Auch im Taiwan der heutigen Zeit nimmt in traditionellen wie modernen Wohnungen der Ahnenschrein einen festen Platz ein. Gewöhnlich wird diese Stätte der Andacht und des Eingedenkens mit Hausgöttern, Weihrauchgefäßen, Porträts der Eltern und Großeltern und Räucherstäbchen festlich geschmückt, und je nach Jahreszeit darf auch in Anknüpfung an die traditionellen "Vasengaben" ein Blumengesteck oder die klassische Chrysanthemen-Vase nicht fehlen.
Zur Zeit der Tang-Dynastie (618-907) waren Blumengestecke ein wichtiger Dekorationsbestandteil bei der Verschönerung des Kaiserpalastes. Entsprechend dem damals vorherrschenden üppigen Stil - auch das Schönheitsideal bei den Frauen war füllig - wurden die verschiedensten Blumen zu komplexen, raumfüllenden Gestecken angeordnet, wodurch ein charakteristischer mehrdimensionaler Effekt erreicht wurde. Am häufigsten arrangierte man prachtvolle Gesteckkombinationen mit Päonien, Kamelien, und Narzissen, aber auch symbolträchtige Arrangements mit Pflaumenblüten, Pinien und Zypressen erfreuten sich großer Beliebtheit.
Auch die zur Aufnahme der Blumen bestimmten Vasen, Ton- und Porzellantöpfe waren ein wichtiger Bestandteil des Gesamtarrangements und stellten vielfach bereits in sich prächtige Kunstwerke dar. Hohe Beamte und Adelige waren gleichermaßen stolz auf den Besitz von ästhetisch anspruchsvollen Behältnissen und wählten die dazu passenden Blumen mit größter Sorgfalt aus. Als harmonische Verbindung von kontemplativer Naturliebe und handwerklicher Kunstfertigkeit kommt die Kunst des Blumensteckens dem chinesischen Naturell sehr nahe. Was Wunder also, daß sie sich ständig steigender Beliebtheit erfreute: - So begann man während der Tang-Zeit Mitte Februar den "Geburtstag der Blumen" zu feiern, welcher - neben dem Mondfest im August - rasch zum populärsten Feiertag innerhalb des jährlichen Festkalenders wurde.
In der Sung-Dynastie (960-1279) erreichte die Kunst des Blumensteckens den Gipfelpunkt ihrer Beliebtheit. Zu jener Zeit war es längst nicht mehr ein Privileg der Oberschicht, sich voll Akribie und Hingabe dieser eng mit der Naturphilosophie des Taoismus und Ch'an-Buddhismus verflochtenen Kunstform zu widmen, sondern auch das gewöhnliche Volk begann in zunehmendem Maße Gefallen an der Beschäftigung mit Blumenarrangements zu entwickeln. Daraus resultierte, daß das Blumenstecken als eine der vier beliebtesten Kunstformen klassifiziert wurde und somit gleichwertig war mit der von buddhistischen Mönchen etablierten Kunst des Teetrinkens, dem rituellen Verbrennen von Weihrauch und der ästhetischen Würdigung von Malerei und Kalligraphie. Durch den ihr beigemessenen hohen gesellschaftlichen Stellenwert wurde während der Sung-Zeit das geschmackvolle Arrangieren von Blumen zu einer Betätigung, die wie selbstverständlich zur Ausbildung jedes kultivierten Bürgers gehörte.
Ein bezeichnendes Symptom der zu jener Zeit grassierenden Blumen-Leidenschaft waren die teils gigantischen Blumenausstellungen, die alljährlich in den größeren Städten des Sung-Reiches veranstaltet wurden. So weiß ein historischer Text aus dem Jahre 1086 von einer spektakulären Ausstellung in der Stadt Loyang zu berichten, anläßlich deren mehr als 10 Mill. Blumen zur Schau gestellt wurden.
