02.05.2025

Taiwan Today

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Ein neues Finanzzentrum für Asien?

01.01.1991
In den vergangenen Jahren hat die Zentralbank der Republik China wichtige Schritte zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs unternommen.
In dem Bestreben, Taipei zu einem internationalen Finanzzentrum zu machen, hat die Zentralbank der Republik China kürzlich zwei wichtige Schritte unternommen, um Taiwans erst seit einem Jahr bestehenden Markt für jederzeit kündbare Devisendarlehen auszuweiten. Der Markt ist deshalb so wichtig, weil er allen Teilnehmern, die harte Devisen benötigen, eine bequeme Möglichkeit bietet, kurzfristige Kredite in ausländischer Währung aufzunehmen. Zuvor mußte Taiwan dafür auf das Kapital ausländischer Finanzierungsdienste wie etwa der Interbank in Singapur zurückgreifen.

Eine der Maßnahmen der Zentralbank war es, weitere 1,5 Milliarden US$ (ein Drittel davon in Deutscher Mark) zur Ankurbelung des Marktes bereitzustellen. Das hat die Gesamtmenge der Gelder, die die Bank seit ihrem ersten derartigen Vorgehen im August 1989 zur Verfügung gestellt hat, auf 5,5 Milliarden US$ anwachsen lassen.

Ein weiterer Schritt war, den Teilnehmerkreis des Marktes durch die Zulassung von Devisenmaklern und Banken aus aller Welt, die mit Taiwans ausländischen Banken assoziiert sind, auszuweiten. Zwei bislang ungenannte multinationale Devisenmakler werden bereits Ende 1990 dem Taipeier Markt beitreten.

Gegenwärtig werden Vereinbarungen getroffen, den Taipeier Markt mit dem Interbank-Markt in Singapur zu verbinden, um ihn so zu einer Erweiterung des europäischen und des asiatischen Währungsmarktes zu machen. Die geplante Anbindung zielt speziell darauf, Taipei zu einem Währungsmarkt auszuweiten, auf dem sowohl in- als auch ausländische Finanzgesellschaften Anleihen aufnehmen und gewähren können.

Wie kürzlich ein hochrangiger europäischer Bankier in Taipei betonte, besitzt die Stadt alle Voraussetzungen für ein Finanzzentrum. Bereits ihre geographische Lage macht sie für eine solche Rolle geeignet; auch sind der Außenhandels- und der Binnenmarkt Taiwans größer als die der benachbarten Finanzzentren Hongkong und Singapur.

Doch zentrale Lage und Marktpotential allein reichen nicht aus, damit Taipei ein solches Ziel erreichen kann. Dazu bedarf es zweier weiterer wichtiger Dinge: der Markt muß offen sein für ausländische Finanzgesellschaften, und es muß gestattet sein, Kapital ungehindert von und nach Taiwan zu transferieren. Das wird nur möglich sein, wenn die Bestimmungen über Kapitalbewegungen liberalisiert und die Kontrolle über die Teilnahme ausländischer Dividendenpapiere am hiesigen Finanzmarkt gelockert werden. Natürlich muß sich Taipei auch nach Durchführung all dieser Änderungen im Wettbewerb mit Hongkong und Singapur behaupten. Dies aber ist kaum möglich ohne eine generelle Verbesserung des Finanzsystems in Taiwan.

Zwar hat die Regierung der Republik China in den vergangenen Jahren auf den genannten Gebieten bereits viel zur Liberalisierung des Finanzmarktes getan, aber eben noch nicht genug. Ein Beispiel dafür sind ausländische Investitionen in wichtige finanzielle Dienstleistungen wie Bankwesen und Börse. Das Bankengesetz, zuletzt im Juli 1989 revidiert, gestattet es Filialen ausländischer Banken, in Taiwan Kontoabteilungen einzurichten. Diese Zweigstellen dürfen Spareinlagen und Festgelder annehmen, die dann zur Gewährung langfristiger Kredite verwendet werden können. Darüber hinaus ist es den Filialen ausländischer Banken jetzt gestattet, Treuhandabteilungen einzurichten und Lizenzen für das Wertpapierversicherungs-, Makler- und Aktienhandelsgeschäft zu beantragen.

