09.05.2025

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Motorräder - nicht mehr König der Straßen

01.03.1990
Die Klagen über Luftverschmutzung und verstopfte Straßen werden lauter. Der Verbraucher im Interessenkonflikt: die besonders beliebten kleinen Mopeds stoßen auch besonders viel Schadstoffe aus.

Laut einer Statistik des Verkehrsministeriums wird die Zahl der Fahrzeuge, die sich auf den Straßen Taiwans drängen, bis zum Ende dieses Jahres die Zehn-Millionen-Marke überschreiten; mehr als drei Viertel davon sind Motorräder und Motorroller. Nimmt man die Bevölkerung unter achtzehn Jahren, die noch keine Fahrberechtigung hat, aus der Berechnung aus, bedeutet das, daß auf der Insel nahezu ein Motorrad, beziehungsweise Roller, auf je zwei Leute kommt. Auch wenn Taiwan nicht das Land mit den meisten Motorrädern auf der Welt ist, steht es mit diesem Verhältnis unübertroffen an der Spitze.

Obwohl sich die meisten Leute heutzutage ein Auto leisten können, geben sie oft dem Motorrad oder Roller den Vorzug, weil sie im Stadtverkehr und beim Parken praktischer sind; deshalb steigt ihre Zahl weiter an. Die Motorrad-Industrie ist die zweitgrößte maschinenherstellende Industrie der Nation, mit einer Jahresproduktion von über einer Million Stück. Siebzig Prozent davon werden im Inland abgesetzt.

Die stete Zunahme der Motorräder ist nicht unbedingt eine gute Nachricht, vor allem nicht für große Stadtgebiete wie Taipei und Kaohsiung, die ohnehin eine hohe Konzentration an Motorrädern aufweisen. Abgestellte Motorräder okkupieren nicht nur jedes freie Plätzchen und jagen auf Fahrspuren entlang, die Kraftwagen vorbehalten sind, sie sind eine noch viel größere Plage durch die Verschmutzung, die sie verursachen. "Obwohl sie klein sind," wie Jerry C.L. Chow (周積鋁), Manager der Motorrad-Technologie-Abteilung am Forschungsinstitut für Industrietechnologie ausführt, "machen sie mehr Lärm als Autos, da sie keine Karosserie haben; ganz zu schweigen von der Tatsache, daß manche aufdringlichen Motorradbesitzer den Auspufftopf entfernen und akustisches Gerät anbauen, um sie noch etwas klangvoller zu machen."

Ernster noch ist allerdings das Problem der Luftverschmutzung. Studien in Europa und in Nordamerika, die über die vergangenen zwei Jahrzehnte durchgeführt wurden, haben gezeigt, daß die Luftverschmutzung in größeren Stadtgebieten hauptsächlich von Fahrzeugen herrührt, und eine Arbeit, die 1982 am Postgraduierteninstitut der Staatlichen Chiao-Tung-Universität geschrieben wurde, zeigt, daß über neunzig Prozent der Luftverschmutzung in den Städten Taipei und Kaohsiung durch Fahrzeuge verursacht wird.

Bei der Emission von Schadstoffen wie Kohlenmonoxid, Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen, stehen die kleinen Motorräder den anderen Verkehrsmitteln in keiner Weise nach. Der Ausstoß an Kohlenmonoxiden, zum Beispiel, ist bei einem Auto zwar doppelt so hoch wie bei einem Motorrad, jedoch liegt dessen Verbrennungsgrad niedriger; setzt man die beiden in das Verhältnis pro Person und Kilometer, "liegt der Ausstoß an Kohlenmonoxid beim Motorrad fünfmal höher als beim Auto", sagte Su Kuo-tse (蘇國澤), der sich als Techniker der "Abteilung Luft" beim Amt für Umweltschutz eingehend damit beschäftigt hatte.

