08.05.2025

Taiwan Today

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Die "Deutsche Schule Taipei"

01.01.1992
Hier eine Gesamtansicht: oben das Gebäude mit dem Kindergarten und der Wohnung des Schulleiters, im Hintergrund das eigentliche Schulgebäude mit den Klassenzimmern sowie dem Schulsekretariat.

Nachdem die amerikanische Schule in Taipei deutschen Expat-Eltern im Mai 1990, also nicht lange vor Beginn des neuen Schuljahres, überraschend beschied, daß man für ihre Kinder im neuen Schuljahr keine Plätze mehr habe, faßte man, vor allem die Riege der Chefs der großen deutschen Firmen in Taipei, einen Beschluß: wir wollen unsere eigene Schule! Von Berufs wegen längst daran gewöhnt, sich auf fremdes Terrain zu begeben und sich dort rasch zurechtzufinden, machte man sich engagiert an die Arbeit. Heute, mit Beginn des zweiten Schuljahres und nach Verpflichtung eines gestandenen Auslandsschulleiters, läuft das Projekt, das eines beachtlichen organisatorischen und finanziellen Aufwandes bedurfte und weiterhin bedarf. Schon liegen Ideen und Pläne für Erweiterungen vor.


Am Rande des eher vornehmen Taipeier Stadtteils Tienmu, ziemlich weit im Norden, wo die Straße den majestätischen, Yangminshan genannten Hausberg hinanzusteigen beginnt, kommt die subtropisch-üppige Flora Taiwans zur Geltung: überall wuchert das Grün; wenn man Richtung Berg schaut, wirkt es fast wie ein Urwald, in den von Riesenhand ein paar Häuser verstreut wurden. Und hier steht am Straßenrand ein von grünen Gräsern umrahmtes Schild, das, in Schönschreibschrift liebevoll bepinselt, den Weg in eine der kleinen Seitengassen und zur "Conrad Celtis Schule" - so der ursprüngliche Name der "Deutschen Schule Taipei" bzw. "Taipei German School" (台北德國學校) - weist. Schon nach einigen Schritten in die Gasse läßt das Gebrause und Geknatter von der Bergstraße spürbar nach. Folgt man an einer Biegung am Ende der kurzen Gasse einem weiteren Wegweiser nach links, herrscht vollkommene, sonnendurchflutete Stille; das allgegenwärtige Grün hat sich wie eine Wand zwischen den Lärm und das halbe Dutzend zweistöckiger Villen im Bungalowstil geschoben, die sich in eine Kuhle am Fuße des Berges schmiegen.

Die beiden Häuser, die sich ein begrüntes Grundstück am Ende des Weges teilen, beherbergen die deutsche Schule und den schon seit fast zehn Jahren in Taipei bestehenden deutschen Kindergarten, der, wie in anderen deutschen Auslandsschulen auch, nun der Schule unterstellt ist und der im Erdgeschoß des ersten Gebäudes untergebracht wurde, während der Schulleiter im zweiten Stock wohnt. Eine kleine Anlage mit Rutschbahn und Sandkasten passierend, kommt man zum dahinterliegenden Schulgebäude, in dessem zweiten Stock sich die vier kleinen, aber freundlich wirkenden und wegen der Sommerhitze natürlich klimatisierten Klassenzimmer befinden. Tische und Stühle aus lackiertem hellem Holz sowie die Schreibtische für die Lehrer hat die Schule von Unternehmen, welche die deutsche Schule unterstützen, ausgeliehen, doch scheint die Größe kindergerecht. Später will man natürlich eigene, richtige Schulmöbel anschaffen. Der weitläufige Raum im Erdgeschoß, der an dem offenen Kamin eindeutig als ehemaliges Wohnzimmer zu erkennen ist, bildet das Sekretariat und den Aufenthaltsraum. Ein Zimmer dient vor allem dem Musikunterricht. Hier sind auch die roten Kästen voll mit Experimentiermaterialien für Physik und Biologie aufgestapelt, die der neue Schulleiter Rüdiger Voget, der offiziell gerade erst Anfang August seine Stelle angetreten hat, zusammen mit seinem Umzugsgut aus Deutschland hergebracht hatte.

