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Geburt einer Stadt

01.01.2011
Am 25. Dezember 2010 wurde der Landkreis Taipeh, der eine Fläche von 2052 Quadratkilometern und 3,88 Millionen Einwohner hat, zu einer regierungsunmittelbaren Stadt aufgewertet und in „New Taipei City“ umbenannt. (Foto mit freundlicher Genehmigung der Kreisverwaltung Taipeh)
Als sie im Juni 2009 erfuhren, dass der Exekutiv-Yuan (行政院), also das Regierungskabinett oder der Ministerrat der Republik China, den Antrag des Landkreises Taipeh gebilligt habe, seinen Status zu dem einer regulären regierungsunmittelbaren Stadt aufzuwerten, waren viele Bewohner des Landkreises begeistert und betrachteten die Entscheidung als „verspätete Gerechtigkeit“. Der ungewöhnliche Ausbruch von Emotionen über einen Vorgang, der eigentlich nicht mehr als eine administrative Veränderung darstellt, ist wohl darauf zurückzuführen, dass eine regierungsunmittelbare Stadt der direkten Zuständigkeit der Zentralregierung untersteht und dadurch Anspruch auf höhere Finanzzuwendungen hat. Die Aufwertung trat am 25. Dezember vergangenen Jahres in Kraft.

„Wir haben lange auf diese Aufwertung gewartet“, jubelt die 58-jährige Chen Qiu-feng, die in der Gemeinde Danshui im Landkreis Taipeh zur Welt kam und ihr Leben lang dort gewohnt hat. „Ich freue mich darauf, diesen Moment miterleben zu können. Ich schätze, nach der Aufwertung wird bei uns mehr Geld in Infrastrukturarbeiten wie Straßenausbesserungen oder Brückenbau investiert werden. Das ist gut — hier gibt es immer viel Stau, weil Danshui ein beliebtes Ausflugsziel ist.“

Das vor Dezember 2010 „Landkreis Taipeh“ genannte Gebiet im Norden Taiwans hat eine Fläche von 2052 Quadratkilometern, 6 Prozent der Gesamtfläche der Insel Taiwan. Es umfasst 10 Städte (shi 市), 4 städtische Gemeinden (zhen 鎮) und 15 ländliche Gemeinden (xiang 鄉) und umgibt Taiwans Hauptstadt Taipeh. Im Juli 2010 betrug die Bevölkerung 3,88 Millionen Menschen. Seit dem 25. Dezember 2010 existiert die Bezeichnung „Landkreis Taipeh“ indes nicht mehr, die Bewohner des Gebietes sind nun Bürger der Stadt „New Taipei City“ (新北市).

Taipeh und Kaohsiung, die beiden größten Städte des Landes, waren 1967 bzw. 1979 zu regierungsunmittelbaren Städten erhoben worden. Diese beiden Aufwertungen waren von der Zentralregierung auf Einzelfallbasis genehmigt worden und wurden seinerzeit jeweils mit der großen Bevölkerung sowie der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung begründet. Nach der Aufwertung von Kaohsiung wurde fast drei Jahrzehnte lang keine weitere Stadt mehr aufgewertet, was im Landkreis Taipeh mit seiner rasch wachsenden Bevölkerung für zunehmende Frustration sorgte.

Im Mai 2007 verabschiedete der Legislativ-Yuan (立法院), also das Parlament der Republik China, Veränderungen an den Paragrafen 4 und 7 des Lokalverwaltungsgesetzes, was die Grundlage dafür legte, dass der Landkreis Taipeh im Oktober 2007 zu einer „quasi regierungsunmittelbaren Stadt“ wurde. Dies war ein Schritt voran, doch blieb die formale Aufwertung mit Zugang zu voller Finanzierung durch die Zentralregierung aus. Die Billigung der Aufwertung zu einer regulären regierungsunmittelbaren Stadt erfolgte schließlich im Juni 2009 und sorgte in dem Landkreis für große Freude.

