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Nach dem Sturm

01.09.2010
Diese sauber aufgereihten Häuser wurden von der buddhistischen Wohlfahrtsstiftung Tzu Chi für Überlebende des Taifuns Morakot an der Yuemei-Farm im Landkreis Kaohsiung als permanente Wohnstätten errichtet. (Foto: Chen Mei-ling)
Nachdem man den Spielplatz der Shanlin-Mittelschule im südtaiwanischen Landkreis Kaohsiung durchquert hat, kommen mehrere Reihen säuberlich angeordneter Häuser ins Blickfeld. Die Wände sind in einem einheitlichen Grauton verputzt, und jedes Haus hat einen kleinen Vorgarten. Auf manchen der leeren Parzellen neben den Häusern stehen Statuen von Freiwilligen der buddhistischen Wohlfahrtsstiftung Tzu Chi, die beim Bau der Häuser mithalfen. Am Eingang der Siedlung tragen zwei große Steine die Inschriften „Ich habe gesehen, wie jemand unter der Erde begraben und von Erdrutschen fortgerissen wurde“ und „Ich danke Tzu Chi dafür, dass sie mir ein neues Zuhause gebaut haben und mir einen warmen Ort zum Leben geben“.

Dies sind Eindrücke von der Yuemei-Farm in der Gemeinde Shanlin, einem Wohngebiet, wo über 1800 Überlebende des Taifuns Morakot angesiedelt wurden. Der Wirbelsturm war Anfang August vergangenen Jahres über Taiwan hinweggebraust und hatte Hunderte von Menschenleben gefordert, der Sachschaden ging in die Milliarden. Bis zum 11. Februar dieses Jahres waren auf dem 59 Hektar großen Gelände von Yuemei 756 permanente Wohnstätten vollendet worden, so dass Mitglieder von gut 540 Familien, denen diese Häuser zugewiesen worden waren, einziehen konnten. Die meisten dieser Familien lebten zuvor in den Gemeinden Namaxia, Jiaxian, Maolin, Taoyuan und Liugui im Landkreis Kaohsiung. Der 11. Februar markierte den Abschluss der ersten Phase der Anstrengungen, Überlebenden von Morakot in Yuemei eine dauerhafte neue Heimat zu geben. Die Zahl der Häuser, die in der zweiten Phase in Yuemei errichtet werden sollen, hängt von den Ergebnissen des laufenden Antragsverfahrens ab.

Bis zum 25. Juni dieses Jahres hatten 4082 Familien aus allen Bezirken in Taiwan, die von dem Taifun betroffen worden waren, Anträge auf permanente Heimstätten gestellt. Während ihrer Wartefrist sind viele Angehörige dieser Familien in Mietwohnungen in sichereren Gegenden gezogen, bei Verwandten untergekommen oder haben in Notunterkünften Zuflucht gesucht.

Der zeitliche Rahmen und die Phaseneinteilung für den Bau permanenter Wohnstätten für obdachlose Morakot-Überlebende sind von Ort zu Ort verschieden, und die Antragsverfahren sind an diesen Orten ebenfalls nicht einheitlich. Bis zum 25. Juni waren in drei Gebieten die Rohbauten vollendet worden, darunter die 756 Wohnstätten der Yuemei-Farm, 30 weitere in der Gemeinde Taimali (Landkreis Taitung) in Osttaiwan und sechs in der südtaiwanischen Gemeinde Gaoshu (Landkreis Pingtung). Zugleich sollte nach Auskunft des Wiederaufbau-Rates nach Morakot (Morakot Post-Disaster Reconstruction Council, MDRC) im Exekutiv-Yuan (行政院), also Taiwans Regierungskabinett oder Ministerrat, Anfang August dieses Jahres die erste Bauphase für zusätzliche 856 Häuser in den Landkreisen Nantou, Chiayi, Tainan, Kaohsiung, Pingtung und Taitung abgeschlossen werden.

