29.04.2024

Taiwan Today

Gesellschaft

Nachfahren von Kriegs-Zeitzeugen mahnen zum Frieden

13.08.2015
Cindy Vautrin und Thomas Rabe am 12. August im Außenministerium der Republik China in Taipeh. (CNA)
Bei einer Gedenkveranstaltung in Taipeh am 12. August riefen die Nachfahren zweier bedeutender westlicher Zeitzeugen dazu auf, sich für den Frieden als wichtigstes Ziel einzusetzen. Bei der Presseveranstaltung, die im Außenministerium der Republik China in Taipeh stattfand, erzählten Cindy Vautrin aus Michigan (USA), Urgroßnichte der amerikanischen Missionarin Minnie Vautrin (1886-1941), und Prof. Thomas Rabe, Enkel des deutschen Geschäftsmannes John Rabe (1882-1950), von den Erlebnissen ihrer Vorfahren während der Besetzung von Nanjing, der Hauptstadt der Republik China, durch japanische Invasionstruppen Ende 1937. Von Japanern begangene Gräueltaten kosteten damals schätzungsweise zwischen 50 000 und 300 000 Menschen das Leben, überwiegend chinesische Zivilisten. Minnie Vautrin kam 1912 als Mitarbeiterin der Foreign Christian Missionary Society nach China und leitete ab 1919 kommissarisch das Ginling College für Frauen in Nanjing. Das College wurde nach der Invasion japanischer Truppen ein Flüchtlingslager, bis zu 10 000 Frauen fanden dort Schutz. Vautrins unablässiger Einsatz zehrte ihre Kräfte auf, und die Gewaltakte, die sie miterleben musste, gingen über ihre psychische und emotionale Belastbarkeit hinaus. Im Frühjahr 1940 ging sie zurück in die USA und kam nach ihrem ersten Selbstmordversuch in psychologische Behandlung, starb aber nach einem erneuten Selbstmordversuch im Mai 1941. John Rabe war seit 1908 in China und arbeitete ab 1911 für Siemens. Zwar wurde er 1919 nach Ende des Ersten Weltkriegs auf britischen Druck aus China abgeschoben, doch kehrte er 1920 über Japan nach China zurück und wurde 1931 von Siemens nach Nanjing versetzt. Nach der Invasion der Japaner im chinesischen Kernland 1937 widersetzte Rabe (seit 1934 Mitglied der NSDAP) sich der Anweisung der Firmenleitung, nach Berlin zurückzukehren. Angesichts der Gräueltaten der Japaner engagierte Rabe sich im „Internationalen Komitee zum Schutz der Sicherheitszone in Nanjing“, das Einheimischen Hilfe bot und in der vier Quadratkilometer großen Schutzzone 25 Flüchtlingslager einrichtete, wo rund eine Viertelmillion Chinesen Schutz fanden. Rabes Haus mit Garten (ca. 500 Quadratmeter) lag ebenfalls in der Schutzzone, rund 650 Personen fanden dort Unterschlupf. Jeder Winkel wurde genutzt, sogar im Badezimmer nächtigten Menschen. Im Garten ließ Rabe eine große Hakenkreuzfahne aufspannen, um japanische Flugzeuge von Angriffen abzuhalten, denn Japan und das Dritte Reich waren seit dem Anti-Kominternpakt von 1936 verbündet. Unter der Fahne schliefen nachts ebenfalls Flüchtlinge, der Platz galt als „bombensicher“. John Rabe verließ Nanjing im Februar 1938, nachdem er erneut von Siemens zurückbeordert worden war. In Berlin hielt er Vorträge über die Ereignisse in Nanjing und schrieb im Juni 1938 einen Brief an Hitler, in dem er auf das Leiden der chinesischen Bevölkerung in Nanjing hinwies. Das Regime untersagte ihm daraufhin sein Engagement. Nach dem Krieg wurde Rabe wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft zunächst nicht entnazifiziert, erst nach Hinweis auf seine humanitäre Tätigkeit in Nanjing wurde er entlastet. Im ausgebombten Nachkriegs-Berlin litten Rabe und seine Familie Armut und Hunger. Nachdem die Präsidentengattin Soong May-ling durch Nachforschungen Rabes Verbleib in Erfahrung gebracht hatte, sorgte sie persönlich dafür, dass Rabe monatliche Lebensmittelpakete erhielt sowie Geldspenden von insgesamt 2000 US$. John Rabe ist sowohl in der Republik China als auch auf dem chinesischen Festland sehr angesehen. Sein 1951 geborener Enkel Thomas Rabe, Professor für Gynäkologie und Geburtshilfe, setzt sich dafür ein, die Erinnerung an die Ereignisse lebendig zu halten und die Friedensidee seines Großvaters weiterzugeben, und gründete dazu im Jahr 2005 das John Rabe Kommunikationszentrum e. V. in Heidelberg. Seit 2009 vergibt das Zentrum den John-Rabe-Friedenspreis. In diesem Jahr finden in Taiwan zahlreiche Veranstaltungen zum Gedenken an den 70. Jahrestag vom Ende des Zweiten Chinesisch-japanischen Krieges (1937-1945) statt. Thomas Rabe und Cindy Vautrin halten sich auf Einladung der Regierung der Republik China in Taiwan auf und werden im Laufe dieser Woche außerdem noch von Staatspräsident Ma Ying-jeou empfangen. —Quelle: Redaktion Taiwan heute, 08/13/2015 —Zuschriften an die Taiwan heute-Redaktion unter taiwanheute@yahoo.com

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