19.12.2024

Taiwan Today

Home

Die Hüter Taiwans tiefster Wurzeln

01.05.2012
In der Ureinwohner-Volksgruppe der Atayal klärt man schon die Kleinkinder über ihre traditionelle Kultur auf. Taiwans Ureinwohner sind aktiv geworden, um ihre Stammestraditionen zu bewahren, da sie sonst Gefahr laufen, von der Gesellschaft der Mehrheit an den Rand gedrängt zu werden. (Foto: Baunay Watan)
An einem Dezembermorgen im vergangenen Jahr war eine der Hallen des Huashan-Kreativparks in Taipeh von Klängen und Farben der Ureinwohner erfüllt. Das Ereignis war eine mit traditioneller Ureinwohnermusik als Hintergrund untermalte Modenschau, auf der Modelle Gewänder vorführten, die von den Webkunst-Traditionen der Atayal, einem der 14 von Taiwans Regierung offiziell anerkannten Ureinwohnergruppen, angeregt waren. „Wir denken nun darüber nach, die Kleidung, die wir herstellen, zu vermarkten“, erklärt Yuma Taru, eine der führenden Persönlichkeiten hinter der Veranstaltung und außerdem für ihre Anstrengungen bekannt, im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre das Webkunst-Vermächtnis der Atayal lebendig zu erhalten. „Dadurch wird es leichter, das Profil unserer Kultur auffälliger zu machen.“

Die Modenschau war bereits die dritte im vergangenen Jahr, die das Lihang Studio durchführte, eine von Taru in Xiangpi — einer kleinen Gemeinde im Bergland des nordtaiwanischen Landkreises Miaoli — gegründete Gruppe. Taru, die Atayal und Han-Chinesen zu ihren Vorfahren zählt, hält indes die gegenwärtige Unterstützung sowohl von den Han-Chinesen als auch von den Ureinwohnern selbst für die Bewahrung der Ureinwohnerkulturen längst nicht für ausreichend. „Von den Ureinwohnern wird nach wie vor erwartet, dass sie lernen, wie man sich in der Gesellschaft der Mehrheit assimiliert“, kritisiert sie. „Häufig gibt man uns den Rat, nicht auf die alten Lebensweisen unserer Vorfahren zurückzublicken, da diese nach Ansicht vieler schon seit langer Zeit überholt sind.“ Selbst Tarus Mutter, einer Atayal, wäre es lieber, wenn ihre Tochter einen normalen Job annähme, anstatt ihre Zeit damit zu verbringen, die Kultur ihres Stammes zu bewahren.

Taru hat gute Gründe, sich über den Zustand der Ureinwohnerkulturen Sorgen zu machen. Zwar waren die Ureinwohner die ersten Siedler auf der Insel, doch ein großer Teil ihrer traditionellen Kultur ging durch Assimilierung an spätere Zuwanderergruppen in Taiwan verloren, vor allem Han-Chinesen und Japaner. Heute machen die Ureinwohner ungefähr 2,1 Prozent der taiwanischen Bevölkerung von gut 23 Millionen Menschen aus. Immerhin wächst in der Gesellschaft der Mehrheit wie auch in Ureinwohnergruppen das Bewusstsein dafür, dass die Ureinwohnerkulturen geschützt werden müssen. Im Dezember 1996 wurde der Rat für Ureinwohner-Angelegenheiten (Council of Indigenous Peoples, CIP), eine Behörde in Ministeriumsrang, ins Leben gerufen, im Juli 2005 folgte die Gründung der staatlich finanzierten Fernsehanstalt Taiwan Indigenous Television, die erste ihrer Art in Asien. Gleichzeitig haben im ganzen Land engagierte Persönlichkeiten wie Taru Kultur-Workshops eingerichtet, um das Interesse an Ureinwohner-Kulturpraktiken wie Webkunst und traditionelle Rituale anzufachen und die allgemeine Auffassung über traditionelle Gesichts-Tätowierungen zu korrigieren.

