Yeh, der Nahrungsmittelwissenschaften studiert hatte, wurde in dem Gewerbe 1985 bekannt, als die Sinn Si Industrial Co. Taiwans erstes fertig verpacktes kaltes Teegetränk auf den Markt brachte, den Kaisi Oolong Tea (開喜烏龍茶). Die Idee, verpackte kalte Teegetränke zu verkaufen, stammte von ihm, und diesen Geistesblitz hatte er dem Chef von Sinn Si, einem ehemaligen Mitschüler, vorgelegt. Anschließend schuf Yeh Anfang der neunziger Jahre außerordentlich erfolgreiche Fernseh-Werbespots für das Produkt, die rustikale Bilder einer älteren Frau mit einem unverwechselbaren breiten Lächeln präsentierten. Die Wirkung der Werbespots war so groß, dass die meisten Taiwaner schließlich das Bild der „Kaisi-Dame“ kannten. „Ich habe die Kultur des Teetrinkens, die es seit Tausenden von Jahren gibt, um eine elegante Note bereichert“, prahlt Yeh selbstbewusst und bemerkt, der Erfolg des Produkts habe den Gedanken, kalten Tee zu trinken, allgemein populär gemacht. Zuvor hatte man Tee in Taiwan und dem größten Teil Asiens für gewöhnlich heiß serviert. Auf dem Scheitelpunkt des Erfolges 1994 erzeugte Kaisi-Tee Einkünfte in Höhe von 7 Milliarden NT$ (nach heutigem Wechselkurs 170,7 Millionen Euro). Nach und nach kamen mehr verpackte kalte Tee-Getränke auf den Markt, den sie nun dominieren, während diese Entwicklung bei den Herstellern von Brausegetränken, allen voran Coca Cola, schwere Einbußen verursachte.
Der Zenith von Kaisi war auch die Zeit, zu der Yeh, der im Dadaocheng-Viertel in Taipeh aufgewachsen war, über seine nächste Herausforderung nachzudenken begann. „Man muss den nächsten Schritt abwägen, selbst wenn man gerade auf einer Erfolgswelle reitet, sonst ist man bald weg vom Fenster“, philosophiert er. Dieses Mal richtete er seinen Blick nach Westen, besonders nach Frankreich. „Frankreich ist Europas Modezentrum. Wenn man dort Erfolg hat, ist es leichter, andere europäische Länder zu erkunden.“
„Das ist ein mutiger Schritt, weil die Franzosen sich selbst für Experten bei Gourmet-Speisen und Getränken halten“, urteilt die Nahrungsmittel-Kritikerin Hu Tien-lan. Mit Frankreich als anfänglichen Zielmarkt brauchte Yeh einen eingängigen Namen für seine Produkte, um ein kulturelles Gefühl für sie zu erzeugen. So entstand die Marke Lao Tsu Say, nach dem legendären chinesischen Philosophen Laozi (老子) benannt. Yeh ließ die Marke im Jahr 2000 bei den Behörden der EU eintragen. „Bei der Markengestaltung von Yehs Teeprodukten im Ausland geht es zu 80 Prozent um Vermarktung ihres charakteristischen kulturellen Charmes“, analysiert Hu. Die Marke, die vor allem auf Flaschen gefüllte Teegetränke, die mit in Taiwan angebauten Teeblättern hergestellt wurden, umfasst, wurde 2004 auf den französischen Markt gebracht.
Yeh war eines klar — damit seine auf Kultur basierende Marke leicht erkannt werden konnte, musste sich Lao Tsu Say von zwei anderen berühmten Namen unterscheiden, die man im Westen mit Asien assoziiert: Konfuzius (孔子, 551-479 v. Chr.) und Zen (禪). Wie Laozi gilt auch Konfuzius als großer Denker, und Yeh hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, seinen Namen zu verwenden, da er weltweit noch bekannter ist, gab die Idee dann jedoch auf, weil ihm schwante, dass die festlandchinesischen Behörden den Namen über kurz oder lang als Symbol für die traditionelle chinesische Kultur benutzen würden, obwohl der Philosoph jahrelang von den chinesischen Kommunisten offiziell verdammt worden war. Und so kam es auch, denn gerade im Jahr 2004 begann das festlandchinesische Regime damit, weltweit Niederlassungen des Konfuzius-Instituts einzurichten, um das Lernen der chinesischen Sprache zu fördern. Hätte Yeh sich bei der Namenssuche für Konfuzius entschieden, wäre seine Marke heute nicht so einzigartig, glaubt er.
