06.05.2025

Taiwan Today

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Gutes Geschäft mit Orchideen

01.11.2010
Jahr für Jahr exportiert Taiwan über 20 Millionen Oncidium-Orchideen nach Japan und beherrscht mit einem Anteil von 85 Prozent den dortigen Markt. (Foto: Chang Su-ching)
Die Orchidee hatte in der Kultur der ethnischen Chinesen immer schon einen einzigartigen Platz. Die Pflanze ist nicht nur wegen ihrer großen Vielfalt bezaubernder Formen und faszinierender Farbkombinationen bekannt, sondern wurde auch in den Werken chinesischer Literaten als Symbol der moralischen Vortrefflichkeit eines Mannes oder der Schönheit einer Frau gefeiert, und manche Orchideenarten finden seit langem in der chinesischen Kräuterheilkunde Verwendung. Allerdings war die Orchideenzucht jahrhundertelang eine Tätigkeit, die nur von einer kleinen Gruppe engagierter Hobbyfloristen betrieben wurde. In Taiwan war es bis vor rund zwei Jahrzehnten nicht anders, als die Orchideenzucht dank vereinter Anstrengungen durch die Regierung, Forscher und Bauern sich von einem alten Hobby zum großen Geschäft wandelte. Statistiken des Landwirtschaftsrats (Council of Agriculture, COA) zeigen, dass im Jahr 2009 Taiwans Orchideenexporte einen Wert von 86,8 Millionen US$ erreichten, 78 Prozent der gesamten Blumenexporte des Landes. Übertragen in Menge bedeutet dieser Wert, dass Taiwan im vergangenen Jahr ungefähr ein Drittel aller Orchideen der Welt erzeugte.

Eine der am häufigsten gezüchteten Orchideen Taiwans ist heute Oncidium, auch Tanzende-Dame-Orchidee genannt, die vor etwa zwanzig Jahren in Taiwan eingeführt wurde. Seit 2002 ist die Sorte Taiwans meistverkaufte Schnittblume, ihre Ausfuhren gehen ausschließlich nach Japan. Jedes Jahr werden 20 Millionen Oncidium-Orchideen versandt, womit 85 Prozent der Nachfrage auf dem japanischen Markt gedeckt werden.

Tanzende Damen, gelbe Röcke

Während die in gelbe Röcke gekleideten tanzenden Damen 2009 einen Exportwert von 6 Millionen US$ schufen, 7 Prozent von Taiwans gesamten Orchideenexporten, belegten sie tatsächlich nur mit großem Abstand den zweiten Platz hinter den Verkäufen der Mottenorchidee (Phalaenopsis), die mit einem Exportwert von 65 Millionen US$ 75 Prozent von Taiwans Orchideen-Gesamtexporten ausmachen. Nach den Worten von Hsieh Ting-fang, Direktor des Blumenzucht-Forschungszentrums (Floriculture Research Center, FRC) im Landwirtschaftlichen Forschungsinstitut des COA, beruht der Wettbewerbsvorteil von Taiwans Mottenorchideen-Produktion in der meisterhaften Beherrschung des Keimgewebes der Pflanze, oder anders ausgedrückt dem Sammeln der genetischen Ressourcen. Zwar sind nur zwei der weltweit schätzungsweise 60 Mottenorchideen-Arten in Taiwan heimisch, doch die taiwanischen Züchter haben fast alle Arten der Erde gesammelt und durch Kreuzungen über 2000 Unterarten kreiert. „Als Gewerbe ist die Orchideenzucht in Taiwan jung und wird verglichen mit Ländern wie den Niederlanden in viel kleinerem Umfang betrieben“, beschreibt Hsieh. „Doch während die großen Blumenzuchtunternehmen dort dem europäischen Markt sehr wenige Mottenorchideen-Variationen bieten, können Taiwans Bauern jede Sorte liefern, die sonstwo auf der Welt existiert oder noch nicht existiert.“

