12.05.2025

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Compukids heranbilden

01.04.1997
Mit der Ausbildung in Computer­wissenschaften kann gar nicht früh genug begonnen werden. In Tai­wans Bildungspolitik hat die Förde­rung dieses Fachs höchste Priorität. Im Herbst 1997 wird dieses Fach offiziell in die Lehrpläne der Mittel­schulen aufgenommen werden. Kritikern geht selbst das noch nicht schnell genug.
Die Pläne für die Aufnahme des Fachs Informationswissenschaften in den Schulunterricht stellen einen Teil der großen Kampagne zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Taiwans dar. Die Grundschulen erscheinen auf der Prioritätenliste jedoch unter ferner liefen. Der Computerunterricht für die Sechs- bis Dreizehnjährigen ist größtenteils von den Anstrengungen engagierter Einzelpersonen und Geldgeber abhängig.

Die Schulglocke ertönt, und vierzig Sechstkläßler in der Chao-Liao-Grundschule im Kreis Kaohsiung rennen zum Computerraum. Ihre Begeisterung ist nicht zu übersehen. Noch bevor der Lehrer zum Unterricht erscheint, haben die Schüler bereits ihre Computer eingeschaltet und sich an die Arbeit gemacht.

Hung Huei-ling (洪慧鈴) holt sich sofort das "Schwarze-Brett-System" (Bulletin Board System - BBS) einer nahegelegenen Berufsfachschule auf den Bildschirm und beginnt ein On-line-Gespräch in Chinesisch. Im Schulcomputer kann sie auch Computerspiele spielen, und manchmal schickt sie E-Mail-Botschaften an den Schulleiter, ihre Lehrer und sogar ihre Mitschüler - eine ganz einfache Sache, wenn jeder in der Schule eine persönliche E-Mail-Adresse hat. "Ich habe schon viele Sachen ins BBS gespeist", sagt sie schüchtern. "Geistergeschichten und sowas. Gerade habe ich eine offene Forderung geschrieben, daß unsere Abschlußreise drei Tage dauern sollte - eigentlich ist nur ein Tagesausflug geplant. Für mich ist der Computer die Möglichkeit, meine Ideen und Meinungen auszudrücken."

Wu Meng-yu (吳孟瑜) ist eine ebenso enthusiastische "Quasselstrippe". Sie hämmert sofort auf die Tastatur ein und versucht, das Geschlecht und die Schule ihres neuesten Plauschpartners herauszufinden, während sie gleichzeitig überlegt, worüber sie heute schwatzen sollen. Sie benutzt das Grafikprogramm häufig, um Geburtstagskarten zu entwerfen. Im letzten Halbjahr hat sie damit sogar die kleine Klassenzeitung gestaltet. Auch hat sie versucht, im Internet nach Nachschlagematerial zu suchen, hat aber bisher nicht viel finden können. "Der Computer ist ein tolles Lernwerkzeug", findet sie. "Meine Lehrerin gibt nach der Stunde immer gleich ein, was sie gerade unterrichtet hat. Wenn ich es wiederholen will, brauche ich mir nur das BBS anzusehen. Es ist, als hätte man zwei Lehrer."

Die Großzügigkeit mancher Eltern hat einigen Schulen Computer und andere Geräte beschert. Der Lernerfolg wird durch Ermutigung und Förderung daheim noch erhöht.