Nach Bob Yehs Überzeugung hat die Vermarktung von Nahrungsmitteln — seien es nun Tee, Brot oder Trüffel — viel mit Kultur zu tun. (Foto: Chang Su-ching)
Philosophie vermarkten
Außerdem hält Yeh Laozi für eine passendere Wahl, weil einer der Grundgedanken des auf ihn zurückgehenden Taoismus, nämlich „Herrschen durch Nicht-Handeln“ (無為), seiner Ansicht nach für Europäer mit ihrer Wertschätzung für persönliche Freiheit attraktiver ist. „Konfuzius betont Hierarchie und Ordnung und ist daher weniger ansprechend“, spekuliert Yeh.
Gleichzeitig müssen sich die Konzepte des Taoismus, mit denen für die Marke Lao Tsu Say geworben wird, gegen jene des Zen behaupten. Laut Yeh hat die japanische Regierung in den letzten 20 oder 30 Jahren in ganz Europa das Zen-Konzept gefördert. Infolgedessen haben die Europäer allmählich diese Philosophie kennen gelernt, und zudem schauen sie nach Japan als herausragendsten Vertreter asiatischer Mode und Ästhetik. Auch deswegen gilt Japan als Zentrum der asiatischen Teekultur. Um diesen Trend umzukehren und seiner Marke auf dem europäischen Markt Raum zu verschaffen, musste Yeh dabei ansetzen, für Taoismus und dessen Konzepte von Yin (陰) und Yang (陽) sowie Taiji (太極) zu werben. „Zen ist von seinem Wesen her statisch und gehört ins 20. Jahrhundert“, behauptet Yeh. „Das 21. Jahrhundert ist dagegen ein Zeitalter der Mobilität, ein Zeitalter der Interaktion zwischen Yin und Yang. Es ist das Zeitalter des Taoismus.“ So äußerte Yeh sich auf einer Pressekonferenz in Paris und harmonisierte damit seinen Marketing-Scharfsinn mit altertümlicher Philosophie.
Zwar ist Yeh ein Werbe-Veteran, der seine eigene Marke promotet, doch möglicherweise ist er im Hinblick auf die Aussichten von Lao Tsu Say in Europa auf der richtigen Spur, da die Öffentlichkeit dort in den jüngsten Jahren mit taoistischen Konzepten vertrauter geworden ist. „Seit ich mit meiner Kampagne begonnen habe, Taoismus bekannter zu machen, ist das schnell eine modische Sache geworden“, kommentiert Yeh mit dem Eifer eines Marketingprofis. Als die Marke 2004 in Frankreich ihr Debüt feierte, gewann Lao Tsu Say bei der SIAL Paris, einer der größten Speise- und Getränke-Handelsmessen der Welt, einen Trend and Innovations Award. Ein Hauptgrund für die Ehrung war Yehs um Taoismus kreisende Marketingstrategie, die das Getränk als schickes Kulturprodukt anpries. „Beim Marketing für Speisen und Getränke geht es normalerweise um gesundheitlichen Nutzen oder sowas“, doziert er. „[Das Marketing für Lao Tsu Say] ist aber nicht so.“ Seine Strategie sei einzigartig, weil sie auf eine Philosophie zurückgreife, ergänzt er.
Gleichzeitig ist gutes Verpackungsdesign für die kulturelle Tiefe von Lao Tsu Say von entscheidender Bedeutung, und das Unternehmen konnte dank der Bemühungen auch hier Preise erringen, die wiederum das Profil der Marke schärften. 2007 stellte die Firma eine Tochtermarke vor, Blushing Blossom, eine Produktlinie mit Teebeuteln in bunter Papierverpackung. Im Geschäft sind die Päckchen aufrecht auf einem eleganten gewölbten Holzpodest angeordnet, was die Blicke der Kunden darauf lenkt. „Diese Produkte sind angenehm anzuschauen“, findet Yeh. „Mit dem Podest werden sie tatsächlich Teil der Wohnungsdekoration.“ Durch die Nachahmung eines Blumenarrangements gewann die Blushing Blossom-Linie 2007 in Hannover einen iF Product Design Award, neben 35 anderen Produkten von 24 taiwanischen Firmen. Lao Tsu Say war bei der Veranstaltung jenes Jahres der einzige Preisträger aus dem taiwanischen Speise- und Getränkesektor.