Vereinte Anstrengungen

Ein großer Teil des Dorfes Xiaolin in der Gemeinde Jiaxian war während Morakot von zwei Erdutschen verschüttet worden. Von den 300 überlebenden Familien Xiaolins waren bis Oktober vergangenen Jahres 58 in provisorische Unterkünfte gezogen, die man unweit der Yuemei-Farm aufgestellt hatte, viele der übrigen Familien nahmen in Mietshäusern in der Gemeinde Shanlin Quartier. Dank der vereinten Anstrengungen der Regierung und von Hilfsorganisationen sollten bis Ende Juli dieses Jahres 90 Wohnungen für Überlebende aus Xiaolin im nahe gelegenen Dorf Wulipu (Gemeinde Jiaxian) vollendet werden, während 59 Familien aus Xiaolin zu den 540 gehörten, denen laut Bauamt der Kreisverwaltung Kaohsiung permanente Wohnstätten in Yuemei genehmigt wurden.

„Manche der Bewohner von Xiaolin werden in Häuser in Wulipu ziehen, andere haben sich für die Yuemei-Farm als Wohnort entschieden“, berichtet Chern Jenn-chuan, stellvertretender Geschäftsführer des MDRC. „Die meisten von ihnen ziehen es jedoch vor, an einem anderen Ort unweit der Yuemei-Farm zu bauen.“ Damit bezieht Chern sich auf die Stätte, wo aus Xiaolin Evakuierte kurz nach der Katastrophe in Notunterkünfte einquartiert wurden. Die schätzungsweise 145 Familien, welche diese Stätte bevorzugen, haben bei der Lokalverwaltung einen Vorschlag eingereicht, doch bis Juli dieses Jahres lag noch keine offizielle Entscheidung darüber vor.

„Seit der Katastrophe haben wir die Dörfler betreut, wie sie versuchten, sich ihr Leben wieder aufzubauen“, erzählt Steven Chen, Generalsekretär der Rotkreuzgesellschaft der Republik China in Taiwan. „Wir verstehen und respektieren ihre Gedanken voll und ganz, und wir bewundern ihre Beharrlichkeit, ihre Pingpu-Siraya-Kultur zu bewahren.“ Das Rote Kreuz bot die finanzielle Unterstützung für den Bau der Häuser in Wulipu und hat auch seine Bereitschaft bekundet, permanente Wohnstätten für die Familien zu errichten, welche den Ort der provisorischen Unterkünfte bei Yuemei bevorzugen.

„Wir wollen unsere Straßen und die uns vertrauten Szenen aus unserem Dorf dort nachbilden“, erklärt Song Yan-cheng aus Xiaolin über die Stätte. „Andere Überlebende können immer noch in ihre Heimatstadt zurückkehren, aber wir haben keinen Ort mehr, wohin wir zurückgehen können.“ Über die vorgeschlagene Stätte lässt sich Tsai Song-yu, Sprecher des Xiaolin-Selbsthilfeverbandes, vernehmen: „Wir wollen, dass unsere Häuser im Stil unserer Kultur erbaut werden und nicht so aussehen wie jedes andere Haus an der Yuemei-Farm. Wir hoffen, dass die Lokalverwaltung, Hilfsorganisationen und unsere Dorfbewohner darüber bei weiteren Verhandlungen einen Konsens erzielen können.“

Laut dem Sonderstatut über den Wiederaufbau nach Morakot, das im August 2009 verkündet wurde, müssen Bewohner von „Sonderzonen“, die für menschliche Besiedlung als nicht sicher eingestuft wurden, obligatorisch in ungefährlichere Gegenden umziehen. In der Praxis hat die Regierung den Bewohnern allerdings erlaubt, in ihre Häuser in den Sonderzonen zurückzukehren, ihnen jedoch mitgeteilt, dort würden nur begrenzte Reparaturarbeiten an Straßen sowie Wasser- und Elektrizitätssystemen vorgenommen werden. Die von der Katastrophe betroffenen Dörfler stehen also der schwierigen Entscheidung gegenüber, in beschädigte Heimatstädte in den Bergen zurückzukehren, die eine unsichere Zukunft haben, oder sich auf Dauer im Flachland niederzulassen. Nach Angaben des MDRC sind 72 Prozent aller Morakot-Überlebenden Ureinwohner, von denen viele gewöhnt sind, im südtaiwanischen Bergland zu leben und nicht im Flachland oder in Städten.

