Die Verabschiedung des Gesetzes über Gleichberechtigung der Geschlechter am Arbeitsplatz im Jahre 2002 war gleichfalls eines der ersten seiner Art in Asien. Das Gesetz verbietet, aufgrund von Geschlecht oder geschlechtsbezogenen Fragen als Kriterium Angestellte einzustellen, auszubilden, zu befördern, zu entlohnen oder zu entlassen. In dem Gesetz werden zudem die körperlichen Bedürfnisse der Angestellten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit berücksichtigt. So haben weibliche Mitarbeiter gemäß dem Gesetz Anspruch auf Urlaub bei Menstruationsbeschwerden, bis zu zwei Monate bezahlten Mutterschaftsurlaub und maximal zwei Jahre unbezahlten Urlaub nach einer Entbindung.
2005 schuf die Verabschiedung des Gesetzes über Verhütung sexueller Belästigung einen gesetzlichen Rahmen, um Frauen vor unerwünschten verbalen oder körperlichen Annäherungsversuchen zu schützen. Mittlerweile wurde der Schutz durch Medienkampagnen, die das Bewusstsein für sexuelle Belästigung schärfen, und durch pädagogische Programme in Schulen ausgedehnt. Die weite Anwendbarkeit des Gesetzes bietet ein zusätzliches Indiz dafür, was Taiwan bei der Förderung gerechter Beziehungen zwischen den Geschlechtern erreicht hat.
Der Aufstieg örtlicher Frauenbewegungen hat nicht nur wesentlich zur Formulierung und Umsetzung von Gesetzen beigetragen, sondern auch zum Wohlergehen der taiwanischen Frauen. Viele der Frauengruppen, die im Land gegründet wurden, spielten bei dem Eintreten für die Rechte, Interessen und Forderung nach mehr Mitwirkungsmöglichkeiten („Empowerment“) von Frauen energische, einflussreiche Rollen. Ihr Aktivismus hat beispielsweise die großen politischen Parteien dazu bewegt, sich um die Wählerstimmen von Frauen zu bemühen, indem man ihre Programme unterstützte und ihnen Plätze in den Parteistrukturen und in der Regierung garantierte.
Taiwans aktuelle Durchschnitts-Geburtenrate von nur einem Kind je Frau gehört zu den niedrigsten der Welt. (Foto: Chang Su-ching)
Eine Quote festlegen
Infolge der Bemühungen von Frauengruppen gab es einen wachsenden Nachdruck darauf, eine Quote für Beteiligung von Frauen in der Regierung von der Zentralebene bis zur Lokalverwaltung festzulegen. Gleichzeitig nehmen auch öffentliche Einrichtungen zunehmend Rücksicht auf die Bedürfnisse und Sicherheit von Frauen. So wurden etwa Bestimmungen erlassen, dass in Schulen, an Bahnhöfen und Theatern für jede Herrentoilette fünf Damentoiletten installiert werden müssen, an Arbeitsstellen, Restaurants und anderen kommerziellen Orten sollen es drei Damentoiletten je Herrentoilette sein. Die Bahnsteige der Schnellbahnlinien in Taipeh bieten überdies besondere Wartezonen für weibliche Fahrgäste in den Abendstunden, die mit Videoüberwachungssystemen beobachtet werden.
Im Bereich der Geschlechterverhältnisse in Taiwan ist allerdings nicht alles eitel Sonnenschein, denn immer mehr Frauen und Männer entscheiden sich dafür, nicht zu heiraten und keine Kinder in die Welt zu setzen, entweder weil sie sich nicht eine so große Verantwortung aufbürden wollen oder weil sie sich mehr auf ihr eigenes Leben und Vergnügen konzentrieren wollen. Infolgedessen ist die Gesamtzahl der jährlichen Eheschließungen in Taiwan stark zurückgegangen, von 162 972 im Jahre 1991 auf 138 819 im vergangenen Jahr.
Wie verlautet, wies Taiwan in den jüngsten Jahren obendrein die niedrigste Geburtenrate der Welt auf, im Schnitt brachte eine taiwanische Frau in ihrem Leben lediglich ein Kind zur Welt. Zusammen mit der rasch alternden Gesellschaft wird dies in der Zukunft eine Reihe von gesellschaftlichen Problemen verursachen. Die Werktätigen in der Bevölkerung werden etwa eine sehr viel schwerere Last zu schultern haben, in den kommenden Jahren die Senioren zu versorgen.
Kompliziertes Liebesleben
Ein weiterer beunruhigender Trend ist, dass Männer und Frauen nun dazu neigen, ihre Beziehungen zueinander auf der Grundlage von Leidenschaft und nicht so sehr langfristiger Bindung aufzubauen und zu beenden. Während die Beziehung gedeiht, ist kein Opfer zu groß, doch wenn sich Schwierigkeiten auftun oder ein neues Objekt der Begierde auf der Bildfläche erscheint, geht die Tendenz dahin, die Verbindungen einseitig abzubrechen. Man sieht immer mehr Menschen, darunter auch Mitglieder der so genannten gesellschaftlichen Eliten wie Intellektuelle, mit solch kompliziertem, instabilen Liebesleben. Dadurch steigt die Scheidungsrate im Land. Aus diesem Grund ist es für die Regierung entscheidend, die Öffentlichkeit über die Bedeutung der Ehe aufzuklären und wie man eine Ehe durch kritische Selbstbetrachtung und anhaltende Bemühungen, im Eheleben vorkommende Probleme zu bewältigen, „managt“.
Vor Jahrzehnten wurden traditionelle chinesische Ehen überwiegend von Eltern oder Ehevermittlern arrangiert, wobei im Vordergrund stand, Paare aus Familien mit gleichem gesellschaftlichen Status zusammenzubringen. In den letzten 20 bis 30 Jahren jedoch streben moderne taiwanische Frauen und Männer eher nach Liebe und Ehe außerhalb dieses sozialen Rahmens.
Das andere größere Phänomen aus dem Bereich Beziehungen der Geschlechter zueinander, das in den jüngsten Jahren zu beobachten war, ist die steigende Zahl taiwanischer Männer, die Ehen mit Frauen aus Vietnam, Thailand und Festlandchina arrangieren lassen. Die meisten dieser taiwanischen Männer haben ökonomisch einen benachteiligten Status und suchen sich eine ausländische Braut, wenn sie zuvor auf Schwierigkeiten gestoßen waren, im Inland einen Ehepartner zu finden. Andererseits heiraten viele der weiblichen Zuwanderer taiwanische Männer in der Hoffnung, finanzielle Mittel zu erlangen, welche den wirtschaftlichen Status ihrer Familie in der Heimat verbessern helfen.
Als Folge davon werden immer mehr Kinder von zugewanderten Ehefrauen geboren, und diese Neugeborenen machen annähernd 10 Prozent aller jährlichen Geburten in Taiwan aus. Angesichts der zunehmenden Zahl dieser „neuen taiwanischen Kinder“ müssen wir größeres Augenmerk darauf richten, ihnen zum Aufwachsen ein gesundes Umfeld zu bieten.
(Englische Übersetzung von Taiwan Review, Deutsch von Tilman Aretz)