Shih Huei-fang (施惠方) surft am liebsten mehr oder weniger wahllos im Netz umher. Aber ihr besonderes Interesse gilt der Lösung komplizierter Aufgaben. Einmal hat sie eine Mathematikaufgabe, die jemand ins Internet gespeist hatte, gelöst. Kurz darauf erhielt sie von der Person, von der die Aufgabe stammte, ein E-Mail, in dem er sie als Wunderkind bezeichnete, was für sie ein großes Erfolgserlebnis war. "Ich wünschte, wir hätten mehr Computer", sagt sie. "Wir haben nur einen Computerraum, und der wird immer von den Schülern bevölkert, deren Klassenraum am nächsten liegt. In unserem Klassenraum gibt es nur einen Computer, also gibt es immer Streit darüber, wer ihn benutzen darf. Ich sitze ganz hinten. Bevor ich überhaupt von meinem Stuhl aufgestanden bin, hat ihn sich schon jemand aus der ersten Reihe geschnappt. Aber ich habe gehört, daß in der heutigen Zeit nicht jedes Kind in der Grundschule den Umgang mit dem Computer erlernen kann, nicht einmal in Taipei. Mein Vater meint, wir hätten wirklich Glück, weil wir mit unseren Computern und dem Netz nicht mehr so weit ab vom Schuß sind. Wir leben hier ziemlich abgeschnitten, aber jetzt können wir die gleichen Informationen wie die Stadtkinder bekommen."

Für diese Schüler scheint der Computer das heißeste Thema zu sein. Die Ausbildung in Informationswissenschaften, um es mit der offiziellen Bezeichnung auszudrücken, hat sich in dieser abgelegenen Schule während der letzten zweieinhalb Jahre prächtig entwickelt. Doch in welchem Umfang findet diese Ausbildung in den 2700 Grundschulen auf ganz Taiwan statt? Wächst jetzt Taiwans erste Compukids-Generation heran?

Das Erziehungsministerium plant bereits seit langem das Ausbildungsprogramm im Fach Informationswissenschaften, aber der Arbeitsablauf erfolgt hier strikt von oben nach unten. Wenn es allgemein um Prioritäten und insbesondere um die Zuteilung finanzieller Mittel geht, wird hier nach einer strengen Hierarchie verfahren. Universitäten und Colleges genießen die höchste Priorität, gefolgt von den Oberschulen und berufsbildenden Fachschulen an zweiter und den Mittelschulen an dritter Stelle. Die Grundschulen rangieren ganz unten. Dennoch nahmen vor etwa vier Jahren von der Regierung finanzierte Programme zur Ausbildung am Computer in den Grundschulen konkrete Formen an.

Grundsätzlich gibt es vier Programme. Mit einem wird der Kauf von Computerhardware, also von Geräten, finanziert. Das zweite ist für die Fortbildung des Lehrpersonals vorgesehen. Mit dem dritten wird die Softwareentwicklung von Lernprogrammen unterstützt, während das vierte Programm, welches 1995 eingeleitet wurde, gestaltet wurde, um den Grund- und Mittelschulen den Anschluß ans Internet zu ermöglichen. Bis Mitte dieses Jahres sollen diese vier Programme voll laufen, und das Erziehungsministerium will für ihre Durchführung in den Grundschulen allein 750 Millionen NT$ (41 Millionen DM) ausgeben.

"Das Internet ist wahrscheinlich mit das Beste, was die menschliche Kultur jemals hervorgebracht hat", begeistert sich Chen Lih-shyang (陳立祥), Direktor des Computerzentrums im Erziehungsministerium. "Vor dem Herandämmern des Net-Zeitalters gehörten die Medien den Reichen und Mächtigen. Für den Durchschnittsbürger war es sehr schwierig, sich Gehör zu verschaffen. Heute ist das Internet das Forum, zu dem jeder Zugang hat." Die Wichtigkeit der Computerausbildung in den allgemeinbildenden Schulen steht für Chen außer Frage. "Das Wissen, wie Computer und das Internet funktionieren, gilt heute als Überlebensfähigkeit", stellt er fest. "Wir wollen, daß unsere Kinder ins Netz einsteigen und seine vielen Möglichkeiten nutzen können."

In modern ausgerüsteten Grundschulen lernen schon die I-Dötze die Eingabe chinesischer Schriftzeichen in den Computer - und natürlich auch ein paar Computerspiele.

Das Computerzentrum des Erziehungsministeriums ist für die Erstellung und Planung aller Aspekte der Ausbildung in Informationswissenschaften verantwortlich. Die Abteilung für Bildung der Provinzregierung und die Bildungsbehörden in den Städten und Kreisen sind ebenfalls an der Umsetzung des Computerausbildungsprogramms beteiligt. Doch die Verantwortung für die Einrichtung der Computerräume, die Vernetzung und den Unterricht selbst wird natürlich den einzelnen Schulen übertragen.