Nach der Vertreibung der Mongolen und Restaurierung des Primats des Han-Volkes in der Ming-Dynastie (1368-1644), hatte dieses anfängliche Hobby einiger kunstinteressierter Ästheten derart professionelle Züge angenommen, daß das theoretische Grundwissen von qualifizierten Lehrern vermittelt und in speziellen Fachzeitschriften publiziert wurde. Ming-zeitliche Texte wie Die Geschichte der Vase (瓶史) von Yuan Hung-tao (袁宏道), die Genealogie von Vasenblumen (瓶花譜) von Chang Chien-te (張謙德) und die Monatliche Blumenwahl (瓶史月表) von Tu Pen-chun (屠本畯), dienen auch heute noch als Basistexte für jeden ernsthaften Studenten des klassischen Blumenarrangements.
Interessanterweise wurde im Rahmen der systematischen Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen dieser Kunstform auch deren ursprünglicher Charakter wesentlich verändert. Ein neuer Trend in Richtung gepflanzter Arrangements verdrängte bald die kurzlebigen Schnittblumengestecke. Bereits Ende der Ming-Dynastie hatte die Kultivierung von Topfpflanzen die kommerzielle Produktion Schnittblumen völlig in den Schatten gestellt, - ein Trend, der sich auch in der darauffolgenden Ching-Dynastie (1644-1911) fortsetzte. Die Ursache dieser Entwicklung mag vornehmlich auf taoistische und buddhistische Einflüsse zurückzuführen sein, - ist doch das Vorbild der vom Taosimus inspirierten Künstler die ursprüngliche, vom Menschen unberührte Natur (大自然), während den Buddhisten der Schutz des Lebens - ganz gleich in welcher Form - heilig ist.
Gegen Ende der Ching-Dynastie, als das chinesische Kaiserreich in zunehmendem Maße mit politischen und militärischen Wirren zu kämpfen hatte, geriet das quietistische und introvertierte Blumenstecken angesichts der akuten Probleme der Zeit fast völlig in Vergessenheit. Gerade während jener Epoche indessen, griffen vom Geist des Zen inspirierte japanische Blumenliebhaber diese Kunstform auf. Wenngleich im Zuge dieser Übernahme die ursprünglichen Stecktechniken modifiziert und mit japanischen Elementen durchsetzt wurden, war der chinesische Ursprung dieser im kulturverwandten Umfeld Japans entstandenen Kreationen dennoch nach wie vor deutlich erkennbar. Im ersten Viertel des 20.Jahrhunderts indessen, hatte die Kunst des Blumensteckens unter dem Namen Ikebana Weltruhm erlangt und stellte deutlich alle früheren chinesischen Stile in den Schatten.
Doch auch in China war die Kunst des Blumensteckens nicht völlig erloschen, sondern befand sich hier im Land ihres Entstehens lange Zeit hindurch in einer Art "Dornröschenschlar". - Erst im Jahre 1984 erweckte der Women's Garden and Art Club (WGAC) der Republik China diese beinahe verlorengegangene Kunstform zu neuem Leben, indem die Mitglieder beschlossen, die traditionsreiche Kunst des Blumensteckens nicht nur wiederzubeleben, sondern ihr darüber hinaus eine neue, zeitgerechte Bedeutung zu geben. Im Rahmen dieser Bemühungen wurde - in Anlehnung an ähnliche Projekte vergangener Zeiten - eine mit dem Namen Die Kunst Klassisch-Chinesischer Blumengestecke betitelte Ausstellung organisiert, die vom 24. März bis 3. April 1984 im Nationalen Geschichtsmuseum in Taipei stattfand und beim Publikum auf ein überwältigend positives Echo stieß.
Das richtungsweisende Ausstellungsprojekt des WGAC ist nur eine von vielen Aktivitäten, mit der sich diese Organisation seit ihrer Gründung im Jahre 1972 um die Erhaltung und Pflege kultureller Werte verdient gemacht hat. So hatten die Mitglieder dieser Vereinigung schon zu früheren Anlässen ihr persönliches Engagement und ihren tiefen Respekt für das kulturelle Erbe Chinas unter Beweis gestellt, indem sie Projekte zum Thema Chinesischer Gartenbau- und Scherenschnitt (剪紙) sowie aus den Bereichen Kalligraphie und Malerei gefördert hatten.