Huang Jian-ming ist Manager des Unternehmens Chian Xen Biotechnology Inc., das Mottenorchideen züchtet und anbaut. Gegründet wurde das Unternehmen von Huangs Vater, und der jüngere Huang erinnert sich noch daran, wie sein Vater vor drei Jahrzehnten mit der Zucht von Mottenorchideen anfing. „Es begann mit einer Gruppe von Leuten, die sich alle paar Tage trafen und Ansichten über Sorten, Techniken und alles über Orchideen austauschten“, rekapituliert er. „Wenn jemand eine einzigartige Sorte entwickelte, gab es keinen Lohn außer dem Lob und dem Neid der anderen in der Gruppe, und das reichte anscheinend, um ihre Leidenschaft aufrechtzuerhalten.“ Huangs Vater ist bei Chian Xen nach wie vor dafür zuständig, neue Sorten zu züchten, und eine seiner Sorten gewann bei der internationalen Taiwan-Orchideenschau 2010, die im März dieses Jahres im südtaiwanischen Landkreis Tainan stattfand, die Goldmedaille in der Mottenorchidee-Kategorie. „Anscheinend haben die Züchter der älteren Generation ein Gen-Diagramm im Kopf“, wundert sich Huang. „Einfach durch Anschauen der ,Eltern‘ können sie recht treffend darauf schließen, welcher Art ihre ,Kinder‘ sein werden.“

Aufgeblähter Markt

Laut Tsai Wei-ting, Blumenzucht-Expertin vom FRC, ist die Haupttechnik beim Züchten neuer Orchideensorten das Kreuzen. Diese Technik kann im Prinzip jeder in wenigen Minuten lernen, deswegen kreuzen Hobbyzüchter Orchideen schon seit langem. Seit Taiwans Hobbyzüchter Anfang der achtziger Jahre damit anfingen, mit ihren einzigartigen Kreuzungen zu prahlen, entstand bei ihnen ein einheimischer Markt, der allmählich mit der Aufnahme neuer Orchideenfreunde wuchs. Auf diesem Markt konnte man eine einzigartige Topforchidee für den Preis einer Wohnung in Taipeh verkaufen.

Dieser abnormal hohe Inlandsmarkt für Orchideen kam Mitte der achtziger Jahre zum Erliegen, als der COA die kommerzielle Produktion von Mottenorchideen zu fördern begann und der Zuckerkonzern Taiwan Sugar Corp. (Taisugar) die Erzeugung von Mottenorchideen aufnahm. Dank seiner Ressourcen als Staatsunternehmen konnte Taisugar in große Landstücke investieren und genügend Arbeitskräfte einstellen, um die Massenproduktion von Orchideen einzuleiten. Dabei hatte Taisugar den Exportmarkt im Auge, da der inländische Markt zu klein war und immer noch ist. Mit dem Hintergrund einer langen Geschichte bei Pflanzenforschung bis zurück zur Mitte des 19. Jahrhunderts gelang es Taisugar, mit mehreren Phalaenopsis-Variationen internationale Orchideen-Wettbewerbe zu gewinnen, wodurch die Firma sich einen Ruf als Anbieter hochwertiger und einzigartiger Mottenorchideen aufbauen konnte. Zur Zeit unterhält Taisugar Produktionsanlagen in Kanada, in den USA und in Costa Rica. Etwa 90 Prozent der in taiwanischen Gewächshäusern angebauten Erzeugnisse werden nach Japan, Kanada, in die USA und europäische Länder exportiert.