Der resolute Endvierziger niedersächsischer Herkunft hat vor allem auch viel organisatorische und interkulturelle Erfahrung mitgebracht sowie eine klare Vorstellung davon, wie ein geordneter Schulbetrieb im Ausland aussehen soll. Voget war schon vier Mal "draußen": Nach Lehrtätigkeiten in Beirut und Namibia wurde er von der für deutsche Schulen im Ausland zuständigen Zentralstelle für das Auslandsschulwesen des Bundesverwaltungsamtes in Köln für fünf Jahre als Schulleiter nach Sardinien geschickt.

Die Entstehungsgeschichte der "Deutschen Schule Taipei" reflektiert, wenn auch nur als ein kleiner Baustein im Gesamtbild, die gravierende Verschiebung in den Außenbeziehungen der Republik China auf Taiwan von einer fast ausschließlichen Orientierung auf die Vereinigten Staaten hin zu einer gleichmäßig gewichteten Einbeziehung Europas sowie das parallel gewachsene Selbstbewußtsein der Europäer, ihre Identität in einem stärkeren Image widerzuspiegeln, oder vereinfacht gesagt, mehr "Flagge zu zeigen". Als die amerikanische Schule in Taipei im letzten Jahr nur wenige Monate vor Beginn eines neuen Schulhalbjahres europäische Kinder mehr oder minder vor die Tür gesetzt hatte, beschlossen nicht nur deutsche, sondern auch englische Eltern, eine eigene Schule aufzumachen. Auf deutscher Seite bildete sich um Dr. Mück, den Chef von Bayer Taiwan Co., Ltd., ein Schulvorstand, in dem sich die finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten großer deutscher Firmen auf Taiwan bzw. in Taipei bündelten. Daß es dabei noch um ein bißchen mehr ging als nur die Sorge von Eltern um die Ausbildung ihrer Kinder, zeigt sich gerade am unablässigen Engagement von Mück, dessen Kinder schon längst erwachsen sind, und der prompt während des Interviews mit dem Schulleiter anruft, um einige Routinefragen zu besprechen.

Für kreative Unternehmungen wie Malen, Musik, Singen oder die Vorführung eines Stücks z. B. bei der Einschulung gibt es viel Freiraum, und sie werden von Lehrern und Betreuern nachdrücklich ermuntert.

Die Beteiligten "waren alles Leute, die im Grunde keinerlei Erfahrung" hatten mit dem Betreiben einer Schule oder etwaigen deutschen Bestimmungen, an denen man sich hätte orientieren können. Doch, fährt Voget lobend fort, die Management-Profis "wagten einfach den Sprung ins kalte Wasser" und gingen mit Hilfe der Administratorin und Schulsekretärin Frau Lu, einer sehr gut chinesisch sprechenden Deutschen, ein Problem nach dem anderen an. Die Finanzierung wurde über Spenden und Schuldverschreibungen überwiegend seitens deutscher Firmen abgesichert und eine passende Unterbringung für die Schule gefunden. Dann erwarb man beim Erziehungsministerium eine Lizenz zum Betreiben einer Schule, was gerade in einer Gesellschaft, in deren Kultur die Erziehung eine so prominente Rolle spielt, eigentlich "sehr, sehr schwer ist", erklärt Voget. Doch die hiesigen Behörden, vor allem das Außenministerium der Republik China, "haben alles getan, was sie konnten" und mit solcher Rückendeckung war diese Hürde "verhältnismäßig schnell" genommen. Von dieser Lizenz abgesehen unterliegt der Schulbetrieb als solcher keinen weiteren gesetzlichen Verpflichtungen oder Kontrollmaßnahmen seitens der Republik China, da chinesische Kinder ohnehin nicht an Auslandsschulen unterrichtet werden dürfen, es sei denn, sie haben einen zusätzlichen ausländischen Paß, wie das bei Schülern der amerikanischen Schule vorwiegend der Fall ist. Eine Rechtsaufsicht von chinesischer Seite gibt es nur in Bereichen, die außerhalb des eigentlichen Schulbetriebs liegen wie das Mieten der Gebäude, von Schulbussen usw. Schließlich verpflichtete man noch Dr. Werner Wagner, Dozent an einer der hiesigen Universitäten, als ersten Schulleiter sowie einige Lehrkräfte, und damit war es auch schon an der Zeit, das erste Schuljahr anzugehen.