Nach dem Taifun wurden mehrere Monate lang Feldforschung in von Morakot betroffenen Gebieten und Verhandlungen zwischen örtlichen Beamten und Überlebenden geführt. Nach Abschluss der Studien im November 2009 war die Definition des Begriffs „unsicher“, wie er auf die Sonderzonen angewandt wurde, besonders umstritten, in manchen Fällen ist der Dissens immer noch nicht beigelegt. „Es kam vor, dass ich Überlebenden gesagt habe, ihr Haus sei sicher, doch sie meinten, sie hätten einen bestimmten Riss in einer Wand vorher nicht gesehen und hätten Angst, dort zu wohnen“, seufzt Chern vom MDRC. „In anderen Fällen habe ich Bewohnern gesagt, ihr Haus sei zum Bewohnen nicht sicher, doch sie behaupteten, es sei in Ordnung.“

Im Juni dieses Jahres schaute sich Staatspräsident Ma Ying-jeou auf der Yuemei-Farm örtliche landwirtschaftliche Produkte an. (Foto: Chen Mei-ling)

Solche Dispute haben die Umsiedlungsbemühungen verzögert, so Chern. „Wir arbeiten weiterhin daran, zu bestätigen, wo sich die betroffenen Gebiete befinden, damit wir den Bedürftigen permanente Wohnstätten zuweisen können“, teilt er mit. „Wir müssen damit fertig werden, bevor wir den Nichtregierungsorganisationen (Non-governmental Organization, NGO) mitteilen können, wie viele Häuser zu bauen sind.“

Viele von denen, die sich entschlossen haben, permanente Wohnstätten im Flachland zu beziehen, wurden laut Chern durch bessere Jobmöglichkeiten, leichteren Zugang zu Krankenhäusern und ein stabileres Lernumfeld für ihre Kinder motiviert, zumal viele Kinder nach der Katastrophe gezwungen gewesen seien, die Schule zu wechseln. „Sie hatten Angst, dass ihre Kinder, wenn sie in den Bergen blieben, bei einer weiteren Katastrophe in die gleiche Situation kämen“, kolportiert er.

Andererseits haben diejenigen, die darauf beharrten, in ihre Heimatorte zurückzukehren, ebenfalls gute Gründe. Die Herbergsbetreiber Gu Xiu-hui und ihr Ehemann Tharngalu Sumuku zum Beispiel waren eine von 10 Familien im Dorf Adiri (Gemeinde Wutai, Landkreis Pingtung), die sich nach dem Taifun zu einer Rückkehr in ihre Heimat in den Bergen entschlossen. Gu sagt, dass sie und ihr Mann nach Adiri zurückkehrten, obwohl das Dorf zu einer der unsicheren Zonen erklärt worden war, weil ihnen nur das Leben in den Bergen zusagt. „Wir haben hier ein einfaches Leben“, versichert sie. Das Paar glaubt, ihre Rückkehr in ihre Heimatstadt sei ein entscheidender erster Schritt in Richtung eines letztendlichen Wiederaufbaus des Dorfes.

Trotz ihrer Zuneigung zu Adiri sind sich die zehn Familien der potenziellen Gefahren bewusst, weswegen sie planen, mit ihren eigenen Ressourcen einen Katastrophen-Schutzbunker außerhalb der Sonderzone zu bauen, den sie während der Taifunsaison zwischen Juni und September in jedem Jahr nutzen wollen. Obwohl sie nicht in einer der Sonderzonen liegen, gibt es auch Pläne für Katastrophen-Schutzbunker in den Dörfern Labuane und Kudrengere in der Gemeinde Wutai und im Dorf Tjalja-avus in der Gemeinde Laiyi (Landkreis Pingtung).

