14.05.2025

Taiwan Today

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01.03.1991
Reaktionen auf den Golfkrieg
Die Reaktion von Regierung und Bevölkerung der Republik China auf den Ausbruch des Golfkrieges war gemäßigt, aber von Wachsamkeit gekennzeichnet. Das alltägliche Leben zeigte bis Redaktionsschluß (20.2. 1991) keine wesentlichen Veränderungen.

In ihren offiziellen Stellungnahmen zu den Ereignissen am Persischen Golf erklärten Präsident Lee Teng-hui und Premierminister Hau Pei-tsun übereinstimmend, daß sie den Krieg gegen den Irak als ein "notwendiges Vorgehen" unterstützten, und drückten ihre Zuversicht bzw. Hoffnung aus, daß die Auseinandersetzung bald beendet und Frieden und Stabilität im Nahen Osten wiederhergestellt werden können. Der Präsident rief die Bevölkerung zur Ruhe auf und wies den Premierminister an, die vom Kabinett vorbereiteten Notstandspläne bezüglich der Energieversorgung, der sozialen Ordnung und der Verteidigung durchzuführen. Premierminister Hau versetzte daraufhin die Streitkräfte in Alarmbereitschaft. Regierungssprecher Shaw Yu-ming unterrichtete die Öffentlichkeit, daß der Präsident per Notstandsvollmachten eingreifen werde, falls Staatsangehörige der Republik China, die Energieversorgung oder die nationale Sicherheit bedroht seien.

Zu den weitestverbreiteten Besorgnissen zählt die Furcht, das chinesische Festland könnte die Gelegenheit ergreifen und einen Angriff auf Taiwan unternehmen. Präsident und Premierminister besuchten die Streitkräfte und die Küstenwacht, um sich persönlich von der Wachsamkeit der Verteidigung zu überzeugen. Präsident Lee Teng-hui wies bei dieser Gelegenheit seine Landsleute darauf hin, daß Reichtum allein ein Land nicht vor äußerer Aggression schützen könne, wie das Beispiel Kuwait zeige. Grundlage einer jeden Entwicklung könne nur die nationale Sicherheit sein.

Zahlreiche Diskussionen verursachte die Frage nach der Sicherheit der etwa 600 zumeist in Saudi-Arabien, aber auch in Jordanien, Bahrain und Thailand ansässigen Bürger der Republik China, darunter einige Auslandschinesen. Die meisten von ihnen waren oder sind für Regierungsstellen und Privatfirmen auf technischem sowie auf medizinischem, journalistischem und diplomatischem Gebiet tätig. Während, auch auf Bitten der saudi-arabischen Behörden hin, die überwiegende Zahl der Bürger der Republik China in diesem Land geblieben ist, bemühte sich die Regierung nach Möglichkeit, alle Landsleute aus Bahrain und Jordanien zu evakuieren, die meisten von ihnen nach Kairo, Zypern und Dubai, um ihnen nach Kriegsende so schnell wie möglich die Rückkehr an ihre vorherigen Einsatzorte zu ermöglichen. Einigen war auch die Heimreise freigestellt worden.

Das Rote Kreuz der Republik China hat dem Internationalen Roten Kreuz angeboten, Versorgungsgüter und medizinische Hilfe für die Kriegsopfer bereitzustellen. Daneben hat das Zentrum für Familienhilfe des Landkreises Kaohsiung eine Hilfsaktion für Kinder in den vom Krieg betroffenen Gebieten gestartet.

Auf anfängliche Hamsterkäufe von Benzin und Gebrauchsartikeln reagierte die Regierung mit Vorschriften zur Kontrolle des Energieverbrauchs, die in der gegenwärtig gültigen ersten Phase darauf abzielen, den Verbrauch gegenüber der zweiten Hälfte des Vorjahres nicht weiter ansteigen zu lassen, sowie mit Maßnahmen zur Überwachung der Benzin- und Lebensmittelpreise. Möglicherweise kommt es bereits in der ersten Stufe auch zu Umstellungen im öffentlichen Nahverkehr. Eine Rationierung, unter anderem mit Einschränkung des privaten PKW-Verkehrs und der Ausgabe von Benzingutscheinen sowie mit Regierungsrnaßnahmen gegen Preiserhöhungen bei Benzin und täglichen Gebrauchsgütern, wird nur für Stufe zwei erwogen, die in Kraft treten soll, wenn der Krieg länger dauert bzw. die Ölfelder in Saudi-Arabien größeren Schaden erleiden sollten. China Airlines, die staatliche Fluggesellschaft der Republik China, hat wegen zahlreichen Stornierungen sowie im Hinblick auf umständliche Umverlegungen von Flugrouten bereits mehrere Flüge nach Hongkong gestrichen und den Flugverkehr mit Europa sogar vorübergehend ganz eingestellt, um in diesem Bereich nach Möglichkeit Energie zu sparen.