Voget kam dann im März dieses Jahres zur Unterzeichnung seine Drei-Jahres-Vertrags, den er nach deutschen Bestimmungen um maximal fünf Jahre verlängern kann, nach Taipei.


In ihrem zweiten Schuljahr hat die "Deutsche Schule Taipei" 22 Schüler. Im Kindergarten werden 10 Kinder betreut, und 4 Fünfjährige bekommen Vorschulunterricht. Wegen der geringen Schülerzahl sind die Klassen zusammengefaßt in eine 1. und 2. Klasse (die in Deutsch und Mathematik allerdings getrennten Unterricht erhält), eine 3. und 4. sowie in eine 5. und 6. Klasse. Aufgrund des kurzen Zeitraums seit Eröffnung der Schule dürfen noch keine höheren Klassenstufen eingerichtet werden. Drei Kinder gehören schon der Klassenstufe 8 und eines der Klasse 9 an; sie werden mit einem Fernlehrgang, der, so Voget, "eminent gut" ist und den die genannte Zentralstelle für Auslandsschulwesen für solche Fälle zusammengestellt hat, unterrichtet. Prinzipiell sind diese Lernprogramme sogar so angelegt - und die drei Kinder gehören auch offiziell nicht zur Schule -, daß sie von den Eltern unterrichtet werden können, doch in diesem Fall werden die drei von einer der Lehrkräfte betreut. Das Kollegium besteht aus drei hauptamtlichen, das heißt, nach deutschem Muster ausgebildeten, und einer nebenamtlichen Lehrkraft (die beiden Betreuerinnen im Kindergarten sind hier nicht eingerechnet). Christlichen Religionsunterricht gibt es auch, jedoch überkonfessionell. Bislang hat es noch keine Eltern gegeben, die ihr Kind nicht daran hätten teilnehmen lassen wollen, selbst in Fällen, in denen die Eltern buddhistisch sind oder das Kind gar keiner Religionsgemeinschaft angehört. Für den nachmittäglichen Sportunterricht und ähnliche Aktivitäten hat die ebenfalls in Tienmu gelegene amerikanische Schule, wo es nach Gründung der englischen Schule, die parallel zu der der deutschen erfolgte, nun offenbar wieder mehr Platz gibt, Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Davon abgesehen ist die Schule im Gegensatz zu chinesischen und anderen Auslandsschulen nachmittags geschlossen.

Der Lernstoff ist in Aufbau und Inhalt prinzipiell wie in Deutschland, genauer gesagt: wie in Nordrhein-Westfalen organisiert. Die Zentralstelle verlangt, daß sich eine Auslandsschule bzw. ihr Leiter, der hier das Bestimmungsrecht hat, bezüglich der Vorschriften beispielsweise über Schülerzahlen oder über den Schulleiter, hinsichtlich des Unterrichtsmaterials usw. für die Richtlinien eines Bundeslandes entscheidet. Vogets Entscheidung für Nordrhein-Westfalen hat jedoch mit dem politisch gefärbten Hickhack über die Umsetzung unterschiedlicher Vorstellungen und Philosophien über Schulerziehung rein gar nichts zu tun. Vielmehr entscheiden sich die meisten Schulleiter von Auslandsschulen für die Richtlinien von Nordrhein-Westfalen, weil die Zentralstelle für Auslandsschulwesen in Köln ist und so die Dinge offenbar einfacher zu regeln sind. Für die im Vergleich zu Kindern an deutschen Schulen "wesentlich gebildeteren" und im allgemeinen weit gereisten Auslandsschulkinder - "Wo die schon überall waren, das ist einfach unglaublich, und die kennen auch die Länder, das ist schon enorm" (Voget) - ergeben sich zusammen mit der intensiven Betreuung in kleinen Klassen aus einem generell gymnasialen Ansatz ab Klasse fünf daraus ohnehin keine Probleme. Und die Klassen 11 bis 13, bei denen es zwischen den Bundesländern, so Voget, "gravierendere Unterschiede" gibt, sind in Taipei ja noch nicht eingerichtet.

