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Taiwan Today

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01.07.1992
Das wachsende Interesse an der Geschichte Taiwans schließt die Herrschaft fremder Mächte (oben eine Darstellung vom Angriff der Holländer auf Penghu, gegen den sich die Chinesen erbittert zur Wehr setzten) ein.
Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung von "Kommt nicht nach Taiwan", erschienen in einer Sonderausgabe der Zeitschrift "Commonwealth" über die "Entdeckung Taiwans: 1620-1945", Taipei, 18. November 1991.

Es gibt ein wachsendes Interesse an Taiwans Vergangenheit, eingeschlossen der Erforschung der Ureinwohner, früher Siedler vom Festland und der Herrschaft fremder Mächte, des kaiserlichen Hofes und der republikanischen Regierung. Wie immer, so hilft auch hier die Vergangenheit bei der Aufklärung der Gegenwart.


Kommt nicht nach Taiwan,

Ist's doch wie das Tor zur Hölle,

Tausende geh'n, aber keiner kehrt zurück,

Lebendig oder tot ist's hart für jedermann.


Diese Zeilen aus einem im Hakka-Dialekt geschriebenen langen Gedicht eines unbekannten Dichters am Ende der Ch'ing-Dynastie zeugen von den Mühsalen, die die meisten Einwanderer nach Taiwan erwarteten. In diesem Gedicht, das später "Das Klagelied über die Reise nach Taiwan" genannt wurde, bittet der Dichter seine Familie und Freunde auf dem chinesischen Festland, unter keinen Umständen nach Taiwan zu kommen. Zu jener Zeit wurde die Überfahrt nach Taiwan sowohl als Suche nach einem gelobten Land als auch als gefährliches Unternehmen angesehen. Weil das Festland aber durch Krieg und Hungersnot verwüstet war, blieb vielen Menschen keine andere Wahl, als ein neues Leben in Übersee zu suchen. Wenn Lin Yang-kang, der Präsident des Justiz-Yüans, über die Geschichte der Einwanderung seiner Vorfahren spricht, dann seufzt er jedesmal: "Immer wenn es keine andere Lebensmöglichkeit mehr gab, kamen sie nach Taiwan!"

Wenn es auf dem Festland keine andere Lebensmöglichkeiten mehr gab, setzten die Leute alles daran, nach Taiwan zu kommen. Die Überfahrt war äußerst gefährlich, und viele von ihnen fanden dabei den Tod.

Die 1717 verfaßten "Annalen des Kreises Chu-lo" (heute der Bezirk Chiayi im Südwesten der Insel) beschreiben die Notlage der Einwanderer vom Festland: "Sie lassen ihre Familien und die Gräber ihrer Vorfahren hinter sich. Das Meer zwischen sich und die Ihren legend, segeln sie hinaus in Gefahren, flüchten an die Enden der Erde." Die Auswanderung wurde vom Beginn der Ch'ing-Dynastie in der Mitte des 17. Jahrhunderts stark eingeschränkt. Die Erklärung von 1684, die Taiwan als einen Landkreis begründete, legt fest:

• Alle, die nach Taiwan fahren wollen, müssen zuerst die erforderlichen Dokumente von ihrem Herkunftsort vorweisen und sich einer Untersuchung durch die Garnisonskommandantur von Taiwan-Amoy und die Zuständigen der Küstenwache unterziehen. Jede unerlaubte Überfahrt wird streng geahndet.

• Wer nach Taiwan fährt, darf keine Familie und Angehörige mitbringen. Diejenigen, die bereits dort sind, dürfen niemand herüberholen.

• Das Gebiet von Kwangtung ist eine Brutstätte der Seeräuberei, die so tief verwurzelt ist, daß sie bis jetzt nicht ausgemerzt werden konnte. Seine Bewohner dürfen nicht nach Taiwan auswandern. (Der letzte Artikel wurde von dem mandschurischen K'ang-hsi-Kaiser (1662-1721) hinzugefügt und spiegelt die Ideen Shih Lang's wider. Von Shih Lang, der Amoy eroberte und Rebellionen auf Taiwan für den Ch'ing-Hof niederschlug, nimmt man im allgemeinen an, daß er die Kantonesen wegen ihrer tatkräftigen Unterstützung des Anti-Mandschu-Generals Koxinga nicht leiden konnte. Das sei der Grund für diese Bestrafungsmaßnahme.)