Im allgemeinen hat es im Lebensrhythmus der Leute hierzulande, wie gesagt, bisher kaum eine Veränderung gegeben, wiewohl die Entwicklung im Golfkrieg auf breites Interesse stößt. Die Nachtmärkte vermelden drastische Rückgänge bei den Besucherzahlen, da die Leute nun unmittelbar nach der Arbeit nach Hause gehen, um im Fernsehen die letzten Neuigkeiten zu erfahren. Alle drei Fernsehstationen haben die Dauer ihrer abendlichen Nachrichtensendungen um ein Mehrfaches erweitert. Berichtet wird auch von Menschen, die telefonische Beratungsdienste anrufen, um mit den Sozialarbeitern über den Golfkrieg zu diskutieren. Neben vereinzelter Kritik, unter anderem im Hinblick auf eine befürchtete Zunahme des arabischen Nationalismus, findet das Vorgehen der Aliierten Zustimmung bei der Bevölkerung. Lediglich etwa 20 bis 30 Mitglieder verschiedener Parteien protestierten vor dem Amerikanischen Institut in Taipei gegen den Ausbruch des Krieges. Der zweite Imam der Taipeier Moschee, Ayoub Ishaque Hsiao, verwies darauf, daß das Initiieren eines Angriffskrieges, wie es Hussein getan habe, islamischen Grundsätzen zuwiderlaufe, und deutete an, dem irakischen Führer sei es nur um den Reichtum Kuwaits zu tun gewesen.

Schon kurz vor Ausbruch des Krieges erhöhten sich in einer ersten Reaktion die Kapitalanlagen in Gold und US-Dollar. Doch nach Eintreffen der ersten Erfolgsmeldungen zogen die Aktienkäufe auch hier beachtlich an. Die Käufer, die wegen der unklaren Entwicklung am Golf monatelang gezögert hatten, erwarteten nun einen schnellen Ausgang des Konfliktes. Im allgemeinen folgten die Bewegungen an der Börse und dem Goldhandel denen der anderen Finanzmärkte rund um die Welt. Der Rat für Wirtschaftliche Planung und Entwicklung sieht bei einem schnellen Kriegsende keinen Grund für eine nennenswerte Rücknahme der wirtschaftlichen Wachstumsprognosen für 1991, sondern erwartet vielmehr, dank der zahlreichen öffentlichen Bauprojekte, ein höheres Wachstum als im Vorjahr. Anfang Februar jedoch kündigte die staatliche Chinese Petroleum Corp. an, daß sie sich auf eine sechsmonatige Kriegsdauer einrichtet und durch zusätzliche Käufe die Ölreserven erhöhen will.

Obwohl hiesige Banken seit Kriegsausbruch keine Kreditbriefe mehr von Käufern aus dem Nahen Osten akzeptieren, laufen die Geschäfte mit Ländern der Region ohne Unterbrechung, jedoch mit einigen Veränderungen, weiter. Neben zahlreichen Klagen, vor allem aus der Textilbranche, für die der Nahe Osten ein bedeutender Abnehmer gewesen ist, erhalten vornehmlich die Hersteller von Uniformen, Zeltbahnen, Lebensmittelkonserven und Medikamenten zahlreiche Aufträge, auch aus Europa. Insgesamt sollen auf Taiwan bereits am siebten Kriegstag Bestellungen in einer Höhe von 100 Millionen US$ aus dem Nahen Osten vorgelegen haben. Allerdings schlagen die meisten einheimischen Produzenten nicht unbedingt Kapital aus der Situation, da sie die gestiegenen Versicherungs- und Transportkosten im Hinblick auf langfristige Geschäftsbeziehungen nicht an die Kunden weitergeben wollen.

Französischer Industrieminister besucht Taipei
Der französische Minister für Industrie und Regionalplanung, Roger Fauroux, traf am 5. Januar an der Spitze einer 28köpfigen Delegation von Regierungsbeamten und Wirtschaftsvertretern in Taipei ein. Sein sechstägiger Besuch hatte nach Auskunft des Außenministeriums privaten Charakter. Wirtschaftsminister Vincent Siew, der die Delegation am Flughafen im Empfang nahm, hatte Fauroux während seines Frankreichbesuchs im vergangenen November nach Taipei eingeladen. Der Industrieminister ist der ranghöchste französische Besucher in der Republik China seit dem Abbruch der Beziehungen zwischen beiden Ländern im Jahre 1964.

Außer mit Wirtschaftsminister Siew traf Fauroux während seines Besuchs mit Präsident Lee Teng-hui, Premierminister Hau Pei-tsun, Außenminister Fredrick Chien, Finanzminister Wang Chien-shien, Kommunikationsminister Clement C. P. Chang und einer Reihe weiterer hochrangiger Regierungsbeamter zusammen. Auf der am 7. 1. von der privaten "Euro-Asian Trade Organization" veranstalteten "7. Konferenz über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Republik China und Frankreich" erklärte der Minister, daß Frankreich großes Interesse habe, sich an dem für 1991- 1996 vorgesehenen Sechsjahres-Entwicklungsplan der Republik China zu beteiligen. Außerdem rief der Minister die Geschäftsleute aus Taiwan dazu auf, in Frankreich zu investieren.

Französische Firmen bewerben sich zur Zeit um eine Reihe von öffentIichen Aufträgen im Rahmen des Nationalen Entwicklungsplans, darunter ein Kernkraftwerk, Technologien zur Schadstoffbegrenzung, U-Bahnnetze und die erste Schnellbahnstrecke Taiwans. Um das letztgenannte Projekt bemühen sich auch Firmen aus Deutschland und Japan (s. u,). Eine Entscheidung hierüber wird jedoch erst für den Herbst dieses Jahres erwartet. Französische Unternehmen hatten zuvor bereits Teilaufträge für das im Bau befindliche S-Bahn-System der Region Taipei erhalten.

Mit dem Finanzministerium der Republik China vereinbarte Fauroux die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die die Möglichkeiten der technologischen Kooperation zwischen beiden Ländern erkunden soll. Mit dem Amt für Umweltschutz kam es zu einer Übereinkunft über den Transfer französischer Umwelttechnologie in die Republik China.

