Gastronomie-Fachleute kommen aus dem Ausland hierher, um einheimische Trainingspartner in ihre Tätigkeiten einzuarbeiten.
Candy Wu (吳書音), 20 Jahre alt, kam erst vor einem Jahr in die Dessert-Abteilung von Hilton International in Taipei. Schon bald danach übernahm sie die hoteleigene Konfektherstellung.
FCR: Was für ein Training haben Sie von Ihren ausländischen Kollegen für Ihre derzeitige Tätigkeit erhalten?
Wu: Zuerst, als ich in der Dessert-Abteilung anfing, wurde ich von einem chinesischen Küchenchef unterwiesen. Ich machte Kuchen und anderes Gebäck, doch später merkte ich, daß ich vor allem an Pralinen interessiert bin, weil das doch etwas Feineres ist.
Ich hatte jedoch nicht viel Vertrauen in meine Fähigkeiten, bis dann ein Schweizer Küchenchef, Gerard Dubois, vom "Hilton" in Hongkong hierherkam, um das Personal zu trainieren. Vorher haben wir nur Schokoladentrüffel herkömmlicher Art gemacht. Er hat uns mit vielen neuartigen Sorten vertraut gemacht, die bereits in Hongkong und Japan populär sind, zum Beispiel solche, die einen Schmuck aus Goldfolie haben. Gemeinsam mit vier anderen Kollegen habe ich etwa vier Wochen mit Herrn Dubois zusammengearbeitet.
Zum Training gehörte mehr als einfach nur neue Rezepte. Beispielsweise brachte er mir auch bei, wie ich ein Durcheinander vermeiden kann, indem ich mir merke, welche Pralinen ich zuerst machen muß, wenn eine Lawine von Bestellungen aus verschiedenen Bereichen des Hotels auf mich zukommt. Das "Hilton Taipei" offeriert nun seine eigenen Pralinen im freien Verkauf, wie es Herr Dubois vorgeschlagen hatte.
FCR: Worin bestehen die Vorteile der Zusammenarbeit mit Ausländern in der Hotelbranche?
Wu: Desserts sind wie Pralinen und Kuchen westliche Produkte. Viele einheimische Küchenchefs mögen die Rezepte ja aus Kochbüchern und Magazinen erfahren, aber sie kennen die Verfahren zur Zubereitung nicht. Sehen Sie mal beispielsweise Herrn Dubois: er hat die Zubereitung von Pralinen in der Schweiz gelernt und dann in vielen verschiedenen Ländern gearbeitet. Er hat sehr viel Erfahrung, und deshalb lohnt es sich, mit ihm zusammenzuarbeiten.
FCR: Haben Sie schon immer in einem Hotel arbeiten wollen?
Wu: Ich habe eine Abendschule in Hauswirtschaft abgeschlossen. Ich war an der Kochkunst sehr interessiert und habe in vielen entsprechenden Wettbewerben gut abgeschnitten. Nicht lange nach dem Schulabschluß empfahl mich eine meiner Lehrerinnen an das "Taipei Hilton", aber vor meinem Wechsel in die Konfektherstellung hat mir die Arbeit nicht sonderlich gefallen.
Wir sind dort nur zwei Mitarbeiter, und wir sind für die Erledigung aller Aufträge verantwortlich. Ich möchte bei dieser Arbeit bleiben, denn die Herstellung von so feinen Pralinen ist eine echte Herausforderung. Mein Vorgesetzter hat mir gesagt, daß das Hotel mich für weiteres Training ins Hongkonger "Hilton" schicken wird. Außerdem hoffe ich, eines Tages in die Schweiz gehen zu können - auch wenn es auf eigene Kosten sein sollte -, damit ich noch mehr über die Herstellung von Pralinen lernen kann.
FCR: Haben Sie hier irgendwelche Probleme bei der Zusammenarbeit mit Ausländern?
Wu: Als ich das erste Mal ins Hotel kam, verstand ich wirklich nicht ein Wort von dem, was der Küchenchef zu mir sagte. Doch obwohl der Gruppenleiter für uns übersetzte, habe ich mich gezwungen gesehen, mehr Englisch zu lernen.
Ausländische Kollegen, vor allem die Küchenchefs, haben mehr oder weniger ein Gefühl der Überlegenheit. Zum Beispiel halten sie es für selbstverständlich, daß die einheimischen Mitarbeiter mit ihnen Englisch sprechen sollten, und nicht Chinesisch, obwohl wir doch auf Taiwan sind. Natürlich, die Sprache ist schwer, aber es wäre besser, wenn sie ein bißchen Chinesisch lernen würden, um mit dem einheimischen Personal besser kommunizieren zu können.
Frank Wang (王玉柱) ist 24 Jahre alt und arbeitet für das "Grand Hyatt Taipei" als stellvertretender Leiter des auf kalifornische Küche spezialisierten Restaurants.
FCR: Was für ein Training haben Sie von ausländischen Kollegen im Hotel erhalten?
