29.04.2025

Taiwan Today

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Erziehung in China - ein geschichtlicher Überblick

01.03.1989
Das alte System
Erziehung wurde in China zu jeder Zeit hoch geschätzt. Von jeher waren die Scholaren, die ihr Leben in den Dienst der Wissenschaft stellten und der Verbesserung der Menschheit hingaben, die zumeist respektierten und geehrten Mitglieder der Gesellschaft.

Konfuzius (孔子, 551-479 v. Chr.), der große Philosoph, legte den Grundstein zu Chinas Erziehungssystem. Er betonte, daß der Gelehrte aktiv, durch volle Integration und Dienst am Volk, wenn möglich durch eine Anstellung in der Regierung, wo er den Menschen als Vorbild dienen könne, am Wandel der Gesellschaft beteiligt sein sollte. Dieser Standpunkt steht im direkten Widerspruch zur Lehre der Taoisten, welche dafür eintritt, daß sich der Gelehrte von der Gesellschaft zurückziehen sollte, um sich so, ohne von den Bedürfnissen der gewöhnlichen Menschen gestört zu werden, Wissen anzueignen.

Wie Buddha, Jesus Christus und Mohammed schrieb Konfuzius nicht selbst, sondern im Kreis seiner 72 Jünger wurde alles aufgezeichnet, was er sagte und tat. Schließlich wurden diese Aufzeichnungen in den "Gesprächen des Konfuzius," Lun yü (論語) oder auch Ta hsüeh (大學), "die Große Lehre" genannt, zusammengefaßt. Später war es Aufgabe der Studenten Auszüge hieraus zu zitieren und für denjenigen, der an der Beamtenprüfung teilnehmen wollte, zählte das konfuzianische Gedankengut zu den wichtigsten Fächern.

Bis in das späte 19. Jahrhundert war Bildung und Erziehung den oberen Schichten vorbehalten. Wer eine gute Erziehung genossen hatte, war bestrebt, die Beamtenprüfung erfolgreich zu absolvieren, um so, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, zu einem Regierungsposten zu kommen. Während sämtlicher Dynastien hatten die Klassiker den höchsten Stellenwert inne, und gewöhnlich wurde sowohl das Zitieren auswendig gelernter Abschnitte als auch deren Interpretation verlangt. Obgleich China herausragende Beiträge zu den verschiedenen Naturwissenschaften lieferte, wurden diese im gewöhnlichen Lehrplan vernachlässigt, da sie, zur Bildung eines guten Charakters als nicht entscheidend angesehen wurden.

In den meisten Fällen fand die Grunderziehung in Familienschulen, Ssu shu (私塾), statt, wo ein Hauslehrer die Kinder unterrichtete. Diese Lehrer wurden gewöhnlich von der Familie eingeladen und erhielten als Rückvergütung Wohnstatt, Essen und ein Taschengeld. Da jedes Mitglied der Familie am Unterricht teilnehmen konnte, war die von einem Lehrer unterrichtete Zahl der Schüler zum Teil beträchtlich.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde vielen progressiven Chinesen klar, daß die traditionelle Form der Erziehung nicht ausreichen würde, wollte China in der modernen Welt überleben. Gerade zu der Zeit wurde China im Opiumkrieg von Großbritannien geschlagen und viele glaubten, daß Chinas einzige Chance für die Zukunft im Kopieren der westlichen Erziehung, unter besonderer Berücksichtigung der Naturwissenschaften läge. Man hoffte, daß China in der Lage sein würde, sich genügend Kenntnisse über moderne Regierungssysteme und Wissenschaften anzueignen, um den westlichen Kräften standzuhalten und als gleichwertig anerkannt zu werden.

Die Bewegung zur Verbesserung der Erziehung setzte direkt bei der höheren Bildung an. Studenten wurden nach Europa, Japan und den Vereinigten Staaten geschickt, in der Hoffnung, daß diese so viel wie möglich über die in diesen Ländern stattfindenden Veränderungen lernen würden und später, wenn nach China zurückgekehrt, ihr neu erworbenes Wissen dem Modernisierungsprozeß Chinas dienlich sein würde.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Bewegung zur Reform des Erziehungssystems der Bestandteil einer größeren Bewegung, bekannt unter dem Namen Verfassungsreform-Bewegung, welche vorschlug, daß die kaiserliche Regierung, als ersten Schritt in Richtung auf eine Regierungsreform, eine Verfassung verkünden sollte.