Als sich 1996 das Ende des vierjährigen Plans näherte, führte das Erziehungsministerium eine Bewertung der Resultate durch. Dabei stellte sich herus, daß von allen Grundschulen der Insel nur 15 Prozent über Computerräume verfügen, während sich nur 25 Prozent der Grundschullehrer in Fortbildungskursen Grundkenntnisse in der Computeranwendung erworben haben. Daraufhin richtete das Erziehungsministerium ein inselweites Netz mit Anschlüssen in Universitäten und Grundschulen ein. Dadurch wurde allen Grundschulen der Anschluß an das TANet - ein lokales Tor zum Internet nur für akademische Institutionen - ermöglicht, und über TANet an das weltweite Internet. Doch nur zwei Prozent aller Grundschulen nutzten diese Möglichkeit. "Wir hatten gehofft, daß bis Mitte 1997 zwanzig Prozent der Grundschulen mit Computerräumen ausgestattet sein würden", sagt Chen. "Doch ich würde sagen, bisher gibt es nur langsame Fortschritte. Wir müssen noch stark aufholen."

Die Planung für die letzte Phase im Aufbau einer Infrastruktur für Informationswissenschaften ist abgeschlossen, und wenn alles gut läuft, sollte der letzte Teil zwischen 1998 und 2002 durchgeführt sein. Das Budget dafür beläuft sich auf etwa fünf Milliarden NT$ (270 Millionen DM), wovon der größte Teil, etwa 3,3 Milliarden NT$ (183 Millionen DM) für Grundschulen ausgegeben werden soll. "Wir hoffen, bis zum Jahr 2002 unser Ziel zu erreichen, alle Grundschulen mit Computerräumen auszustatten und 70 Prozent der Lehrer am Computer auszubilden, damit sie den Computer in ihren Unterricht einbauen können", sagt Chen.

Seine derzeitige Position im Erziehungsministerium hat Chen seit Mitte 1996 inne. Er bedauert, daß Taiwan es bisher nicht geschafft hat, sich seine Eigenschaft als wichtiger Hersteller von Computerhardware zunutze zu machen. Die Informationsindustrie ist mit Jahresumsätzen von 20 Milliarden NT$ (1,1 Milliarden DM) zum größten Industriezweig auf der Insel geworden. Jetzt kämpft er für eine gründlichere Verbreitung der Informationswissenschaften in allen Schulstufen. "Ich hoffe, daß wir dieses Fach zum Pflichtunterricht in den Oberschulen machen und es in die Lehrpläne der Grund- und Mittelschulen aufnehmen können", sagt Chen. "Um die Förderung des Fachs Informationswissenschaften zu beschleunigen, empfehle ich sogar, es zu einem Pflichtfach in der allgemeinen Aufnahmeprüfung für die Universität zu machen. Wir brauchen eine umfassende Ausbildung rund um den Computer. Das wirkt sich auch positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes aus."

Wu Tieh-hsiung (吳鐵雄), Präsident des Lehrerkollegs Tainan, unterstützt die Anstrengungen des Erziehungsministeriums für die Förderung des Unterrichts in Informationswissenschaften. Wie Chen ist er der Meinung, daß diese Maßnahme die Wettbewerbsfähigkeit des Landes in naher Zukunft verbessern wird. Seit den siebziger Jahren werden Computerwissenschaften als allgemeines Wahlfach in Universitäten und Colleges unterrichtet. Studenten aller Fakultäten können aus einem vielfältigen Kursangebot wählen und müssen insgesamt vier Scheine erbringen. In den Oberschulen ist Computerwissenschaft seit den achtziger Jahren ein Wahlfach, und ab Herbst 1997 wird es zum offiziellen Lehrplan der Mittelschulen gehören.