Im Jahre 1983 rückte das Blumenstecken erneut ins Bewußtsein der Öffentlichkeit, nachdem Frau Yu Tung Mei-chen (俞董梅真), die Gattin von Ministerpräsident Yu Kuo-hua und Präsidentin des Klubs, den Direktor des Nationalen Geschichtsmuseums Ho Hao-tien (何浩天) aufgesucht hatte, um mit ihm Möglichkeiten zur Wiederbelebung dieser Kunstform zu diskutieren. Direktor Ho war gleichfalls der Ansicht, daß diese traditionsreiche Kunst auch in unserer modernen Zeit nicht verloren gehen dürfe und setzte sich daraufhin mit Professor Huang Yung-chuan (黃永川), einem Fachmann für die Geschichte des Chinesischen Blumensteckens und Mitglied der Forschungsabteilung des Geschichtsmuseums, in Verbindung. Diese Konsultation erwies sich als äußerst konstruktiv, so daß bereits kurze Zeit später die ersten Vorbereitungen für die Ausstellung getroffen werden konnten.
Die nun folgende umfangreiche Planungs- und Organisationsarbeit war kein geringes Unterfangen, galt es doch mehr als 50 Exponate, getreu nach Vorlagen alter Zeichnungen, Bilder oder Buchillustrationen zu rekonstruieren. Die Präsentation der einzelnen Blumenarrangements erfolgte in der Art, daß an der Wand hinter jedem Blumengesteck entweder das historische Originalbild oder aber dessen Reproduktion aufgehängt war.
Professor Huang erklärt, daß man die traditionellen Formen der Blumengestecke in verschiedene Kategorien einteilen kann. Als die fünf wichtigsten Stile nennt er den Intellektuellen - und den Neo-intellektuellen Stil, den Expressionistischen - und den Realistischen Stil sowie den Glücksverheissenden, homophonen Stil. - Blumengestecke im Intellektuellen Stil sind Ausdruck der ästhetischen Werte, die sich unter der Einwirkung des während der Sung-Dynastie vorherrschenden Rationalismus entwickelt hatten. Die Ästhetik des Intellektuellen Stils betont Vernunft und Schlichtheit und wird in der Regel durch symbolträchtige Vasengestecke, wie Pinie, Bambus, Zeder, Pflaumenblüte, Orchidee, Osmanthus, Kamelie und Narzisse dargestellt. - Der Neo-intellektuelle Stil indessen, welcher üppige und extravagante Gestecke bevorzugt, war während der Ming-Dynstie populär, als die Kunst des Blumensteckens eine Renaissance erlebte.
Während der Mongolen-Zeit (1280-1367) und zur frühen Ching-Dynastie (Mandschu) erfreute sich der Expressionistische Stil besonderer Beliebtheit. Gestecken dieser Kategorie wohnte ein Gefühl der Strenge inne, was wohl auf den Einfluß des martialischen Zeitgeistes zurückzuführen sein mag. Auch versuchten viele Han-chinesische Künstler und Gelehrte, die sich unter dem Eindruck der Fremdherrschaft einer Art geistigen Diaspora wähnten, durch Blumenarrangements ihrer Verwundung und Melancholie über die Entfremdung vom Hofe Ausdruck zu verleihen. Bevorzugt wurden dabei solche Pflanzen verwendet, die gemäß traditioneller Ästhetik einen noblen und erhabenen Charakter besitzen und die mit knorrigem Wurzelholz - Symbol der Ausdauer, dem "Unsterblichkeits-Pilz" Ling-chih (靈芝) und Pfauenfedern kontrastiert wurden.
Die Anhänger des Realistischen Stils schlugen demgegenüber einen völlig anderen Weg ein, indem sie versuchten, in ihren Kompositionen möglichst genaue Abbilder der Natur zu schaffen: - Mittels erfinderischer Topfpflanzenarrangements kreierten sie Landschaftsszenen nach dem Muster der Chinesischen Malerei wie zum Beispiel Bauernhöfe, umgeben von Bambushecken oder reißende Wasserfälle in majestätischen Gebirgslandschaften. Dieser naturverbundene Stil hatte seinen Ursprung in der Tang-Dynastie und erreichte seinen Höhepunkt in der Ching-Zeit.
