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Mit „Nano“ in die Zukunft

01.03.2013
Ein Plakat für die Taiwan Nano-Messe 2012 im Welthandelszentrum Taipeh. (Foto: Courtesy NPNT)
Im Oktober vergangenen Jahres feierte die Messe Taiwan Nano im Welthandelszentrum Taipeh ihr zehnjähriges Bestehen. Die Messe gehört zum Nationalen Programm für Nanotechnologie (National Program on Nano Technology, NPNT), und die Messe von 2012 erinnerte die Besucher daran, wie eng Nanotechnologie mit dem täglichen Leben zusammenhängen kann, mit wasserdichten oder antibakteriellen Laptop-Gehäusen, Mobiltelefonen, Lautsprechern und Kleidungsstücken unter den zahlreichen Exponaten. „Nanotechnologie ist ein weites Feld, das von anspruchsvoller wissenschaftlicher Forschung und Hightech-Anwendungen in Elektronik bis in den traditionellen industriellen Sektor reicht“, beschreibt NPNT-Direktor Wu Chung-yu, Professor in der Abteilung für Elektrotechnik und ehemaliger Leiter der National Chiao Tung University (NCTU) in der nordtaiwanischen Stadt Hsinchu. Das 2003 angelaufene NPNT ist ein wegweisendes Projekt und wesentlicher Bestandteil der Anstrengungen, die wissenschaftliche und technologische Entwicklung der akademischen und industriellen Sektoren des Landes zu fördern.

Die NCTU ist eine maßgebliche Institution für Ingenieurwesen und Wissenschaften, und 2003 wurde dort in der Abteilung für Materialwissenschaften und –technik Taiwans erstes Graduiertenprogramm für Nanotechnologie gestartet. In den jüngsten Jahren entstanden in einigen einheimischen Universitäten wie der National Dong Hwa University (NDHU) im osttaiwanischen Landkreis Hualien und der National University of Kaohsiung (NUK) in Südtaiwan Nanotechnologie-Forschungszentren oder –Labors sowie entsprechende Programme. An der Eröffnungszeremonie für Taiwan Nano 2012 nahm auch Wu Maw-kuen (吳茂昆) teil, Präsident der NDHU und ehemaliger Chef des Nationalen Wissenschaftsrates (National Science Council, NSC), einer Behörde in Ministeriumsrang, der treibenden Kraft innerhalb der Regierung hinter NPNT, und hob damit die Bedeutung der Messe und des Bereichs insgesamt besonders hervor. Huang Jow-lay, welcher der NUK vorsteht und Mitglied des NPNT-Direktoriums ist, war gleichfalls bei der Zeremonie dabei.

Die nächste große Sache

Tatsächlich ist die Auffassung verbreitet, dass Nanotechnologie die nächste industrielle Revolution einläutet, und es werden zunehmend Ressourcen und Spitzentalente rund um den Erdball mobilisiert, um die Vorteile dieser Technologie im täglichen Leben anzuwenden. Su Tsung-tsan, ein weiteres Mitglied im NPNT-Direktorium, leitet die Material- und Chemie-Forschungslabors im staatlich unterstützten Forschungsinstitut für industrielle Technologie (Industrial Technology Research Institute, ITRI) in Hsinchu. „Nanotech ist ein Werkzeug, und heute hat fast alles, was in unseren Labors geschieht, irgendwie damit zu tun“, enthüllt Su. Im Jahr 2002 wurde innerhalb von ITRI, Taiwans größter Forschungs- und Entwicklungsorganisation, das Nanotechnologie-Forschungszentrum eingerichtet, um die Anstrengungen der vielen Labors unterschiedlicher Bereiche des Institutes bei Nanotech zu koordinieren. Su war früher einmal Direktor des Zentrums.