Außerdem bemüht sich Taipei derzeit um Landerechte für Fluggesellschaften aus der Republik China in Frankreich, was erstmals Direktflüge nach Paris erlauben würde.

Bevor Fauroux am 11. 1. Taipei verließ, bezeichnete er seinen Besuch als einen "Durchbruch" im beiderseitigen Verhältnis und drückte seinen Wunsch nach einer engeren Zusammenarbeit zwischen der Republik China und Frankreich aus, wobei er hinzufügte, daß verstärkte Wirtschaftskontakte auf natürliche Weise bessere politische Beziehungen nach sich ziehen würden. Ausdrücklich erklärte der Minister, daß Frankreich Taipeis Antrag auf Aufnahme in das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) unterstützen und auch versuchen werde, die übrigen Mitgliedsländer der EG zu einer ähnlichen Haltung zu bewegen. Über die Möglichkeit von Direktflügen zwischen Taipei und Paris äußerte er sich optimistisch und meinte, eine solche Regelung läge im Interesse beider Seiten.

Am 15. 1. vereinbarten die Taiwan besuchende "Mission Interregionale du Commerce Exterieur Breton" und Vertreter hiesiger Industriezweige die Einrichtung eines Handelskomitees der Region Bretagne in Taipei. Das Komitee soll zu gleichen Teilen aus bretonischen Wirtschaftsvertretern und Angehörigen hiesiger Unternehmen bestehen und Investitionen in jenem Teil Frankreichs fördern. Ferner gab die staatliche französische Agentur DATAR, die ausländischen Firmen Investitionen in Frankreich erleichtern soll, bekannt, daß sie im Oktober dieses Jahres ein Büro in Taipei eröffnen wird. Jean-Pierre Duport, ein Berater des französischen Industrieministers, und zwei leitende DATAR-Mitarbeiter hielten sich Anfang Februar zu vorbereitenden Gesprächen in Taipei auf. Frankreich besitzt bis jetzt vier Handelsvertretungen in der Republik China. Im März dieses Jahres wird schließlich der Generaldirektor des Amtes für Industrielle Entwicklung, Yang Shih-chien, an der Spitze einer Delegation aus der Republik China Frankreich besuchen.

Handelsbüros von Hamburg nach Berlin verlegt - Investitionen in Ostdeutschland - Design-Zentrum der Republik China in Düsseldorf
Die beiden Büros zur Handelsförderung, die das Wirtschaftsministerium bzw. der Rat für Außenhandelsentwicklung der Republik China (CETRA) gegenwärtig in Hamburg unterhalten (Far East Trade Service Center und Taiwan Trade Center), sollen Ende dieses Jahres geschlossen und nach Berlin verlegt werden. Mit diesem am 10. Januar getroffenen Beschluß reagieren Wirtschaftsministerium und CETRA auf die gewachsene Bedeutung Berlins und auf seine absehbare Entwicklung zum politischen und wirtschaftlichen Zentrum Deutschlands. Vincent Siew, der Wirtschaftsminister der Republik China, hatte nach seinem Deutschlandbesuch im November vergangenen Jahres erklärt, es sei unbedingt erforderlich, einen Handelsstützpunkt seines Ministeriums in Berlin einzurichten.

Gleichzeitig rät das Wirtschaftsministerium der einheimischen Wirtschaft zu rascher und verstärkter Investitionstätigkeit in den neuen deutschen Bundesländern. Mit Berufung auf ein vom Handelsbüro der Republik China in Leipzig erarbeitetes Memorandum erklärte das Ministerium, daß die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die gegenwärtig im Osten Deutschlands existierten, in absehbarer Zeit durch westdeutsche und internationale Investitionen überwunden sein würden. Speziell Industrie und Bauwirtschaft Taiwans sollten daher rasch Stützpunkte im Osten Deutschlands errichten, die sowohl als Basis für Aktivitäten auf dem künftigen europäischen Binnenmarkt wie in Osteuropa dienen könnten.

Unterdessen hat der Außenhandelsrat bekanntgegeben, daß, nachdem im Jahre 1989 die Bundesrepublik im Handel mit Taiwan einen Exportgewinn von 32 Millionen US$ erwirtschaftet hatte, sich die Verhältnisse im darauffolgenden Jahr wieder normalisiert haben und Taiwan im Handel mit Deutschland ein Exportplus von 515 Millionen US$ erzielt hat. Eine Rolle hat hierbei die gestiegene Nachfrage aus Ostdeutschland gespielt. Der Außenhandelsrat lobte die einheimischen Investoren, insbesondere der Elektronik- und Maschinenbauindustrie, für ihr rasches Handeln im Hinblick auf die neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten in Deutschland.

Das geplante Designzentrum der Republik China, das das Amt für Industrielle Entwicklung (Industrial Development Bureau) im Wirtschaftsministerium derzeit im Auftrag und mit Unterstützung von CETRA in Düsseldorf einrichtet, wird in der zweiten Hälfte dieses Jahres seine Arbeit aufnehmen. Es ist das erste derartige Institut der Republik China im Ausland und soll sowohl für Industrie- als auch für Modedesign zuständig sein. Das Zentrum wird Informationen über neue Trends auf beiden Gebieten sammeln und europäische Industriedesigner sowie namhafte Modeschöpfer aus Paris und Mailand zu Aufträgen heranziehen. Auch sollen hier Designstudenten aus der Republik China, die ihre Ausbildung an europäischen Hochschulen abgeschlossen haben, eine erste Anstellung finden. Als Standorte für ein zweites Zentrum dieser Art sind Paris und Mailand im Gespräch.