„Der Landkreis Taipeh ist seit langer Zeit so eng mit der Stadt Taipeh verbunden, dass man die beiden als die Bestandteile eines größeren Taipeh-,Lebenskreises‘ ansieht“, versichert Chou Hsi-wei (周錫瑋), bis Dezember 2010 Vorsteher des Landkreises Taipeh. „Aufgrund des politischen Systems wurden die Bewohner des Landkreises Taipeh aber im Hinblick auf Zugang zu finanziellen Ressourcen und die Zahl der ihnen zur Verfügung stehenden Beamten nicht fair behandelt. Um die Lage zu verbessern, habe ich nach meinem Amtsantritt 2005 begonnen, darauf zu drängen, den Status des Landkreises aufzuwerten. Der Wandel [im Dezember 2010] wurde mit viel harter Arbeit erzielt.“

Der Hafen von Taipeh in New Taipei City wächst noch und wird sich wahrscheinlich zum größten Hafen und Umschlagszentrum Nordtaiwans entwickeln. Es wird erwartet, dass solche großen Ausbauprojekte eine wesentliche Rolle dabei spielen werden, Taiwans Wachstum voranzutreiben. (Foto mit freundlicher Genehmigung der Kreisverwaltung Taipeh)

In seinem Wahlkampf 2005 regte Chou zwei mögliche Optionen für die Gegend an — eine Vereinigung des Landkreises mit der Stadt Taipeh zu einer Einheit und die Aufwertung des Landkreises Taipeh zu einer eigenen regierungsunmittelbaren Stadt. Sein Ziel war die Entwicklung eines urbanen Raumes, der bei Größe und internationaler Wettbewerbsfähigkeit mit Tokyo oder Shanghai vergleichbar wäre. Zur Förderung seiner Großstadt-Pläne wurden während Chous Amtszeit als Kreisvorsteher 133 Kooperationsabkommen mit der Stadt Taipeh unterzeichnet, weil man hoffte, engere Zusammenarbeit würde die Verwirklichung einer Fusion zwischen Stadt und Landkreis erleichtern.

Trotz der Abkommen hat der wesentliche Unterschied beim Status zwischen Stadt Taipeh und Landkreis Taipeh in der Vergangenheit zu Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit geführt, bemerkt Chou. Zum Beispiel war der jährliche Regierungsetat für die Stadt Taipeh fast doppelt so hoch wie der vom Landkreis Taipeh vor der Aufwertung, obwohl der Landkreis von der Landfläche her acht Mal so groß war und 2006 über 1,1 Millionen mehr Einwohner hatte als die Stadt. Wegen des geringeren Etats standen dem Landkreis Taipeh zudem weniger Verwaltungsbeamte für kooperative Projekte zur Verfügung, wogegen die Zahl der Beamten in der Stadtverwaltung Taipeh drei Mal so groß war, enthüllt Chou. Ein weiteres beträchtliches Hindernis für eine Verschmelzung der beiden Verwaltungen war nach seinen Worten die Tatsache, dass viele Einwohner der Stadt Taipeh gegen das Ansinnen waren, weil sie befürchteten, eine Konsolidierung könnte die Ressourcen, welche sie bislang als selbstverständlich hinnahmen, „verdünnen“.

Angesichts dieser Probleme beschloss Chous Verwaltung, für den Landkreis Taipeh die Aufwertungsoption anzustreben, allerdings mit Blick auf eine allmähliche Verringerung der Unterschiede bei Budget und Verwaltungsbeamten, um den Widerstand gegen eine letztendliche Fusion zu mindern. Die Aufwertung im Jahre 2007 zur quasi-regierungsunmittelbaren Stadt hatte eine Vergrößerung des Budgets von 75,3 Milliarden NT$ (1,83 Milliarden Euro) im Jahre 2006 auf 106 Milliarden NT$ (2,58 Milliarden Euro) im Jahre 2010 zur Folge, wodurch die sozialen Wohlfahrtsprogramme, das Bildungssystem, die Umwelt, Infrastruktur und Förderung von Kultur und Kunst verbessert werden konnten.

Im Bereich Soziales zum Beispiel wuchs der Etat des Landkreises von 6,9 Milliarden NT$ (168 Millionen Euro) 2006 auf 14,6 Milliarden NT$ (356 Millionen Euro) 2010. Die zusätzlichen Mittel wurden dazu verwendet, das öffentliche Bussystem für Senioren zu subventionieren, außerdem finanzierte man Gesundheitschecks für ältere Bauern und Fischer, Sehtests für Grundschüler, Hilfsprogramme für Arbeitslose, die Anschaffung von besonderen Bussen für Behinderte sowie die Abschaffung von Eintrittsgeldern in fünf staatlichen Museen.