Tee erfordert Zeit
Lao Tsu Say-Produkte werden in gehobenen Geschäften in Frankreich und Spanien verkauft. Das Unternehmen hat bislang damit allerdings noch keine Gewinne erwirtschaftet, und Yeh erläutert, es würde eine Weile dauern, den europäischen Markt zu knacken. „Es hat sieben Jahre gedauert, bis Kaisi Oolong Tea Profit brachte“, verrät er. Nach seiner Überzeugung könnte die Verkaufskurve dieses Jahr einen scharfen Knick nach oben machen, nachdem in diesem Sommer neue Artikel mit kreativem Aroma wie Puer-Tee mit chinesischem Wolfsbeeren-Geschmack oder Oolong-Tee mit Rosengeschmack vorgestellt wurden. „Die Namen der Produkte allein klingen schon aufregend“, wirbt er.
Andererseits hat Yeh im Zuge der Erkundung des westlichen Marktes damit begonnen, westliche Delikatessen nach Taiwan einzuführen. Auch hier war der Ausgangspunkt Frankreich. „Taiwan ist meine Mutter, aber Frankreich ist meine Geliebte“, schnurrt er voller Zuneigung für die Kulturgroßmacht. So gründete er in Taiwan die Bon Paul Co., die mit Genehmigung von PAUL, einer bekannten französischen Bäckerei-Restaurantkette mit 122-jähriger Geschichte, in den vergangenen drei Jahren zwei PAUL-Bäckereien in Taipeh aufmachte. Diese neuen Unternehmungen erwiesen sich als großer Erfolg, das erste Geschäft allein brachte im Jahr 2009 Einkünfte in Höhe von 100 Millionen NT$ (2,44 Millionen Euro).
Eine beliebte Speise im Maison de la Truffe ist Rinderfiletsteak mit Kartoffelpüree und Saisontrüffeln. (Foto: Courtesy Bob Yeh)
Die Authentizität der Produkte ist das, worauf man in den Filialen in Taipeh besonders stolz ist. „Was wir nach Taiwan bringen, ist der wirkliche Geschmack aus Frankreich“, prahlt Amy Liao, Managerin für Öffentlichkeitsarbeit. Nach ihren Worten wird der Teig für sämtliche Brot- und Konditoreiwaren, die in den Taipeh-Filialen verkauft werden, in Frankreich mit örtlichen Zutaten und traditionellen Techniken vorbereitet und nach Taiwan geflogen, wo die Ware aufgebacken wird. „Selbst Unterschiede bei der Qualität des Wassers und dem Feuchtigkeitsgrad der Luft können Veränderungen beim Aroma des Brotes hervorrufen“, unterstreicht Liao. Die Bäckerei, zu der auch ein Restaurant gehört, ist deswegen bemerkenswert, weil sie den einheimischen Kunden französische Speisekultur vorstellt. Beim Bedienungspersonal sind gute Kenntnisse der französischen Nahrungsmittel und Speisegewohnheiten obligatorisch, und außerdem liegt für die Kunden gratis eine von der Bäckerei veröffentlichte Broschüre darüber aus, wie das Brot gebacken und die Gerichte zubereitet werden und welche Geschichten sich dahinter verbergen.
„Dank der PAUL-Filialen in Taipeh findet die Stadt beim Speiseumfeld Anschluss an die Welt, und für die Ausländer hier ist es nun einfacher, gutes französisches Brot zu kaufen“, lobt die Kritikerin Hu Tien-lan.
Im Januar dieses Jahres wurde Taipehs Gourmetszene durch Yehs Maison de la Truffe geehrt, Teil einer kleinen internationalen Kette von Restaurants, die alle den gleichen Namen tragen. Die Ursprünge der Kette lassen sich auf einen bescheidenen Laden in Paris zurückführen, der 1932 mit dem Verkauf feinster Trüffel begann. Aus dem Laden entwickelte sich mit der Zeit ein Restaurant mit Trüffelgerichten auf der Speisekarte. Heute unterhält die Kette zwei Niederlassungen in Paris, eine in Deutschland plus Yehs Filiale in Taipeh, die Eröffnung von zwei Zweigstellen in der Schweiz steht bevor. „Die Menschen in Taiwan wissen wenig über Trüffel, obwohl sie seit langem gemeinsam mit Kaviar und Gänseleberpastete zu den drei Top-Nahrungsmitteln Frankreichs gehören“, rügt Hu und fügt hinzu, ihres Wissens sei dieser kulinarische Tempel das einzige Restaurant in Taiwan mit einem Trüffel-Schwerpunkt. Daneben ist es überdies die erste Filiale von Maison de la Truffe in Asien.