Um eine Erlaubnis für die Überquerung der Taiwanstraße zu erhalten, waren Inspektionen von drei unterschiedlichen Regierungsstellen erforderlich, die die Angelegenheit mit vielen Beschränkungen absichtlich komplizierten. Aber die Bevölkerung der Provinzen Fukien und Kwangtung hatte schon lange einen Sättigungspunkt erreicht, und der Lebensunterhalt war schwer zu verdienen. Da man von Taiwan sagte, es habe reichlich fruchtbares Land, dachte jeder daran, dort ein neues Leben zu beginnen. Die Mutigsten machten sich heimlich auf den Weg nach Taiwan.

Ma-tsu's gütiges Antlitz hat zahlreichen Abwanderern vom Festland Zuversicht gespendet, bevor sie sich in die Boote wagten. Auf Taiwan angekommen, bauten sie ihr nicht selten Tempel, und schließlich wurde sie zur meistverehrten Gottheit auf Taiwan.

Die unerlaubten Überfahrten nach Taiwan wurden im allgemeinen durch die Hafenstadt Amoy in der Provinz Fukien gemacht. Mitten in der Nacht bestiegen die Auswanderer kleine Boote und wurden jenseits der Tatan-Inseln gebracht, um dort in Boote für die Reise zu den Peskadoren zu wechseln, wo sie wiederum in noch größere Fischerboote mit dem Ziel Taiwan umstiegen. Niemals kamen sie nach Taiwan durch den Hafen von Lu-erh-men im Landkreis Tainan, wo es offizielle Inspektionen gab, sondern sie verließen die Boote in kleinen und abgelegenen Häfen wie Taku, Tungkang, Tachia, Peikang, Hsinkang und Lukang.

Eine geheime Überfahrt kostete zwischen zehn und vierzehn Unzen Silber pro Kopf. Doch in den "Revidierten Annalen des Kreises Taiwan", die in den neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts zusammengestellt wurden, heißt es: "Einige gewissenlose Schiffer taten sich als seekundige Gesetzlose zusammen und suchten sich als Opfer Leute, die illegal nach Taiwan wollten. Nachdem sie von den arglosen Kunden die Reisekosten eingesammelt hatten, packten sie hundert Leute in den Laderaum eines kleinen und löchrigen Bootes, vernagelten es, so daß keiner mehr hinein oder heraus konnte, und fuhren unter dem Schutz der Nacht hinaus aufs Meer. Auf hoher See schließlich endeten die Boote auf dem Grunde des Meeres."

Einige Seeleute wollten nicht bis ans Ufer segeln, so daß sie ihre Passagiere eilig dazu brachten, das Boot zu verlassen, wenn es irgendwo eine Sandbank gab. Man nannte das "sie freilassen". Sobald die Sandbank abbrach, waren die unseligen Auswanderer immer noch weit vom Ufer entfernt und mußten an Land waten. Sie endeten völlig mit Schmutz bedeckt und wurden deshalb "Taro-Stecklinge" genannt. Oder, wenn die Flut kam und sie von den Wellen hinweggetragen wurden, bezeichnete man sie als "Fischfutter".