Das neue Zentrum wurde im Rahmen des vom Wirtschaftsministerium angeregten "Klein-Europa"-Planes konzipiert, dessen wichtigstes Ziel es ist, den Transfer europäischer Technologie in die Republik China zu fördern. Parallel dazu sammeln die CETRA-Büros in Europa Materialien über europäische Unternehmen, um sie einheimischen Firmen zugänglich zu machen und so als "Brücke" zwischen potentiellen Partnern auf beiden Seiten zu dienen.

CETRA will sich in diesem Jahr weltweit an nur fünf internationalen Messen beteiligen, darunter an der Möbel- und der Metallwarenmesse in Köln. Durch eine Konzentration auf Qualität statt Quantität soll eine bessere und spezialisiertere Präsentation von Produkten aus der Republik China erreicht und deren Image verbessert werden.

Deutsches Schnellbahnsystem vorgestellt
Eine fünfköpfige deutsche Industriedelegation hielt sich Ende Januar in Taipei auf, um hiesigen Interessenten das deutsche Schnellbahnsystem ICE (InterCity Express) vorzustellen. Auf einem Seminar, das am 29. 1. auf Einladung des Deutschen Wirtschaftsbüros Taipei stattfand, erklärten die Delegierten, das deutsche System entspräche sowohl in bezug auf die geographischen Bedingungen als auch in technologischer Hinsicht am besten den hiesigen Anforderungen. Unter anderem will das Konsortium auch deutsche Tunnelbautechnologie nach Taiwan transferieren, was wegen dessen gebirgiger Geographie von besonderer Bedeutung ist.

Die Delegation, die von Klaus Oertel, Vorstandsmitglied der AEG, geleitet wurde, vertrat das Firmenkonsortium, das sich neben französischen und japanischen Unternehmen um den Auftrag für die im Rahmen des Sechsjahres-Entwicklungsplans der Republik China projektierte Schnellbahnstrecke bewirbt. Zu den weiteren Mitgliedern gehörten Siemens-Direktor H. Hermann, Dr. C. R. Günther von der Firma AEG-Westinghouse International und Walter Spoehrer, Vizepräsident des Technologiezentrums der Deutschen Bundesbahn in München. Das Konsortium ist bereits durch die Chung Teh Co., Ltd. in der Republik China vertreten. Außerdem plant die AEG, ein Büro auf Taiwan einzurichten.

Fortgesetzte Kontakte mit der Sowjetunion
Die Serie der Kontakte und Gespräche mit sowjetischen Politikern, Firmen und Organisationen, die in den vergangenen Monaten für Furore sorgte, ist auch zu Anfang des neuen Jahres nicht abgerissen. Am 27. 1. traf eine dreiköpfige Handelsdelegation aus der Sowjetunion zu einem einwöchigen Besuch in der Republik China ein, um die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen Taipei und Moskau zu vertiefen. Mitglieder waren der stellvertretende Finanzminister der Russischen Republik, Andrej Swerew, der stellvertretende Vorsitzende der "Sowjetischen Vereinigung für Exportwirtschaft" , Iskander Iljasow, und der Direktor des "Sowjetischen Zentrums für den Internationalen Markt", Gorjatschow.

Bei einem Gespräch mit dem stellvertretenden Generaldirektor des Amtes für Außenhandel, Lee Chang-lu, erklärte Swerew, er wolle die Republik China bei dem Vorhaben unterstützen, ein Handelsbüro in Moskau zu eröffnen. Ein solches Büro könnte Kontakte zwischen Unternehmern beider Seiten erleichtern und Informationen sammeln, die den Handel zwischen beiden Seiten erweitern.

Ferner wurde ein Abkommen zwischen der "Sowjetischen Vereinigung für Exportwirtschaft" und der hiesigen privaten Handelsorganisation "International Trade Association" (ITAC) geschlossen, die die Gruppe zu ihrem Besuch in Taipei eingeladen hatte. Beide Zusammenschlüsse wollen ihre Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet, aber auch im Bereich des Kulturaustauschs vertiefen. Wie der Vorsitzende von ITAC, Tao Hung-chien (James Tao), erklärte, plant seine Organisation die Einrichtung eines Lager- und Warenhauses in Moskau, mit dem Waren aus der Republik China direkt auf den sowjetischen Markt gebracht werden können. Bereits jetzt gibt es in Moskau ein Ausstellungszentrum für Produkte aus der Republik China.

Zur gleichen Zeit hielt sich der Gouverneur der ostsibirischen Insel Sachalin, Walentin Fjodorow, zu Gesprächen in Taipei auf. Bei einem Treffen mit dem stellvertretenden Wirtschaftsminister P. K. Chiang wurde vereinbart, daß die Chinese Petroleum Corp. und die Taiwan Power Company in Kürze Techniker nach Sachalin schicken werden, um die Möglichkeit einer gemeinsamen Erschließung der dortigen Erdöl-, Kohle- und Erdgasressourcen zu erkunden. Mit einer privaten Firma wurde ein Memorandum über Zusammenarbeit auf dem Fischereisektor sowie bei der Holzwirtschaft und dem Kohleabbau unterzeichnet.

Wirtschaftsminister P. K. Chiang wird voraussichtlich im Mai dieses Jahres die Sowjetunion besuchen. Mit ihm reist eine Delegation von Vertretern staatlicher und privater Unternehmen aus der Republik China. Das Wirtschaftsministerium will dazu beitragen, die Bemühungen hiesiger Unternehmen um Handelskontakte mit der Sowjetunion zu koordinieren.