Wegen der großen Mengen von Orchideen, die Taisugar herzustellen begann, fiel der Wert einer einzigartigen Topforchidee zwar von ein paar Millionen NT$ auf ein paar hundert, doch die einheimischen Pflanzer erkannten die Gelegenheiten von Taisugars Erfolg bei der Pflege des Exportmarktes. Tsai Wei-ting erläutert, dass Orchideen mit Gewebekulturen in großen Mengen produziert werden können — dabei werden individuelle Pflanzenzellen verwendet, um eine komplette Pflanze neu zu bilden. Gewebekultur ist als Technik zudem leicht zu erlernen und ermöglichte es vielen lokalen Pflanzern, ihre einzigartigen Variationen massenhaft zu vervielfältigen. Mit Erfolg in den Ausfuhrmarkt vorzustoßen war jedoch komplizierter, als nur Schübe einzigartiger Orchideen herzustellen.

Zunächst einmal muss man, um Orchideen für den Export zu erzeugen, beträchtliches Kapital investieren. Es dauert 30 Monate, bis die Pflanze vom Stadium der Gewebekultur zu einem großen Schössling herangewachsen ist, bis zur Blüte vergehen weitere sechs Monate. „In gewisser Weise schützt die lange Wachstumsphase die Pflanzer, da es mindestens drei Jahre dauert, bis Kopien einer beliebten Variante den Markt erreichen, und bis dahin hat sich der ,Trend‘ bereits verändert“, erläutert Ahby Tseng, Marketingspezialist beim Verband der taiwanischen Orchideenpflanzer (Taiwan Orchid Growers Association, TOGA). „Das bedeutet aber auch, dass die Bauern die finanziellen Grundlagen brauchen, um lange genug durchzuhalten, bis sie Erträge einstreichen können, und dabei müssen sie hoffen, nichts möge während dieser Monate schiefgehen — etwa ein Abschwung auf dem Markt, Pflanzenkrankheiten oder eine Naturkatastrophe.“

Eine Verkaufsstelle in der Orchideenplantage Taiwan mit Hautpflegeprodukten aus Orchideen. Manche dieser Artikel werden auch nach Japan exportiert. (Foto: Chang Su-ching)

Taiwanische Bauern haben aber einen Weg gefunden, diese Risiken zu minimieren, indem sie sich auf den „Staffel-Anbau“-Ansatz verlegten, bei dem die Arbeit und die Ausgaben für den Orchideenanbau auf verschiedene Stadien verteilt werden und unterschiedliche Orchideengärten sich in unterschiedlichen Stadien befinden. Jeder „Staffel-Anbau“-Betrieb erwirbt „halbfertige Produkte“ von den Pflanzern im vorangegangenen Stadium, erfüllt seine Aufgabe und verkauft seine Erzeugnisse an Betriebe des folgenden Stadiums. Dadurch können Pflanzer binnen sechs Monaten Erträge für ihre Investitionen erhalten, und die Gefahr, dass etwas schief läuft, wird verringert.

Die Zentralregierung und die Lokalverwaltungen helfen gleichfalls dabei, die Investitionen der Pflanzer zu vermindern. Im Landkreis Tainan zum Beispiel wurden das Potenzial des Gewerbes ebenso wie die finanziellen Risiken für die Pflanzer zuerst erkannt. Im Jahre 2004 konnte Kreisvorsteher Su Huan-chih (蘇煥智) ausreichende Finanzierung — überwiegend von der Zentralregierung — für den Aufbau der Taiwan-Orchideenplantage (Taiwan Orchid Plantation, TOP) aufbringen, ein Projekt, das darauf abzielt, einzelne Pflanzer zu organisieren, damit ein „Ballungseffekt“ (oder eine lückenlose Lieferkette) für das Orchideengewerbe entsteht. Momentan sind 41 Orchideen-Anbaubetriebe, darunter die drei größten in Taiwan, mit Gewächshäusern im Park aktiv. Nach Ansicht von Steven Yang, Chef von Show-win Orchid Garden in der TOP, mussten einzelne Firmen zwar in den Bau eigener Gewächshäuser investieren, doch war die anfängliche Investition deutlich geringer, als wenn man sonstwo in Taiwan ein Treibhaus angelegt hätte, da die Bauern das Land günstig von der TOP pachten und für ihren Betrieb im Park niedrig verzinste Bankdarlehen bekommen können. „Für kleine Betriebe wie meinen ist das besonders bedeutsam“, lobt er. „Neben den geringeren Investitionen ist es außerdem leichter, als Teil einer gewerblichen Ansammlung zu arbeiten, da alle Fachleute, Verbindungen und Bedarfsartikel in der Nähe verfügbar sind.“