Unglücklicherweise wurden die Pläne der Verfassungsreform-Bewegung als zerstörend für die kaiserliche Regierung, welche zu der Zeit von der reaktionären Kaiserwitwe Tz'u Hsi (慈禧) angeführt wurde, interpretiert. Diese unterdrückte schließlich gewaltsam die Bewegung und ließ die Führer, deren sie habhaft werden konnte, hinrichten. Diejenigen die entkamen, flohen ins Ausland. Aufgrund dieser Ereignisse wurde die Reform des Erziehungssystems den von Dr. Sun Yat-sen angeführten Revolutionären überlassen.

 

Erziehung von 1912 bis 1949
Als die Republik China am 1. Januar 1912 offiziell gegründet wurde, erkannte die Regierung, daß die Modernisierung des Erziehungssystems zu den wichtigsten Zielen zählen mußte. Hierbei wurde jetzt einer breiten Grundschulerziehung besonders große Bedeutung beigemessen. Doch gleichzeitig suchte die Regierung auch die Bildungsmöglichkeiten in den ländlichen Gebieten zu verbessern, da der Anteil der außerhalb der Stadt lebenden bäuerlichen Bevölkerung über 80 Prozent betrug. Die Senkung der zu der Zeit hohen Analphabetenrate war das erklärte Ziel der Reformer, außerdem bildete das Fach Agrarwissenschaft einen weiteren Schwerpunkt im Lehrplan der ländlichen Schulen.

All diese Programme wurden auf dem Festland mit beachtlichem Erfolg durchgeführt, doch durch den Ausbruch des Krieges mit Japan im Jahr 1937 kam es zum völligen Stillstand oder zum verlangsamten Ablauf der Entwicklung. Einige Universitäten jedoch konnten erfolgreich in freie Gebiete in den südwestlichen Teil des Landes verlegt werden. Jene Studenten und Mitglieder des Lehrkörpers, die in der glücklichen Lage waren, nach Westen zu reisen, setzten ihre Studien dort fort.

1945, nach Kriegsende, kehrten die nach Südwest-China gezogenen Universitäten an ihre ursprünglichen Orte zurück, indes jene, die während des Krieges gezwungen waren zu schließen, ihre Türen wieder öffneten. Hohe Inflation in Verbindung mit der kommunistischen Rebellion machten jedoch der Mehrheit der Bevölkerung das Leben nicht leicht. Als die Zentralregierung 1949 ihren Sitz nach Taiwan verlegte, setzte sich die Reform des Erziehungssystems hier fort.

Erziehung in Taiwan
Von 1895 bis 1945 war Taiwan von den Japanern besetzt und Veränderungen im Erziehungswesen, wie sie zur gleichen Zeit auf dem chinesischen Festland stattfanden, konnten auf Taiwan nicht durchgeführt werden.

Während ihrer 50-jährigen Herrschaft über die Insel führten die Japaner ein elementares System für Grund- und weiterführende Schulen ein. Neben einigen öffentlichen Colleges gründeten sie die Taihoku Imperial University (heute National Taiwan University). Japanisch, nicht Chinesisch, war Unterrichtssprache. Wenigen einheimischen taiwanesischen Kindern wurde während der japanischen Kolonialzeit die Gelegenheit zum Schulbesuch gegeben und diejenigen, welche in der glücklichen Lage waren Universitätsniveau zu erreichen, wurden nur für naturwissenschaftliche Fächer zugelassen.

Als sich der Regierungssitz der Republik China nach Taiwan verlegte, begann man das von den Japanern zurückgelassene Erziehungssystem zu modernisieren. Vier Faktoren trugen zu einem höheren Erziehungsniveau bei: Aufschwung der Wirtschaft, Landreform, Urbanisierung und die Artikel 158 und 167 der Verfassung, die besagen, daß die Regierung nicht weniger als 15% ihres nationalen Budgets, jede Provinz 25% und jede Stadt nicht weniger als 35% ihres Budgets für Erziehung aufwenden sollte. Bestandteil dieser Artikel ist ferner folgendes: Schulpflicht für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren mit kostenlosen Schulbüchern für Kinder von minderbemittelten Familien; gleiche Möglichkeiten für alle Bürger eine Ausbildung zu erhalten; Subventionen der Regierung, um die Entwicklung von Erziehungseinrichtungen in ärmeren Gebieten, besonders in den Bergen, zu unterstützen.

1986 gab es auf Taiwan in 16 Universitäten, 12 Colleges und 77 Junior Colleges eine Gesamtzahl von 442 648 Studenten, die einer Zahl von 6 665 Studenten im Jahr 1950 (1 Universität, 3 Colleges, 3 Junior Colleges) gegenübersteht.

(Deutsch von Gesine Arnemann)

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