Der vergangene Sommer brachte eine Menge Ärger für jene, die mit Taiwans Müll zu tun haben. Anfang Juli 1992 blockierte eine Gruppe von Anwohnern aus dem Taipeier Vorort Hsinchuang die Zufahrt zur dortigen Mülldeponie. Damit protestierten sie gegen den Betrieb der 12jährigen Anlage, die, wie sie sagten, die Luft in ihrer Umgebung verpestete. In den darauffolgenden dreiwöchigen Auseinandersetzungen nahmen die Spannungen zu, während die Stadtverwaltung erfolglos nach einem Platz für den Unrat suchte.
Ohne Abladeort für die dreihundert Tonnen täglich in Hsinchuang anfallenden Hausmüll häufte sich der Unrat schnell auf den Straßen des Vororts an. Die Stadtverwaltung bemühte sich verzweifelt, Nothalden in der näheren Umgebung einzurichten, aber die dortigen Anwohner wehrten sich vehement gegen diese Versuche. Sogar die Inaussichtstellung von saftigen Finanzhilfen für die Gemeinden blieb wirkungslos. Während der 19tägigen eingefahrenen Situation sammelten sich über fünftausend Tonnen häuslichen Unrats auf einer notdürftig eingerichteten Stätte in der Nähe der städtischen Wasserstation an. Bei den heißen Sommertemperaturen stellte dieser Abfallberg durch dort brütende Fliegen und Moskitos ein potentielles Gesundheitsrisiko dar. Beamte befürchteten, daß es zum Ausbruch einer Denguefieber-Epidemie kommen könnte.
Am 21. Juli, kurz nach Mitternacht, kam es zu einer Veränderung der Lage, als sich eine Kolonne von 51 vollgeladenen Müllwagen der Deponie näherte. Angesichts von über tausend zur Verstärkung hinzugekommenen Polizisten gaben die Demonstranten die Blockade auf, wenngleich sie betonten, daß sie auch weiterhin auf eine Verlegung der Abladestation drängen werden. Aber bis heute hat die Stadt noch keinen neuen Ort für den Müll gefunden, und sie plant, die alte Einrichtung solange zu benutzen, bis im Sommer 1994 eine Müllverbrennungsanlage in Betrieb genommen werden kann. Die Lage zwischen den protestierenden Anwohnern und der Regierung bleibt angespannt.
Der Zwischenfall in Hsinchuang, über den eingehend in den Medien berichtet wurde, ist zu einem Symbol für Taiwans Unfähigkeit, mit seinem stetig wachsenden Müllaufkommen fertigzuwerden, geworden. Obgleich seit dem Zeitpunkt, als hierzulande in allen Zeitungen die Fotos des sich gewaltig auftürmenden Müllbergs zu sehen waren, ein Jahr vergangen ist, haben sich die Sorgen über die hiesige Abfallbeseitigungspolitik nicht zerstreut.
Der Müll ist zur Hauptumweltsorge der Öffentlichkeit geworden. Laut Aussagen des Amts für Umweltschutz (Environmental Protection Administration, EPA) drehten sich 38 Prozent der 77 500 im Jahr 1992 beim Amt gemeldeten Umweltbeschwerden um den Müll. Das EPA hat die Behandlung des leidigen Müllthemas ganz oben auf die Liste ihrer Prioritäten für das Jahr 1993 gesetzt. Mehr als zwei Drittel seines Jahresetats werden nun für den Müll aufgewendet, hauptsächlich zur Baufinanzierung von 22 Verbrennungsanlagen, 78 Sicherheits- und Hygienestandards entsprechenden Mülldeponien und einer Kompostierungsanlage.
Früher in diesem Jahr hatte sich der Exekutiv-Yüan mit der Frage, was die fünf dringendsten Umweltprobleme hierzulande seien, an das EPA gewandt. Die Abfallbeseitigung tauchte zweimal auf der als Antwort zusammengestellten Liste auf, nämlich in Bezug auf Hausmüll sowie Industrie- und Gewerbeabfälle. Während des Wahlkampfs zum Legislativ-Yüan im Dezember 1992 erschienen die Probleme der Abfallentsorgung als eines der zentralen Themen auf der Kampagnenagenda sowohl von Kandidaten der Kuomintang-Partei als auch von Mitgliedern der Demokratischen Progressiven Partei.