Was Bildung anbelangt, so benutzte die Kreisverwaltung nach den Worten ihres Vorstehers die zusätzlichen Geldmittel nicht nur für die Verbesserung laufender Programme, sondern betonte auch die Förderung der Englisch-Sprachausbildung, indem für Grundschüler regelmäßige kostenlose Studienlager mit intensivem Englischunterricht angeboten werden. Andere neue Programme aus dem Bildungsbereich umfassen freie Mahlzeiten und Kurse nach Schulschluss für Schüler aus mittellosen Familien.

Verbesserungen beim Umweltschutz

Chou ist besonders stolz auf die Verbesserungen bei der Umwelt des Landkreises Taipeh seit der Aufwertung zur quasi-regierungsunmittelbaren Stadt, da mit den zusätzlichen Geldmitteln Flussreinigungsprojekte, Baumpflanzinitiativen und verschiedene Energiesparprogramme bezahlt werden konnten. Daneben wurden Parks angelegt, Fahrradwege gebaut sowie künstliche Feuchtgebiete, Kanalisationssysteme und Kläranlagen geschaffen. Der Kreisvorsteher steht mit seiner Einschätzung der Verbesserungen im Landkreis nicht allein da, denn laut der Bewertung der Umweltschutzverwaltung (Environmental Protection Administration, EPA), einer Behörde in Ministeriumsrang, über Flussreinigungen auf der ganzen Insel war der Landkreis Taipeh von 2007 bis 2010 landesweiter Spitzenreiter. Zum Beispiel wurde der Danshui-Fluss, der durch den Landkreis Taoyuan und die Städte Taipeh und New Taipei City fließt und bei der Gemeinde Danshui ins Meer mündet, im Jahr 2008 als so sauber wie in 30 Jahren nicht mehr bewertet.

Grundschüler aus New Taipei City bei einem kostenfreien Sommerkurs für intensiven Englisch-Sprachunterricht, den die damalige Verwaltung des Landkreises Taipeh organisiert hatte. (Foto mit freundlicher Genehmigung der Kreisverwaltung Taipeh)

Trotz der Aufwertung zur quasi-regierungsunmittelbaren Stadt stellte die Zentralregierung nach Chous Worten dem Landkreis Taipeh oft nicht das ihm zustehende volle Budget zur Verfügung und hemmte somit die Fähigkeit, große öffentliche Projekte zu planen und mehr Staatsdiener einzustellen. Chou und den Ratsmitgliedern wurde bald klar, dass das Haushaltsproblem nur durch eine Aufwertung des Landkreises zu einer regulären regierungsunmittelbaren Stadt wirksam gelöst werden könne.

Nach der nun erfolgten Aufwertung zum vollen Status einer regierungsunmittelbaren Stadt wird damit gerechnet, dass der Jahresetat von New Taipei City in diesem Jahr auf 150 Milliarden NT$ (3,65 Milliarden Euro) steigen wird, und bei der Zahl der beschäftigten Verwaltungsbeamten erwartet man einen Anstieg von 4154 Ende 2010 auf 15 400. Die Verwaltung wird dadurch mehr Geld für eine Verbesserung der Infrastruktur zur Verfügung haben, für die Einrichtung und Durchführung sozialer Wohlfahrtsprogramme und die Beschäftigung von ausreichend Personal, um die Qualität der Dienstleistungen für die Anwohner zu steigern.

Die meisten gewerblichen und industriellen Aktivitäten Taiwans sind nach wie vor auf den Norden der Insel konzentriert, so Chou. Hinsichtlich Bevölkerung und für Entwicklung zur Verfügung stehenden Landes ist die Stadt Taipeh allerdings an einen Sättigungspunkt gelangt, weswegen die Immobilienpreise extreme Höhen erreicht haben. Infolgedessen sind im Laufe der letzten Jahre alljährlich rund 200 000 Einwohner der Stadt Taipeh in den Landkreis Taipeh gezogen, um ein besseres Lebensumfeld zu günstigeren Preisen zu finden.