„Da sich immer mehr Ureinwohner in diesem Bereich betätigen, sehen wir nun ermutigende Resultate“, freut sich Wsay Kolas, geschäftsführender Direktor der Kulturstiftung der Ureinwohner (Indigenous Peoples Cultural Foundation, IPCF). Seit ihrer Gründung im August 2009 hat die Stiftung durch eine Vielfalt von Projekten, die vom CIP genehmigt und finanziert werden, für die Ureinwohnerkulturen geworben. Ein solches Projekt, das 2010 gestartet wurde, bot Finanzhilfen für 41 Programme, die Ureinwohnerkultur auf innovative Weise förderten, darunter Tarus Mode-Unternehmung. Taru erhielt einen Zuschuss in Höhe von 600 000 NT$ (15 384 Euro), um Kleidung zu entwickeln und zu schaffen sowie eine Modenschau durchzuführen, die dann im Dezember im Huashan-Kreativpark über die Bühne ging.

Persönliche Motivation

Oft ist es eine ernüchternde persönliche Erfahrung, welche diese Kultur-Kreuzritter dazu antreibt, aktiv zu werden und das Vermächtnis ihrer Ahnen zu ehren. Taru, ehemals eine vollberufliche Beamtin im staatlichen Kulturzentrum Taichung in Zentraltaiwan, war lange Zeit nicht klar, wie wenig sie über die Webkunst-Traditionen der Atayal wusste, bis man sie 1990 bat, eine Ausstellung von Ureinwohner-Textilkunst in dem Kulturzentrum zu planen. Sie gab ihre Stelle in dem Kulturzentrum und damit ihr stabiles Einkommen später auf, um an der Graduiertenschule für Textilien und Bekleidung der Fu Jen Catholic University in Xinzhuang (New Taipei City) traditionelle Atayal-Textilien zu studieren, und schloss das Studium 1997 mit einem Magister ab. Während Taru solides akademisches Wissen über traditionelle Webkunst ansammelte, stellte sie junge Frauen in ihrer heimatlichen Gemeinde ein und bildete sie als Weberinnen für das Lihang Studio aus. Aus ihrer Erleuchtung über ihre Entwurzelung erwuchs schließlich ihre Mission, die Webetraditionen der Atayal zu bewahren.

Fotos von Ureinwohnern mit Gesichtstätowierungen an der Wand von Kimi Sibals Atelier in Hualien. Der Angehörige des Sediq-Stammes sprach ab Anfang der neunziger Jahre mit über 300 betagten Ureinwohnern mit Gesichtstätowierungen. Heute sind nur noch sieben dieser Persönlichkeiten am Leben. (Foto: Chang Su-ching)

Für den 60-jährigen Kimi Sibal, Gründer des Sediq-Kulturstudios in Hualien an Taiwans Ostküste, war es eine Prügelei zwischen seinem Sohn und einem Han-chinesischen Mitschüler, die ihn dazu brachte, Vorträge über die von seinen Vorfahren praktizierten Traditionen der Gesichtstätowierung zu halten. „Mein Sohn war im taiwanischen Dialekt als ,Barbar‘ bezeichnet worden, was eine Schlägerei nach sich zog“, berichtet Sibal über die Beleidigungen, die sich sein Sohn vor 15 Jahren anhören musste. „Der Mitschüler sagte ihm ins Gesicht, es sei ganz natürlich, dass er zu Gewalt greife, weil sowohl Mafiabosse als auch seine Vorfahren tätowiert seien. In meinem Volk sind Gesichtstätowierungen ein Zeichen des Stolzes und der Ehre, doch die Praxis wurde lange Zeit von Außenstehenden verunglimpft. Dieses negative Image muss ich ändern.“

In Taiwan hatten laut Sibal nur die Atayal und die mit ihnen verwandten Stämme der Truku und Sediq (die früher zu den Atayal gerechnet, 2004 bzw. 2008 aber offiziell als eigenständige Volksgruppen anerkannt wurden) Gesichtstätowierungen. „Die Han-chinesischen Einwanderer hielten diese Tätowierungen jedoch irrigerweise für die gleiche Art von Strafe, welche Kriminelle im alten China erhalten hatten“, erzählt der zu den Sediq gehörende Sibal. „Später nannten uns die Japaner wegen der Muster auf unseren Gesichtern ,Wald-Barbaren‘.“ Die Japaner, welche die Insel zwischen 1895 und 1945 beherrschten, verboten die Tradition im Jahre 1913 als Teil ihrer Bemühungen, die kolonisierte einheimische Bevölkerung zu assimilieren.