Mit seinen seit langem bestehenden wesentlichen Verbindungen zum gewerblichen Sektor hat ITRI gemeinsam mit mehreren anderen Regierungsbehörden und Lehranstalten Tausende von Nanotechnologie-Patenten erzeugt, die man für kommerzielle Anwendung erwerben kann. „Während diese Technologie-Transfers einen Haufen Geld repräsentieren, geht es im Kern unserer Bemühungen viel mehr darum, wie man relevantes Wissen verteilen kann, um Unternehmen zu verbessern“, sagt Su. Nach den Worten von Ker Ming-dou, gleichfalls Professor an der Abteilung für Elektrotechnik der NCTU und geschäftsführender Direktor von NPNT, ist es für Branchenführer wie den Halbleiterhersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC) zum Beispiel unerlässlich, bei der Nanotech-Entwicklung auf dem neuesten Stand zu bleiben, damit sie ihre Führungsrolle behalten können. Im vergangenen Jahr trat TSMC an das NPNT-Büro heran, um die Möglichkeit zu erörtern, Allianzen sowohl im geschäftlichen als auch im akademischen Sektor zu bilden, fügt Ker hinzu.

Produkte, die mit dem „Nanomark“-Siegel zertifiziert wurden. Von links oben nach rechts unten: Geruchsfreie Socken; antibakterielle Fliesen; ein staubfreies Fliegengitter; korrosionsbeständige Schrauben; eine Glühbirne, die Keime abtöten kann; ein antibakterieller Luftfilter; ein leicht zu reinigender Toilettensitz. (Fotos: Chang Su-ching)

Die Vorsilbe „Nano“ kommt vom altgriechischen Wort für „Zwerg“ und bedeutet ein Milliardstel. Die Maßeinheit Nanometer, also ein Milliardstel Meter (= ein Millionstel Millimeter), ist ein grundlegendes Längenmaß für Nanotechnologie. Auf der Nanoskala nehmen Materialien nach Wu Chung-yus Ausführungen ganz andere Eigenschaften an als im großen Maßstab. Zum Beispiel ist nanoskopisches Gold aufgrund der Veränderungen der physischen und chemischen Eigenschaften von roter Farbe, so Ker. „Der Flügel eines Schmetterlings ist in Wirklichkeit schwarzweiß“, nennt er als anderes Beispiel. „Es ist die Nanostruktur des Flügels, welche die Brechung des fürs menschliche Auge wahrnehmbaren Lichts verursacht.“ Ein übliches Nano-Phänomen ist die Art und Weise, auf die Wasser auf einem Lotusblatt Perlen bildet, anstatt dort zu haften. Durch Nachahmung des Effekts kann man selbstreinigende Produkte erzeugen. So kann man etwa Textilien, die mit Nano-Materialien behandelt wurden, zu Socken verarbeiten, die kaum Gerüche halten, wodurch Bergsteiger sich nicht die Mühe machen müssen, sie häufig zu waschen, wirbt Ker. Der Professor, der auch als Dekan des Photonik-Colleges der NCTU auf dem neuen Schulgelände in der südtaiwanischen Stadt Tainan amtiert, macht darauf aufmerksam, dass Nanotechnologie verschiedene Produktkategorien verbessern kann, darunter Batterien, Kosmetika, integrierte Schaltkreise, Pestizide, Fliesen, Reifen und sogar Nahrungsmittel, „die dadurch leichter vom menschlichen Körper absorbiert werden können“, bemerkt er.

Neue Grenzen für die Medizin

In den achtziger Jahren ermöglichte die Entwicklung von Hochleistungs-Mikroskopen und anderen Geräten die bildliche Darstellung, Vermessung und Manipulation von Materie auf der Nanoskala, wodurch der Bereich der Nanotechnologie entstand. Seit 2009 konzentriert NPNT sich auf einige wesentliche gewerbliche Bereiche, 70 Prozent des gesamten Budgets in Höhe von rund 12 Milliarden NT$ (307 Millionen Euro) werden der Entwicklung von Geräten, Elektronik und Optoelektronik, Energie und Umwelt, traditioneller Industrie, Landwirtschaft und Biomedizin zugewiesen. Die Erweiterung von Nanotechnologie auf diesen letzten Sektor ist in Taiwan eine vergleichsweise junge Unternehmung, besitzt jedoch ein großes Potenzial. Eine nennenswerte Entwicklung war der weltweit erste klinische Test für Vivo-Bestrahlung am Menschen im Rahmen von Nano-Krebstherapie, nachdem die Nahrungs- und Arzneimittelverwaltung (Food and Drug Administration, FDA) in Taiwans Gesundheitsministerium 2011 ihre Genehmigung dazu erteilt hatte. Ein solcher Behandlungsmechanismus, mit dem Krebs-Krankheitsherde selektiv anvisiert, bessere therapeutische Effekte erzielt und die Giftigkeit vermindert werden können, war vom Institut für Kernenergieforschung unter dem Rat für Atomenergie (Atomic Energy Council, AEC), einer Behörde in Ministeriumsrang, entwickelt worden. „Nanowissenschaft hat eine solide, klare theoretische Grundlage, die größere Durchbrüche bei Forschungsergebnissen und eine Vielfalt von Anwendungen erwarten lässt“, verspricht Lai Wen-fu, Medizinprofessor an der Taipei Medical University und Direktor des Zentrums für Nano-Gewebetechnik und Abbildungsforschung der Uniklinik. Das Zentrum wird im Laufe dieses Jahres Teil der Universität werden und mit internationalen medizinischen Zentren zusammenarbeiten, um seine Forschungskapazität zu steigern.