Im Juni 2009 wurde eine öffentliche Ausschreibung veranstaltet, nach der die Verwaltung der TOP an das Privatunternehmen Taiwan Orchid Professionals übertragen wurde. Die neue Managementfirma hat die Investitionen, die für die Einrichtung eines Betriebes auf der TOP erforderlich sind, weiter gesenkt, indem sie selbst Gewächshäuser baute und diese dann an Bauern vermietete. Laut den Ausführungen von Nadison Hsu, Präsident von Taiwan Orchid Professionals, mussten einzelne einheimische Pflanzer häufig größere Bestellungen ablehnen, weil sie in der Vergangenheit aufgrund ihrer geringen Größe nur beschränkte Produktionskapazitäten hatten. Das neue Betriebsmodell hat den jährlichen Ausstoß dagegen um etwa 500 000 Pflanzen gesteigert, so dass größere Bestellungen viel leichter zu erledigen sind. „Die Bauern müssen sich keine Sorgen machen, ihre Produkte nicht loszuwerden, da ich sie ihnen zu garantierten Preisen abnehme“, behauptet Hsu. „Gleichzeitig erziele ich eine Rentabilität, dank der ich größere Bestellungen annehmen kann und meine Kosten senke, also ist das Arrangement für beide Seiten vorteilhaft.“

Neben geringeren Kapitalinvestitionen haben die Orchideengärten durch die TOP auch neue geschäftliche Gelegenheiten gefunden, seit 2005 findet an der Stätte die jährliche internationale Orchideenschau Taiwan statt. Die Messe, heute eine der größten Orchideenausstellungen der Welt, lockt Käufer von rund um den Erdball an. Laut TOGA, dem Veranstalter der Messe, kamen dieses Jahr Käufer aus 32 Ländern, die bei örtlichen Orchideengärten Bestellungen im Wert von insgesamt 5 Milliarden NT$ (119 Millionen Euro) aufgaben.

Während die Marketingfachleute in der TOP neue Strategien entwickeln, haben Akademiker in den Blumenzucht-Abteilungen von Universitäten und Wissenschaftler in staatlichen Forschungsinstituten dem Orchideengewerbe geholfen, indem sie ihre Forschungserkenntnisse zur Verfügung stellten. Hsieh Ting-fang vom FRC vermerkt, dass einheimische Orchideenpflanzer sehr versiert dabei geworden sind, die Formen, Größen und Farben der Blumen zu modifizieren, deswegen konzentrieren Forschungsorganisationen ihre Anstrengungen darauf, die Toleranz gegenüber Krankheiten zu verbessern, die Anbau- und Blütedauer zu lockern und das Wachstumsumfeld zu kontrollieren.

Das FRC begann beispielsweise 2007 damit, an der Anwendung eines Systems mit Radiofrequenz-Identifikation (RFID) bei Produktion und Gewächshausverwaltung zu arbeiten. Tsai Wei-ting erklärt, dabei handele es sich im Grunde genommen um ein Informationstechnologie-System, das die Gewächshausverwaltung automatisiert, indem der Standort jeder Pflanze aufgezeichnet wird, außerdem werde damit im Gewächshaus für ein optimales Wachstum die Sonnenscheinmenge, die Temperatur und Feuchtigkeit kontrolliert. „In Taiwan werden Dutzende oder sogar Hunderte von Varianten in ein und demselben Treibhaus gezogen“, verrät sie. „Allein schon die RFID-Ortungsfunktion vermeidet viele Scherereien und Arbeit bei der Gewächshausverwaltung.“ Laut Tsai wurde das System von einigen der größeren Orchideengärten auf der Insel übernommen.