Doch Wu äußert auch Kritik. Ihm mißfällt die Politik der undifferenzierten Geldverteilung - eine Schule mit 20 Schülern bekommt 1,2 Millionen NT$ (66 000 DM) für die Anschaffung von 25 Computern. Die gleiche Summe bekommt auch eine große Schule mit über 10 000 Schülern, in der sich dann 40 Klassen einen Computerraum teilen müssen. "Diese undifferenzierte Verteilung der Zuschüsse ist nicht praxisorientiert", findet Wu. "Wenn ich darüber zu entscheiden hätte, müßte jede Schule ihre Vorschläge einreichen und ihr eigenes Budget bestimmen. Die Schulen, die Vorschläge einschicken, zeigen die nötige Motivation für die Durchführung des Plans und verdienen eine bevorzugte Behandlung. Und die Schulen, die keine Vorschläge eingeschickt haben? Ich finde nicht, daß wir uns darum irgendwelche Gedanken machen müssen. Sie werden bald dem Druck von Eltern und Schülern nachgeben müssen."

Wu hat am Erziehungsministerium außerdem auszusetzen, daß es die Zahl der benötigten Lehrer für Computerunterricht nicht vorausberechnet. "Ich würde sagen, im Ministerium mangelt es in diesem Bereich an einer langfristigen Planung", kritisiert er. "Als die Berufsfachschulen das Fach Informationswissenschaft in ihr Programm aufnahmen, mußten sie schnell feststellen, daß es an Lehrern mangelt, und sie versuchen den Rückstand immer noch aufzuholen."

Der erste Jahrgang von Lehramtsstudenten im Fach Informationswissenschaften schloß 1989 das Studium an der Nationalen Pädagogischen Hochschule Taiwan ab, die erste Universität mit einer solchen Abteilung. Doch unter den drei pädagogischen Hochschulen, aus denen sich die meisten neuen Mittel- und Oberschullehrer rekrutieren, steht sie allein auf weiter Flur. Nur einige Mittelschulen sind in der glücklichen Lage, genügend Lehrer für den Computerunterricht zu haben, aber in keinem der neun Lehrerkollegs, in denen die meisten Grundschullehrer auf Taiwan ausgebildet werden, gibt es eine Abteilung für Informationswissenschaften. Das bedeutet, daß die Grundschulen selbst sehen müssen, wie sie für diesen Unterricht qualifizierte Lehrkräfte finden. Derzeit bilden sich die Computerlehrer der Grundschulen in von ein oder zwei technischen Fachschulen angebotenen Sommerkursen fort oder besuchen Wochenendkurse.

Für Wu ist im Kreis Kaohsiung dagegen bisher das meiste erreicht worden. "In der Stadt Taipei liegt die Rate der mit Computerräumen ausgestatteten Schulen am höchsten, nämlich bei rund 60 Prozent", erläutert er. "Doch selbst diese mit mehr finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattete regierungsunmittelbare Stadt hinkt in bezug auf den Aufbau eines Netzwerks weit hinter Kaohsiung her. Meiner Meinung nach ist der Erfolg des Kreises Kaohsiung vor allem einer Person zuzuschreiben - der ehemaligen Kreisvorsitzenden Yu Chen Yueh-ying (余陳月瑛). Vor ungefähr sieben Jahren begann sie mit der Finanzierung eines Projekts zum Aufbau eines Computernetzes im ganzen Kreis. Was für ein Weitblick!"

Das von Yu geförderte Computerzentrum der Kreisschulbehörde Kaohsiung wurde im September 1990 gegründet. Sechs Lehrer sind hier beschäftigt, doch ihr Einsatz ist nur vorübergehend. Wenn der Betrieb im Zentrum problemlos läuft, sollen sie in ihre Schulen zurückkehren. Das Zentrum hat zwei Aufgaben: die Computerisierung der Kulturverwaltung im Kreis und die Förderung des Unterrichtsfachs Informationswissenschaften. Die Ausstattung und Inbetriebnahme des Zentrums nahm ein halbes Jahr in Anspruch. Etwa der gleiche Zeitaufwand war nötig, um die Daten des Personals in den Grund- und Mittelschulen zu erfassen. Die Computerisierung und elektronische Übertragung der Verwaltungsarbeit zwischen der Schulbehörde und den Schulen in ihrem Zuständigkeitsgebiet war vollendet. Das Zentrum stellt technische Unterstützung für alle mit Informationswissenschaften zusammenhängenden Themen zur Verfügung und berät in Fragen wie Anschaffung der richtigen Hardware, Planung und Aufbau eines Server-Systems und Lehrerfortbildung.