Finnisches Industrie- und Verkehrsbüro eröffnet
Am 1. Februar wurde im World Trade Center Taipei das Finnische Industrie- und Verkehrsbüro eröffnet, das gemeinsam vom finnischen Staat und einer Gruppe von acht fmnischen Handelsfirmen geführt wird. Die neue Vertretung soll vornehmlich Marktinformationen sammeln, den bilateralen Handel fördern, Seminare veranstalten und Geschäftspartnerschaften zwischen Firmen aus beiden Ländern vermitteln. Die finnische Firmengruppe sucht derzeit für das Büro um das Recht nach, Einreisegenehmigungen nach Finnland ausstellen zu dürfen.

Die Republik China ist Finnlands größter Handelspartner im Fernen Osten. In den ersten elf Monaten des Jahres 1990 erreichten Taiwans Exporte nach Finnland einen Gesamtwert von 220 Millionen US$, während Importe aus Finnland 120 Millionen US$ ausmachten.

Erste europäische Produktionsstätte einer hiesigen PC-Firma vor Fertigstellung - Rege Teilnahme an der Münchner Computermesse angekündigt
Das Werk für Personalcomputer, das die Firma Supertron Electric Co. derzeit in Heerenveen (Niederlande) errichtet, steht kurz vor der Fertigstellung und soll, wie ein Sprecher des Unternehmens im Januar bekanntgab, im April dieses Jahres seinen Betrieb aufnehmen. Es handelt sich um die erste in Europa stationierte PC-Produktionsstätte einer Firma aus der Republik China. Die Investition verfolgt nach Angaben der Firma das Ziel, dem drohenden "Protektionismus" in einem künftigen europäischen Binnenmarkt zu begegnen. In der Anfangsphase sollen die einzelnen Computerteile aus Taiwan importiert und in Heerenveen zusammengesetzt werden.

Unterdessen gab der Verband der Computerhersteller in Stadt und Kreis Taipei Anfang Januar bekannt, daß seine Mitgliederfirmen in beträchtlicher Zahl an der im Oktober dieses Jahres in München stattfindenden Computermesse "System 91" teilnehmen werden. Zur Unterstützung ihrer Mitglieder hat sich der Verband bereits eine entsprechende Ausstellungsfläche auf der alle zwei Jahre veranstalteten Messe gesichert. Bisher hatten sich Hersteller aus Taiwan vor allem auf die im März jeden Jahres stattfindende Computermesse in Hannover konzentriert.

Wie aus Kreisen der Computerindustrie verlautete, hat die Branche in jüngster Zeit das Hauptziel ihrer Verkaufspolitik von Nordamerika auf Europa verlagert. Bereits jetzt liegt das Verhältnis von Exporten nach Nordamerika und nach Europa in Stadt und Kreis Taipei produzierten Computern bei 30-40% zu 60-70%.

Neue Bankfilialen in Amsterdam - Deutsche Bank Taipei erstmals von einheimischer Managerin geleitet
Nach der International Commercial Bank of China und der Communications Bank of China haben mit der Medium Business Bank of Taiwan und der Chang Hwa Commercial Bank zwei weitere Banken aus der Republik China Zweigbüros in Amsterdam eröffnet. Amsterdam steht damit auf Platz eins des Interesses hiesiger Geldinstitute an Kontakten vor Ort in Europa, gefolgt von London mit zwei Büros und Paris mit einem.

Unterdessen erklärte die Bank of Taiwan, das führende Finanzinstitut der Republik. China, daß sie innerhalb der nächsten zwei Jahre Filialen in Frankfurt, den Niederlanden, London, Los Angeles, Südafrika und Tokyo eröffnen will. Speziell die Filiale in den Niederlanden ist als ein Stützpunkt innerhalb des künftigen europäischen Binnenmarkts gedacht, während London wegen seiner weltweiten Bedeutung als Finanzplatz gewählt wurde.

Bisher hatten sich die einheimischen Banken wegen sprachlicher und gesetzlicher Barrieren sowie mittelmäßiger Profitaussichten in Europa ganz auf den nordamerikanischen Markt konzentriert. Es scheint, daß nun eine Umkehrung dieses Trends zu verzeichnen ist.

Neue Direktorin der Filiale der Deutschen Bank in Taipei ist seit Anfang Februar die bisherige stellvertretende Direktorin Sharon Fong. Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte der hiesigen Bankenweit die Filiale einer ausländischen Bank von einem Manager bzw. einer Managerin aus Taiwan geleitet. Neuer stellvertretender Direktor der Deutschen Bank Taipei ist diesmal ein Deutscher.

Verstärkte Bemühungen um den Umweltschutz
Auf einem Seminar der Nationalen Taiwan-Universität hat der Leiter des Amtes für Umweltschutz (EPA), Eugene Chien, den gegenwärtigen Stand der Umweltproblematik erläutert. Nach seinen Angaben sind etwa 600 Umweltinspektoren an Überwachungsprojekten in allen Bereichen des Umweltschutzes beteiligt. Gegen Ende des Jahres soll ein vollständiges Inspektionsnetzwerk installiert sein. Chien zeigte in seinem Vortrag, daß dabei die Luftverschmutzung noch das geringste Problem sei. Hier habe es die meisten Fortschritte gegeben, und seit letztem Juli sähen sich die Kraftfahrzeughalter auf Taiwan mit einem der strengsten Emissionsgesetze der Welt konfrontiert.