Einheimische Umweltschutzgruppen werden sich ebenfalls der wachsenden öffentlichen Besorgnis bewußt. "Meiner Meinung nach ist die Wasserqualität Umweltproblem Nummer eins auf Taiwan. Der Müll rangiert an vierter oder fünfter Stelle, aber die Öffentlichkeit räumt ihm Priorität ein", befindet Jay Fang(方儉), Generalsekretär der Grünen Verbraucherstiftung (Green Consumer Foundation). Folglich beschäftigt sich die Stiftung mit einer Reihe von Recycling- und Abfallvermeidungsprojekten.
Die Müllanhäufung ist das offensichtlichste Umweltproblem auf Taiwan. An jedem Abend, in jeder Wohngegend müssen sich die Fußgänger ihren Weg durch Berge von Müllsäcken bahnen, die auf den Straßen und Bürgersteigen zur Abholung abgestellt wurden. Und auf Wochenendausflügen ans Meer oder in die Berge werden die Besucher den Strand oder die Wege im allgemeinen durch Unrat und Abfälle verunziert antreffen. Wegen dieser ins Auge fallenden Hinweise auf das Problem erwartet Fang, daß der Müll noch für eine Weile die Hauptsorge der Öffentlichkeit bleiben wird. "Es gibt keinen Platz, wo wir den Unrat abladen können, und es wird noch dauern, ehe die Verbrennungsanlagen Abhilfe schaffen werden", beschreibt Fang. "Die Bürger empfinden den Müll als eine Belästigung und darum drängen sie die Regierung, sich des Problems bevorzugt anzunehmen."
"Wir sehen den Unrat jeden Tag, und darum macht er Eindruck auf uns", vermerkt Lee Mei-ling(李美玲), Präsidentin der Hausfrauenunion und -stiftung (Homemaker's Union and Foundation). Obgleich Li wie viele andere der 700 Mitglieder in der gemeinnützigen Wohl fahrtsorganisation der Meinung ist, daß nuklearer Müll eine viel größere Gefahr für Taiwans Umwelt darstellt, ist sie sich bewußt, daß die Hauptsorge der Bevölkerung "Müll" heißt. "Wenn wir das Abfallproblem lösen können, wird sich die Lebensqualität hierzulande verbessern", argumentiert sie. Für dieses Jahr hat die Stiftung Verminderung des Mülls zum Hauptthema erklärt.
Je höher der Lebensstandard, desto größer das Müllaufkommen. Das muß nicht sein. Umweltschützer betonen die Wichtigkeit der Wiederverwertung und -verwendung.
Während der letzten 15 Jahre hat sich der jährlich auf Taiwan produzierte städtische Abfall fast verdreifacht. 1979 ließen Gemeinde- und Stadtverwaltungen täglich 8800 Tonnen Hausmüll abfahren. Diese Menge stieg bis 1990 auf 18 800 Tonnen und bis 1992 auf 21 900 Tonnen an. Im Durchschnitt produzierte jeder Bürger im Jahr 1979 täglich 0,63 Kilogramm an Abfall, 1990 waren es 0,96 Kilogramm und ein Jahr später 1,0 Kilogramm.
Rund 90 Prozent des städtischen Hausmülls werden auf Deponien abgeladen, drei Prozent werden inzwischen verbrannt und ein winziger Anteil wird kompostiert. Allgemein gesagt, werden nur 70 Prozent des Mülls angemessen entsorgt. Der Rest wird auf Müllkippen gelagert, die nicht den Sicherheitsstandards des EPA entsprechen.
Hinzu kommt, daß die meisten Mülldeponien bald ihre Aufnahmekapazität erreicht haben. Die Einrichtung neuer Abladeplätze ist problematisch, da geeignete Grundstücke äußerst beschränkt sind und die Anwohner häufig gegen neue Anlagen protestieren. Bis Juni diesen Jahres waren drei Viertel der 316 Deponien hierzulande beinahe ausgelastet; 111 davon werden ihr Aufnahmelimit bis Ende des Jahres erreicht haben. Angesichts dieses Engpasses wendet sich das EPA an Gemeindeverwaltungen mit der Aufforderung, neue Müllkippen zu bauen oder vorläufige Abladeplätze einzurichten.
Wie konnten sich Taiwans Mülldeponien in so kurzer Zeit füllen? Ein Hauptgrund liegt darin, daß Industrie- und Gewerbeabfälle seit Jahren auf den für Hausmüll vorgesehenen Kippen abgeladen wurden. 1992 fielen hierzulande 8 Millionen Tonnen Hausmüll und 50 Millionen Tonnen Abfall aus industriell-gewerblicher Produktion an, wobei der aus der Landwirtschaft und dem Bergbau stammende Ausschuß nicht mit einberechnet wurde. "Wir haben keine gesonderten Abladeplätze für industriell-gewerblichen Abfall auf Taiwan", erklärt Ho Soon-ching(何舜琴), leitende Expertin im Abfallbeseitigungsbüro des EPA. "Dieser Müll landet auch auf den normalen Deponien."