Aufgrund hoher Qualifikationsanforderungen haben bisher nur wenige Banken aus dem Ausland in Taiwan Filialen eröffnen können - ein Hindernis für die Internationalisierung des Finanzplatzes Taipei.

Doch hat es bisher keine Änderung in den außerordentlich strengen Qualifikationsanforderungen gegeben, die an ausländische Banken, die Filialen in Taiwan eröffnen möchten, gestellt werden. Um diesen Anforderungen zu entsprechen, muß eine ausländische Bank über eine mindestens zehnjährige Erfahrung im Geschäft mit Banken in Taiwan besitzen. Ihr jährliches Geschäftsvolumen muß in den drei Jahren vor Antragstellung jeweils eine Milliarde US$ oder darüber betragen. Qualifiziert ist eine ausländische Bank auch dann, wenn sie seit mindestens einem Jahr eine Repräsentanz in Taipei unterhält, Geschäfte in einem Umfang von mindestens einer Milliarde US$ mit inländischen Banken und Gesellschaften getätigt hat und, was den Umfang ihrer Vermögenswerte angeht, eine der 500 größten Banken der Welt ist. Die letztgenannte Bestimmung, im März 1990 verfügt, stellt bereits eine Lockerung der viel anspruchsvolleren Forderung dar, daß die Muttergesellschaft unter den 150 größten Banken der Weltrangieren müsse. Schließlich dürfen nur zwei Filialen ausländischer Banken pro Jahr eröffnet werden.

Diese strikten Bestimmungen haben viele ausländische Banken daran gehindert, nach Taiwan zu kommen, auch wenn sie sich wirklich darum bemühten. Das erklärt, warum es in Taiwan nur 38 ausländische Banken gibt, obgleich es schon drei Jahrzehnte her ist, daß die japanische Dai-Ichi Kangyo Bank als erste ausländische Bank eine Filiale auf Taiwan eröffnete.

Was ausländische Investitionen auf Taiwans Aktienmarkt betrifft, so ist fremdem Kapital der Zugang zur hiesigen Börse nur indirekt, durch autorisierte Investmentfonds, gestattet. Eine Reihe von Firmen mit ausländischem Kapital hat vergebens gefordert, auf dem Aktienmarkt investieren zu dürfen. Die Behörden haben ihre Bitte mit der Begründung zurückgewiesen, daß Filialen ausländischer Firmen keine juristischen Personen seien und deshalb nicht für Investitionen auf dem hiesigen Aktienmarkt qualifiziert seien. Noch sind ihnen Investitionen im Namen ihrer Muttergesellschaften gestattet, die die genannte Bedingung erfüllen. Der von der Kommission für Wertpapiere und Devisen angegebene Grund dafür ist, daß ausländische Gesellschaften gewöhnlich recht groß seien und die lokale Börse leicht durch Käufe und Verkäufe in großem Maßstab beeinflussen könnten.

Die Kommission hat sich bereit erklärt, es ausländischen Versicherungsgesellschaften zu gestatten, ihr Geschäftskapital und ihre gesetzlichen Rücklagen für den Ankauf hiesiger Aktien und anderer Wertpapiere zu verwenden. Einer ihrer Beamten ließ verlauten, man wolle ausländischen Versicherern damit eine gleiche Behandlung wie Inlandsgesellschaften zukommen lassen und es ihnen gestatten, mit entsprechenden Firmen in Taiwan auf gleicher Ebene zu konkurrieren.

Anfang letzten Jahres gab die Kommission den Anträgen von Merrill Lynch & Co. und Shearson Lehman Hutton Inc. statt, als erste ausländische Maklerfirmen Filialen in Taipei eröffnen zu dürfen. Nur diese beiden Firmen hatten sich um die drei von der Regierung angebotenen Lizenzen beworben. Die Lizenzen gestatten es den Firmen, sowohl mit inländischen als auch mit ausländischen Wertpapieren zu handeln.

Aufgrund strenger Qualifikationsanforderungen, die vom Antragsteller ein Kapital von mehr als 2 Milliarden US$ und Vermögenswerte von insgesamt über 20 Milliarden US$ verlangen, haben sich kaum weitere Maklerfirmen um die Zulassung zum hiesigen Markt beworben. Die vier großen japanischen Wertpapierfirmen kämen in Frage, doch die japanische Regierung hat ihnen von einer Bewerbung abgeraten, da sie fürchtet, dies könne den Beziehungen zu Festlandchina Schaden zufügen. Um das Problem zu umgehen, planen die vier angeblich, über ihre ausländischen Tochtergesellschaften in hiesige Maklerfirmen zu investieren.