Der Schulleiter Rüdiger Voget in seinem Arbeitszimmer. Vor allem in der gegenwärtigen Phase gibt es sehr viele organisatorische Aufgaben. Profunde Erfahrung zahlt sich da aus.

Unterschiede zu Deutschland gibt es beim Lernstoff natürlich da, wo die Eigenanschauung zentral ist, häufig beispielsweise beim Erdkundeunterricht oder hinsichtlich des altbewährten Besuchs der vierten Klasse bei der Bundespost: "Nur von Film und Atlas kann man da nicht leben", urteilt Voget. Statt dessen wird man zum Beispiel kleine Ausflüge in eine lokale Bäckerei oder auf den Markt veranstalten. Vor allem in diesem Bereich macht sich die Erfahrung der übrigen Lehrkräfte bezahlt, die schon lange vor Ort sind und nicht über die Zentralstelle nach Taipei kamen: sie wissen, bei welchen Themen das Taipeier Umfeld zuwenig Anschauung bietet, und durch welche lokal orientierten Unterrichtsinhalte sie ersetzt werden können. Eine richtig große Klassenfahrt hat man allerdings noch nicht veranstalten können.

Bei der intensiven Betreuung und dem "erheblich größeren Allgemeinwissen", das "weit über dem Standard ... von deutschen Kindern" liegt, werden eventuelle Anpassungsprobleme von Seiteneinsteigern leicht aufgefangen. Wer ein Zeugnis für die Versetzung nach Klasse fünf hat, wird eben in die fünfte Klasse eingestuft. Noch weniger sieht Voget irgendwelche Probleme bei einer Rückkehr nach Deutschland, abgesehen von den dortigen großen Klassen und den Disziplinproblemen bis hin zur "unglaublich hohen" Kriminalität, mit denen sich Schulen in Deutschland herumschlagen müssen. An Auslandsschulen ist man üblicherweise mit dem Lernstoff eines Schuljahres "an Ostern schon lange durch - einschließlich Wiederholung, was in Deutschland undenkbar ist", so daß Rückkehrer in ihren Kenntnissen eher voraus als zurück sein können." Mit Blick auf das Sprachproblem erhalten die Kinder in der verbleibenden Zeit zwei bis drei zusätzliche Wochenstunden in Deutsch. Ein anderes Problem bei Umzügen ist jedoch der Verlust des alten Freundeskreises und die schwierige Übergangsphase zum Aufbau eines neuen, was Kinder stärker empfinden als die von einer beruflichen Station zur anderen geschickten Eltern. Hier kann es zu vollständigen Verweigerungshaltungen kommen, was letztlich auch einen Einfluß auf die schulischen Leistungen haben könnte. Hinsichtlich solcher Fälle kann Voget jedoch auf das weit überdurchschnittliche Interesse der Eltern an den Kindern und ihrer Ausbildung verweisen. Diese Eltern sind sich der besonderen Problemsituation bewußt und suchen auch die enge Zusammenarbeit mit der Schule - die Voget mit Blick auf den beruflich-sozialen Hintergrund der Eltern als eine "Expertenschule" bezeichnet - "die auch versuchen, wirklich was Vernünftiges für ihre Kinder zu erreichen. Also in Deutschland ist ja teilweise ein Desinteresse der Eltern für die Schule da, das ist ja unglaublich heutzutage!" Daß dies in Taipei anders ist, zeigt sich auch mehrmals während des Interviews, als sich Eltern telefonisch erkundigen, warum am Morgen der von der Schule bei einer hiesigen Firma gemietete Bus nicht gekommen sei, mit dem die Kinder sonst zur Schule, zum Sportunterricht und wieder nach Hause chauffiert werden. Von solchen "kleinen Ärgerlichkeiten" gebe es am Anfang natürlich noch eine ganze Reihe. Im allgemeinen äußert Voget sich jedoch sehr positiv über die Menschen auf Taiwan, lobt die vielfach anzutreffende Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft und hebt die Geordnetheit im Vergleich zu anderen seiner Auslandserfahrungen hervor. Über das hiesige Erziehungssystem und die Diskussion zu seiner Reform könne er natürlich wenig sagen, er sei ja erst drei Wochen hier.