Nach Auskunft des Zentrums für industrielle Volkswirtschaft und Wissen in ITRI erreichte im Jahr 2011 der gesamte Produktionswert von Taiwans Baumaterialien, Haushaltsgeräten, Maschinen, Kunststoffen, Gummi, Harzbeschichtung und Textilien aus dem Bereich Nanotech 9,37 Milliarden NT$ (240 Millionen Euro), für das Jahr 2012 rechnete man mit über 10 Milliarden NT$ (256 Millionen Euro). Nach Auskunft des NPNT flossen seit 2003 über 30 Milliarden NT$ (769 Millionen Euro) — darunter private Investitionen und staatliche Zuschüsse für Unternehmen — in die Suche nach Wegen, die neuesten Nanotech-Entwicklungen für höherwertige Produkte zu verwenden. Su von ITRI verweist auf Taiwans hohes Niveau bei Fabrikation, das verbunden mit Nanotechnologie eine breite Palette neuer oder verbesserter Produkte schaffen könnte. Darüber hinaus braucht eine Firma laut Lai nicht unbedingt sehr viel Geld zu investieren, um die Herstellung von Waren mit Nanotech-Elementen in Angriff zu nehmen, eine wichtige Erwägung für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen im Land.

Von 2009 bis zur ersten Hälfte von 2012 wurden nach Auskunft des NPNT-Büros von taiwanischen Gelehrten mehr als 5400 Artikel über Nanotechnologie in weltbekannten wissenschaftlichen Zeitschriften wie Chemical Reviews, Nature, Progress in Polymer Science und Science veröffentlicht. Im gleichen Zeitraum schlossen über 10 000 taiwanische Studierende Magister- oder Promotionsprogramme in Bereichen mit Nanotechnologie-Bezug ab. Die Bildungsprogramme von NPNT erstrecken sich auf die Oberschulen und Grundschulen des Landes, indem Lehrgänge für die Sachkundelehrer an Primar- und Sekundarschulen geboten werden. „Sie wissen, was den Kindern Spaß macht und wie man das unterrichtet“, begründet Su. „Von Hochschuldozenten kann man nicht erwarten, dass sie Lehrmaterial für Grundschüler erstellen.“

Flüssigkeiten perlen von diesem aus Nano-Materialien hergestellten Turnschuh ab, wodurch das Produkt quasi selbstreinigende Eigenschaften gewinnt. (Foto: Chang Su-ching)