Glücklicherweise widmet die Regierung sowie die breite Öffentlichkeit dem Problem der Luftverschmutzung zunehmend große Aufmerksamkeit, und das Amt für Umweltschutz hat bereits für die nächsten Jahre Grenzwerte für den Ausstoß von Schadstoffen festgesetzt. Diese Beschränkungen wurden vor ihrem eigentlichen Inkrafttreten angekündigt, um Herstellern und Fahrzeugbesitzern Gelegenheit zu geben, sich darauf vorzubereiten.

Die meisten Schwierigkeiten wird es dabei geben, "die Kleinen" dem neuen Standard entsprechend einzustellen. Gerade sie, die kleinen Mopeds, sind aber besonders zahlreich. Um Herstellern einen größeren Spielraum zu geben, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen, hat das Amt für Umweltschutz die Neuerungen zeitlich gestaffelt und zwei verschiedene Fristen (1991 und 1993) festgesetzt. Hiernach werden Motorräder einen speziellen Test bestehen müssen, den das Institut für Technologie und Forschung entwickelt und dem das Kommunikationsministerium zugestimmt hat.

Es hat jedoch bereits Kontroversen bezüglich der Tests gegeben, da es bei der Überprüfung der Motoren zu einem technischen Engpaß kommen wird. Es gibt zweierlei Motoren: Zweitakter und Viertakter. Zweitakter benötigen eine Mischung aus Benzin und Diesel, die besonders viel Kohlenmonoxid und andere Schadstoffe ausstoßen.

Warum also nicht einfach die Produktion der Zweitakter langsam zugunsten der von Viertaktern auslaufen lassen? Das Problem hierbei ist, daß Viertakt-Motoren nicht in kleine Modelle passen, Zweitakter eine längere Lebensdauer haben, einfacher in der Konstruktion und billiger in der Produktion sind, was sie bei Kunden und Herstellern gleichermaßen beliebt macht. So ist es kaum verwunderlich, daß derzeit noch 80% der Mopeds und Motorroller auf Taiwans Straßen Zweitakter sind.

Auch stellen einen die Viertakter wiederum vor andere Probleme. Sie benutzen zwar nicht Diesel als Treibstoff, das Blei, das dem Benzin hinzugefügt wird, um ein ökonomischeres und effektiveres Verbrennen desselben zu ermöglichen, belastet die Luft jedoch ebenso mit Schadstoffen, wie der Treibstoff der Autos.

In den hochentwickelten Ländern sind jedoch Möglichkeiten entwickelt worden, den Schadstoffausstoß bei Autos zu reduzieren; diese Verfahren könnten auch auf die Viertaktmaschinen von Zweirädern übertragen werden. Es gibt also Mittel und Wege, die es den Herstellern ermöglichen, ohne große Probleme die neuen Grenzwerte für Viertakter einzuhalten, sagt Chow.

Verschärfte Bestimmungen und Kontrollen bevor und nachdem die Krafträder das Werk verlassen, sollen die Einhaltung der neuen Grenzwerte sicherstellen.

Anders sieht es bei den Zweitaktern aus, die Forschern sowie Herstellern Kopfzerbrechen bereiten, da ihr Schadstoffausstoß schon deshalb nicht leicht zu verringern ist, weil sie Diesel als Brennstoff benötigen. Unter Umständen ist angesichts der neuen Grenzwerte die völlige Einstellung der Produktion die einzige Möglichkeit.

Lin Yang-tai (林洋泰), Professor der Abteilung für Maschinenbau am Nationalen Institut für Technologie in Taiwan, befürchtet, daß das Ansetzen zu strenger Grenzwerte zur Folge haben könnte, daß Hersteller einfach so weitermachen wie bisher, und einfach mal abwarten und sehen, was 1993 passiert.

"Das wäre dem Verbraucher gegenüber sehr unfair", fügt Lin, der auch Mitglied in der Verbraucherorganisation der Republik China ist, hinzu. Er erklärt, daß unter solchen Umständen Verbraucher Zweiräder, die sie erst vor wenigen Monaten gekauft haben, auf einmal nicht mehr fahren dürften, sobald die neuen Grenzwerte gelten.