Nach Auskunft von Chern Jenn-chuan steht es den Bewohnern der Sonderzonen zwar frei, in ihre Dörfer zurückzukehren, doch sobald eine Landwarnung für einen Taifun ausgegeben wurde, müssen sie sicherere Orte aufsuchen. Gemäß dem Katastrophenverhütungs- und –schutzgesetz haben Gemeindebüros das Recht, die Polizei und Angehörige der Streitkräfte zu mobilisieren, um bei der Evakuierung zu helfen und diese durchzusetzen. Chern: „Wir wissen, dass viele Gebiete, die von Morakot betroffen wurden, zu anfällig sind, um noch viel mehr Schäden aushalten zu können, deswegen haben wir die Nationale Katastrophenverhütungs- und –schutzkommission und die Dörfler gebeten, in der Taifunsaison besonders wachsam zu sein.“

Neben Häusern wurden auch viele Straßen im südtaiwanischen Bergland von Morakot schwer beschädigt. Da manche Dörfer nur über eine einzige Straße erreicht werden können, kann eine Unterbrechung jener Straße dazu führen, dass die Dörfler ihre einzige Verkehrsverbindung mit der Außenwelt verlieren und man nur noch per Notfall-Hubschrauber hinkommen kann. Laut MDRC beschädigte der Taifun acht Abschnitte von Provinz-Landstraßen in den Landkreisen Chiayi, Kaohsiung, Nantou, Pingtung und Taitung. Die Reparaturen dieser Abschnitte laufen, und der MDRC hat versprochen, die Bemühungen bis Ende 2011 zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.

Eine Errungenschaft des Straßen-Wiederaufbaus war die Wiedereröffnung der Jiaxian-Brücke am 26. Juni dieses Jahres. Die Brücke überquert den Nanzixian-Fluss und ist die Hauptverkehrsader zwischen Jiaxian und den Provinz-Landstraßen 20 und 21 im Landkreis Kaohsiung. Die alte Betonbrücke war durch Hochwasser, das der Taifun Sinlaku im September 2008 hervorrief, zum Einsturz gebracht worden, und die anschließend errichtete provisorische Brücke wurde von Morakot fortgespült. Die neue Brücke ist eine robuste Stahlkonstruktion von 21 Metern Breite mit drei Bögen, die in einem hellen Lila gestrichen ist, der Farbe von Taro, einer Delikatesse in Jiaxian.

Während die Jiaxian-Brücke ein Erfolgsbeispiel für die Wiederaufbau-Bemühungen darstellt, werden manche von Morakot zerstörten Straßen nie wieder bis zur gleichen Funktionalität repariert werden wie vor dem Sturm. Laut Hung Shi-yi, einem technischen Fachmann der Infrastruktur-Bauabteilung des MDRC, gibt es in der von Morakot betroffenen Gegend sieben Straßen, denen nur eine minimale Wartung zuteil werden wird, da sie sich in geologisch empfindlichen Gebieten befinden und zu Dörfern in den unsicheren Sonderzonen führen. Sollten sich in Zukunft schwere Regenfälle oder Erdbeben ereignen, befürchtet die Abteilung, dass diese Straßen wahrscheinlich weitere Schäden erleiden werden, und außerdem wäre es für die Regierung sehr teuer und schwierig, wenn nicht gar unmöglich, sie stark genug wiederherzurichten, so dass sie solche Katastrophen aushalten können.

Der Abschnitt der Provinz-Landstraße 21 zwischen Xiaolin und Namaxia zum Beispiel war am Nanzixian-Fluss entlang gebaut worden. Durch die mit Morakot einhergehenden sintflutartigen Regenfälle schwoll der Fluss enorm an und spülte lange Passagen der Landstraße fort, andere Teile wurden von Erdrutschen begraben. Der MDRC hat beschlossen, die beschädigten Gebiete der Landstraße nur rudimentär wiederherzurichten, also überwiegend ohne Asphaltierung und nur eine Fahrspur breit. Bewohner der Gegend äußerten ihre Bedenken über die beschränkten Wiederaufbaupläne. Istanda Huson, Chef der Gemeinde Namaxia, befürchtet etwa, dass Reisebusse die schmale Straße nicht werden befahren können, und die Auswirkungen auf den Transport örtlicher landwirtschaftlicher Produkte zu bevölkerten Zentren seien gleichfalls besorgniserregend. Ein Teil von Namaxia befindet sich in einer Sonderzone.