Sibals erster Schritt bestand in Feldforschung, um die Geschichten hinter den Tätowierungen zu erfahren, doch das stellte sich als nicht allzu einfach heraus, vor allem weil er seine Arbeit in einer Zementfabrik und Besuche bei älteren Atayal, Sediq und Truku, die verstreut im Bergland der ganzen Nordhälfte Taiwans leben, zeitlich unter einen Hut bringen musste. Ebenfalls schwierig war es, sie zu überreden, sich fotografieren zu lassen, da manche von ihnen befürchteten, die Bilder könnten „ihre Seele stehlen“. Andere verweigerten sich, weil sie einmal von Leuten fotografiert worden waren, die ihnen versprachen, ihnen die Bilder zu geben, es aber nie taten. „Diese gebrochenen Versprechen wurden ein Hindernis für meine Arbeit“, seufzt Sibal und weist darauf hin, dass Ehrlichkeit bei den Stammesleuten großgeschrieben wird.

Von Anfang der neunziger Jahre bis vor rund zwei Jahren sprach Sibal mit über 300 betagten Atayal, Sediq und Truku mit Gesichtstätowierungen und lichtete sie ab. Seinen Anstrengungen ist es zu verdanken, dass in einer Zeit, in der die Tradition immer schneller aus Taiwans kollektivem Gedächtnis verschwindet, ein großer Wissensschatz über die Praxis angesammelt wurde. Nach Sibals Information sind derzeit nur noch sieben Personen mit Gesichtstätowierungen am Leben, die jüngste dieser Personen zählt 92 Lenze. Durch seine Vorträge, die Sibal 2000 in Taiwan und 2004 im Ausland zu halten begann, konnte der Privatgelehrte überdies dazu beitragen, einige Vorurteile gegen die Praxis auszulöschen. „Ich denke, dass ich in der nahen Zukunft mehr Zeit für Vorträge haben werde und mehr Menschen [über Gesichtstätowierungen] aufklären kann“, sagt er und meint damit seine in diesem Jahr anstehende Pensionierung im Zementwerk.

Traditionelle Atayal-Kleidung, die im Laufe der Generationen weitergegeben wurde, ist heutzutage gleichfalls schwer zu finden, was nach Auskunft von Tarus Ehemann Baunay Watan ein schwerwiegendes Hindernis für die Forschung des Lihang Studio darstellt. Laut Watan, der hauptsächlich als Fotograf beim Lihang Studio mitwirkt, hatten die Japaner den Ureinwohnern Weberei untersagt, auch wenn manche Einzelpersonen das Handwerk im Verborgenen weiter betrieben. Gleichzeitig ist es schwierig, viele der Kleider und Stoffe aus der damaligen Zeit zu erhalten, da diese aus natürlichen Materialien gewirkt waren. Infolgedessen muss Taru häufig Museen im In- und Ausland besuchen, die über Sammlungen solcher Artikel verfügen, darunter mehrere japanische Institutionen mit Atayal-Gewändern aus der Kolonialzeit. Daneben unternahm sie eine Reise zum Royal Ontario Museum im kanadischen Toronto, um sich eine Sammlung von taiwanischer Ureinwohnerkleidung anzuschauen, die George Leslie Mackay (1844–1901) zusammengestellt hatte, ein kanadischer Missionar, der die zweite Hälfte seines Lebens in Nordtaiwan arbeitete und viel Zeit mit örtlichen Ureinwohnern verbrachte.

Die Truku-Ureinwohnerin Tumun Lawa, die zu den von Kimi Sibal befragten Personen zählte, ist mittlerweile verstorben. Inzwischen erfährt man immer mehr über die Praxis der Gesichtstätowierungen bei den Atayal, Sediq und Truku. (Foto: Courtesy Kimi Sibal)

„Wir waren entzückt, als wir feststellten, dass die Kleidungsstücke in diesen Museen so gut erhalten waren, denn sie haben Kontrollsysteme für Temperatur und Luftfeuchtigkeit installiert“, lobt Watan. „Es ist so wichtig, die echten Stücke zu sehen und [mit Handschuhen] zu fühlen. Von Fotos allein kann man sich kaum eine Vorstellung von ihrer Struktur und Textur machen.“

Taru setzt ihre Feldforschung über traditionelle Webtechniken und Muster der Atayal in Taiwan fort und spricht dazu mit älteren Stammesdamen. „Eine Atayal-Frau konnte mit guten Fertigkeiten bei Weberei ihren gesellschaftlichen Status steigern“, enthüllt Watan. „Folglich wurden solche Fertigkeiten nur von Müttern an Töchter weitergegeben. Wir geben diesen älteren Weberinnen jedoch zu verstehen, dass die Webkunst-Traditionen bald aussterben würden, wenn sie sich weigerten, ihr Wissen mit Außenstehenden zu teilen.“