Der Glücksverheissende, homophone Stil ist linguistischen Ursprungs: - Bedingt durch die Lautarmut des Chinesischen, gibt es in dieser monosyllabischen Sprache eine Fülle von gleichlautenden Wörtern. Im Falle des Blumenarrangements wurde dieses Manko, das ausländischen Sprachstudenten manch Kopfzerbrechen bereitet, von den erfinderischen Chinesen als Stilmittel verwendet, indem sie die verschiedensten Früchte, Blumen und Gemüse, deren Namen rein zufällig gleichlautend sind mit so segensreichen Wörtern wie Glück, Freude, Harmonie und Friede, in geschmackvoller Weise arrangierten. Hierdurch gelang es, jenseits der Ebene des eher oberflächlichen, rein visuellen Eindrucks noch eine rebusartig verschlüsselte sprachliche Botschaft zu übermitteln.
Getreu dem Motto "Laßt Blumen sprechen!" wurde die Gestaltung solch "floraler Homophone" zu einer der wichtigsten Formen des Blumengestecks während der Ching-Dynastie. Die beliebtesten Pflanzen, die in diesen Gestecken Verwendung fanden, waren Zypresse, Chinesisches Immergrün, Lotus und Lilie, da sie neben ihrer glücksverheißenden Symbolik auch noch einen hohen ästhetischen Wert besitzen.
Die Austellung des Jahres 1984 stellte die Mitglieder des WGAC vor eine Reihe äußerst schwieriger Probleme. Einige der für die Ausstellung ausgewählten Blumen waren entweder im tropischen Klima Taiwans nicht verfügbar oder aber sie blühten zu einer anderen Jahreszeit als der angesetzte Ausstellungstermin. - Ein weiterer Problemfaktor war die Beschaffung der zur stilgerechten Präsentation benötigten Behälter und Schalen, die in den unverfälschten Formen und Farben ihrer klassischen Vorbilder heute kaum noch erhältlich sind. Aber die Klubmitglieder ließen sich hierdurch nicht entmutigen: - Nach ausgiebigen Erkundigungen gelang es ihnen tatsächlich, einige besonders talentierte Kunsthandwerker ausfindig zu machen, die in der Lage waren, von den fehlenden Blumen exakte Duplikate aus Seide anzufertigen. In ähnlicher Weise wurde auch das Problem der Behältnisse gelöst, die man anhand historischer Dokumente kopieren ließ.
Besonders verdient bei der Herstellung originalgetreuer Repliken antiker Gefäße machte sich das Chinesische Kunsthandwerkszentrum in Nantou, Zentraltaiwan sowie einige Porzellanmanufakturen im Raume Taipei. Darüber hinaus erklärten sich die Verantwortlichen des Museums und private Kunstsammler großzügigerweise bereit, antike Behälter als Leihgaben für die Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Trotz all dieser von außen gewährleisteten Unterstützung indessen, verlangten diffizile Aufgaben, wie die Suche nach passenden Möbeln und anderen Accessoires, großes Engagement von den Klubmitgliedern.
Das Ergebnis allerdings entschädigte für alle Mühen: - Vor allem waren die Besucher der Ausstellung beeindruckt, durch die gemeinsame Präsentation von Blume und Gefäß die altbekannten Vasenformen in einem neuen Licht erleben zu können, wurde hier doch zum ersten Male einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt, in welchem Kontext die antiken Behälter ursprünglich Verwendung fanden. - Gerade über jenen Aspekt der Ausstellung äußerte sich Professor Huang voll Zufriedenheit: "Erst die Präsentation innerhalb ihres ursprünglichen Gebrauchskontexts vermochte diese zuvor als 'verstaubte Antiquitäten' unbeachtet gebliebenen Blumengefäße zu neuem Leben zu erwecken!"