Problematischer sei die Verschmutzung des Wassers, vor allem durch Haushaltsabfälle und Schweineexkremente von Zuchtfarmen. Das größte Problem, bedingt durch die hohe Bevölkerungsdichte auf Taiwan, sei der Müll. Jeder der 20 Millionen Einwohner verursache durchschnittlich 1,2 kg Abfall pro Tag. Chien hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Bemühungen um Wiederverwertung hervor.

Unterdessen häuften sich in schneller Folge Anzeichen für ein entsprechendes Umdenken in der Industrie. Im Oktober des vergangenen Jahres hat die Taiwan Recycling Corporation (TRC) , ein Joint-venture der Faserhersteller Far Eastern Textiles und Pan Asia, im Kuanyin Industrial Park bei Taoyuan die erste Anlage zur Wiederaufbereitung von Flaschen aus Polyäthylen-Terephthalaten (PET) in ganz Asien eröffnet. Die Kosten für die Anlage beliefen sich auf 280 Millionen NT$. Neben anderen Beamten war auch der Leiter des Amtes für Umweltschutz anwesend, der selbst das Band durchschneiden durfte. Dr. Allen Yeh, der Präsident von TRC, dankte in seiner Eröffnungsansprache unter anderem der Coca-Cola Pacific Group und Mitgliedern eines Verbandes einheimischer Getränkehersteller für die Mitwirkung an dem Projekt und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, daß andere Industriezweige dem Beispiel folgen und ihr Abfall-Management verbessern werden.

Sodann wurde laut einer Pressemitteilung des Amtes für Umweltschutz zum 1. Januar die Wiederaufbereitung von Aluminium aufgenommen. Eine Vereinigung von Aluminiumherstellern hat mit dem Betreiber von landesweit 15 Mülldeponien einen entsprechenden Vertrag geschlossen und finanziert das Sammeln von Aluminiumabfällen auf diesen Abfallstätten. Für dieses Jahr hat die EPA die Wiederaufbereitung von 30 Prozent der gesamten gegenwärtig auf dem Markt befindlichen Aluminiummenge als Ziel gesetzt. - Die Hersteller von Dosen etablierten am 5. Januar mit der Waste Can Recycling Foundation einen ähnlichen organisatorischen Rahmen. Ermutigend ist auch der Zugewinn an Popularität, den Umweltschutzpapier bei Verlagen und auflageträchtigen Buchautoren zu verzeichnen hat. Beispielsweise wurde die Buchfassung des Drehbuchs zu dem mehrfach preisgekrönten Film "Bis ans Ende der Welt" auf solchem Papier gedruckt.

Ein Durchbruch schließlich gelang mit Blick auf die hohen Schwefelemissionen einheimischer Fabriken und Kraftwerke. Das Forschungsinstitut für Industrietechnologie hat der Öffentlichkeit das erste auf Taiwan entwickelte System zur Entschwefelung vorgestellt. Damit haben die Industrie und der Energiesektor erstmals die Möglichkeit, ihre Anlagen preisgünstig mit derartiger Technik nachzurüsten. Das Institut schätzt das Potential für dieses System auf dem Binnenmarkt auf 2,6 Milliarden US$.

Weitere Zahlen belegen die Größenordnung des Umdenkens. Nach Angaben von Yang Chih-ang, einem technischen Berater im Amt für Umweltschutz, soll in den nächsten sechs Jahren mehr als eine Billion NT$ bzw. ungefähr 37 Milliarden US$ für den Umweltschutz aufgewendet werden. Für etwa die Hälfte der Kosten wird die Regierung aufkommen, ein Viertel wird von staatseigenen Firmen investiert werden, und den Rest soll die Privatwirtschaft übernehmen.

Entsprechend häufen sich die Aktivitäten ausländischer Firmen, die sich auf Umweltschutztechnologie und -beratung konzentrieren. So kündigte die amerikanische Philips ihre Entscheidung an, Taiwan zum gesamtasiatischen Zentrum für den Verkauf entsprechender Ausrüstung zu machen. Frank Lee, Vizepräsident des Amtes für Umweltschutz, wies darauf hin, daß diese Branche mit einer voraussichtlichen Jährlichen Wachstumsrate von 20 Prozent auf dem hiesigen Markt zu den zehn bedeutendsten der neunziger Jahre zählen wird, und erklärte, daß man bei der Erteilung von Zuschlägen an ausländische Bieter vor allem auf den Transfer von entsprechendem technologischem Know-how achten werde.

Unter kritischer Bezugnahme auf die schwache Rolle des vor drei Jahren gegründeten und dem Exekutiv-Yüan unterstellten Amtes für Umweltschutz hat die "New Environment Foundation" (NEF) am 6. Februar ein Umweltinstitut geschaffen, dessen Ziel es ist, die Regierung zu einer administrativen Aufwertung des Amtes für Umweltschutz zu bewegen. Das Amt hat gegenwärtig noch kein Stimmrecht im Kabinett und ist deshalb bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Wirtschaftsministerium oder dem Rat für Wirtschaftliche Planung und Entwicklung im Nachteil. Auf Einladung der Stiftung haben daher namhafte Politiker verschiedener Parteien ein eigenes "Umweltministerium" gebildet, das dem Kampf für die Umwelt stärkeres Gewicht verleihen soll. Offiziell geleitet wird das Pseudo-Ministerium von dem neunjährigen TV-Star Hsia Cheng-hao, was den Trend unterstreicht, Kindern frühzeitig eine tragende Rolle beim Umweltschutz zu geben. "Das Denken von Kindern ist rein und ohne Verschmutzung", stellte Tsai Sung-lin, Präsident von NEF, lakonisch fest. Neben verschiedenen spektakulären Aktionen plant die neugegründete Institution außerdem, Daten zur Lage der Umwelt auf Taiwan zu sammeln und diese Informationen über eine stehende Telefonverbindung verfügbar zu machen sowie in einer Monatszeitschrift zu veröffentlichen. Ferner will das Institut ein Umweltschutzsymbol für umweltfreundliche Produkte vergeben und eine Umweltschutzpolizei aufstellen.