Doch das EPA hat vor kurzem begonnen, die Abfälle aus Industrie und Gewerbe gesondert zu behandeln. Laut den 1988 aufgestellten Erweiterungen des Abfallbeseitigungsgesetzes (Solid Waste Disposal Act) sind Industrie- und Gewerbeunternehmen verpflichtet, ihre Abfälle vorschriftsmäßig zu entsorgen - entweder indem sie zu einer dafür vorgesehenen Abladestation gebracht werden oder durch Vernichtung in eigenen Verbrennungsanlagen. Die Gesetzerweiterungen schreiben weiterhin Herstellern, Importeuren und Händlern bestimmter Produkte vor, diese zu recyceln oder wiederzuverwenden. Seit 1988 sind Recyclingmöglichkeiten für Polyäthylen- und Glasflaschen, Reifen, Dosen, landwirtschaftliche Pestizidbehälter sowie blei- und quecksilberhaltige Batterien geschaffen worden.
Das Abfallgesetz wird erst seit 1990 zur Anwendung gebracht. "Seither haben wir alle Betriebe veranlaßt, Entsorgungspläne aufzustellen, und wir haben die Einrichtungen dafür inspiziert", erzählt Ho. Die Betriebe, die nicht den Bestimmungen nachkommen, werden mit Bußgeldern belegt. Die Strafen für unsachgemäße Entsorgung allgemeinen Abfalls reichen von 6000 bis 30 000 T$ (240 - 1200 US$) und für gefährlichen Sondermüll von 60 000 bis 150 000 NT$ (2400 bis 6000 US$ ). Im 92er Haushaltsjahr erteilten das EPA und regionale Umweltschutzämter Strafen im Wert von insgesamt 65 Millionen NT$ (2,6 Millionen US$). Die verstärkte Drängung auf Einhaltung der Gesetze veranlaßte herstellende Unternehmen, sieben Verbrennungsanlagen für Industriemüll zu errichten, und dreißig Krankenhäuser bauten Anlagen zur Verbrennung von medizinischem Abfall (allerdings entsprechen davon nur sieben den vom EPA geforderten Standards).
Trotz dieser positiven Ergebnisse vertreten einige Umweltschutzgruppen den Standpunkt, daß die Regierung zuwenig in der Verfolgung von Umweltsündern tut. Sie weisen darauf hin, daß das Gesamtaufkommen an Hausmüll landesweit weiterhin um sechs Prozent jährlich wächst und in der Stadt Taipei sogar um zehn Prozent. "Wir sind der Ansicht, daß Abfall produzierende Betriebe sich auch um Wiederverwertung oder -verwendung kümmern sollen. Das halte ich für die Pflicht der Firmen", bekundet Lee Mei-ling von der Hausfrauenvereinigung. Wenngleich das Abfallbeseitigungsgesetz die Verantwortungen klar darlegt, halten sich viel zuwenige Betriebe daran. "Wir haben zwar ein Gesetz, aber es wird nicht wirkungsvoll durchgesetzt", betont sie. "Meiner Meinung nach ist es jetzt das wichtigste, auf die Einhaltung des Gesetzes zu achten." Jay Fang stellt heraus, daß viele von Taiwans Herstellern und Importeuren wiederverwertbarer Materialien von Taiwans blühender Wirtschaft profitieren, jedoch keine Verantwortung für ihren Beitrag zur Umweltzerstörung übernehmen. "Hersteller von beschichteten Getränkekartons zahlen keine Umweltabgabe, machen aber große Gewinne", beschwert sich Fang.
Könnte sich die Müllkrise von Hsinchuang möglicherweise wiederholen? Ho Soon-ching vom EPA würde es nicht überraschen. Nur 70 Prozent des anfallenden Hausmülls können von den zur vorschriftsmäßigen Abladung konzipierten Kippen aufgenommen werden, während die verbleibenden, auf offenen Abladeplätzen deponierten 30 Prozent Hausmüll oftmals Proteste der Anwohner hervorrufen. Und die Spannungen nehmen zu, da in Anbetracht der bald ihr Fassungsvermögen ausgeschöpften drei Viertel der Müllplätze lokale Verwaltungen um die Errichtung von neuen kämpfen. "Niemand möchte eine Müllkippe vor der Tür haben", weiß Ho. "Einige sind schon vor Jahren eingerichtet worden, aber aufgrund von Protesten kann immer noch kein Abfall dort abgeladen werden."