Nach der Einführung des luxuriösen Aromas von Trüffeln in Taiwan schweben Yeh noch mehr gastronomische Pläne vor. „Taiwans Regierung hat in den vergangenen Jahren darüber gesprochen, die Gourmet-Speisen des Landes zu internationalisieren“, kolportiert er. „Ich hoffe, dass dieses Restaurant dabei den Händlern traditioneller [taiwanischer] Feinschmecker-Nahrungsmittel als Anregung dienen kann.“ Deswegen lud Yeh im März 14 Geschäftsbetreiber mit langjähriger Erfahrung beim Verkauf traditioneller Nahrungsmittel wie Ananaskuchen, Rindfleischnudelsuppe und anderen in sein Trüffel-Restaurant ein, weil er hoffte, damit „Zündfunken“ zwischen westlichen und taiwanischen Kochpraktiken zu erzeugen.
Möglichkeiten aufkochen
Einer dieser Gastronomen war Finger Chang, Präsident der Restaurantkette Formosa Chang Co. „Bob Yeh regte mich dazu an, Kochtraditionen in Frage zu stellen und Möglichkeiten auszuloten“, berichtet Chang, dessen Restaurantkette 34 Läden im Großraum Taipeh betreibt. Entsprechend experimentierte Chang damit, geschmortes Schweinefleisch mit Reis, eine typische Speise in einem seiner Restaurants, mit Trüffeln zu kombinieren. Im April flog der französische Chefkoch von Maison de la Truffe in Paris nach Taiwan und traf sich mit Chang, um weiter darüber zu sprechen, wie man westliche und taiwanische Küche verschmelzen könne. Der Küchenchef verließ Taiwan mit einer Kostprobe von geschmortem Schweinefleisch aus dem Hause Formosa Chang und arbeitet nun an einer dazu passenden Trüffelsauce.
„Tatsächlich könnte man Trüffel bei vielen traditionellen taiwanischen Lebensmitteln gut hinzufügen“, spekuliert Hu Tien-lan. Die Kritikerin erläutert, dass Trüffel sich hervorragend mit Sesamöl paaren lassen, eine beliebte Zutat in taiwanischen Speisen wie „Gebratene Drei Tassen-Kräuterseitlinge“. Jenes Gericht enthält eine Tasse Reiswein, eine Tasse Sesamöl und eine Tasse Sojasauce. Der Schlüssel dabei ist, taiwanischen Köchen beizubringen, wie man das Aroma der Trüffel voll entfaltet. „Wenn es gelingt, einheimische Speisen richtig mit Trüffeln zu kombinieren, könnte man sich als ersten Schritt an ausländische Touristen wenden, um die Speisen vorzustellen“, rät Hu.
Für Yeh mag es indes eine ziemliche Herausforderung darstellen, dieses Mal einen Trend in Gang zu bringen, weil die hohen Kosten von Trüffeln, die man in Europa auch „Diamanten der Speisetafel“ nennt, die Preise einheimischer traditioneller Speisen erheblich in die Höhe treiben würden. Dafür hat Yeh bewiesen, dass er sich nicht scheut, Träume zu haben, was man an den Plänen für sein Teehaus in Paris erkennen kann. „Ich muss ein wirkliches Teehaus einrichten, denn der Verkauf von Teegetränken im Einzelhandel reicht allein einfach nicht aus, um für chinesische oder taiwanische Teekultur zu werben“, sinniert er. Trotzdem möchte Yeh das orientalische Konzept hinter dem Teeladen nur indirekt ausdrücken, wobei das Lokal der Oberklasse von einem französischen Künstler und einem französischen Innenarchitekten entworfen wird. Yeh: „Ich will unsere Teekultur mit der örtlichen Teekultur dort verschmelzen. Dadurch wäre es etwas mit einer globalen Perspektive.“
(Deutsch von Tilman Aretz)