Disziplinarische Probleme wie etwa mit Expat-Sprößlingen aus dem Pekinger Stadtteil, der als "Diplomatenghetto" bekannt geworden ist, gibt es nicht und sind auch nicht zu erwarten: "Hier gibt es eben kein Ausländerghetto", verweist Voget. Zwar wohnen die meisten Eltern in Tienmu, vor der Entwicklung des Taipeier Ostens die von Ausländern bevorzugte Wohngegend der Metropole, doch gebe es auf Taiwan nun einmal keinerlei Vorschriften darüber, wo sich Ausländer niederzulassen hätten. Darüber hinaus ist der familiäre Hintergrund der Kinder homogen; fast alle stammen entweder aus deutschen Familien oder aber aus deutsch-chinesischen Ehen.

Freizeitaktivitäten wie Rollschuhlaufen in einem nahegelegenen Park oder den Martinsumzug auf den Wellington Highs außerhalb von Taipei finden bei Jung und Alt großen Anklang.

Alle Kinder haben eine deutsche Staatsbürgerschaft; die Unterrichtssprache ist Deutsch. Voget hat in persönlicher Anschauung eher schlechte Erfahrungen mit dem Parallel-Laufenlassen von verschiedenen Sprachen gemacht, weshalb er, wie auch die Zentralstelle für Auslandsschulwesen, darauf besteht, daß die Schule eine einsprachige Grundlage - in diesem Fall natürlich Deutsch - schafft: "Wir haben das in Namibia ganz schlimm gehabt; die wachsen dort dreisprachig auf, also Englisch, Deutsch und dann das Burische bzw. Afrikaans. Und wenn die Abitur gemacht haben, da kam dann von Deutschland von der Kultusministerkonferenz eine Abordnung, die haben nur den Kopf geschüttelt: 'Was habt ihr bloß für Deutschprüfungen?! Nach dreizehn Jahren Deutschunterricht sprechen die ein derartiges Deutsch!' Der Englisch-Fachmann hat das gleiche in Englisch gesagt, und in Afrikaans hab' ich es nicht verstanden. Das hat mir sehr zu denken gegeben." Voget will hier kein Risiko eingehen, selbst wenn es Fälle geben sollte, in der ein zweisprachiges Aufwachsen gut lief. Ab Klasse fünf gibt es wie in Deutschland regulären Englisch-Unterricht, ab Klasse sieben werden dann noch eine der Wahlsprachen Latein und Französisch dazukommen. Daneben schnappen Kinder, vor allem in gemischten Ehen, wo der deutschsprachige Manager-Vater regelmäßig spät nach Hause kommt, auch Chinesisch auf, und dann natürlich noch Englisch, das einige aufgrund vorheriger Aufenthalte in anderen Ländern, aufgrund des vorherigen Besuchs der amerikanischen Schule in Taipei oder einfach auch wegen des Mangels an deutschsprachigen Spielkameraden in der eigenen Altersgruppe schon ganz gut können. Umso mehr betont Voget im Bereich der Schule die Förderung guter Deutschkenntnisse. Eventuelle Deutsch-Defizite können im Rahmen der intensiven Betreuung schnell abgebaut werden. Übrigens habe es für die Überwechsler aus der amerikanischen Schule mit dem ganz anderen Unterrichtsstil keine Probleme gegeben, ergänzt Voget, und kann wieder einmal nicht anders als die Anpassungs- und Aufnahmefähigkeit seiner Schützlinge zu loben: Im Vergleich zum Lehrerdasein in Deutschland sei das Unterrichten an deutschen Auslandsschulen wie der in Taipei ein "Paradies": "Das ist ein ganz anderer Schlag von Schülern als bei uns in Deutschland", wo man sich "eher wie ein Dompteur" vorkäme. Und natürlich, den bekannten "Schlaf vor 12", der ja bei Schülern der beste sein soll, "den gibt es für unsere Schüler nicht." Da könne man "viel gründlicher arbeiten".