Wegen der in diesem Jahr stattfindenden Wahlen befürchtet Ho, daß die politisch angeheizte Stimmung kleine Proteste leicht in großen Aufruhr verwandeln könnte. Im Dezember werden auf Taiwan die Wahlen zu den Stadt- und Kreisräten abgehalten. Ho und andere Beamte des EPA erwarten, daß die Müllentsorgung ein zentrales Thema in der Wahlkampagne sein wird. "Das Müllproblem ist ein politisches Thema", befindet Ho. "Es besteht die Möglichkeit, daß sich ein Fall ähnlich dem von Hsinchuang ereignet. Es kommt vor, daß wir ein geeignetes Gebiet für eine Deponie finden, aber weil die Anwohner einer anderen politischen Richtung als der der Regierung folgen, nutzen sie die Situation zum Protest aus."
Nach Ansicht des EPA ist die Müllverbrennung die beste Lösung des leidigen Schmutzproblems. Derzeit gibt es eine in Betrieb befindliche Verbrennungsanlage hierzulande, und weitere 21 befinden sich in verschiedenen Phasen der Planung und Ausführung. Die erste 2,4 Milliarden NT$ teure Anlage wurde 1992 in dem Taipeier Vorort Neihu fertiggestellt und verwandelt derzeit täglich 900 Tonnen Unrat in Schutt und Asche. Werden einmal alle 22 Anlagen bis voraussichtlich 1998 ihre Arbeit aufgenommen haben, sollen sie täglich 220 050 Tonnen Müll entsorgen.
Werden diese Verbrennungsanlagen Taiwans Müllproblem lösen können? Ho's Antwort darauf fällt positiv aus. "Kleinere Gemeinden werden vielleicht noch mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, da der Mülltransport dort problematischer ist", erklärt sie. "Aber prinzipiell sollten die Probleme gelöst werden können." Man erwartet, daß unter Berücksichtigung der Müllzunahme die Verbrennungsanlagen rund drei Viertel von Taiwans Unrat verarbeiten werden. Durch den Prozeß wird der Müll auf ein Zehntel seiner ursprünglichen Masse reduziert.
Diese Anlagen haben ihren Preis. Die Ausgaben für den Bau der geplanten Einrichtungen werden rund 90 Milliarden NT$ (3,6 Milliarden US$) betragen, und nach Inbetriebnahme werden sich die Kosten pro Tonne verarbeiteten Mülls schätzungsweise auf 800 NT$ (32 US$) belaufen. Aber die Beamten des EPA sind zuversichtlich, daß der Etat für die Anlagen trotz Konkurrenz durch über siebenhundert im Nationalen Sechsjahresplan vorgesehene Projekte bewilligt wird. "Im Großen und Ganzen sind uns die 90 Milliarden NT$ schon sicher", meint Rhee Ten-miz(呂天民), Chefingenieur im Büro für Verbrennungsanlagentechnik im EPA. "Die Leute sind sich bewußt, daß es eine Menge kosten wird." Er fügt hinzu, daß die Verbrennungsanlagen im Vergleich zu anderen Planprojekten gut dastehen. "Ich würde sagen", verkündet Rhee, "daß unsere Projekte Vorrang genießen."
Ein größeres Problem als die Finanzierung könnte der Protest seitens der Anwohner darstellen. Der Bau an drei Verbrennungsanlagen - eine in Hsinchu und zwei in Tainan - ist aufgrund von Widerstand der Bevölkerung in den Gebieten aufgeschoben worden. Rhee erklärt, daß Proteste im kleineren Rahmen normal seien. "Hier auf Taiwan wird jede geplante Verbrennungsanlage Widerstand hervorrufen", konstatiert er. "Aber im Gegensatz zu Kernkraftwerkprotesten lassen sich die Auseinandersetzungen beilegen, ohne das gesamte Projekt abblasen zu müssen."
Ho behauptet, daß der Widerstand im Fall der Verbrennungsanlagen geringer sei als bei der Einrichtung neuer Müllkippen. "Bei den Verbrennungsanlagen drehen sich die Hauptbedenken um die Lärmbelastung, während bei den Müllkippen Fliegen und Moskitos eine große Sorge darstellen", erklärt Ho. Der Erfolg der ersten großen Verbrennungsanlage hat dazu beigetragen, die Bedenken über Lärm- und Geruchsbelästigung zu zerstreuen. "Die Anlage in Neihu funktioniert recht gut", meint sie. "Wir führen Besichtigungstouren und Informationsveranstaltungen für die Öffentlichkeit in Neihu durch. Damit können wir viele Besucher überzeugen."