Aber auch wenn man die Überfahrt nach Taiwan legal machte, gab es noch Risiken. Die Taiwanstraße ist oft unvorhersehbaren Stürmen ausgesetzt. Wenn man Pech hatte, konnte man auf See verloren gehen. Deshalb beteten die Menschen, ob sie nun legal oder illegal fuhren, zuerst in einem der Göttin Ma-tsu gewidmeten Tempel, bevor sie sich einschifften. In der Nacht, so die Legende, hält diese Göttin mit langem Haar und weißem Gewand an der Küste eine Laterne, um die Boote sicher an Land zu geleiten. Seit dreihundert Jahren haben die Menschen zu dieser Göttin gebetet und ihr Opfer dargebracht, bevor sie sich auf das dunkle Wasser hinauswagten. Und wenn sie ohne Zwischenfälle nach Taiwan gelangten, errichteten sie oft einen Tempel für die Göttin, um ihre Dankbarkeit zu zeigen. Ma-tsu wurde schließlich eine der am meisten verehrten Gottheiten in Taiwan.

Ma-tsu's gütiges, ruhiges, gar wohlwollendes Gesicht hat zahllosen bedrängten Auswanderern Trost gespendet. Und die Wünsche der Menschen in Taiwan, in Vergangenheit und Gegenwart, sind in einem tiefempfundenen Verspaar ausgedrückt, das im Ma-tsu-Tempel in Lukang in Stein gemeißelt ist: "Mögen die Menschen in Frieden und Güter im Überfluß sein; möge die See ruhig und das Wasser glatt sein."

Der Fleiß der Menschen stand der Fruchtbarkeit des Landes nicht nach: Das Bild oben zeigt, wie damals Reis geerntet wurde, wobei sich die Bauern mit einem Hut aus Bambusblättern und einer Art "Schildkrötenpanzer" aus Bambusrohr gegen die Unbill des Wetters schützten. Danach (Bild unten) wurde die Reisfrucht von dem sie umgebenden Grün getrennt.

Auch politische und militärische Persönlichkeiten waren Gläubige. Koxinga war der erste, der auf Taiwan einen Tempel für Ma-tsu errichtete. Shih Lang übertrumpfte ihn später noch. Nachdem er Koxinga's Truppen auf den Peskadoren besiegt hatte, erklärte er, daß Ma-tsu ihm beigestanden hätte, und ersuchte offiziell den Kaiser, der Göttin einen Adelsrang zu verleihen. Die Folge war, daß Ma-tsu, die bis dahin unter dem Titel "himmlische Gemahlin" bekannt war, zur "himmlischen Kaiserin" erhoben und der Ma-tsu-Tempel auf den Peskadoren zum "Palast der Himmlischen Kaiserin" umbenannt wurde.

Als Shih Lang 1684 in Taiwan ankam, wählten Chu Shu-kuei, der Prinz von Ning Ching und ein entfernter Verwandter des letzten Ming-Kaisers, zusammen mit seiner Frau und vier Konkubinen lieber den Freitod, als daß sie der neuen Ch'ing-Dynastie Untertanentreue schwörten. Die Bevölkerung bewunderte die Frauen so sehr für ihre Loyalität, daß sie ehrfürchtig als "Die Fünf Gemahlinnen" bezeichnet wurden. Heute gibt es immer noch einen kleinen Friedhof in der "Fünf-Gemahlinnen-Straße", wo sie begraben sind.

Als nächstes konfiszierte Shih Lang den Landsitz des Prinzen von Ning Ching und baute ihn 1685 zum "Palast der Himmlischen Kaiserin" um (in der Yungfu-Straße in Tainan). Die Verehrung Ma-tsu's wurde auch dazu benutzt, die weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Abschaffung der Herrschaft des Ming-Hofes auf Taiwan zu entschärfen. Der Prinz hatte das urbar zu machende Land persönlich unter seinen Beamten und Soldaten verteilt. Sein eigener Besitz lag im Stadtgebiet von Lu-chu in Kaohsiung, und einige der Nachfahren seiner Untergebenen, die das Land erschlossen, leben immer noch dort. Der Ort heißt heute Chuhu. Das Grab des Prinzen befindet sich in dem nahegelegenen Tahu.

