26.04.2025

Taiwan Today

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Weichenstellung für Taiwans Städte

01.07.2011
Die Teilnehmer am internationalen Stadtplanungs-Seminar des CEPD im Oktober 2010 in Taipeh von links nach rechts: Prof. Michael Roger Bristow, Christoph Trinemeier, Dr. Christa Standecker, Jean-Marie Ernecq, Jeannette Wopperer, Prof. Klaus R. Kunzmann, Manfred Sinz, Chang Kuei-lin. (Foto: Tilman ARETZ)
Dass urbane Verdichtungsräume dem Wandel der Zeiten Rechnung tragen und sich anpassen müssen, ist nichts Neues. Wie stark sich solche Zonen in relativ kurzer Zeit verändern können, kann man in Deutschland am Beispiel des Ruhrgebietes leicht erkennen. Taiwans Städte müssen ebenfalls den anhaltenden Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft angemessen Rechnung tragen.

Die rasant voranschreitende Globalisierung und der fortlaufende ökonomische Strukturwandel stellen Stadtplaner in aller Welt vor neue Herausforderungen. Taiwan ist dabei mehr als bereit, von den Erfahrungen in anderen Ländern zu lernen. Im Oktober vergangenen Jahres veranstaltete der Rat für Wirtschaftsplanung und Entwicklung (Council for Economic Planning and Development, CEPD) ein internationales Seminar über die Zusammenlegung von Landkreisen und Städten und die Planung von Raumentwicklung, bei dem einige ausländische Fachleute über Erfahrungen in der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Großbritannien referierten.

Nach Ansicht von Chang Kuei-lin (張桂林), Direktor der Abteilung für Stadt- und Wohnungsbauentwicklung im CEPD, sollte die Planung für Taiwans Stadtentwicklung auf mehreren Prinzipien beruhen: Sicherheit für Natur und Ökologie; qualitativ hochwertiges und gesundes Wohnen; eine auf Wissen basierende Ökonomie und internationale Logistik; sowie Energiesparen, Verminderung des Ausstoßes kohlenstoffhaltiger Schadstoffe und Wasserschutz.

Mögliche Hindernisse bei Raumplanung in Taiwan sind nicht nur mangelnde Flexibilität bei Landnutzungsbestimmungen, die zuweilen eine optimale Landnutzung verhindern, oder gelegentlich ineffiziente Nutzung von Land in öffentlichem Besitz, sondern auch Probleme im Zusammenhang mit Taiwans Verwaltungssystem. „Taiwan hat ein zentralistischeres System als die sehr föderale Bundesrepublik“, weiß Chang. Bei der Planung müssen die Zentralregierung und die jeweilige Lokalverwaltung sich miteinander abstimmen, und bei Projekten, welche Verwaltungsgrenzen überschreiten, erweist sich die Zusammenarbeit und gerechte Verteilung der finanziellen Belastungen zwischen finanzstärkeren regierungsunmittelbaren Städten und Landkreisen mit knapperem Budget nicht selten noch als heikel. Kompetenzgerangel zwischen verschiedenen Ministerien, Behörden und Abteilungen können ebenfalls zum Hemmschuh für Raumplanung werden.

Im Februar vergangenen Jahres billigte der Exekutiv-Yuan (行政院), also Taiwans Regierungskabinett oder Ministerrat, den Strategischen Plan für Nationale Raumentwicklung. Grob gesagt wird darin die Entwicklung von drei großen urbanen Ballungsräumen in Taiwan plus einer östlichen Zone skizziert:

Chang Kuei-lin, Direktor der Abteilung für Stadt- und Wohnungsbauentwicklung im CEPD. (Foto: Tilman ARETZ)

• Die Region Nordtaiwan mit Taipeh im Mittelpunkt, zu der auch die Städte Keelung, Taoyuan, Hsinchu, Miaoli am Rand der Region Zentraltaiwan und Ilan an der Nordostküste gehören. In der Region befindet sich wichtige Verkehrs-Infrastruktur wie der internationale Flughafen Taiwan-Taoyuan, die Seehäfen Port of Taipei und Keelung, und für industrielle Entwicklung sind der bereits 1980 gegründete Hightech-Wissenschaftspark Hsinchu, der Biomedical Science Park in der gleichen Stadt, der Neihu Science Park und der Ilan Science Park von besonderer Wichtigkeit. Die Hochgeschwindigkeitseisenbahn, die demnächst bis Taoyuan reichende MRT-Schnellbahn von Taipeh, neue Autobahnenstrecken und nicht zuletzt der Hsueshan-Tunnel zur bequemen Anbindung Ilans an Taipeh sorgen für eine effiziente Vernetzung in der Region.

• Die Region Zentraltaiwan umfasst neben der Stadt Taichung im Mittelpunkt der Region die Orte Changhua, Nantou und Douliu, Miaoli wird gleichfalls noch zum Einzugsbereich gerechnet. In der Region befinden sich unter anderem der Hafen von Taichung mit Exportverarbeitungszone, der Wissenschaftspark Huwei, der Wissenschaftspark Zentraltaiwan und der Tungluo Science Park.

• Die Region Südtaiwan besteht aus der Hafenmetropole Kaohsiung und den Städten Tainan, Chiayi und Pingtung. Der internationale Flughafen Kaohsiung gewinnt immer mehr an Bedeutung, und der Seehafen von Kaohsiung gehört zu den größten Containerterminals in Asien. Nennenswert wäre noch der Wissenschaftspark Südtaiwan unweit Tainan. Mit der Hochgeschwindigkeitseisenbahn und Autobahnstrecken ist Anschluss an die anderen Regionen in Zentral- und Nordtaiwan vorhanden.

• Die Ostzone besteht aus eher dünn besiedelten Gebieten der Landkreise Hualien und Taitung. Die Entwicklungspläne mit dem Ziel der gesundheitsfördernden Erholung dort sollen vom Geist der LOHAS („Lifestyles of Health and Sustainability“, zu Deutsch: Lebensstile für Gesundheit und Nachhaltigkeit) durchdrungen sein.

Der Schwerpunkt auf städtischer Entwicklung in Taiwans westlichen Küstenebenen ergibt sich aus den topographischen Voraussetzungen, da eine umfangreiche urbane Entwicklung im zentraltaiwanischen Bergland, das stellenweise bis direkt an die Pazifikküste Osttaiwans heranreicht, praktisch nicht möglich ist. Hinsichtlich der topografischen Unterschiede wurden drei Nord-Süd-Entwicklungsachsen umrissen: Westtaiwan als Innovations-Entwicklungsachse, das zentrale Bergmassiv als Umweltschutzachse und Osttaiwan als Achse für erstklassiges Wohnen und Industrie. Den vorgelagerten Inseln ist die Rolle des Öko-Fremdenverkehrs zugedacht.

Um Projekte der überregionalen Stadtplanung zu verwirklichen, führt kein Weg an Kooperation über Verwaltungsgrenzen hinweg vorbei. Glücklicherweise mehren sich in Taiwan die Beispiele für solche Zusammenarbeit, und die Einrichtung von Foren wie die Regionalen Planungsorganisationen (RPO) wird weiter ermutigt. In Zukunft soll der Strategische Plan für Nationale Raumentwicklung als grundlegende politische Richtlinie dienen, und nach der Umwandlung des CEPD in den Nationalen Entwicklungsrat im Rahmen des für Anfang 2012 vorgesehenen Umbaus der Regierungsstruktur der Republik China soll die neue Behörde mehr Vollmachten bei nationaler Raumentwicklung erhalten.

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