Fachleute sind der Ansicht, daß Taipei nur dann seine finanziellen Dienstleistungen verbessern und ein internationales Finanzzentrum werden kann, wenn es die Regierung ausländischen Firmen gestattet, auf Taiwans Aktienmarkt zu investieren (dessen tägliches Volumen und Kapital immerhin größer ist als das von Hongkong, Singapur, Bangkok und Jakarta zusammengenommen).

Auch muß Taipei die Kontrolle über den Kapitalverkehr lockern. Wichtige Schritte zur Liberalisierung der Devisenkontrollen hat die Zentralbank bereits seit Mitte 1987 unternommen. Zunächst wurde das Verbot von Transaktionen auf Girokonten aufgehoben, und es wurde Bürgern der Republik China zum erstenmal gestattet, unbeschränkt ausländische Währungen zu besitzen und über sie zu verfügen. Was Transaktionen auf Kapitalkonten betrifft, so kann eine Firma oder ein Erwachsener ausländische Währungen bis zu einem Betrag von 5 Millionen US$ jährlich erwerben, ohne vorher eine Genehmigung einholen zu müssen. Bezüglich der Verwendung solcher Überweisungen ins Ausland bestehen keine Beschränkungen.

Seit 1987 dürfen Bürger der Republik China unbeschränkt ausländische Währungen besitzen - doch viele Devisenkontrollen sind noch immer vorhanden.

Viele Devisenkontrollen sind noch immer vorhanden. Zum Beispiel verbietet es eine Bestimmung der Zentralbank sowohl in- als auch ausländischen Banken, Kredite aus dem Ausland aufzunehmen, die ihr eigenes Geschäftsvolumen übersteigen, oder innerhalb eines Tages Devisenverkäufe zu tätigen, deren Wert die Menge der täglichen Einkäufe um mehr als 6 Millionen US$ übersteigt. Ferner sind Überweisungen nach Taiwan auf 2 Millionen US$ (bis Mitte Juli 1990: 1 Million) pro Jahr und Person oder Gesellschaft beschränkt, obgleich andere Bestimmungen auf diesem Gebiet kürzlich gelockert wurden.

Die Beschränkungen wurden vor etwa drei Jahren von der Zentralbank verfügt, um das Einströmen von Spekulationsgeld, mit dem aus Wechselkursdifferenzen und der stetigen Wertsteigerung des NT-Dollars Kapital geschlagen werden sollte, unter Kontrolle zu halten. Doch seit ihrer Einführung sind diese Restriktionen im In- und Ausland stets heftig kritisiert worden. Die Vereinigten Staaten zum Beispiel legen diesen Obergrenzen für ausländische Verbindlichkeiten und Leerverkäufe zur Last, daß sie den Banken eine effiziente Transferierung von Devisen in die USA erschweren.

Besonders hart ist Washingtons Kritik an der Beschränkung der Überweisungen nach Taiwan. Beamte des amerikanischen Finanzministeriums betrachten das Limit als ein Mittel der Regierung, eine Wertsteigerung des NT-Dollars zu verhindern. Erst kürzlich, im Mai 1990, haben die US-Behörden von Taipei aufs neue die Aufhebung dieser Beschränkung verlangt, ebenso wie die der Restriktionen für die Ausfuhr von Anleihen in Fremdwährung und für Devisenverkäufe, die die täglichen Einkäufe übersteigen.

In der Tat sollte die Zentralbank diese Beschränkungen insoweit lockern, als der ursprüngliche Grund für ihre Auferlegung nicht mehr vorhanden ist. Der NT-Dollar hat schon seit langem aufgehört, im Wert zu steigen; ja er ist seit Anfang 1990 unter beständigen Abwärtsdruck geraten. Hätte die Zentralbank nicht interveniert, wäre der NT-Dollar mittlerweile bereits unter die Marke von 27,50 pro US-Dollar gesunken.