Die Feldforschung ist auch wegen der Zwangsumsiedlung von Ureinwohnern von einem Ort zum anderen während der japanischen Herrschaft eine Herausforderung. Laut Watan teilten die Japaner häufig einen Stamm auf und siedelten die Mitglieder anderswohin um, damit sie dort mit den Menschen anderer Stämme lebten. Der Zweck dieser demografischen Umstrukturierung war nach seinen Worten, den Zusammenhalt von Ureinwohnergruppen zu schwächen und es für die Japaner leichter zu machen, sie zu beherrschen. Das stellt die Kulturforscher von heute vor Probleme, da sie ständig Informationen Stück für Stück zusammentragen müssen, um Schlüsse über eine bestimmte Tradition oder ein Vermächtnis ziehen zu können, etwa den für eine einzelne Gruppe typischen Webstil.

Wsay Kolas verweist darauf, dass die von den japanischen Kolonialherren und ab 1945 von der Regierung der Republik China ergriffenen Maßnahmen, die in den Bergen lebenden Ureinwohner wie zum Beispiel die Atayal ins Flachland umzusiedeln, auch ihre Entwurzelung und Gefährdung ihrer Kultur zur Folge hatten. Tatsächlich wird im Hinblick auf Bewahrung einer Kultur geografische Isolation häufig als Vorteil angesehen. „Die Amis sind stärker von Assimilierung bedroht als die meisten anderen Ureinwohnergruppen, vor allem weil sie seit langem im Flachland wohnen und unter Han-Chinesen leben“, analysiert Kolas, die selbst Angehörige der Amis ist, Taiwans größter Ureinwohnergruppe. Nach ihrer Darstellung ist die Kultur der Yami (auch Tao genannt) besser erhalten als die von anderen Ureinwohnergruppen, weil die Tao auf der abgelegenen Orchideeninsel (Lanyu) leben, gut 60 Kilometer vor Taiwans Südostküste. Kolas befürchtet allerdings, dass der jüngste Boom beim Fremdenverkehr nach Lanyu für den Bestand der Tao-Kultur eine ernste Bedrohung darstellt.

Kulturelle Zurschaustellungen folkloristischen Zuschnitts für Touristen verzerren die Ureinwohnerkulturen oder bilden Klischees, warnt Kolas. Das erfüllt auch Lalan Unak mit großer Sorge. Der Stammesangehörige der Amis aus Hualien begann in den achtziger Jahren, kulturelle Aspekte aus dem Alltagsleben seines Stammes zu dokumentieren, indem er mit Video alles aufzeichnete, von volkstümlichen religiösen Praktiken über volkstümliche Heilkunde bis zu traditionellen Ritualen. „Es ist falsch, die Touristen dadurch herzulocken, dass man die Kultur vulgarisiert“, wettert er. „Wir müssen den Fremdenverkehr entwickeln und gleichzeitig unsere kulturellen Wurzeln beibehalten.“

Das Ernteritual der Amis, der größten Ureinwohnergruppe Taiwans. Da die Siedlungen der Amis sich überwiegend im Flachland befinden, haben sie besonders schwer damit zu kämpfen, ihre Traditionen inmitten der Gesellschaft der Mehrheit zu behaupten und lebendig zu halten. (Foto: Courtesy Fataan Pangcah Cultural Workshop)

Kultur aus erster Hand

1996 gründete Unak den Kulturworkshop Fataan Pangcah. Heute ergänzt seine Forschung über die Stammeskultur die von ihm gebotenen vielfältigen Dienstleistungen für Touristen, darunter Führungen in der Gegend oder praktische Erfahrungen wie etwa die traditionellen Fischfangmethoden der Amis. Unak beharrt darauf, den Besuchern unverfälschte Beispiele der Ureinwohnertraditionen zu zeigen, zum Beispiel das berühmte Ernteritual mit Vorstellungen von Gesang und Tanz, wie sie bei den Amis seit langem üblich sind. „Die meisten Tourismusbetreiber neigen dazu, Vorführungen mit jungen Mädchen in knappen Kostümen und mit übertriebenen Gesten zu organisieren“, tadelt er. „Bei sowas fühle ich mich unbehaglich.“ Stattdessen besteht sein Ensemble aus jungen Männern und Frauen aus der Gemeinde vor Ort, welche seit ihrer Jugend das echte Ritual zelebriert haben. Mit den Details der Kostüme nimmt Unak es gleichfalls sehr genau, und nach seinen Worten kann die Herstellung der Kleidungsstücke recht teuer sein, weswegen er den Touristen nie gestattet, sie anzuprobieren. Das Ensemble reist manchmal sogar zu anderen Amis-Gemeinden, um die jungen Leute dort in dem Ritual zu unterweisen. „Das hat die Stammeskultur in vielen anderen Gemeinden wiederbelebt“, behauptet er. „Das ist vielleicht ihr wertvollster Beitrag zur Bewahrung der Kultur.“