Für den Direktor des Zentrums, Wen Kuei-cheng (溫桂誠), ist ein gut funktionierendes Netz der wichtigste Bestandteil des Computerunterrichts. "Texte eingeben und Computerspiele spielen zu können ist ein notwendiger Bestandteil des Unterrichts", betont er, "doch noch wichtiger ist das Unterweisen in der Benutzung des Internets. Dann erst lohnt sich die Investition in Computer wirklich - wenn man die Gelegenheit bekommt, im Netz zu surfen. Darum haben wir darauf bestanden, daß alle Schulen ein Anschluß bekommen und eine Website zusammenstellen."

Außer den Computern selbst braucht jede Schule ein Ladeprogramm, Modems, Anschlußleitungen und Zusatzausrüstungen im Zentralrechner des Computerzentrums. Das Erziehungsministerium begann 1993, die Einrichtung von Computerräumen zu finanzieren, und 1994 richtete die Kreisverwaltung Kaohsiung ihr Computernetz im Schnellverfahren ohne finanzielle Hilfe von der Zentralregierung ein. Die Mittel für die Zusatzausrüstung im Computerzentrum wurden aber von der Kreisverwaltung bewilligt. "Was die meisten subventionierten Schulen hervorgebracht haben, ist wie fades Essen ohne Würze", sagt Wen. "Aber dank der Hilfe für den Kreis Kaohsiung konnte man dort eine kräftige Portion Sojasoße hinzufügen."

Dieser kräftige Schuß Sojasoße kostete die Kreisverwaltung nur rund 200 000 NT$ (etwa 11 000 DM), die auf die 26 an der Anfangsphase beteiligten Schulen verteilt wurden. Bewirkt hat dieser relativ geringe Betrag sehr viel. Das Zentrum beherbergt und unterstützt über achtzig Institutionen. Das ist die höchste Rate an das Internet angeschlossener Schulen in ganz Taiwan. Die Yen-Chao-Mittelschule war die erste, die vernetzt wurde, und die Chao-Liao-Grundschule die erste ihrer Art, die ein BBS einrichtete. Beide gehören zum Kreis Kaohsiung.

Laut Wen Kuei-cheng war die Chefin der Kreisverwaltung, Yu Chen Yueh-ying, auch eine wichtige Stütze bei der Schaffung der nötigen Rahmenbedingungen für das Computerzentrum. Doch den Erfolg der einzelnen Schulen schreibt er den Schulleitern zu, die zur richtigen Zeit gehandelt hätten. "Die Behörden können nur finanzielle und technische Hilfe leisten", sagt er. "Die Verwaltungseinheiten sollten sich im Hintergrund halten und sich nicht in die Planung einmischen. Für ihren Computerunterricht sollten die Schulen selbst verantwortlich sein. Die 26 Schulen, die dem Aufruf zuerst folgten, hatten einen Vorsprung, weil ihre Leitung die Vorteile des Computernetzes erkannt hat und sie den Schülern zur Verfügung stellen wollte. Die saßen nicht nur herum, die haben wirklich was bewegt."

