05.05.2025

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Chemie am Arbeitsplatz

01.05.1991
Jegliche "Chemie am Arbeitsplatz" verlangt Takt und Vorsicht, denn sie schließt den Umgang mit entzündlichen oder auch explosiven Substanzen mit ein.
Was ist für die Gestaltung eines kollegialen Arbeitsumfeldes notwendig? Ist es in Ordnung, mit einer Kollegin oder einem Kollegen aus derselben Abteilung ein Rendezvous zu verabreden? Wie sieht eine angemessene Reaktion auf zweideutigen Humor aus? "Free China Journal" hat sich nach Antworten umgehört.


Liu Li-ching (劉麗卿), 32 Jahre alt, ist Direktorin der Speditionsabteilung einer Handelsfirma.

FCR: Arbeiten Sie lieber mit überwiegend männlichen oder überwiegend weiblichen Kollegen zusammen?
Liu: Die Anzahl männlicher oder weiblicher Kollegen ist mir egal. Das Zahlenverhältnis ist bedeutungslos und beeinflußt mich nicht. Worauf es ankommt, ist der Bedarf in der Firma.

Allerdings gibt es einige Tätigkeiten, für die Frauen geeigneter sind, so daß Männer in diesen Bereichen in gewisser Hinsicht diskriminiert werden. Das ist keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, sondern aufgrund der Art der Tätigkeit. Beispielsweise sind die meisten Sekretariatsstellen mit Frauen besetzt, auch wenn es einige besondere Arten von Sekretärspositionen gibt, für die eher Männer geeignet sind. Frauen sind für Schreibarbeiten, bei denen es aufs Detail ankommt, besser qualifiziert, weil sie sorgfältiger und geduldiger arbeiten.

FCR: Sollte es Verheirateten ermöglicht werden, zusammen in einer Abteilung zu arbeiten?
Liu: Die Antwort hängt von dem Paar ab. Wenn beide mit beruflichen und privaten Angelegenheiten gut zurechtkommen, dann sehe ich keinen Grund, warum sie nicht in derselben Abteilung sein sollten. In meiner Firma arbeitet im selben Büro ein Paar, und die beiden leisten nicht weniger als andere Leute auch. Die einzige Situation, die negativ sein kann, entsteht, wenn sie beide zur gleichen Zeit Urlaub haben wollen, aber das läßt sich unschwer arrangieren.

FCR: Kommt es in ihrer Abteilung oft vor, daß Zoten erzählt werden? Wie sieht es mit sexuellen Belästigungen aus?
Liu: Einige Leute in meiner Abteilung erzählen solche schlechten Witze. Gewöhnlich gebe ich vor, sie nicht zu verstehen, und ich antworte nie darauf. Nach einer Weile merken die Leute, daß ich ihr Verhalten nicht billige, und sie erzählen keine schmutzigen Witze mehr in meiner Gegenwart. Auf diese Weise werden keine Gefühle verletzt. Bis jetzt hat sich noch keiner durch meine Einstellung verletzt gefühlt, und dafür respektieren sie mich alle. Was sexuelle Belästigungen betrifft: wenn ich nicht einmal schmutzige Witze akzeptieren kann, würde ich mich sicherlich nicht mit Fällen von sexueller Belästigung abfinden.

FCR: Haben Sie irgendwelche beruflichen Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts erlebt?
Liu: Ja. Bei meiner vorherigen Arbeitsstelle bekamen weibliche Büroangestellte geringere Lohnerhöhungen. Das war nicht fair, weil die Anforderungen der Tätigkeiten ungefähr gleich waren. Auch bei Beförderungen wurden Unterschiede gemacht. Ich weiß nicht, ob diese Firma bei der Verteilung der Boni zum chinesischen Neujahr genauso verfährt.