Inspiriert durch den überwältigenden Erfolg der Ausstellung, beschlossen das Geschichtsmuseum und der WAGC in jährlichem Abstand eine ähnliches Ereignis folgen zu lassen. Die Vorbereitungen für die zweite Ausstellung indessen, erwiesen sich als nicht weniger arbeitsaufwendig als beim ersten Mal: - So kam es, daß erst im Jahre 1986 eine zweite Veranstaltung unter dem Motto Blumengestecke der vier Jahreszeiten stattfinden konnte.
"Nach alter Überlieferung wird das Chinesische Jahr in 24 Halbmonate oder 'Klimaperioden' (節氣) unterteilt, und so gibt es für jede Periode ein spezielles Blumengesteck," erläutert Professor Huang. "Zum Beispiel gilt der 7. November traditionell als Winteranfang. Während der nun anbrechenden kalten Jahreszeit setzen die meisten Pflanzen mit dem Wachstum aus, und nur winterharte Pflanzen wie Ahorn, Kamelie oder Gänseblümchen vermögen noch eine gewisse Zeitlang zu überdauern. Natürlicherweise finden derart kälteunempfindliche Pflanzen, welche den Menschen Hoffnung geben und die Tugend der Beharrlichkeit und Ausdauer symbolisieren, in den winterlichen Blumengestecken bevorzugt Verwendung. Dabei werden die Gestecke nach Art eines Stillebens durch Beigaben von Früchten wie Mandarinen, Carambolas, Bergamotte-Birnen und Bitterorangen (Cumquats) belebt."
Obwohl die modernen Chinesen der traditionellen Jahreseinteilung im praktischen Leben keine große Bedeutung mehr beimessen, bestehen dennoch gewisse auf den "Monatsdevisen" (月令) der klassischen Herrscher basierende Traditionen bis heute fort. So werden auch heute noch beim Erreichen besonders markanter Abschnitte dieses alten Kalendersystems - wie zum Beispiel, um Jahreszeitenwechsel und aus Anlaß der Wintersonnenwende - spezielle Blumengestecke arrangiert.
- Aber auch moderne Feiertage wie der Muttertag bilden heutzutage willkommene Anlässe für spezielle Blumenarrangements. Während im Westen allerdings als Dankesgabe an die Mutter mit Vorliebe Nelken oder Orchideen verschenkt werden, zieht man in China die Lilie vor.
Nach wie vor finden traditionelle Stile - sei es in Reinform oder auch in der Kombination - in zeitgenössischen Blumenarrangements Verwendung. Abgesehen davon, daß Blumengestecke die jeweilige Stimmung der Jahreszeit zum Ausdruck bringen und in ihrer Zusammensetzung die natürliche Harmonie der Natur widerspiegeln sollen, lassen sich die Arrangeure bei ihren Kompositionen gemeinhin von drei Prinzipien leiten: - Zunächst einmal ist der Name der Pflanze wichtig. So ist zum Beispiel ein Beiname der Päonie (牡丹花) "Blume des Reichtums und der Ehre" (富貴花), während das Wort für Narzisse (水仙) Assoziationen an den beseligten Zustand der taoistischen Unsterblichen (仙帥) anklingen läßt. Beide Blumen haben demgemäß eine äußerst positive Namenssymbolik und werden aus diesem Grunde bevorzugt in Blumengestecken verwendet. - Demgegenüber lautet die chinesische Bezeichnung des Rhododendrons Shih Nan (石楠), weshalb die dekorative Pflanze - aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit mit der Zeichenkombination Ssi-nan (死難: "schweres Unglück") - in chinesischen Blumengestecken im allgemeinen keine Verwendung findet.
Desweiteren ist es für das Arrangement von größter Wichtigkeit, die spezifischen Eigenschaften der zu verwendenden Pflanzen in Betracht zu ziehen. Da die Zypresse und die Pinie zu den immergrünen Pflanzen rechnen, stellen sie auf jeden Fall eine gute Wahl dar. Rattan und Kletterpflanzen hingegen, sind Tabu für jeden Blumenarrangeur, da man in jene Gewächse, aufgrund ihrer Eigenart, sich zu drehen, zu winden, und zu verheddern, eher negative Charaktereigenschaften hineininterpretiert. Wildblumen und Unkraut sind aufgrund ihrer Kurzlebigkeit und "Unkultiviertheit" zur Verwendung in Gestecken gleichfalls nicht geeignet.