Nackte Wurzeln

Es gibt allerdings auch mehrere Herausforderungen, die dem Orchideen-Exportgewerbe zu schaffen machen. Der Versand lebender Pflanzen war immer ein Problem. Da Luftfracht zu teuer und die Verpackung blühender Pflanzen schwierig ist, exportiert Taiwan überwiegend große Setzlinge. Im Fall der Vereinigten Staaten, Taiwans größtem Markt, mussten die Setzlinge ursprünglich mit „nackten Wurzeln“ eingeführt werden, womit gemeint ist, dass das Wachstumsmedium, also das lockere, wasserspeichernde Substrat im Behälter der Mottenorchidee, entfernt werden musste. „Einen Monat lang in dunklen Containern auf See gelagert zu sein war hart für die Pflanzen, und ohne das Wachstumsmedium dort eingesperrt zu sein war Folter“, klagt Ahby Tseng vom TOGA. „Wenn die Exporteure Glück hatten, war die Hälfte der Pflanzen bei der Ankunft noch am Leben, auch wenn viele von ihnen nicht mehr gesund aussahen.“

Dank der Bemühungen des COA konnte das Problem schließlich gelöst werden. Nach zehnjährigen Verhandlungen erklärte sich die US-Regierung bereit, taiwanische Orchideen-Setzlinge mit intakten Wachstumsmedien ins Land zu lassen, sofern sie in bakterienfreien Treibhäusern, die gemäß US-amerikanischen Vorschriften gebaut wurden, gezogen worden waren. Seit 2005 ist Taiwan das einzige Land, das eine solche Erlaubnis erhielt. Zur Zeit wird ungefähr die Hälfte aller Mottenorchideen, die von amerikanischen Verbrauchern gekauft werden, bis zum Setzlingsstadium in Taiwan angebaut.

Chang Siao-yue, Repräsentantin der Republik China in Großbritannien, zeigte Königin Elizabeth II. bei der Chelsea Flower Show im Mai dieses Jahres taiwanische Orchideen. (Foto: Central News Agency)

Für andere Herausforderungen hält die Suche nach Lösungen an. Nadison Hsu macht darauf aufmerksam, dass der Preis für eine blühende Topf-Orchidee fünf Mal so hoch ist wie für einen großen Setzling. Anders ausgedrückt, ein taiwanischer Pflanzer braucht 30 Monate, um ein Fünftel des Gesamtpreises zu verdienen, für den die blühende Pflanze zum Schluss an den Endverbraucher verkauft wird, wogegen die ausländischen Firmen nur sechs Monate benötigen, um die übrigen vier Fünftel abzusahnen. Abgesehen von ein paar Großunternehmen, die es sich leisten können, ihre eigenen Einrichtungen im Ausland zu bauen, wo sie die Setzlinge bis zur Blüte päppeln, indem sie den für sie förderlichen Umwelt-Bedingungen ausgesetzt werden, müssen die meisten taiwanischen Firmen sich damit begnügen, Setzlinge zu exportieren. „Jeder in dem Gewerbe weiß, dass das große Geld mit den Blumen gemacht wird“, murrt Hsu. „Die Frage ist, wie kriegen wir diese Moneten in unsere eigene Tasche?“

Eine von Hsus Methoden besteht darin, höherwertige Produkte auf Orchideen-Grundlage zu schaffen. Er arbeitet mit Firmen in anderen Branchen zusammen, um beispielsweise Geschirr, Kleider und Schreibwaren mit Mottenorchideen-Designs zu entwickeln. Einer seiner Bestseller ist eine Serie von Körperpflegeprodukten aus Orchideen. Hsu vermarktet sie in Japan, indem er ein Fläschchen Lotion oder ein anderes Produkt mit einem Orchideenblütenstiel verpackt. Der zusätzliche Wert der Körperpflegeprodukte kann die Kosten der Verpackung und Luftfracht decken, und es bleibt immer noch ein hübscher Profit übrig.