FCR: Welche Verhaltensprinzipien können in einer Abteilung mit männlichen und weiblichen Angestellten ein entspanntes Arbeitsklima sicherstellen?
Liu: Harmonie setze ich an oberste Stelle. Da wir unsere Kollegen nahezu täglich sehen, gibt es keinen Grund, sie schlecht zu behandeln. Dies kann auf der Grundlage beiderseitigen Respekts erreicht werden. Wenn man die Leute respektiert, dann respektieren sie einen auch. Dieses Prinzip sollte auf männliche und weibliche Kollegen gleichermaßen angewendet werden.

FCR: Was erschwert den Umgang mit dem anderen Geschlecht am Arbeitsplatz am meisten?
Liu: Am schwersten für mich ist, daß man kaum alle Faktoren in Betracht ziehen kann. Oft ist es doch so, daß man auf die eine Seite hört und die andere ignoriert. Übereinstimmung herbeizuführen ist manchmal unmöglich, und dann werden immer die Gefühle von irgendjemandem verletzt. Wenn so eine Situation aufkommt, entscheide ich, die meinen zu verletzen.

FCR: Was halten Sie davon, wenn Leute aus derselben Abteilung ein Rendezvous miteinander verabreden?
Liu: Solange sie unverheiratet sind, warum nicht? Das ist eine gute Sache. Wozu sich mit Verhinderungsversuchen Umstände machen?


Pan Hui-chun (潘惠君), 23 Jahre alt, ist als Lehrerin und Verwaltungsangestellte einer Schule für geistig behinderte Kinder tätig.

FCR: Was ist Ihr ideales Arbeitsumfeld - mehr Männer oder mehr Frauen?
Pan: Ich hätte gerne einen Arbeitsplatz, wo es genauso viel Männer wie Frauen gibt, weil es dann seltener zu Streitigkeiten kommt.

FCR: Gibt es bei den Neueinstellungen irgendwelche Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts?
Pan: Ja, sowas kommt vor, aber glücklicherweise seltener als früher. Ich hoffe, es wird weitere solche Beispiele für Gleichbehandlung bei der Einstellung geben, wie wir es bei Schönheitssalons sehen können, wo jetzt des öfteren Männer eingestellt werden und nicht nur Frauen.

Der Bereich der Sonderschulen ist ein weiteres Beispiel. Leider hat das nicht so sehr mit Diskriminierung als vielmehr mit biologischen Veranlagungen zu tun. Frauen sind für solche Arbeiten von Natur aus besser qualifiziert als Männer, so daß wenige Männer diesen Beruf wählen. Allgemein gesagt halten Männer es ganz einfach nicht für passend, mit Problemen von Kindern befaßt zu sein.

FCR: Sollten Ehepaare in derselben Abteilung zusammenarbeiten?
Pan: Das hängt von dem jeweiligen Paar ab. Manche Ehepaare werden es müde, den ganzen Tag zusammen zu sein, andere nicht. Wieder andere arbeiten möglicherweise sogar besser, weil sie zusammen sind. Ich würde mich nach den Regelungen in meiner Firma richten.

FCR: Müssen Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz mit schmutzigen Witzen herumschlagen? Oder mit sexueller Belästigung?
Pan: Derartige Probleme gibt es in unserem Team nicht. Dazu sind wir alle zu beschäftigt. Aber besagte Witze werden unter Freunden erzählt. Ich mache mir nichts daraus, solange sie nicht zu weit gehen. Falls doch, dann strafe ich den Missetäter mit einem vernichtenden Blick oder weise ihn ohne Umschweife zurecht. Wenn es zu einer sexuellen Belästigung käme, das wäre zu viel. Meine Reaktion wäre heftiger.

FCR: Was sollten Männer und Frauen tun, um erfolgreich zusammenarbeiten zu können?
Pan: Aufrichtig sein und einander vertrauen. Es ist prima, wenn man mit jemandem gut auskommt. Der unangenehmste Teil von Kommunikation im Büro ist der Umgang mit Emotionen. Prinzipiell verfahre ich allerdings ganz einfach so: Wenn ich recht habe, bestehe ich auf meiner Position, und wenn es sich zeigt, daß ich falsch lag, entschuldige ich mich.