Das Amt für Umweltschutz hat unterdessen konzediert, daß aufgrund der geringen Zahl von Inspektionen und minimaler Strafen weite Teile der Industrie Taiwans es unterlassen haben, angemessene Einrichtungen zum Schutz der Umwelt zu installieren, und kündigte ein hartes Durchgreifen an, dessen erste Phase am 30. April dieses Jahres enden soll. Auf einer Pressekonferenz erläuterte Lee Kung-tse, der Direktor der Abteilung für die Provinz Taiwan des Amtes für Umweltschutz, die zehn zentralen Vorhaben seiner Behörde für 1991, das "Jahr des Handelns für die Umwelt" auf Taiwan. Neben der genauen Überwachung von circa 720 Fabriken sowie 32 Flüssen und Ermittlungen über die Verseuchung landwirtschaftlicher Nutzflächen mit Schwermetallen sollen des weiteren das Problem der Abfalbeseitigung in Angriff genommen und die Umweltschutzerziehung in den Schulen vorangetrieben werden.

Hundertster Geburtstag Hu Shih's gefeiert
Am 17. Dezember feierte die Republik China den - nach chinesischer Altersrechnung - hundertsten Geburtstag einer der bedeutendsten Gestalten der modernen chinesischen Geistesgeschichte, des Denkers und Gelehrten Hu Shih (1891-1962).

Hu, von 1910 an Regierungsstipendiat in den Vereinigten Staaten und seit seiner Rückkehr im Jahre 1917 Professor an der Peking-Universität, war eine der zentralen Persönlichkeiten der sogenannten "Vierten-Mai-Bewegung", die sich, ausgehend von Studentendemonstrationen im Mai 1919, eine umfassende Erneuerung der chinesischen Kultur und des politischen Lebens zum Ziel gesetzt hatte. Damals tat sich Hu durch seine leidenschaftlichen und vielfach mißverstandenen Attacken gegen bestimmte Aspekte der chinesischen Tradition hervor, die er als hinderlich für die Entwicklung einer modernen und demokratischen Gesellschaft und für die Einführung der westlichen Wissenschaft ansah. Seine wohl bedeutendste Leistung liegt jedoch in der Propagierung der Umgangssprache als moderne chinesische Schriftsprache anstelle des klassischen Chinesisch, eine Neuerung, die nicht nur das Entstehen der modernen chinesischen Literatur ermöglichte, sondern schlechthin die Grundlage für die Modernisierung von Bildung, Wissenschaft und Kultur in China schuf.

Daneben leistete Hu Shih Bedeutendes als Erforscher der Literatur- und Geistesgeschichte Chinas. Wichtige Ämter, die er bekleidete, waren die des Botschafters der Republik China in den USA (1938-1942) und des Präsidenten der Peking-Universität (1946-1948). Ab 1949 hielt sich Hu Shih vorwiegend in den Vereinigten Staaten auf, ehe er im Jahre 1958 endgültig nach Taiwan übersiedelte, wo er bis zu seinem Tod Präsident der Academia Sinica war.

Hu Shih's Geburtstag wurde in Taiwan mit zahlreichen Veranstaltungen gefeiert, so etwa mit einer Reihe von Vorträgen und Seminaren, der Ausgabe von Gedenkmarken und der 18 Bände umfassenden Publikation seiner Tagebücher, die eine einzigartige dokumentarische Quelle für die jüngere chinesische Geschichte darstellen. Zahlreiche Zeitschriften brachten Sondernummern über Leben und Denken Hu Shih 's heraus. Das Historische Museum schließlich zeigte eine umfangreiche und vielbesuchte Gedächtnisausstellung, in der neben einer Dokumentation zu Hu's Leben und Werk eine Fülle von Manuskriptbeispielen, Photodokumenten und persönlichen Erinnerungsstücken versammelt waren. Einen Eindruck von dem frugalen Lebensstil des Gelehrten gab eine exakte Nachstellung der Räume, die Hu Shih bis zu seinem Tod in der Academia Sinica in Nankang bewohnt hatte, mit Hilfe der originalen Möbel und Gegenstände.

Diese erste Ausstellung dokumentarischer Art, die das Historische Museum veranstaltet, soll, so sein Direktor Chen Kang-shun, als Muster für weitere Projekte dienen: in Zukunft will sich das Museum nicht mehr allein auf die Präsentation von Gemälden und Altertümern beschränken, sondern sich auch auf die dahinterstehenden Weltanschauungen und Persönlichkeiten konzentrieren.

Taipeis Stadtgott feiert 170. Jahrestag
Riesige Wimpel waren überall in der Tihua-Straße im Nordwesten Taipeis aufgehängt, um den Göttern und Geistern den Weg zu den Feierlichkeiten zu zeigen, und "Laternen des Friedens" erleuchteten die ganze Gegend. Vom 30. 12. bis zum 6. Januar verstopften, anstelle von Einkaufenden, die Gläubigen, die sich dieser Tage aus religiösen Gründen mit vegetarischer Kost begnügten, die enge Straße. Taoistische Priester hielten täglich religiöse Zeremonien ab, unter anderem für den Erfolg der Prüfungskandidaten in Schulen und Universitäten, und Forscher zeichneten alle Vorgänge auf, um das Wissen über die traditionelle Folklore und die religiösen Rituale für Götter und Wandergeister zu untersuchen und zu bewahren.