Unaks Workshop hofft, diese Wiederbelebung aufrechtzuerhalten, indem die Bandbreite der Aktivitäten vergrößert wird. Die Organisation bietet Stammesangehörigen vollständige Holzschnitz-Kurse, einige der Absolventen haben bereits eigene Ateliers aufgemacht. Im vergangenen Jahr erhielt der Workshop vom Hualien-Waldbezirksamt unter dem Landwirtschaftsrat (Council of Agriculture, COA), einer Behörde in Ministeriumsrang, den Auftrag, eine Studie über einheimische Pflanzen in Unaks Gemeinde durchzuführen, die in der traditionellen Volksheilkunde Verwendung finden. Da Dutzende von Anwohnern in den Verfahren für die Studie unterwiesen wurden, einheimische Pflanzen und Arzneien zu identifizieren, erhöht sich die Aufmerksamkeit der Stammesangehörigen für ihre Umgebung und die Stammesgeschichte.

Gleichzeitig sucht die IPCF weiter nach talentierten Personen, welche die Ureinwohnertraditionen bewahren und ausbreiten wollen. Eine der für dieses Jahr vorgesehenen größeren Veranstaltungen der Stiftung wird ein landesweiter Wettbewerb für visuelle Kunst mit Schwerpunkt auf Ureinwohnerkultur sein, die Sieger sollen in der zweiten Jahreshälfte bekannt gegeben werden.

„Sowohl die Holos als auch die Hakka [zwei Einwanderergruppen mit Wurzeln in Festlandchina] sind Han-Chinesen und haben bei Kultur, Sprache und ethnischer Zugehörigkeit die gleichen Grundlagen wie die Menschen in Festlandchina“, bemerkt Kolas. „Was Taiwan unvergleichlich macht, ist die Ureinwohnerkultur. Die Regierung sollte sie als einen von Taiwans Schätzen betrachten und ihr größere Unterstützung zukommen lassen, besonders wenn man bedenkt, dass die Ureinwohner bei wirtschaftlichem Status und Bildungsniveau immer noch hinterhinken.“

Die Dringlichkeit, welche Yuma Taru bei der Bewahrung der Ureinwohnerkultur empfindet, brachte sie dazu, ein auf Kinder ihrer Ureinwohnergruppe zugeschnittenes neues Projekt für ethnische Bildung anzubieten. Im September 2011 nahmen sechs Kinder zwischen 2 und 5 Jahren an den kostenfreien Kursen über Atayal-Kultur teil, für die Lehrmaterialien verwendet wurden, die man im Lihang Studio geschaffen hatte. Doch trotz des Erfolges ihres Studios bei der Nachbildung von Ureinwohnertrachten — Lihang wurde damit betraut, den größten Teil der Ureinwohner-Kostüme für den jüngst angelaufenen Kinofilm Warriors of the Rainbow: Seediq Bale, der große Beachtung fand, zu gestalten — versuchte ihre eigene Mutter, sie davon abzubringen, diese neue Herausforderung anzunehmen. „Sie möchte einfach, dass ich ein leichteres Leben habe, und wir diskutierten fast eine ganze Nacht lang darüber“, kommentiert Taru das Gespräch mit ihrer Mutter kurz vor der Modenschau im Dezember in Taipeh.

Taru hat sich allerdings nicht an den Rat ihrer Mutter gehalten und ist ebenso wie Kimi Sibal und Lalan Ulak weiterhin entschlossen, ihre Arbeit zur Förderung von Taiwans Ureinwohnerkulturen fortzusetzen. „Dieses Projekt ist von großer Bedeutung“, versichert Taru. „Hoffentlich kann es andere Menschen, welche die Lage der Ureinwohnerkulturen durch Bildung verbessern möchten, inspirieren.“

(Deutsch von Tilman Aretz)

Meistgelesen

Aktuell