Lin Tien-chu (林天助), 35 Jahre alt, ist Geschäftsführer einer Handelsfirma.

"Umgekehrte Diskriminierung?" Für manche Berufe gelten Frauen im Vergleich zu Männern als von Natur aus besser geeignet; die Kosmetikerin ist ein Beispiel dafür.

FCR: Glauben Sie, daß es am Arbeitsmarkt häufig eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gibt?
Lin: Wenn für eine Arbeit nur Frauen geeignet sind, dann wird es da natürlich eine Diskriminierung geben. Die Arbeit in einer Bar ist ein gutes Beispiel dafür. Man hört von "Barmädchen", aber niemals von "Barjungen", nicht wahr? Und wenn es sich um eine Stelle handelt, für die beide Geschlechter geeignet sind, wird ein Mann nicht unbedingt mehr verdienen als eine Frau. Nehmen Sie Angestellte im Bereich Kosmetik als Beispiel. Im allgemeinen bekommen Kosmetiker ein geringeres Gehalt als Kosmetikerinnen, weil sie bei ihrer Arbeit weniger Zeit und Sorgfalt aufwenden. Ein anderes Beispiel ist die Krankenpflege. Es gibt jetzt zwar Krankenpfleger, aber sie werden sicherlich diskriminiert.

FCR: Sollte es Ehepaaren ermöglicht werden, zusammen in einer Abteilung zu arbeiten?
Lin: Ich bin nicht der Meinung, daß es zweckmäßig ist, ein Paar in der gleichen Abteilung zu beschäftigen. Das ist kein männlich-chauvinistischer Standpunkt, sondern rührt von Bedenken bezüglich der Arbeit her. Es nervt mich, wenn zwei Ehepartner gleichzeitig Urlaub beantragen. Wo soll ich auf der Stelle Ersatz für zwei Leute hernehmen? Und was, wenn die beiden einen familiären Zwist ins Büro bringen? Sagen Sie bloß nicht, das würde nicht passieren! Nein, es ist besser, Verheiratete nicht zusammen in einer Abteilung zu beschäftigen.

FCR: Was halten Sie von schlechten Witzen und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?
Lin: Zunächst muß man mal klären, wann ein Witz schmutzig ist. Was für den einen schon geschmacklos ist, mag anderen nicht so vorkommen. Oder es ist so, daß ein Witz tatsächlich schmutzig ist, aber die Frage ist auch, wie schmutzig? Einige sind auch witzig, während andere einfach rüde sind. Ich toleriere erstere und sehe sie als eine Möglichkeit zur Auflockerung der Atmosphäre.

Sexuelle Belästigung jedoch ist etwas ganz anderes. Das ist ein sehr ernsthaftes Problem, weil die Würde einer Person dabei Schaden erleidet. Es verletzt die Gefühle und die Psyche eines Menschen und geht deshalb auch die Personalführung an. Ich stelle mich völlig dagegen .

FCR: Wie steht es mit der Einstellungspraxis? Welche Rolle spielt dabei das Geschlecht?
Lin: Es gibt Unterschiede, aber ich glaube nicht, daß sie eine Diskriminierung darstellen. Für mich als Geschäftsführer zählen bei der Auswahl neuer Mitarbeiter nur Talent, Persönlichkeit und die Art der Tätigkeit. Beim Nachdenken über Beförderungen für Frauen allerdings achte ich verstärkt darauf, ob sie möglichst langfristig auf dieser Position bleiben werden. Eine unverheiratete Frau wird mit großer Wahrscheinlichkeit kündigen, wenn sie heiratet. Zweitens wird eine Frau sicherlich eines Tages schwanger werden und wenn sie anfängt, Kinder zu bekommen, dann wird ihre Zeit und ihre Konzentration nicht mehr alleine dem Beruf gehören. Selbstverständlich beeinflussen derartige Überlegungen meine Entscheidung bei Beförderungen.