Als drittes Kriterium für die Auswahl spielen Mythen und Legenden, die mit den jeweiligen Blumen in Verbindung gebracht werden, eine wichtige Rolle. So steht zum Beispiel der Daphne odora-Strauch in dem Ruf, einen edlen Charakter zu besitzen. Dies geht auf eine Legende zurück, in welcher ein schlummernder Mönch den betörenden Duft jener Heilpflanze zum ersten Mal im Traume wahrnahm, wovon er dermaßen angetan war, daß er ihr den Namen "Segensbringender Duft" (瑞香) gab. - Ganz anders verhält es sich da mit der in früherer Zeit auch "Lady Yü-Blume" (虞美人花) genannten Mohnblume: - Ihr sagt man nach, sie sei aus dem Blute der unglückseligen Gattin des Heerführers Hsiang Yu (項羽) entsprungen, welche kurz vor der endgültigen Niederlage ihres Gemahls gegen seinen Widersacher Liu Pang (劉邦), den späteren Begründer der Han-Dynastie, Selbstmord beging. Dies gibt der Mohnblume in den Augen der Chinesen einen unglücksbringenden Charakter.
Die für die Blumengestecke verwendeten Behältnisse lassen sich in sechs Hauptkategorien klasssifizieren: - So unterscheidet man Vasen, Teller, Bodenvasen, Rohre und Körbe, wobei die Vase das ursprünglichste Gefäß darstellt und die anderen Formen als spätere Varianten hinzukamen. Mit dem Ende der Yuan-Dynastie (1280-1367) allerdings, erlebte die Vase eine Renaissance und stellte seitdem die anderen Behälter in den Schatten.
Doch auch die Verwendung von Tellern in Blumenarrangements geht auf eine lange Tradition zurück. Bereits im Zuge des Heimisch-Werdens des Buddhismus auf chinesischem Boden hatten Gläubige gemäß indischem Muster Lotusblüten in wassergefüllte Teller gelegt, um diese hernach als Opfergabe darzubringen. Anfangs bereitete es dabei ziemliche Schwierigkeiten, den Teller mit seiner charakteristisch flachen Form als Träger des Arrangements zu verwenden. Erst zur Zeit der Fünf Dynastien (五代: 907-959) wurde eine ebenso pragmatische wie ästhetisch anspruchsvolle Lösung des Problems gefunden: - Ein berühmter Blumenarrangeur schweißte winzige Röhrchen auf einen Bronzeteller, um so den Blumenstengeln Halt zu geben. Hierdurch gelang es erstmals, Blumengestecke auf Tellern nicht nur horizontal sondern auch vertikal zu arrangieren. Während der folgenden Jahrhunderte wurde diese effektvolle Methode des Arrangements weiterentwickelt und schließlich auch auf andere Materialien wie Holz und Porzellan übertragen.
Demgegenüber ist die Bodenvase durch ihre weite Öffnung und bauchige Form insbesondere für größere Blumen wie Päonien und Hortensien geeignet. - Die Schale als Träger des Arrangements wurde vor allem während der Sung-Dynastie besonders geschätzt. Einige dieser exquisiten Sung-zeitlichen Schalen kann man noch heute im Nationalen Palastmuseum Taipei bewundern.
Die meisten der in Blumengestecken zur Verwendung kommenden Rohre sind aus Bambus gefertigt. Da es recht einfach ist, durch das Absägen entsprechender Segmente Behälter der verschiedensten Stärke und Höhe herzustellen, bot sich das universell verwendbare Material für das Blumenarrangement geradezu an, zumal sich mit Bambus ein überaus natürlicher Effekt erzielen läßt. - Der Einsatz von Körben beim Blumenarrangement indessen, geht auf den Tang-zeitlichen Brauch zurück, anläßlich religiöser Zeremonien blumengefüllte Körbe darzubringen. Diese Form der Präsentation wurde später, aus dem religiösen Kontext gelöst, von den Blumenarrangeuren übernommen und als effektvolles kreatives Mittel eingesetzt.