Die Regierung hat außerdem viele Verbrennungsanlagenprojekte schmackhafter gemacht, indem sie Freizeiteinrichtungen für die Gemeinden mit in die Pläne eingeschlossen hat. Zu der Verbrennungsanlage in Neihu gehört beispielsweise noch ein 300 Millionen NT$ teures Freizeitgelände mit einem Ausstellungsgebäude, Tennisplätzen, Spielplatz, Rollschuharena und einem beheizten Schwimmbad dazu. Fast alle der geplanten Anlagen beinhalten ähnliche Einrichtungen für die Öffentlichkeit.
Umweltschützer allerdings sind weniger zuversichtlich, daß die Verbrennungsanlagen die Lösung zu Taiwans Müllproblem bieten. Jay Fang macht sich Sorgen um die durch Verbrennungsanlagen verursachten Verschmutzungen. Er konnte keine Informationen vom EPA über Flugaschenausstoß, Gasemissionen oder Wasserwerte der Neihu-Anlage beziehen und befürchtet, daß die Anlage die Umwelt belastet. Fang weist auch darauf hin, daß, obwohl die Rückstände hochgiftig sind, sie einfach auf für Hausmüll vorgesehenen Kippen abgeladen werden. "Es gibt keine Deponie für Sonderabfalle auf Taiwan", beklagt er.
Viele, die sich mit dem Müll beschäftigen, befinden, daß der Abfallverminderung zu wenig Nachdruck verliehen wird. "Das ist doch verrückt!" beschwert sich Fang. "Täglich werden insgesamt 22 000 Tonnen Abfall produziert, aber wir bauen zwei Anlagen in Taipei, wo jeweils 20 000 Tonnen pro Tag verbrannt werden können. Die Regierung sagt, daß wenn sie in Betrieb gehen, ihre Kapazität dem Müllaufkommen entsprechen wird." Fang ist der Meinung, daß es die falsche Taktik sei, sich auf immer mehr Müll einzustellen; stattdessen sollte die Devise Müllverminderung und Recycling heißen.
"Wir sollten nicht unseren gesamten Abfall verbrennen", argumentiert Fang. "Teilweise ist er giftig, manches läßt sich wiederverwerten. " Er nennt die derzeitige Vorgehensweise "Endkontrolle", da man sich erst um das Problem kümmert, wenn der Unrat schon produziert ist und nicht vorher. "Wenn wir das Müllaufkommen nicht reduzieren, ist das Wiederverwerten nutzlos", erklärt Fang. Und seiner Meinung nach sollten bestimmte Materialien gänzlich verbannt werden. "Styropor und beschichtete Kartons sollten verboten werden", fordert er. Laut Fang seien Maßnahmen zur Erziehung der Öffentlichkeit sowie die Einbeziehung des Geschäftsbereichs in die Wiederverwertungs- und Einsparungsbemühungen am wichtigsten.
Umweltschützerin Lee Mei-ling stimmt dem zu. Sie betont, daß zur Durchführung einer erfolgreichen Abfallpolitik die Reduzierung des Hausmülls unerläßlich sei sowie Industrie und Gewerbe für die Zusammenarbeit gewonnen werden müßten. Durch Erziehungsprogramme, Sommerlager für Kinder und Kampagnen zur Förderung des öffentlichen Bewußtseins versucht die Stiftung, die Gewohnheiten der Bürger zu verändern. Lee's Hauptziel ist es, den Bürgern die drei wichtigsten Wörter in Bezug auf Abfall, nämlich "vermindern, wiederverwenden und recyceln", nahezubringen. "Wir erklären den Leuten, daß sie sich selber die Frage, 'Wieviel unnötiger Abfall fällt an, wenn ich dieses Produkt kaufe?' stellen sollen, wenn sie kaufen gehen", beschreibt Lee. Damit hofft sie, letztendlich eine radikale Veränderung in den Verbrauchergewohnheiten zu bewirken.
"Wir müssen uns darüber klarwerden, daß Abfallreduzierung die beste Lösung ist", erklärt Lee. "Wir versuchen, der Öffentlichkeit zu erklären, daß unser Leben auch einfacher aussehen kann, - je einfacher desto besser. Wir brauchen nicht soviel. Man kann mit weniger eine höhere Lebensqualität erreichen." Aber eine solche Änderung der Denkweise würde bedeuten, den Trend, wirtschaftlichen Erfolg zu genießen, umzudrehen. "Taiwan war sehr lange sehr arm", gibt sie zu bedenken, "da fällt es schwer, wieder ein genügsameres Leben zu führen."
(Deutsch von Jessika Steckenborn)