Wegen dieses sich allmählich verschiebenden Augenmerks von einer gesättigten Stadt auf ihre Umgebung und der formalen Aufwertung ihres Status scheint die Stadt New Taipei City einer glänzenden Zukunft entgegenzugehen. „Mit reichlich Land, menschlichen und finanziellen Ressourcen wird New Taipei City wahrscheinlich das größte Entwicklungspotenzial von allen taiwanischen Städten besitzen und der Motor für das nationale Wachstum werden“, prophezeit Chou. „Die nächste Herausforderung wird darin bestehen, sich in eine moderne internationale Metropole zu verwandeln. Wir müssen bei Fragen von allgemeinem Interesse wie Klimawandel und Umweltschutz Hand in Hand mit anderen großen Städten rund um den Erdball zusammenarbeiten, was auch den Nutzen hätte, Taiwans internationales Profil zu schärfen.“

Huang Jui-mao ist der Vorstandsvorsitzende einer Nichtregierungs-Organisation, die auf Englisch „Organization of Urban Re’s“ (OURs) heißt und sich mit der Überprüfung, dem Neuentwurf, der Neuplanung und dem Umbau urbaner Gebiete befasst. Nach Huangs Ansicht war der Landkreis Taipeh früher eine „Schlafstadt“, überwiegend mit Wohngebieten, deren Bewohner größtenteils zum Broterwerb in die Stadt Taipeh pendelten. In den jüngsten Jahren jedoch haben sich im Landkreis nach seinen Worten viele Veränderungen vollzogen, die gewerbliche und industrielle Aktivität wird intensiver und die Zahl der Kaufhäuser, Restaurants, Freizeiteinrichtungen und Geschäfte aller Art nimmt zu. Der Landkreis kann laut Huang nun als „urbanes Dorf“ beschrieben werden, da er zu einem außerordentlich eigenständigen Gebiet geworden ist, wo die Menschen leben, arbeiten und sich erholen können. Dank der neuen Annehmlichkeiten und des höheren Aktivitätsniveaus findet Huang die Aufwertung des administrativen Status mehr als angemessen.

Zwar ist New Taipei City seit dem 25. Dezember 2010 eine Realität, doch Huang glaubt weiterhin, dass wegen der großen Nähe der Stadt zur Nachbarstadt Taipeh eine Fusion zu einem einzigen Stadtgebiet effizienter gewesen wäre. Beispielsweise würde sich bei einem Zusammenschluss nur eine einzelne Verwaltungsbehörde mit der Planung von allgemeinen Umweltschutzfragen wie Flussreinigung oder Hochwasser- und Verschmutzungskontrolle befassen. Bei der aktuellen Lage werden bei solchen gemeinsamen Problemen Behörden der Stadtverwaltungen von Taipeh und New Taipei City zusammenarbeiten müssen.

In den jüngsten Jahren wandelte sich der Landkreis Taipeh von einer Schlafstadt zu einem eigenständigen Gebiet, wo die Menschen leben, arbeiten und sich erholen können. (Foto: Huang Chung-hsin)

Wie Chou Hsi-wei glaubt auch Huang, dass der Großraum Taipeh eines Tages von nur einer administrativen Einheit verwaltet werden wird. Wenn es schließlich dazu kommt, dann wäre eine direkte Fusion eine kostengünstigere Alternative gewesen als zuerst die Aufwertung des Landkreises Taipeh zur Stadt New Taipei City und dann eine Fusion zu einem späteren Zeitpunkt. New Taipei City machte viel Verwaltungszeit, Papierkram und neue Beschilderung erforderlich, kritisiert er, und das würde bei einer eventuellen Fusion wiederholt werden müssen.

