Der deutsche Entomologe Hans Sauter, der ab 1905 ständig in Taiwan lebte, hat einen wichtigen Beitrag für die entomologische Forschung in Taiwan in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts geleistet. Seine systematischen Sammlungen taiwanischer Insekten waren viel umfangreicher und die Insektenfauna Taiwans dadurch besser erforscht als die von vielen anderen Inseln des Fernen Ostens zu jener Zeit. Anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der ersten Ankunft Sauters auf Taiwan möchte Taipeh heute an seinen Beitrag zur Erforschung der taiwanischen Insektenfauna erinnern.
Hans Sauter wurde am 21. Juni 1871 in Augsburg geboren. Als Universitätsfach wählte er Zoologie und studierte zunächst bei Geheimrat Prof. Richard Hertwig (1850-1937) an der Universität München, später bei Prof. Theodor Eimer (1843-1898) in Tübingen. Unter ihm begann er seine Dissertation über die Färbung und Zeichnung der Pentatomiden (Baumwanzen), besonderes der Scutellerinen . Kurz vor der Fertigstellung der Doktorarbeit starb allerdings Prof. Eimer, und für längere Zeit konnte Sauter keinen neuen Doktorvater finden. Sauter verlor jegliche Lust, länger in dem verwaisten Laboratorium zu bleiben, und der junge Naturforscher folgte seiner Sehnsucht nach der unbekannten, lockenden Ferne. Er wählte Formosa (Taiwan) als Ziel seiner Reise, weil er festgestellt hatte, dass es sich um ein entomologisch noch beinahe völlig unerforschtes Gebiet handelte.
Im Mai 1902 ging Sauter in Anping(安平), einer damals blühenden Hafenstadt im Süden Taiwans, an Land. Hier blieb er ein halbes Jahr und sammelte hauptsächlich Hemipteren (Schnabelkerfen), die auch das Thema seiner Doktorarbeit waren. Anschließend fuhr er für zwei Jahre nach Tokyo und kehrte 1905 mit seiner japanischen Frau, die er in Tokyo kennen gelernt und geheiratet hatte, wieder nach Taiwan zurück. Reisen zwischen Taiwan und Japan waren damals unproblematisch, weil Taiwan von 1895 bis 1945 japanische Kolonie war.
In Taiwan trat Sauter zunächst in den Dienst der englischen Handelsgesellschaft Tait & Co.(德記洋行), die Tee exportierte. Die Firma hatte mehrere Zweigstellen in Japan und Taiwan, z. B. in Yokohama, Kobe, Taipeh, Anping und Kaohsiung, und Sauter arbeitete an verschiedenen Orten; in Anping und Kaohsiung wohnte er am längsten. In jener Zeit war Sauter auch mit großem Enthusiasmus als Insektenforscher tätig. Er durchstreifte ganz Taiwan mit Ausnahme eines Teils der unwegsamen Ostküste und der Gebiete, die damals wegen der als Kopfjäger bekannten Ureinwohner noch nicht zugänglich waren.
Am Anfang sandte Sauter die von ihm gesammelten Insekten zum Verkauf oder als Geschenk an Museen oder an europäische Entomologen. 1912 schloss Sauter mit dem Deutschen Entomologischen Institut (DEI) einen Vertrag, laut dem er sein Material dem DEI unter der Bedingung zum Geschenk machte, dass es wissenschaftlich bearbeitet, in Beiträgen der Institutszeitschriften veröffentlicht, sachgerecht präpariert, etikettiert und getrennt aufgestellt werden sollte.
Sauters umfangreiche Sammlungen versetzten die europäischen Entomologen über die reiche Insektenfauna Taiwans in Erstaunen. 1913 schrieb der deutsche Entomologe Alexander Heyne in seiner Arbeit über Papilio (Ritterfalter) von Formosa: "Der außerordentliche Reichtum der Fauna von Formosa (Taiwan) tritt bei einem Vergleich der dort vorkommenden Papilio-Arten und Formen mit denen anderer Gebiete ganz besonders auffällig zutage. Formosa erreicht mit seinem Flächeninhalt von nicht ganz 36 000 Quadratkilometern an Größe noch nicht einmal die preußische Provinz Hannover und wird von anderen Gebieten mit reicher Fauna um das Vielfache übertroffen, z. B. von Japan mit 382 500 Quadratkilometern und Madagaskar mit 592 100 Quadratkilometern; hingegen an Reichtum der Papilio-Arten und Formen übertrifft es [Formosa] nicht nur diese Inseln, sondern auch große Faunagebiete."