Tiao Hsiu-ling (刁秀玲) ist die neue Leiterin der Wu-Chia-Grundschule. Mit den Fortschritten im Fach Informationswissenschaften an ihrer Schule ist sie überhaupt nicht zufrieden und setzt sich für Verbesserungen ein. Wu-Chia ist eine der Modellschulen für das Computerisierungsprojekt der Bildungsverwaltung. Die Schule profitiert von der Nähe des Computerzentrums der Kreisschulbehörde, das von einem ehemaligen Lehrer der Schule geleitet wird und sich auf dem Schulgelände befindet. Vor vier Jahren bekam die Grundschule etwa zwanzig Computer der Generation 286SX. Ein Computerraum wurde anderthalb Jahre später eingerichtet. Durch das Computerzentrum ist sie seit zwei Jahren an TANet angeschlossen. Seither hat die Schule insgesamt 1,2 Millionen NT$ (66 000 DM) von der Regierung für die Anschaffung ihrer Ausrüstung erhalten. Sie verfügt jetzt über mehr als vierzig Computer des moderneren Typs 486SX, und da jede Klasse normalerweise weniger als vierzig Schüler hat, stehen für den Notfall immer einige Ersatzgeräte bereit.

Seit über zwei Jahren wird an der Wu-Chia-Grundschule mit dem Computerunterricht experimentiert. Die Lehrer begannen mit Sommerkursen, bevor im neuen Schuljahr der reguläre Unterricht anfing. Sie nutzten die im Lehrplan für Gruppenaktivitäten und Nachhilfe vorgesehenen Stunden und konnten so zwei weitere Unterrichtsstunden für die Einweisung in die Computerbenutzung abzweigen. Der erste Jahrgang mit Computerunterricht schloß die Grundschule im vergangenen Jahr ab. Doch bisher bekommen nur wenige Fünft- und Sechstkläßler die Gelegenheit, in der Schule den Umgang mit dem Computer zu erlernen.

Tiao weiß um die vielen Schwierigkeiten, wie zum Beispiel das Fehlen von Lehrern, die ausschließlich für die Planung und Durchführung des Computerunterrichts zuständig sind. Doch aufgrund ihrer Erfahrungen in ihrer alten Schule ist sie zu dem Schluß gekommen, daß das größte Problem die Lehrer selbst sind, weil sie nicht genug über Informationswissenschaften lernen. "Die Einstellung der Lehrer muß sich unbedingt ändern", betont sie. "Einige haben eine psychisch bedingte Aversion gegen Computer, weil sie Angst davor haben, etwas Neues lernen zu müssen. Aber wenn die Lehrer es nicht lernen, wie sollen sie es dann den Kindern beibringen?"

Tiao zwang sich selbst zu Computerkursen und schaffte es, die Grundkonzepte und -fähigkeiten zu meistern. Jetzt kann sie vier oder fünf Stunden lang vor dem Monitor sitzen, ohne sich zu langweilen. "Wenn eine nur mäßig begabte Person, wie ich, es lernen und daran Spaß haben kann, glaube ich, daß meine schlauen jungen Lehrer es mindestens genausogut machen können", meint sie.

Sicherheitshalber hat sie für das gesamte Kollegium Computerunterricht an jedem Mittwochnachmittag angeordnet. Ihr kurzfristiger Plan ist, im nächsten Halbjahr Computerunterricht für die dritten bis sechsten Klassen einzuführen. Auch hofft sie, mit einem von der Schule finanzierten Projekt die wachsenden Bedürfnisse ihres Computerraums zu erfüllen. Ihre Idee ist, Computerkurse für Erwachsene anzubieten und mit den Kursgebühren die Nachrüstung der Hard- und Software zu finanzieren.

"Wir haben vergleichsweise früh damit angefangen, und das gibt uns einige Vorteile", sagt Tiao. "Gleich hier auf dem Gelände haben wir hervorragende Berater, und zwei unserer Lehrer haben ein fünfmonatiges Aufbauprogramm für den Computerunterricht absolviert. Aber einige Schulen, die anfangs nicht einmal Gelder bekamen, haben uns schon überholt. Es ist einfach unrealistisch, von meiner Schule zu erwarten, daß sie führend ist. Aber es nützt auch nichts, hier zu sitzen und grün vor Neid zu werden. Wir müssen uns steigern und härter daran arbeiten. Wir können es uns einfach nicht leisten, den Computerunterricht zu vernachlässigen und zu riskieren, daß unsere Kinder zurückbleiben."

(Deutsch von Christiane Gesell)

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