Staatspräsidentin Tsai Ing-wen gewann am 11. Januar mit deutlicher Mehrheit die Präsidentschaftswahl in der Republik China (Taiwan). Gemeinsam mit ihrem Vizepräsidentschaftskandidaten Lai Ching-te von der regierenden Demokratischen Progressiven Partei (DPP) erhielt sie 8,17 Millionen Stimmen (57,13 Prozent der gültigen abgegebenen Stimmen) und setzte sich damit klar gegen ihren Gegenkandidaten Han Kuo-yu und dessen Vizepräsidentschaftskandidaten Chang San-cheng von der Nationalen Volkspartei (Kuomintang, KMT), der größten Oppositionspartei des Landes, durch, die 5,52 Millionen Stimmen (38,61 Prozent) erhalten hatten. Auf das von der Volksnahen Partei (People First Party, PFP) ins Rennen geschickte Kandidatenpaar James Soong und Sandra Yu entfielen 608 590 Stimmen (4,25 Prozent). Tsai wird am 20. Mai bei einer Zeremonie im Präsidialamt in Taipeh für ihre zweite Amtszeit vereidigt.
19,3 Millionen wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger waren an dem Tag aufgerufen, zwischen 8 und 16 Uhr ihre Stimme in einem der landesweit eingerichteten 17 226 Wahllokale abzugeben. Die Wahlbeteiligung wurde laut Medienberichten unter Berufung auf die Zentrale Wahlkommission (Central Election Commission, CEC) mit 74,9 Prozent angegeben; im Jahr 2016 hatte die Wahlbeteiligung bei der Präsidentschaftswahl 66,27 Prozent betragen. In Taiwan sind für Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Staatsbürger ab 20 Jahren stimmberechtigt.
Nachdem die Stimmen größtenteils ausgezählt waren, bedankte Tsai sich am Wahlabend bei einer internationalen Presseveranstaltung vor der DPP-Zentrale in Taipeh für die Unterstützung durch die Menschen und erklärte, der Wahlausgang zeige, dass Taiwan sich in die richtige Richtung bewege. Sie gelobte, die 2016 in Angriff genommenen Reformen fortzusetzen, das Bildungsumfeld zu verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken sowie Infrastrukturentwicklung und Sozialfürsorge voranzutreiben.
Die Menschen hätten mit ihrem Votum das Vertrauen in die Demokratie bekundet und erwarteten bei Taiwans internationaler Beteiligung eine faire Behandlung. Als unentbehrliches Mitglied der globalen Gemeinschaft werde Taiwan weiterhin mit dem Rest der Welt zusammenarbeiten, um Frieden, Stabilität und Wohlstand in der Region zu gewährleisten, ergänzte die 63-Jährige.
Tsai bekräftigte ferner ihre Entschlossenheit, Stabilität über die Taiwanstraße aufrechtzuerhalten, und betonte, Frieden, Gegenseitigkeit, Demokratie und Dialog seien entscheidend für eine gesunde und langfristige Entwicklung des Verhältnisses zwischen Taiwan und China.
Der unterlegene KMT-Kandidat Han räumte seine Niederlage ein und gratulierte Tsai zu ihrem Erfolg. KMT-Parteichef Wu Den-yih kündigte als Konsequenz für das Abschneiden seiner Partei am gleichen Abend seinen Rücktritt vom Parteivorsitz an.
Parallel zur Präsidentschaftswahl fand außerdem die Wahl für die Abgeordneten des Legislativ-Yuan, also Taiwans Parlament, statt. Gegenüber dem Urnengang von 2016 büßte die DPP zwar 7 Sitze ein, konnte jedoch mit 61 der 113 Sitze ihre absolute Mehrheit behaupten. Die KMT verbesserte sich gegenüber 2016 um 3 Sitze auf 38 Mandate und bildet damit weiterhin die größte Oppositionspartei. Die New Power Party (NPP) verlor 2 Sitze und wird fortan mit 3 Abgeordneten vertreten sein. Neu ins Parlament einziehen konnte die Taiwan-Volkspartei (Taiwan People’s Party, TPP), die im August vergangenen Jahres von Taipehs Bürgermeister Ko Wen-je gegründet worden war und 5 Sitze erhielt. Ebenfalls Premiere in der Volksvertretung feiert die Taiwan-Staatsaufbaupartei, die zwar an der Fünfprozenthürde scheiterte, aber ein Direktmandat in der zentraltaiwanischen Stadt Taichung erringen konnte. 5 Abgeordnete im neuen Parlament sind parteilos.
Gemäß dem regulären Ablauf wird das neu gewählte Parlament am 1. Februar zu seiner ersten Sitzung zusammentreten und dabei den Parlamentssprecher wählen. Laut Medienberichten ist es wahrscheinlich, dass der Posten von Yu Shyi-kun (DPP) übernommen wird, von 2002 bis 2005 Premierminister der Republik China (Taiwan). 47 der 113 neuen Abgeordneten sind Frauen, vier mehr als 2016, und der parlamentarische Frauenanteil von nun 41,6 Prozent belegt eindrucksvoll die Fortschritte, die Taiwan bei der Gleichberechtigung der Geschlechter und Frauenermächtigung erzielt hat.
—Quelle: Taiwan heute, 01/12/2020 (T. A.)
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