Der Abwärtstrend des NT-Dollars hat den Anreiz, Spekulationsgelder nach Taiwan fließen zu lassen, zunichte gemacht. Statt dessen erfährt Taiwan jetzt einen rapide ansteigenden Abfluß von Kapital für Investitionen in Produktionsstätten, Immobilien, Wertpapieren und Devisen im Ausland. Nach dem Verkaufsüberhang auf dem Taipeier Devisenmarkt zu schließen, betrug der Kapitalabfluß in den ersten fünf Monaten dieses Jahres insgesamt 7 Milliarden US$. Folglich müßte die Zentralbank das 2-Millionen-US$-Limit für Überweisungen nach Taiwan erhöhen, um ein Gegengewicht für die 5-Millionen-Dollar-Grenze für Überweisungen ins Ausland zu schaffen und so den Zustrom von Kapital anzuregen.

Die Lockerung der Beschränkungen für Überweisungen nach Taiwan erscheint auch notwendig, um den Bedürfnissen der Investoren gerecht zu werden. Da Taiwans Auslandsinvestitionen im Begriff sind, auf mehr als zehn Milliarden US$ jährlich anzuwachsen, müssen notwendig auch die jährlichen Überweisungen von Kapitalerträgen und Reingewinnen durch hiesige Investoren anwachsen, und die strengen Obergrenzen für den Kapitalzufluß aus dem Ausland sind für die von ihnen benötigten Überweisungen sicherlich zu niedrig.

Der Zentralbank kann die Notwendigkeit, die Kontrollen über das Devisenmanagement zu lockern, unmöglich entgangen sein. Offensichtlich hat sie bisher gezögert, entsprechend zu handeln, weil der zunehmende Kapitalabfluß auch ein vorübergehendes Phänomen sein könnte, verursacht durch die sozialen und politischen Unruhen in diesem Jahr. Wenn die öffentliche Sicherheit durch erfolgreiche Reformen und eine wiedergewonnene politische Stabilität wiederhergestellt werden kann, dürften sich Kapitalanlagen im Inland wieder vermehren und Investitionen im Ausland, welcher Art auch immer, verringern. Sobald dies geschieht, ist es sehr wahrscheinlich, daß die USA auf den zur Zeit noch fallenden NT-Dollar erneut Druck ausüben und seine Aufwertung verlangen werden.

In der Tat hat der jüngste Wertverlust des NT-Dollars in Washington bereits Besorgnis hervorgerufen. Sprecher des amerikanischen Finanzministeriums sagten, die Vereinigten Staaten würden sich jedem weiteren Kursverfall widersetzen. Sie fordern, daß der NT-Dollar in Anbetracht des fortgesetzt großen Außenhandelsüberschusses der Republik China gegenüber den USA in den kommenden Monaten aufgewertet werden müsse. Zur Bekräftigung ihrer Ansicht führen die amerikanischen Beamten die Studien zweier privater amerikanischer Organisationen an: Merrill Lynch sagt voraus, daß der NT-Dollar vor Ende dieses Jahres einen Höchststand von 25 NT$ pro US$ erreichen wird, während das International Institute of Economics Taiwans Währung gar noch höher, nämlich auf 23,2:1 und mehr im Verhältnis zur US-Währung steigen sieht.

Gewöhnlich schwankt der Wert einer Währung je nach den Veränderungen der Wirtschaftslage. Daher sollten die Kräfte des Marktes bestimmen dürfen, ob der Neue Taiwan-Dollar steigt oder fällt. Wer seinen Trend in der einen wie der anderen Richtung zu beeinflussen sucht, hat selten Erfolg und trägt nur dazu bei, den Markt zu verzerren. Darüber hinaus sind Kontrollen des Kapitalflusses nur geeignet, Ausländer von Investitionen in Taiwans Finanzmarkt abzuhalten. Kurz gesagt: die Regierung muß ihre Gesetze und Bestimmungen im Hinblick auf eine freie Beteiligung von Ausländern am hiesigen Finanzmarkt weiter liberalisieren, und sie muß ein Umfeld für einen freien Kapitalfluß schaffen, wenn es denn wirklich ihr fester Wille ist, Taipei zu einem internationalen Finanzzentrum zu machen.

(Deutsch von Klaus Gottheiner)

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