Vom Amt für Umweltschutz wird jedoch die Ansicht vertreten, daß, wenn das Problem der Luftverschmutzung ernsthaft angegangen werden soll, nicht zweierlei Maß für Zwei- und Viertakter gelten kann. Die neuen Regelungen waren ja eben deshalb bereits 1989 bekanntgegeben worden, um den Herstellern genügend Zeit zu geben, neue Möglichkeiten für umweltfreundliche Zweitaktermotoren zu entwickeln und ihre Produktion rechtzeitig umzustellen. In den vergangenen Jahren haben die Hersteller von Mopeds und Motorrollern hierzulande sehr viel Geld verdient, nun werden aber die Probleme, die ihre Produkte verursachen, immer gravierender. "Da müssen sie eben einige Anstrengungen unternehmen", meint ein Beamter des Umweltschutzamtes.

Während die Hersteller sich offenbar noch Zeit lassen, haben sich die Forscher des Instituts für Industrieforschung intensiv mit der Entwicklung umweltfreundlicher Zweitaktmotoren beschäftigt. Es ist ihnen bereits gelungen eine Miniaturausgabe eines computergesteuerten Vergasers zu entwickeln, der in Testversuchen im Labor bereits bewiesen hat, daß er die Werte von 1991 nicht überschreitet. Chiang Wei-li (蔣維里), Leiter der Kraftfahrzeugabteilung des Instituts, sagt, daß bereits mehrere Firmen sich mit ihnen in Verbindung gesetzt haben, in der Hoffnung, daß die Neuerung bald vermarktet werden kann.

Neben den Motoren ist aber auch die Qualität des Treibstoffs selbst Ursache für Luftverschmutzung. Die Anhebung der Qualität ist von den Anstrengungen der China Petroleum Corporation abhängig.

Abgesehen davon sind natürlich die Verbraucher selbst Schlüsselfiguren bei der Vermeidung von Luftverschmutzung. In Japan werden Motorradbesitzern besondere Kurse angeboten, in denen ihnen beigebracht wird, wie sie ihre Maschinen besser warten können, um hierdurch sowohl Treibstoffverbrauch und Schadstoffausstoß zu verringern als auch Fahrtüchtigkeit und somit Verkehrssicherheit erhöhen zu können.

"Es sollte ein fester Bestandteil von Schulbüchern für Grund- und Mittelschulen sein", sagt Chen Yen-hui (陳炎輝), Leiter der Abteilung für Eisen- und Autobahnen des Kommunikationsministeriums, der auch darauf hinweist, daß mit der Verkehrserziehung am besten schon in ganz jungen Jahren begonnen wird. Er fragt: "Wieviele Kraftradfahrer in Taipei tragen schon einen Helm?"

Wie auch immer: Wenn auch jede Idee in die Tat umgesetzt werden und jedes gesteckte Ziel erreicht werden könnte, hieße das immer noch nicht, daß die Luftverschmutzung abgeschafft, sondern nur, daß sie verringert würde. Der einzige gangbare Weg, um sicherzustellen, daß Motorräder und Motorroller keine Umweltverschmutzung verursachen, ist ihre Zahl zu begrenzen. "Die Regierung hat jedoch nicht das Recht dazu, sie abzuschaffen, bevor nicht das unterirdische Stadtbahnnetz in Taipei vollständig und fehlerlos geplant und gebaut worden ist!" - so Cheng Fu-t'ien.

All die verschiedenen Probleme, die sie verursachen, zwingen uns zu der Einsicht, daß motorisierte Zweiräder so praktisch sie auch sein mögen, um sich durch verstopfte Straßen zu schlängeln, doch nichts als Schwierigkeiten verursachen, wenn man sie vom umweltschützerischen Standpunkt aus betrachtet.

(Deutsch von Jürgen Ritter)

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