Huang ist jedoch Realist, und da New Taipei City nun eine regierungsunmittelbare Stadt ist, sollte der neue Bürgermeister sich auf die Förderung der Kultur der Gegend konzentrieren. „Große Bauvorhaben sind nicht das, worin Taipeh gut ist“, behauptet er. „Wie könnte man in dieser Hinsicht gegen Shanghai oder Singapur konkurrieren? Taipeh wird allerdings von den [ethnischen] Chinesen als der beste Ort zum Leben angesehen, und das kann der reichen Ansammlung von Kulturgütern zugeschrieben werden.“

Das Ziel besteht für Huang darin, sich von Herstellung abzuwenden und eine postindustrielle Stadt zu werden, in der nicht nur Kultur betont wird, sondern auch Kunst, Ökologie, Dienstleistungen und die Heranbildung von Talenten der Spitzenklasse. Tatsächlich sollten andere Städte in Taiwan diese Aspekte ebenfalls betonen, rät er, weil dort die wettbewerbsfähigen Nischen des Landes liegen.

In einem anderen Bereich weist Huang darauf hin, dass internationale Angelegenheiten und Austausch in der Vergangenheit auf nationaler Ebene stattfanden, doch in den jüngsten Jahren haben einige Städte dabei gleichfalls eine aktive Rolle übernommen. Zwar wird Taiwans Beteiligung an internationalen Angelegenheiten zuweilen durch die politischen Realitäten durchkreuzt, doch kann man die Städte des Landes nicht davon abhalten, sich darum zu bemühen, ihre Präsenz auf der Weltbühne zu verstärken, begründet er.

Lange überfällig

Nach den Worten von Kao Yuang-kuang, Direktor des Taiwanstudien-Zentrums in der National Chengchi University (NCCU) in Taipeh, war eine Aufwertung des administrativen Status vom Landkreis Taipeh aufgrund der Bevölkerung, Landfläche sowie der bestehenden politischen, ökonomischen, kulturellen und städtischen Entwicklung seit langem überfällig. Ebenso wie Huang ist Kao überzeugt, es wäre effizienter und kostengünstiger gewesen, Stadt und Landkreis Taipeh in einem Schritt zu vereinigen, anstatt zuerst die Stadt New Taipei City zu schaffen und sich dann in Richtung einer letztendlichen Fusion zu bewegen, da beide administrativen Veränderungen kolossale, komplizierte Aufgaben sind, für die man viel Zeit und Koordinierung braucht. Kao hält zudem fest, dass in Zukunft, wenn die Führer der Städte Taipeh und New Taipei City unterschiedlichen politischen Parteien angehören sollten, sie möglicherweise nicht imstande sind, eng zusammenzuarbeiten, und damit die Entwicklung der Region Taipeh insgesamt behindern.

Tatsächlich geht Kao sogar noch weiter, als nur eine Kooperation und Fusion von New Taipei City mit Taipeh zu befürworten, da er keine Zweifel hat, dass Taiwan eine mächtige Stadt als Motor schaffen muss, der die Entwicklung der übrigen Insel führt. In dieser Hinsicht hält er es für besser, wenn die Zentralregierung die Städte Taipeh, New Taipei City und Keelung zu einem „Groß-Taipeh“ vereinigt, was die Verwaltungseffizienz und die Aussichten der Metropole, eine Stadt von Weltklasse zu werden, verbessern würde.

2008 bewertete Taiwans Umweltschutzverwaltung den Danshui-Fluss, der in New Taipei City in die Taiwanstraße mündet, als so sauber wie in den vergangenen 30 Jahren nicht. (Foto: Huang Chung-hsin)

Kao verweist als frühen Schritt in Richtung einer solchen Integration auf die Nordtaiwan-Entwicklungskommission, die im November 2005 gegründet worden war und von Behörden aus acht Stadt- und Kreisverwaltungen geführt wird. Die Arbeit der Kommission für die Verbesserung der Kooperation in den Bereichen ökologische Ressourcen, gewerbliche Entwicklung, Freizeit und Erholung, Verkehr und Logistik, kulturelle Erziehung und Katastrophenverhütung bietet nach seinen Worten ein gutes Vorbild für andere regionale Allianzen. Der Hochschuldirektor hofft, dass der Exekutiv-Yuan den Status der Kommission aufwerten wird, indem sie eine gesetzliche Grundlage im Lokalverwaltungsgesetz erhält, was es der Kommission ermöglichen würde, quasi als Regionalverwaltung zu fungieren und bei der Führung der Region eine einflussreichere Rolle zu spielen. Er befürwortet zudem die Einrichtung ähnlicher Kommissionen in den zentralen und südlichen Landesteilen, womit zu einer ausgewogenen Entwicklung in ganz Taiwan beigetragen würde.