Trotz der die Überquerung der Taiwanstraße umgebenden Gefahren und wiederholter Verbote durch die Ch'ing-Regierung wuchs die Einwandererbevölkerung Taiwans zwischen 1683 und 1780 ständig an bis zu einer geschätzten Gesamtzahl von 700 000 bis 800 000. Die meisten dieser Auswanderer wurden Bauern oder Arbeiter. Aber es gab noch eine andere Kategorie von Auswanderern: diejenigen mit Besitz, die sich nach der Ankunft bei der Regierung um das Recht zur Urbarmachung großer Flächen Landes und die Anwerbung armer Auswanderer zur Hilfe bei der Erschließung dieses Landes bewarben. Diese wurden "Pionierchefs" genannt.


Das kulturelle und politische System der Ming-Dynastie wurde während der Herrschaft Koxinga's auf der Insel nach Taiwan übertragen. Aber die Wirtschaft enthielt Überbleibsel des holländischen Systems, wie die Wang-t'ien oder "königlichen Felder" für Äcker, die im Besitz der Regierung waren. Die Bezeichnung wurde später zu Kuan-t'ien oder "öffentliche Felder" geändert, Ursprung des Namens der Stadtgemeinde von Kuan Tien im Kreis Tainan. Koxinga erhöhte auch die Zahl der Truppen, die bei der Urbarmachung der Ying-p'an-t'ien oder "Militärlager-Felder" beteiligt waren. Die Ortsnamen im Süden Taiwans geben immer noch Zeugnis von dieser Zeit: zum Beispiel Tsoying ("Linkslager") und Chienchen ("Frontposten"), die heute Teil von Kaohsiung-Stadt sind, sowie Hsinying ("Neues Lager") und Linfengying ("Linfeng-Lager") im Kreis Tainan. Zu dieser Zeit waren bereits einige von diesen Ländereien mit gepachteten oder privaten Ländern auf dem Festland zusammengebracht worden, aber bis dahin war noch kein wirklicher Großgrundbesitzer aufgetaucht.

Zusätzlich zu dem Shih Lang nach der Niederschlagung des Widerstandes gegen die Ch'ing-Dynastie in Taiwan bewilligten Land nutzten er und seine Untergebenen auch die Übergangszeit zwischen der Rückkehr von Koxinga's Streitmacht zum Festland und der Ankunft der Ch'ing-Regierung aus, um noch mehr Land in Besitz zu nehmen. Die Stadtgemeinde Chiangchun im heutigen Kreis Tainan war eine von Shih Lang's wagemutigen Erwerbungen. Wenn diese Militäroffiziere einmal Land besetzt hatten, bezahlten sie selten Steuern.

In den letzten Phasen von Koxinga's Herrschaft hatte Taiwan schon ungefähr 2900 Quadratkilometer registrierten Landes. Aber 1684, nachdem die Ch'ing-Dynastie an die Macht gekommen war, weisen die Aufzeichnungen der Regierung nur noch etwas mehr als 1700 Quadratkilometer registrierten Landes auf. Von der Ch'ing-Regierung wurde das eingetragene Land, das zu besteuern war, "zugeteilt" genannt, während man jenen Grund und Boden, der zur Vermeidung der Besteuerung nicht registriert worden war, als "zurückgehaltenes Land" bezeichnete. Da das den Zivil- und Militärbeamten zugehörige Land im allgemeinen zurückgehaltenes Land war, wurde der größte Teil der Steuerlast von den Kleinbauern getragen, die das zugeteilte Land bebauten. Obwohl die zu Beginn der Ch'ing-Dynastie nach der sogenannten "Befriedung des Meeres und der Grenzgebiete" auf Taiwan erhobenen Steuern niedriger lagen als zur Zeit der Regierung Koxinga's, zu der enorme Militärausgaben bezahlt werden mußten, waren die Steuerlasten auf der Insel immer noch die höchsten in ganz China.

Sobald die Struktur und die Methoden der Landnutzung geändert wurden, verschwanden die öffentlichen Felder und Lagerfelder von Taiwan und wurden gänzlich in privatisiertes Land umgewandelt, obwohl die Anbaumethoden dieselben blieben. Wenn die Reispreise auf dem Festland hoch waren, pflanzten die Bauern Reis. Wenn in Übersee die Zuckerpreise stiegen, wechselten sie zum Zuckerrohranbau. Diese Art von dynamisch reagierender kommerzieller Anbaumethode war ganz verschieden von der des Festlandes.