Der Wiederaufbau anderer Straßen zu stärker besiedelten Teilen der vom Taifun heimgesuchten Gegend wird vollständiger sein, aber auch mehr Zeit brauchen. Der Abschnitt der Provinz-Landstraße 20 zwischen den Dörfern Qinhe und Meilan in der Gemeinde Taoyuan zum Beispiel verläuft entlang dem Laonong-Fluss und wurde durch Hochwasser schwer beschädigt. Eine provisorische Umleitung wird den beschädigten Abschnitt ersetzen, während der MDRC eine dauerhafte Ersatzstrecke baut, geteert und mindestens zwei Fahrspuren breit.

Das Unternehmen Foxconn Electronics Inc. gründete diese Farm für biologischen Anbau, um in der Nähe angesiedelten Überlebenden des Taifuns Morakot Arbeitsplätze zu bieten. (Foto: Chen Mei-ling)

Langzeitarbeiten

Zusätzlich zu Wohnstätten und Zugang zu Straßen brauchen viele Morakot-Überlebende, die ihre Heimatorte und damit ihre damaligen Arbeitsplätze verlassen mussten, auch neue Jobs. Um jenen zu helfen, die sich zum Umzug entschlossen, gründete die taiwanische Firma Foxconn Electronics Inc., einer der größten Hersteller von Computerkomponenten der Welt, eine Farm für biologischen Anbau, um den an der Yuemei-Farm und der benachbarten Gemeinde Shanlin wohnenden Überlebenden Langzeitjobs zu bieten. Die 60 Hektar große Farm ist nur 800 Meter von den neu gebauten permanenten Wohnstätten in Yuemei entfernt.

Bis Ende Juni dieses Jahres hatte die Farm 93 Arbeitskräfte eingestellt. Nach Angaben von Chou Chun-chi, Inhaber der Tenha Organic Farm im südtaiwanischen Landkreis Tainan, wird erwartet, dass der Betrieb bis Ende dieses Jahres insgesamt 300 Arbeitskräfte beschäftigen wird. Tenha wurde von Foxconn bis 2016 unter Vertrag genommen, um dem Yuemei-Betrieb dabei zu helfen, Verkaufskanäle zu entwickeln und Ausbildung für biologische Anbautechniken bereitzustellen. Foxconn hat sich bereit erklärt, in den ersten zwei Jahren des Betriebes den gesamten Bestand der landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Yuemei-Farm aufzukaufen, ergänzt Chou.

Chern vom MDRC meint, 17 andere Unternehmen hätten sich Foxconn angeschlossen und würden Morakot-Opfern Arbeitsplätze anbieten. Zeitlich befristete Stellen von sechs Monaten bis einem Jahr wurden auch von der Kreisverwaltung Kaohsiung geschaffen, aber diese Stellen laufen alle zum Ende dieses Jahres aus. Chang Ji-cheng, Angestellter in der biologischen Yuemei-Farm, macht darauf aufmerksam, dass das kurzfristige Wesen dieser staatlichen Jobs viele Morakot-Überlebende dazu veranlasst hat, sie zu verschmähen und sich stattdessen nach permanenten Arbeitsmöglichkeiten umzuschauen.

Arbeitnehmer in und um der Gemeinde Alishan im Landkreis Chiayi, einem der beliebtesten Touristenziele Taiwans, mussten nach dem Taifun gleichfalls Einschränkungen hinnehmen. Zwischen dem Wirbelsturm und dem 25. Juni dieses Jahres konnten etwa große Touristenbusse den Alishan nicht erreichen, da Morakot die Provinz-Landstraße 18 beschädigt hatte. In jenem Zeitraum war die Landstraße für PKW und LKW freigegeben, doch sie war in sehr holprigem Zustand und streckenweise nur einspurig. Obendrein war auch die Alishan-Waldeisenbahn durch den Taifun ramponiert und musste den Betrieb bis Juni dieses Jahres einstellen. Inzwischen sind zwei der drei Schmalspurstrecken wieder in Betrieb.