Wang: Anders als viele einheimische Privatunternehmen investiert das Hotel stark in Service-Training für die Mitarbeiter. Allgemein gesagt fallen die Trainingsprogramme in zwei Kategorien: Arbeitsabläufe und innere Einstellung. Bei der Leitung eines Restaurants beispielsweise umfaßt die erste Kategorie das Tischdecken, die Umgangsformen und den Umgang mit Kundenbeschwerden.
Angestellte wie ich brauchen eine grundlegende Einweisung, bevor wir selbst Ausbilder für das uns unterstehende Personal werden können. Bis jetzt bin ich von mehr als zehn ausländischen Fachkräften unterwiesen worden, von denen viele zu dem Team gehörten, das von anderen Hyatt-Hotels aus aller Welt zusammengestellt worden war und das uns hier in der Eröffnungsphase unterstützt hat. Jetzt bin ich selbst in der Lage, 14 einheimische Mitarbeiter anzuleiten. Manchmal unterweisen auch die ausländischen Küchenchefs das uns unterstellte Personal, wobei ich dann für meine Kollegen dolmetsche.
FCR: Wann haben Sie erstmals eine Berufstätigkeit in einem Hotel in Erwägung gezogen? Hat Ihre Erfahrung mit ausländischen Hotelfachleuten irgendwie Ihre Auffassung von Ihrer Arbeit beeinflußt?
Wang: Ich habe auf der Schule Drucker gelernt. Dann bin ich vor einigen Jahren in die Hotelbranche gegangen, ganz einfach, weil ich Englisch lernen wollte. Zuerst habe ich zwei Jahre lang als Bedienung im Coffee-Shop eines einheimisch geleiteten Hotels gearbeitet. Wie so viele Leute in Taiwan bestärkten meine Eltern mich nicht gerade, in dieser Branche zu bleiben. Ich plante, meinen Beruf zu wechseln, sobald ich gut genug Englisch konnte.
Erst als ich im "Grand Hyatt" eintrat, fand ich meine Tätigkeit lohnend. Das kostenlose Trainingsprogramm, welches das Hotel anbietet, ist besonders attraktiv. Ich fing hier als Gruppenleiter an. Dann veranlaßte der mir vorgesetzte Manager, daß ich zusätzliches Training erhielt, wenn ich gerade frei hatte. Dank diesem Arrangement wurde ich sechs Monate später auf meine gegenwärtige Stelle befördert. In dem systematisch aufgebauten Trainingsprogramm werden Hunderte von Kursen zur selben Zeit unterrichtet, und für jeden gibt es ein Lehrbuch. Das Training ist kontinuierlich und hat nach meiner Beförderung nicht aufgehört. Beispielsweise werde ich bald einen siebenwöchigen Intensivkurs in Marketing beginnen.
FCR: Was ist Ihrer Meinung nach der größte Vorteil bei der Zusammenarbeit mit Ausländern in der Hotelbranche?
Wang: In dem Hotel, wo ich zuvor gearbeitet hatte, gab es so gut wie nie ein spezifisches Training. Es war wie ein traditionelles chinesisches Lehrlingsverhältnis: mir wurde gesagt, was ich zu tun hatte, aber nicht, warum. Später, als ich neue Mitarbeiter anzulernen hatte, tat ich es auf dieselbe Weise, wie ich es gelernt hatte. Es war ineffektiv, weil es keine Interaktion zwischen mir und den Anfängern gab. Ich habe immer wieder gesagt, was ich wußte, ohne von ihnen eine Reaktion zu erhalten.
Aber hier im "Grand Hyalt" bin ich mit der "sokratischen Methode" angelernt worden, und ich kann diesen Ansatz problemlos übertragen, wenn ich andere einheimische Mitarbeiter anleiten muß. Zum Beispiel weiß ich jetzt, daß ich Fragen stellen muß, um sicherzugehen, daß sie mich verstanden haben. Ich lasse sie auch am Ende einer jeden Unterrichtseinheit ihre eigenen Schlüsse ziehen, und sie kommen den meinen immer sehr nahe. Deshalb ist mein Unterricht überzeugender geworden und meine Lektionen sind leichter zu behalten.
FCR: Gab es irgendwelche Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit Ausländern im Hotel, beispielsweise kulturell bedingte Probleme?
Wang: Nicht, daß ich wüßte. Weil so viele Hotels rund um die Welt zu "Grand Hyatt" gehören, ist man sich kultureller Unterschiede zwischen den Angestellten in hohem Maße bewußt und äußerst erfahren im Umgang mit solchen Situationen. Schwierigkeiten bezüglich den fremdsprachlichen Fähigkeiten bilden den einzigen Problembereich, wenn man mit ausländischen Kollegen zusammenarbeitet. Doch das gibt es nur am Anfang, denn es werden im Rahmen des Trainingsprogramms viele Sprachkurse angeboten und die Kurse werden teilweise von Auslandschinesen auf Chinesisch unterrichtet.
(Deutsch von Martin Kaiser)