Das NPNT arbeitet mit mehreren internationalen Programmen und Institutionen in Ländern wie Australien, Deutschland, Japan, Kanada, Österreich, Russland, Spanien und den USA zusammen. Im Juni 2011 zum Beispiel unterzeichnete das California NanoSystems Institute an der University of California in Los Angeles (USA) ein Memorandum für Zusammenarbeit mit NPNT, und der Institutsdirektor Paul Weiss vertrat seine Organisation bei der Eröffnung der Taiwan Nano-Messe 2012. Bei der Eröffnungszeremonie der Messe wurde zudem ein vergleichbares Abkommen zwischen NPNT und M-era.Net — einem europäischen Service, der im Februar 2012 als Forum für die Finanzierung von Materialwissenschaften und Technikprogrammen ins Leben gerufen worden war — unterschrieben. „Wir sind deren einziger Partner außerhalb Europas“, freut sich Wu vom NPNT. In einem Bericht, der 2010 von Lux Research Inc., einem Anbieter von strategischer Beratung und Informationen über aufstrebende Technologien, vorgestellt wurde, war Taiwan im Hinblick auf Aktivität bei Nanotech als „dominantes“ Land eingestuft worden. Der Bericht bewertet diverse Faktoren, darunter die Zahl der vornehmlich damit befassten staatlichen und akademischen Einrichtungen, in dem Sektor aktive Unternehmen, angemeldete Patente und Veröffentlichungen in internationalen Zeitschriften, außerdem den Umfang der verfügbaren staatlichen und privaten Finanzierung für Nanotechnologie. Die Studie von 2010 analysierte die Nanotech-Entwicklung in 19 Ländern, darunter Deutschland, Festlandchina, Frankreich, Indien, Japan, Kanada, Russland, Singapur, Südkorea und die USA. Taiwan war in der Kategorie Schwerpunkt auf Nanotech, welche die Intensität bei der Gewichtung des Bereichs anzeigt, der Spitzenreiter.

Taiwans Engagement für Nanotechnologie lässt sich zudem in der Förderung eines Zertifizierungssystems für Nano-Produkte durch die Regierung seit 2004 ablesen. Geschaffen durch das Zentrum für Vermessungsstandards in ITRI und ausgestellt vom Wirtschaftsministerium, war das „Nanomark“ eine Weltneuheit. Iran und Thailand haben seitdem ähnliche Programme gestartet, und andere Länder bekundeten Interesse an solcher Zertifizierung. Su meint, dass Abzeichen, welche das Vorhandensein von Nanotechnologie in einem Artikel anzeigen, wie Haftungsausschlussklauseln angewandt werden könnten, vergleichbar mit der Art und Weise, auf die genetisch veränderte Produkte erkennbar gemacht werden. Taiwans Nanomark soll aber als positive Form der Kennzeichnung dienen, und die Zertifizierung hat das Ziel, Nanotech-Unternehmen zu helfen, den Ruf ihrer Produkte zu verbessern, und Verbraucher werden damit vor Fälschungen geschützt. Dank Nanomark brauchen die Verbraucher sich nicht so viel Sorgen zu machen, denn Firmen müssen Nano-Risikokriterien erfüllen, bei denen es um Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsfragen geht und womit sich auch der Rat für Arbeitnehmerfragen (Council of Labor Affairs, CLA), die Umweltschutzverwaltung (Environmental Protection Administration, EPA) und das Gesundheitsministerium befassen. Bis Oktober 2012 hatte man etwa 1150 Produkten von 34 taiwanischen Firmen das Nanomark-Abzeichen verliehen. Zu den jüngst zertifizierten Artikeln gehören ein antimikrobisches Gehäuse für eine Computermaus und antibakterielle Kunststoff-Komponenten für einen Toilettentank, in denen Nanopartikel aus Silber zur Anwendung kommen.

Nach Wu Chung-yus Worten wird die staatliche Unterstützung nach Ablauf des NPNT im Jahr 2014 durch einzelne Abteilungen von Ministerien laufen. Der Etat für NPNTs zweite Sechsjahresphase von 2009 bis 2014 wird vermutlich 595,6 Millionen US$ erreichen, nicht atemberaubend hoch im Vergleich zu den Ausgaben anderer Länder, die Nanotechnologie fördern, etwa die USA oder namentlich Südkorea — in jenem Land werden umfangreiche nationale Hightech-Programme massiv von seiner Regierung unterstützt. Taiwan glänzt dagegen mit einer lebendigen Privatwirtschaft, welche (wie im Bericht von Lux Research Inc. hervorgehoben) neben „bescheidenem“ Beistand durch die Regierung wesentlich zu den Nanotech-Anstrengungen des Landes beiträgt. Es bleibt zu hoffen, dass mit passenden staatlichen Initiativen und wachsender Beteiligung der Unternehmenswelt Taiwan auf dem besten Weg ist, mehr als nur mit einem bescheidenen Erfolg in der Nano-Welt von sich reden zu machen.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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