Sauters Sendungen gingen von 1910 bis 1914 beim DEI ein, zuerst Dubletten, ab 1912 das gesamte Material. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges stellte er jedoch seine intensive Sammeltätigkeit ein. Weil Deutschland und Japan sich im Krieg befanden, wurden alle seine Schritte von der japanischen Regierung sehr sorgfältig überwacht. Wegen seiner deutschen Nationalität musste er außerdem seinen Posten bei der englischen Handelsfirma aufgeben. Als Sauters Ersparnisse zur Neige gingen, begann er privat Englisch- und Klavierunterricht zu erteilen. Er war der erste Mann in Taiwan, der privat Klavierunterrichte erteilte. Gegen Ende des Krieges erhielt Sauter eine Stelle als Deutschlehrer an der medizinischen Schule in Taipeh und gab dafür die Englischstunden auf, den Klavierunterricht behielt er jedoch bei.
Das Gebäude des Deutschen Entomologischen Instituts in Eberswalde (Brandenburg). Mit 6001 Arten ist die Sammlung, die Sauter dem DEI schenkte, auch heute noch eine der umfangreichsten des Instituts. (Chan May-ling)
Einzelne Insektensendungen gelangten, bedingt durch den Krieg, erst 1918/1919 an das DEI. Die Formosa-Sammlung enthält Insekten von 19 Ordnungen in 2872 Gattungen, 6001 Arten und 2258 Typen. In einigen Insektenordnungen, z. B. Schmetterlinge, Zweiflügler und Netzflügler, bildet Sauters Sammlung wesentliche Teile des im DEI vorhandenen Typenmaterials. Die Sammlungsmaterialien wurden bearbeitet und aufgestellt. Die Ergebnisse sind in über 120 Beiträgen unter dem Titel "H. Sauters Formosa-Ausbeute" in den Institutszeitschriften des DEI veröffentlicht.
Nach 1917 ließ Sauters Sehkraft nach, so dass er nicht mehr imstande war, sich mit Insekten zu beschäftigen. Für weitere fünf Jahre bis 1923 war Sauter jedoch ein eifriger Sammler und Beobachter von Fröschen, Eidechsen und Schlangen, bis sein Gesundheitszustand auch diese Tätigkeit nicht mehr zuließ.
Sauter lebte mit seinen sieben Kindern, die er alleine aufzog, nachdem seine japanische Frau im Jahre 1916 gestorben war, in Dadaocheng(大稻埕), einem am Tamsui-Fluss gelegenen Bezirk von Taipeh. In den letzten Jahren seines Lebens wurde Sauter von Heimweh geplagt. Der taiwanische Geschichtsforscher Chuang Yung-ming(莊永明) weiß eine Episode aus den letzten Lebensjahren Hans Sauters zu erzählen: Damals lag dieser krank zu Hause im Bett und hörte im Radio ein Sonderprogramm mit deutschen Liedern, die von dem taiwanischen Künstler Lü Chiuan-sheng(呂泉生) vorgetragen wurden. Sauter war darüber vor Heimweh so gerührt, dass er im Funkhaus anrief und um ein Treffen mit dem Sänger bat, welches allerdings nie zustande kam, da der Sänger das Funkhaus bereits verlassen hatte und kurz darauf nach Japan reiste.
Als der Künstler ein Jahr später nach Taiwan zurückkehrte, war Hans Sauter bereits verstorben. Der Zufall wollte es allerdings, dass der Sänger Sauters Tochter kennen lernte, mit der er sich anfreundete, und Sauters ehemalige Wohnung als Gesangsstudio mietete.
Hans Sauter wurde auf dem Ausländer-Friedhof in Liuchangli(六張犁) südöstlich von Taipeh beigesetzt. Sein Grab ist heute leider nicht mehr aufzufinden, da der Friedhof nach dem Krieg zerstört und das Gebiet später zum Militärbezirk erklärt wurde. Über den Verbleib der Sauter-Kinder ist nur bekannt, dass eine Tochter vor ihrem Tod noch ab und zu nach Taiwan kam.
Auch wenn Sauter keine berühmte, Geschichte machende Persönlichkeit war, so ist er denen, die sich mit Taiwans Fauna beschäftigen, ein Begriff. Viele auf Taiwan beheimatete Frosch-, Eidechsen- sowie Schlangenarten tragen seinen Namen und liefern damit den Beweis für die weit reichende systematische Arbeit des deutschen Naturforschers.