Was die bei der Herstellung der Gefäße verwandten Materialien betrifft, so waren die Prototypen der heutigen Blumenbehälter vorwiegend aus Ton und Bronze verfertigt. Während des Altertums und noch bis spät in die Kaiserzeit nahm man an, daß diesen Substanzen die Essenz von "Erdkräften" innewohne, was sie als Material für Blumenbehältnisse besonders geeignet erscheinen ließ. Mit dem Aufkommen von Porzellan und Keramik wurden auch diesen Werkstoffen ähnlich positive Eigenschaften zugeschrieben.
Ziel der derzeit jüngsten Ausstellung des Jahres 1987 war es, zwei exemplarische Stilrichtungen der Blumensteckkunst vorzustellen: - Dekorative Blumengestecke für das Haus und spezielle Blumenarrangements für die Teezeremonie. - Nach den Worten von Professor Huang sind beide Stile des Arrangements ihrem Charakter nach grundverschieden: - Während Ersterer zum Ziele hat, durch aufwendige und farbenfreudige Kompositionen Wohlstand und Würde der Familie zum Ausdruck zu bringen, sind die schlicht und delikat gehaltenen Teezeremonie-Gestecke lediglich ein visuelles Accessoire für das monastisch-strenge Ritual des Teegenusses.
Professor Huang gibt offensichtlich der zweiten Kategorie den Vorzug: - "Das selbstversunkene Betrachten von geschmackvoll arrangierten Blumengestecken vermag selbst einen eher prosaisch veranlagten Menschen in eine poetische Stimmung zu versetzen. Erst wenn man mit sich und der Stille des Raumes allein ist, beginnen die Blumen zu sprechen. Im kleinen Kreise von zwei bis drei Freunden wiederum, kann man über sein Empfinden beim Betrachten der Blumen konversieren. Trifft jedoch eine größere Anzahl von Leuten zusammen, so 'verschreckt' dies die Blumen und sie werden zum bloßen Raumschmuck degradiert. Am idealsten ist es daher, allein in aller Stille Tee zu trinken und in entspanntem Schweigen die Atmosphäre zu genießen."
Obwohl nicht alle Leute Professor Huangs feines ästhetisches Gespür besitzen, vermag doch ein jeder mit ein wenig Einfühlungsvermögen das von ihm zum Ausdruck gebrachte Empfinden nachzuvollziehen. - Mit Sicherheit aber kann man sagen, daß die Menschen in der Republik China in jüngster Zeit wieder pflanzenbewußter geworden sind, - ein Trend, den jeder Blumenverkäufer freudig bestätigen kann. So ist auch heute wie in alten Zeiten die Begeisterung für die Schönheit von Blumen ein wichtiger Bestandteil des Lebensgefühls, - eine günstige Entwicklung, die durch die erzieherische Wirkung der turnusmäßig wiederkehrenden, liebevoll gestalteten Ausstellungen über die Kunst des Blumenarrangements gewiß nicht unwesentlich gefördert wurde. - Der einzige Unterschied zu früher mag vielleicht darin bestehen, daß die aus einem philosophisch-religiösem Kontext erwachsenen Blumengestecke der Vergangenheit noch eine Spur raffinierter waren, als die nach vorwiegend ästhetischen Gesichtspunkten konzipierten Arrangements der Gegenwart, - wohnte diesen "floralen Mikrokosmen" doch das Wissen um ein Geheimnis inne, das dem modernen Menschen in der betriebsamen Hektik des Industriezeitalters verlorengegangen ist.
(Deutsch von Patricia Kortmann)
*Kuan Yin (觀音), die Göttin der Barmherzigkeit, ist das chinesische Equivalent des Bodhisattva Avalokiteshvara, aus dessen tausend helfenden Händen je ein Auge des Mitleids auf die Leiden der Welt herniederblickt.