Bislang gibt es nach Kaos Ansicht in der Gegend reichlich Koordinationsarbeit zu bewältigen, egal ob es zwei regierungsunmittelbare Städte oder eine regionale Mega-Stadt gibt. „Die zukünftige Planung für die Entwicklung von New Taipei City bei Wohnungsbau, Erholung, Gewerbe und Produktion muss mit der Planung für die Stadt Taipeh abgestimmt werden, ganz gleich welche administrativen Bezeichnungen sie haben“, unterstreicht Kao. „Außerdem müssen die beiden bei Infrastruktur zusammenarbeiten, um durch gute Verbindungen der Autobahn-, Eisenbahn- und Schnellbahnsysteme ein bequemeres Verkehrsnetz aufzubauen, damit der allgemeine regionale Wohlstand gemehrt wird.“

Shiau Chyuan-jenq, Professor in der Abteilung für Politikwissenschaften der National Taiwan University (NTU) in Taipeh, erklärt, im Zeitalter der Globalisierung müsse eine Stadt ihre Präsenz international spürbar machen. Das kann geschehen, indem man ihre Größe ausbaut, Austausch mit anderen Gebilden in der Weltgemeinschaft durchführt, Schritt mit größeren politischen und wirtschaftlichen Veränderungen rund um den Erdball hält und die Interessen ihres Landes fördert. Shiau glaubt, dass Taiwans zwei ältere regierungsunmittelbare Städte — Taipeh und Kaohsiung — sich momentan noch überwiegend auf ihre eigenen Angelegenheiten konzentrieren und noch nicht aktiv genug dabei sind, Außenbeziehungen zu pflegen.

Laut Shiau sind Aufwertungen oder Fusionen wesentlich, da Taiwan danach strebt, den Umfang seiner Metropolen auszudehnen. Die Frage ist in seinen Augen nicht, ob man eine Aufwertung oder Fusion vornehmen sollte, sondern eher, welche Orte einen solchen Schritt vollziehen und wie viele von ihnen in den Plan einbezogen werden sollten. Im Hinblick auf New Taipei City findet Shiau, es sei ein guter Schritt gewesen, den Landkreis Taipeh zu einer regierungsunmittelbaren Stadt aufzuwerten, da die Verwaltung der neuen Stadt bei der lokalen Entwicklung mit dem größeren Personalbestand und der Finanzierung von der Zentralregierung einen Gang höher schalten kann. Zugleich kann New Taipei City mit der Stadt Taipeh, wo nur begrenzter Raum für Wachstum zur Verfügung steht, zusammenarbeiten, um eine Metropole von internationalem Format zu schaffen, sinniert er. Der Zeitpunkt für eine Fusion könnte in ein paar Jahren passend sein, wenn New Taipei City besser entwickelt ist und über eine Infrastruktur, Personal und administrative Dienstleistungen verfügt, die mit denen in Taipeh vergleichbar sind. Das könnte dabei helfen, die Mehrheit der Bürger von Taipeh davon zu überzeugen, einen solchen Schritt zu befürworten.

Der vor kurzem aus dem Amt geschiedene Kreisvorsteher Chou Hsi-wei rechnet damit, dass New Taipei City ein breites Spektrum von kulturellen, historischen und natürlichen Attraktionen bieten wird sowie große Entwicklungsprojekte wie den wachsenden Hafen von Taipeh. Solche Merkmale werden eine große Rolle dabei spielen, Taiwans wirtschaftliches Wachstum und internationale Mitwirkung voranzutreiben, meint er. „Der Landkreis Taipeh wurde unter meiner Führung einer wesentlichen Umwandlung unterzogen“, prahlt Chou. „Nun ist es ein lebenswerterer, wohlhabender und umweltfreundlicher Ort geworden. Ich hege die aufrichtige Hoffnung, dass New Taipei City durch richtige Stadtplanung und Partnerschaft mit der Stadt Taipeh schließlich zu einer grünen, globalen Stadt werden kann.“

(Deutsch von Tilman Aretz)

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