Übrigens gibt es auch ein System von Klassenpflegschaften und Elternbeirat, das ebenfalls wie in Deutschland geregelt ist. Doch es scheint, als sei der Elternbeirat für die praktische Arbeit nicht so bedeutend. "Als ich in Deutschland war, kannte ich keine 10 Prozent der Eltern meiner Schüler; die haben sich nie blicken lassen. Aber hier kennt ja jeder jeden." Doch müssen wohl von der Schule auch in diesem Bereich die Richtlinien eingehalten werden, um bei der erwähnten Zentralstelle für Auslandsschulwesen als förderungswürdig anerkannt zu werden. Denn noch erhält die deutsche Schule keinerlei finanzielle Unterstützung von deutschen Stellen. Man arbeitet jedoch bereits daran, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ein Erfolg ist in diesem Fall jedoch nicht garantiert, obwohl es "von der Zentralstelle ... überhaupt kein Problem" gibt und "die Voraussetzungen ... jetzt alle erfüllt" sind. Denn - "das ist ja die Crux hier" - wegen fehlender diplomatischer Beziehungen zwischen der Republik China und der Bundesrepublik Deutschland muß das deutsche Außenministerium noch sein Plazet geben, wobei mit Blick auf Festlandchina auch noch außenpolitisch begründete Überlegungen eine Rolle spielen können.

Eine finanzielle Förderung aber wäre für die deutsche Schule ein großer Schritt nach vorn. Denn trotz all der Zuwendungen seitens der deutschen Unternehmen, aus deren Kassen zum Großteil auch noch die Schulgelder kommen, liegt der Beitrag mit 130 000 NT-Dollar, also ungefähr 8000 DM, pro Halbjahr und Kind noch sehr hoch. "Das hört sich immens an für deutsche Verhältnisse", gibt Voget zu, ist aber auch nicht höher als die Schulgebühren an anderen Auslandsschulen. Die Unterstützung von deutschen Stellen könnte immerhin die Kosten vor allem für die Erstausstattung der Schule und für aus Deutschland entsandte Kräfte abdecken. Da ja nach deutschen Bestimmungen in einer Schule natürlich kein Gewinn erwirtschaftet werden darf, läge dann eine Senkung des Schulbeitrags nahe. Immerhin recherchiert das deutsche Generalkonsulat in Hongkong, die nächstgelegene diplomatische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, den Schulbetrieb bereits genau und läßt sich detaillierte Berichte schicken - "wir müssen alles genau offenlegen", so Voget. Später sind auch die regelmäßigen Inspektionsbesuche eines amtlich bestallten Schulrates zu erwarten.

Über die Einbindung der "Deutschen Schule Taipei" in den rechtlichen und finanziellen Rahmen des deutschen Auslandsschulwesen hinaus wird auch schon über die langfristige Lösung des Standortproblems nachgedacht, und zwar in Zusammenarbeit mit der englischen und der bereits 1989 gegründeten französischen Schule in Taipei. Abgesehen von einem Umzug aus der teuren Lage in Tienmu böte eine gemeinsame Nutzung einer richtigen Schulanlage weitere Vorteile. Die drei Schulen sollen zwar, alleine schon wegen des Problems der finanziellen Förderung aus den jeweiligen Heimatländern, in ihrem Schulbetrieb generell getrennt bleiben, doch könnte man immerhin Veranstaltungen und vermehrte Aktivitäten im Freizeitbereich wie Theater und Musik zusammenlegen oder gemeinsam eigene Schulbusse unterhalten. Der für diesen Ansatz ins Auge gefaßte Zeitrahmen umfaßt etwa "zwei bis drei Jahre", schätzt Voget. Eine Möglichkeit wäre, daß die drei Partner eine komplette Schule mieten. Auch hier setzt sich das "Außenministerium ... sehr für uns ein"; die hiesigen Behörden "sind sehr dafür" und haben bereits eine leerstehende Oberschule angeboten. Leider war dieser Campus für kleinere Kinder nicht sicher genug, beispielsweise wegen der Anlage des Schulhofs in Treppen. Falls keine passende Schulanlage gefunden werden kann, gibt es noch die Alternative, eine neue zu bauen. Dazu müßte dann allerdings ein chinesischer Partner gewonnen werden, da das hiesige Recht Ausländern den Besitz von Gebäuden oder Grundstücken verbietet.

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