Schließlich wollen wir über Entlohnung reden. Wenn ich das Gehalt von Männern entscheide, ziehe ich zu ihren Gunsten in Betracht, daß Männer ihr Gehalt verwenden, um ihre Familien zu ernähren. Bei Gehältern von Frauen stelle ich Kostenüberlegungen an oberste Stelle. Ein weiterer Grund für diesen Unterschied ist, daß die meisten Frauen ihre Arbeit als eine kurzfristige Beschäftigung, Männer dagegen als eine Profession ansehen.

FCR: Wie verhält man sich am besten im Büro?
Lin: Im Geschäftsleben kommt es darauf an, unsere Kollegen wie Gäste zu behandeln und von der inneren Einstellung her die Kollegen als Freunde zu betrachten. Diese Grundsätze können variieren, zum Beispiel bei den Zoten, von denen wir gerade gesprochen haben und die unter männlichen Kollegen erzählt werden können, mit denen jedoch große Sorgfalt geboten ist, wenn Frauen zugegen sind.

FCR: Was halten Sie davon, wenn Leute aus derselben Abteilung sich zu Rendezvous verabreden?
Lin: Wir sind alle Menschen, und es ist menschlich, sich ineinander zu verlieben, wenn man lange Zeit im selben Büro zusammen arbeitet. Das zu vermeiden, ist nahezu unmöglich.


Ho Shu-yun (何淑韻), 29 Jahre alt, ist persönliche Assistentin des Geschäftsführers einer Baufirma.
 

FCR: Was halten Sie von Liebesaffären im Büro?
Ho: Eine Liebesbeziehung gibt es ziemlich oft und wird von den anderen Kollegen akzeptiert, so daß ich nicht der Ansicht bin, es sei angebracht, einem von den beiden zu kündigen, nur weil sie sich ineinander verliebt haben. Ich bin nicht dagegen, daß Paare in derselben Abteilung zusammenarbeiten, solange sie unterschiedliche Aufgaben haben. Letzteres trägt dazu bei, unnötige Konflikte zwischen ihnen zu vermeiden.

FCR: Haben Sie irgendwelche Probleme mit schmutzigen Witzen oder sexuellen Belästigungen an Ihrem Arbeitsplatz?
Ho: An meinem Arbeitsplatz sind schmutzige Witze ganz einfach Witze - sie sind nur zum Spaß und zum Auflockern der Atmosphäre da. Ich mache mir nichts daraus. Sie stellen keine sexuelle Belästigung dar. Nebenbei gesagt kommen solche Witze nicht immer von Männern. Frauen erzählen auch welche.

Ich kann in meiner Firma keinerlei sexuelle Diskriminierung erkennen oder bemerken. Aber ich glaube, es gibt sie in anderen Firmen, beispielsweise in dem Unternehmen, in dem ich früher gearbeitet habe. Von den etwa 2000 Angestellten dort schafften es Frauen allenfalls zum Abteilungsleiter, Männer jedoch konnten Managerpositionen übernehmen. Ich nehme an, der Grund dafür ist, daß Frauen schwanger werden und sie dann dem Familienleben mehr Aufmerksamkeit schenken. Ein weiterer Grund ist die Tradition. Wir haben immer noch eine von Männern dominierte Gesellschaft.

FCR: Wie können Männer und Frauen besser miteinander zurechtkommen?
Ho: Da müssen gegenseitiges Vertrauen, Respekt und gute Kommunikation gegeben sein. Ebenso wichtig ist Aufrichtigkeit. Und ich meine, daß dies für alle Beziehungen in einer Firma gilt, ohne Ansehen des Geschlechts.

FCR: Was halten Sie von Liebesaffären im Büro?
Ho: Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, Privates im Büro zu vermeiden, und es ist unmöglich, es nicht zu erwähnen. Das ist doch einfach eine natürliche und menschliche Sache. Das einzige, was wir tun können, ist zu versuchen, unsere Arbeit nicht davon beeinträchtigen zu lassen.

(Deutsch von Martin Kaiser)

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