Die 1717 verfaßten "Annalen des Kreises Chu-lo" berichten mit Erstaunen, daß auf Taiwan selbst einfache Leute modisch in hellen Farben und guten Stoffen gekleidet waren. Und die Schuhe seien aus Seide gewesen und wurden, kaum getragen, schon weggeworfen.

Lien Hsing-wei (zu dessen Nachfahren Lien Heng, der Verfasser der "Umfassenden Geschichte Taiwans", und Lien Chan, der gegenwärtige Gouverneur der Provinz Taiwan, gehören) kam unter der K'ang-hsi-Regierung nach Taiwan und ließ sich in der heutigen Fuchien-Straße in Tainan in der Nähe des Bezirksgerichtes von Tainan nieder. Zu jener Zeit wurde diese Gegend Ma-ping-ying ("Reiterlager") genannt, da dort Koxinga's berittene Truppen einquartiert waren. Immer seiner han-chinesischen Vorfahren eingedenk, wies Lien Hsing-wei seine Söhne und Enkelsöhne an, nie dem Mandschuhof zu dienen.

Da die Familie Lien sich weigerte, als Ch'ing-Beamte zu dienen, gingen sie ins Zuckergeschäft. Lin Wen-yueh, Lien Heng's Enkeltochter und Professorin für Chinesisch an der Nationalen Taiwan-Universität, beschreibt die Zuckermühle der Familie Lien: "Es gab mehrere riesige Mühlsteine, die von Wasserbüffeln gedreht wurden. Nachdem das Zuckerrohr geschnitten war, wurde es in die Mühle gegeben und der Saft für die Zubereitung von braunem Zucker gewonnen. Der braune Zucker wurde dann in große Eimer gefüllt und eine Schicht Kalk darüber verteilt, um weißen Zucker herzustellen."

In jenen Anfangstagen sei, so hieß es damals, die Erde Taiwans so fruchtbar gewesen, daß man keinen Dünger brauchte. Nach den "Skizzen und Bemerkungen von Chihkan", einem frühen Bericht über Taiwan von Huang Shu-ching, "wurden die Reispflanzen zu dick und brachen unter ihrem eigenen Gewicht zusammen", wenn die Bauern ihr Land düngten. "Nach der Anpflanzung konnten sich die Bauern ausruhen und sie wachsen hören. Jeder Flecken Land erzeugte um einiges mehr als die Felder auf dem Festland."

Mit solch fruchtbarem Land und reichlichen Ernten widmeten sich die Taiwan-Einwanderer dem Ackerbau. Reis und Zuckerrohr wurden Taiwans Hauptanbauprodukte, und jeder Überschuß wurde aufs Festland oder nach Übersee verkauft. Metallwerkzeuge und Kleidung mußten importiert werden. In einer stabilen politischen Situation und bei einer regelmäßigen Versorgung mit Gütern ließ die Bevölkerung die Schwierigkeiten vom Ende der Regierung Koxinga's hinter sich und erfreute sich einer Periode des Wohlstands von etwa 1690 bis 1720.

Die "Revidierten Annalen des Kreises Taiwan" und die "Annalen des Kreises Chu-lo" zeugen beide von dem Lebensstandard, dessen sich die Bevölkerung Taiwans während der Ch'ing-Dynastie erfreute. Die "Annalen des Kreises Chu-lo" berichten: "Ungeachtet des finanziellen Status ist jedermann in den hellsten Farben modisch gekleidet. Den bloßen Gebrauch von Stoff für die Fußbekleidung vermeidend, sind die Schuhe aus Seide gemacht und werden weggeworfen, nachdem sie kaum getragen sind. Sogar Sänftenträger und Pförtner in Regierungsgebäuden tragen Hosen aus Satin."