Um die Jahreswende jährte sich zum 170. Mal die Ankunft der in Linhaimen im Landkreis Tungan in der Provinz Fukien beheimateten Gottheit Ch'eng-huang-yeh hier auf Taiwan. Zuerst war sie nur in einem Schrein einer Bäckerei in Taipeis Tataocheng-Bezirk verehrt worden, doch deren blühende Geschäfte überzeugten auch die anderen Anwohner von den Fähigkeiten des Gottes, und so ging man an den Bau des ersten Tempels. In den Jahren 1856-59 schließlich wurde der Taipeier Stadtgottheit in der Tihua-Straße der Hsia-hai Ch'eng-huang-Tempel gebaut, welcher heute als ein Kulturdenkmal der Kategorie dritter Klasse eingestuft ist. Der Gott selbst hat nun eine Reputation für seine Hilfe beim Wiederfinden verlorener Gegenstände sowie bei Bitten um ein Leben in Wohlstand.

Die besonderen Attraktionen der diesjährigen Feierlichkeiten waren zum einen, daß erstmals seit 1821 ein Abbild des Gottes von seinem Ursprungstempel auf dem Festland nach Taiwan gebracht worden war, zum anderen die Abhaltung einer speziellen, Chien-chiao genannten Feier zur Darbietung vegetarischer Opfer, bei der besondere Reinheitsvorschriften zu beachten sind. In den Tagen davor ist den Teilnehmern nur vegetarische Kost erlaubt, und während der Feier dürfen sich nur Priester im Tempel aufhalten. Diese müssen sich vor dem Betreten ihrer Schuhe, Gürtel und Wollsachen, also aller Kleidungsstücke aus Material tierischen Ursprungs, entledigen. Frauen haben grundsätzlich keinen Zutritt wegen des möglichen Auftretens einer Monatsblutung. Die Gläubigen können während der Abhaltung der Zeremonie um Schutz vor Katastrophen und ähnliche Segen erbitten, den Geistern von Verstorbenen Respekt bezeugen oder ein Gelübde erfüllen.

Weitere Stadtgottheiten bzw. ihre Votivbilder wurden aus ganz Taiwan zum Hsia-hai Ch'eng-huang-Tempel transportiert, und die bereits erwähnten Wimpel und Laternen luden alle anderen für das Wohl von ganz Taiwan zuständigen Götter und Geister zu den Feierlichkeiten ein.

Am 6. Januar schließlich wurden, nachdem man ihnen gedankt und sie verköstigt hatte, die feierlich errichteten Bambusmasten, an denen die Wimpel und Flaggen aufgehängt waren, umgestoßen - für die zum Fest erschienen Götter und Geister das Signal zum sofortigen Aufbruch, um die Menschen wieder ungestört ihren alltäglichen Geschäften nachgehen zu lassen. Das Datum für die nächste große Feierlichkeit steht schon fest: Am 13. Tag des fünften Monats im chinesischen Mondkalender hat der Stadtgott Geburtstag.

Auch Taipei im Zeichen des "Mozart-Jahres"
Der Auftakt zum "Mozart-Jahr" 1991 wurde auch in Taipei mit zahlreichen Konzerten und Veranstaltungen gefeiert und gab den Anlaß zu einer Reihe von Auftritten berühmter internationaler Künstler und Ensembles. So spielte am 3. und 4. Januar das Wiener Mozart-Orchester (in Kostümen des 18. Jahrhunderts) in der Nationalen Konzerthalle. Am 14. und 15. 1. fand in der Sun Yat-sen-Gedächtnishalle ein Konzert der London Mozart Players statt, mit denen der bulgarische Violinist Vasko Vassilev, der russische Geiger Grigorij Schischlin sowie das zwölfjährige Violinwunderkind Vanessa-Mae Nicholson als Solisten auftraten. Darüber hinaus präsentierte das Ensemble zusammen mit hiesigen Künstlern zwei sehr ungewöhnliche Mozart-Erlebnisse: das D-Dur-Flötenkonzert in einer Fassung für chinesische Bambusflöte und das G-Dur-Violinkonzert, bearbeitet für die Kniegeige Erh-hu. Die chinesischen Solisten waren Chen Chung-shen und Wen Chin-long.

Die spektakulärsten Mozart-Konzerte des Jahresanfangs waren jedoch zweifellos die Auftritte des international renommierten, in Paris ansässigen Pianisten Fou Tsong und des Warschauer Sinfonieorchesters, die vom 24. bis zum 31. Januar in fünf Städten Taiwans spielten. In zwei parallelen Programmen wurden dabei insgesamt sechs späte Klavierkonzerte des Komponisten vorgestellt.

Weitere Aktivitäten zur Erinnerung an den vor zweihundert Jahren verstorbenen Meister waren acht Vorträge des Musikwissenschaftlers Dr. Liu Chi-wei unter dem Gesamttitel "Wer ist Mozart?" in der Nationalen Konzerthalle und eine Serie von Filmen über das Leben und die Musik Mozarts, die den Februar hindurch im audiovisuellen Zentrum des Chiang Kai-shek-Kulturzentrums gezeigt wurden.

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