigener Einschätzung außerordentlich von der Teilnahme am Sommerlager, und sie möchte Andere ermuntern, bei solchen Aktivitäten mitzumachen. „Die Vorträge betonten wichtige Dinge wie Umweltschutz, humanitäre Hilfe und internationale Beziehungen“, findet sie. „Besonders gefielen mir die Sitzungen, in denen Botschafter und erfahrene Diplomaten über ihre Arbeit und Ansichten sprachen.“

Laut Lee bot das Sommerlager nützliche Informationen darüber, was man können muss, um Diplomat zu werden, denn das ist ihr Berufswunsch. Sie erfuhr, dass sie dafür ihr Können bei Kommunikation, Sprachen, Verhandlung und Präsentation verbessern und außerdem ihr Wissen über internationale Wirtschaft, Politik und Beziehungen mehren muss.

Die Veranstaltung schlug zudem Brücken und förderte Verständnis und Respekt, sagte Lee. „Während des Sommerlagers lernte ich Studierende aus Taiwans diplomatischen Partnerländern kennen und stellte fest, dass viele von ihnen gut Chinesisch sprachen und sich über die Gelegenheit freuten, in Taiwan zu studieren“, berichtet sie. „Ich bewunderte ihr Selbstvertrauen und ihre Leidenschaft dafür, neue Dinge zu lernen.“

Nach Taos Ansicht sollte Wissen etwas sein, das in Ländern in aller Welt erteilt, erhalten und geteilt wird. Gelegenheiten für internationalen Austausch wie die Sommerlager helfen einzelnen Personen, ihre Fertigkeiten auf vielfältige Weise zu entwickeln, was ihren Ländern nach ihrer Heimkehr zugute kommt, wirbt er. Die Berufstherapeutin und Sommerlager-Teilnehmerin Sharoon Hlatshwayo zum Beispiel erwarb unlängst einen Magister in Betriebswirtschaft bei Gesundheitsfürsorge an der TMU und schickte sich an, in ihr Heimatland Swasiland zurückzukehren. „Ich habe mich für Taiwan entschieden, weil ich weiß, dass das Gesundheitssystem hier sehr gut ist“, lobt Hlatshwayo. „Swasilands König wurde hier im TMU-Krankenhaus behandelt. In Taiwan zu studieren ist ein Traum, der Wirklichkeit wird. Ich werde Taiwan mit wunderschönen Erinnerungen verlassen und das Wissen und die Fertigkeiten anwenden, die ich mir an der TMU angeeignet habe, um damit positive Veränderungen in meinem Land zu bewirken.“

(Deutsch von Tilman Aretz)

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