Der Wasserbüffel, den im 17. Jh. die Holländer vom chinesischen Festland und aus Indien einführten, um die Entwicklung der Landwirtschaft zu beschleunigen, erwies sich auch beim Transport und z. B. in Mühlen als zuverlässiges Arbeitstier.

Ähnlich wie die Leute in Taiwan heute liebten es die Bewohner auch in jenen Tagen, aufwendige Feste zu veranstalten. Die "Annalen des Kreises Chu-lo" berichten: "Gäste zu unterhalten erforderte ein großes Gelage. Der Wein hatte von Chen-chiang, Hui-ch'üan oder Shao-hsing zu sein, und das Essen mußte Gerichte aus ganz China enthalten. Wenn man 4000 Dollar pro Tisch bei einem Bankett ausgab, konnte man nur die allergewöhnlichste Kost bieten."

"Taiwan schwimmt im Geld" und "Geld kommt leicht in Taiwan" sind zwei Redensarten, die während der K'ang-hsi-Regierungszeit geprägt wurden, und sie sind bis in die Gegenwart im Volkslexikon erhalten geblieben. Die Preise für Waren übertrafen die im übrigen China, und die Lohnkosten waren ebenfalls wesentlich höher. Die Lohnkosten in Taiwan waren während der Ch'ing-Dynastie dreimal so hoch wie auf dem Festland, und Feilschen war nicht erlaubt. Ein Arbeiter hätte lieber nichts getan und gehungert, als eine niedrigere Bezahlung anzunehmen.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren Orte wie Chiayi, Tainan und Kaohsiung geschäftig und wohlhabend. Aber die Gegenden südlich von Kaohsiung und nördlich von Chu-lo waren völlige Wildnis. Der Aufbruch in diese wenig entwickelten Gegenden war für die Menschen anstrengend, und man wurde leicht krank. Sogar die Beamten der Kreise Chu-lo und Feng-shan wollten nicht ihr Amt antreten, sondern blieben lieber in Tainan. Yü Yung-ho, der im 17. Jahrhundert zu Fuß von Tainan nach Taipei reiste, schrieb einen der frühesten Berichte über Taiwan. Er beschrieb die Chianan-Ebene zwischen Chiayi und Tainan zu Beginn der Ch'ing-Dynastie als wildes Grasland. An den höchsten Stellen wuchs das Gras höher als ein Mann, an den niedrigsten war es immer noch etwa in Schulterhöhe. Wenn man mit einem Wasserbüffelkarren über die Ebene fahre, dann sei das, als ob man unter der Erde wäre, schrieb er.

Auf der Insel kam man am besten mit einem Wasserbüffelkarren herum, dem Haupttransportmittel. Ursprünglich gab es auf Taiwan keine Wasserbüffel. Aber um den Ackerbau während der holländischen Kolonialzeit (1624-1662) zu entwickeln, waren sie vom chinesischen Mutterland und von Indien her eingeführt worden. Schließlich entkamen einige Wasserbüffel in die Wildnis, und ohne natürliche Feinde vermehrten sie sich. Yü Yung-ho berichtet, die Ureinwohner der Insel hätten ihm erzählt, daß riesige Herden in den Wäldern der Insel zu finden waren.

Heutzutage, wenn man auf der Autobahn südlich nach Kaohsiung fährt, kann man sich nur schwer die Tage der Wasserbüffelkarren und die Strapazen einer Überlandreise vorstellen. Trotz seines Rufs als "Tor zur Hölle" waren Menschen bereit, die Risiken der Überquerung der Taiwanstraße auf sich zu nehmen. Der ständige Prozeß von Auswanderung und Entwicklung veränderte sowohl das Aussehen der Insel als auch derer, die kamen, und ein Blick auf diese frühen prägenden Jahre ist hilfreich bei dem Versuch, den Charakter des heutigen Taiwans zu verstehen.

(aus dem Chinesischen von Fred Steiner ; Deutsch von Michael Skowron)

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