Daneben hat Hsu eine Reihe von goldenen Orchideen-Produkten konzipiert, die alles umfasst von Accessoires wie Anhängern bis zu kompletten Topf-Mottenorchideen. Anstatt Gold so zu bearbeiten, bis es wie eine Orchidee aussieht, vergoldet er echte Pflanzen oder Teile davon.

Der direkteste Weg zur Vergrößerung der Gewinnspanne ist in Hsus Augen allerdings immer noch der Aufbau eines Markennamens. Er weist darauf hin, dass Taiwans Orchideen zahlreiche internationale Preise gewonnen haben. Auf der Chelsea-Blumenschau in Großbritannien im Mai dieses Jahres erhielten taiwanische Orchideen eine Silbermedaille, und manche der neuen Varianten des Landes wurden sogar von Königin Elizabeth II. gelobt. Die meisten ausländischen Kunden sind sich aber nicht bewusst, dass ihre Orchideen aus Taiwan stammen, denn die blühenden Pflanzen werden unter den Markennamen ausländischer Firmen verkauft.

Hsu denkt, dass Taiwans Orchideenerzeuger einen Markennamen entwickeln sollten, indem sie mit anderen Ländern zusammenarbeiten, um dort Produktionsstandorte aufzubauen, anstatt sich auf das aktuelle Geschäftsmodell zu verlassen. Zu diesem Zweck unterzeichnete er dieses Jahr ein Memorandum mit der Regierung von Malaysia und schloss einen Vertrag mit einem Unternehmen im kanadischen Vancouver über den Bau solcher Einrichtungen. Die Anlage in Vancouver soll eine Produktionsbasis sein, die sich an den Markt in den westlichen USA wendet, wogegen die Anlage in Malaysia es taiwanischen Pflanzern gestatten wird, den Markt in Nahost zu sondieren. „Taiwan wird die Techniken bereitstellen, und jede Orchidee aus diesen ausländischen Anlagen wird den Markennamen ,TOP‘ tragen“, meldet Hsu.

Gelehrte Mutmaßungen

Ein etablierter Markenname hat zudem das Potenzial, den Markt zu formen. Tsai Wei-ting vom FRC führt aus, dass Vorlieben des Marktes eine knifflige Angelegenheit sein können. Während die Japaner immer Orchideen mit großen weißen Blüten liebten, können sich die Vorlieben auf anderen Märkten rasch ändern. Bei schlechter Wirtschaftslage neigen die Käufer etwa dazu, kleinere Blüten zu erstehen. Da die Züchtung neuer Varianten aber Jahre oder gar Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann, wagen die meisten taiwanischen Züchter Mutmaßungen über zukünftige Marktvorlieben, doch vor dem Hintergrund der profunden Erfahrungen Taiwans auf dem Markt sind das gelehrte Mutmaßungen.

Nadison Hsu dagegen meint, dass Mutmaßungen, selbst wenn sie sehr gelehrt sind, in die Hosen gehen können, weswegen jede Form des Ratens vermieden werden sollte. „Wir können den Markttrend führen, wenn wir einen Markennamen haben, der groß genug ist“, spekuliert er. „So wie berühmte Modedesigner den Leuten im Grunde genommen sagen, was sie in dieser Saison anziehen sollen, und die Leute auch darauf hören, können wir dem Markt sagen, welche Orchideen dieses Jahr gekauft werden sollen.“

Wer kein Insider des einheimischen Gewerbes ist, möchte meinen, es könne für Taiwans kleine Orchideengärten ein wenig zu ehrgeizig klingen, Markttrends diktieren zu wollen, doch wenn man die Errungenschaften einer Gruppe von Leuten bedenkt, denen es gelang, ein Hobby in ein globales Gewerbe zu verwandeln, hört sich das wieder ausgesprochen sinnvoll an.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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