Der Wegfall der Busse und Züge voller Touristen war für das Fremdenverkehrsgewerbe in der Gegend ein schwerer Schlag. Nach Auskunft der Kreisverwaltung Chiayi fiel die Zahl der Touristen, welche die Gegend um den Alishan besuchten, zwischen Januar und März dieses Jahres auf 180 000, verglichen mit fast 600 000 im gleichen Vorjahreszeitraum.

Morakot verwüstete zudem den Danayiku-Ökopark, der von den Tsou-Ureinwohnern im Dorf Saviki in der Gemeinde Alishan eingerichtet worden war. Der Park, der sich in einem landschaftlich reizvollen Tal am Danayiku-Fluss befindet, wurde infolge von Morakots Überschwemmungen von einer dicken Schicht aus Felsgestein und Kies bedeckt. Entstanden war der Park im Jahre 1995, nachdem die Anwohner sich 5 Jahre lang angestrengt hatten, die wildlebenden Tiere der Gegend zu schützen und die Umweltverschmutzung zu vermindern. Diese Bemühungen zahlten sich aus, als die Umwelt des Tals sauberer wurde und eine Fischart, die den Tsou unter dem Namen Yosku aulu bekannt ist und die nur in unverschmutztem Wasser lebt, wieder in dem Fluss auftauchte. Der Ökopark und die Schönheit des Flusses förderten das Fremdenverkehrsgewerbe im Dorf Saviki, und zwischen 1995 und 2008 erzeugte der Tourismus durchschnittliche Jahreseinkünfte in Höhe von 10 Millionen NT$ (243 900 Euro).

Schlechte Straßenverhältnisse wirken sich gleichermaßen abträglich auf den Fremdenverkehr von Saviki aus. Die Kreis-Landstraße 129, die Saviki mit den Dörfern Niahosa und Cayamavana in der Gemeinde Alishan verbindet, wurde ebenso wie die Shanmei-Brücke von Morakot weggefegt. Die Straße ist heute zwar wieder geöffnet, ist jedoch überwiegend in schlechtem Zustand, und große Ansammlungen von Schotter verlangsamen die Reparaturarbeiten.

Um den Anwohnern um Saviki beizustehen, einen Lebensunterhalt zu verdienen, hilft Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC), der größte unabhängige Halbleiterfabrikant der Welt, bei der Werbung für die landwirtschaftlichen Produkte der Gegend. Außerdem plant das Unternehmen, vor Ort Werke für die Verarbeitung von Bambussprossen und Tee — zwei der wichtigsten Produkte von Saviki — zu errichten. Um den Fremdenverkehr zu fördern, hilft TSMC Herbergsinhabern der Gegend bei der Prozedur für Anträge auf Gewerbescheine, denn manche von ihnen hatten vor Morakot ohne Lizenz gearbeitet, enthüllt Chern Jenn-chuan vom MDRC.

Das vom Regierungskabinett erlassene Sonderstatut über den Wiederaufbau nach Morakot läuft Ende 2011 aus, und Chern meint, seine Behörde befinde sich nun in einem „Wettlauf gegen die Zeit“, um die Bedürfnisse der Überlebenden zu erfüllen. Für die Regierung und MDRC ist beim Wiederaufbau von Wohnraum, Straßen und der Wirtschaft vor Ort noch viel Arbeit zu bewältigen. Die wichtigste Arbeit der Regierung besteht jedoch darin, die Kommunikation mit den Morakot-Opfern über die Verlegung und den Wiederaufbau von Dörfern aufrechtzuerhalten. Diese Kommunikation ist deswegen so wichtig, weil es für einzelne Personen, die ihr Leben in den Bergen verbracht haben, schwierig ist, sich an die völlig unterschiedlichen Verhältnisse im Flachland anzupassen. „Ich respektiere die Entscheidung der anderen Dörfler, im Flachland zu leben“, behauptet Gu Xiu-hui aus dem Dorf Adiri. „Auch wenn sie Wohnraum dort akzeptiert haben, werden sie eines Tages nach Adiri zurückkommen wollen. Es ist das gemeinsame Ziel unserer Stammesmitglieder, uns für die zukünftige Entwicklung von Adiri einzusetzen.“

(Deutsch von Tilman Aretz)

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