Zusätzlich zu seinem Rang unter den führenden internationalen Handelsnationen hat sich Taiwan in letzter Zeit auch einen Ruf als führender weltweiter Investor erworben. Dieses neue Engagement hat zu drastischen Veränderungen in Taiwans Wirtschaft und Unternehmen geführt.
Der Trend, Kapital im Ausland zu investieren, begann 1987, als von der Regierung genehmigte ausländische Investitionen (mit Ausnahme von solchen in Festlandchina) um 80 Prozent auf 102 Millionen US$ stiegen. Die Zahl kletterte weiterhin mit sagenhafter Geschwindigkeit und erreichte 1988 218 Millionen US$, 1989 lag sie bei 930 Millionen US$, 1990 bei 1,55 Milliarden US$ und 1991 bei 1,65 Milliarden US$.
Die Gesamtsumme bewilligter Investitionen im Ausland zwischen 1986 und 1991 erreichte 4,52 Milliarden US$, wovon 1,93 Milliarden (43 Prozent) in asiatische Länder, 1,47 Milliarden US$ (33 Prozent) in die Vereinigten Staaten und 716,8 Millionen US$ (16 Prozent) nach Europa flossen. So hoch diese Zahlen auch liegen mögen, so repräsentieren sie doch nur einen Bruchteil des Gesamtbetrags, da viele, vor allem kleine und mittelgroße Betriebe ihre Kapitalbeteiligungen in südostasiatischen Unternehmen nicht offengelegt haben.
Laut Regierungsstatistiken lagen die von Taiwan getätigten Investitionen in Südostasien während des erwähnten Zeitraums bei über 12 Milliarden US$, darunter 4,9 Milliarden US$ in Malaysia (wo Taiwans Unternehmer schätzungsweise 800 herstellende Betriebe finanzieren), 3,4 Milliarden US$ in Thailand (2000 Unternehmen) und 2,77 Milliarden US$ in Indonesien (800 Herstellungsbetriebe). Das macht Taiwan zu einer der Hauptquellen für ausländisches Kapital in diesen Ländern.
Der neueste heiße Tip bei Taiwans Investoren heißt Vietnam: 700 Millionen US$ ließen die Geschäftsleute zwischen 1988 und 1991 in das Land fließen und machten Taiwan dadurch zum größten ausländischen Anleger dort. Alleine in der ersten Hälfte des letzten Jahres bewilligte die vietnamesische Regierung weitere 600 Millionen US$ an Investitionen aus Taiwan. Laut Angaben der Investitionskommission im Wirtschaftsministerium, konzentrieren sich Taiwans Kapitalanlagen auf die Bereiche Elektronik und elektronische Geräte, Textilien, Chemikalien sowie Metalle und Metallprodukte.
Der Vormarsch von Taiwans Investoren auf dem chinesischen Festland begann, nachdem die Regierung der Republik China 1987 hiesigen Bürgern erlaubte, dort lebende Verwandte zu besuchen. Dies gab Taiwans Geschäftsleuten Gelegenheit, Festlandchina bezüglich Investitionsmöglichkeiten in Augenschein zu nehmen.
Hauptsächlich aufgrund von Beschränkungen seitens der Regierung der Republik China lagen die Kapitalanlagen auf dem Festland bis vor kurzem sehr viel niedriger als in südostasiatischen Ländern. Doch seit die gesetzlichen Vorschriften gelockert worden sind, haben die Investitionen auf dem chinesischen Festland schnell zugenommen, unter anderem gefördert durch Lagenähe, sprachliche und kulturelle Verwandtschaft sowie noch unter dem südostasiatischen Stand liegende Lohnkosten.
Bis April 1992 waren 2582 Investitionsprojekte mit einer Gesamtanlagesumme von 837 Millionen US$ auf dem chinesischen Festland beim Wirtschaftsministerium angemeldet worden. Das meiste Kapital floß in die Fahrrad- und Schuhindustrie, in Herstellungsbetriebe für Metall- und Plastikprodukte, elektronische Geräte sowie in Dienstleistungsbetriebe wie Restaurants und Karaoke-Einrichtungen. Laut von offiziellen festlandchinesischen Stellen veröffentlichter Statistiken belief sich bis Ende 1991 die Zahl von Taiwans Investitionen auf 3815 Projekte mit einer Gesamtsumme von 3,4 Milliarden US$.
Nach Schätzungen des Wirtschaftsministeriums betrug die von 1986 bis 1991 ins Ausland geflossene Gesamtanlagesumme aus Taiwan rund 19 Milliarden US$ und machte Taiwan zum neuntgrößten Investor weltweit. Diese Plazierung ist besonders beachtlich, wenn man das relativ niedrige durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen von 8050 US$ im Jahr 1991 in Betracht zieht.
Die Welle der Investitionen im Ausland wurde durch einheimische Veränderungen ausgelöst, die Taiwans Industrie ungeeignet für arbeitsintensive Produktion machten; die Gründe dafür sind bei steigenden Lohnkosten, anhaltendem Mangel an Arbeitern, himmelhohen Grundstückspreisen, dem starken Kurs des NT-Dollars und zunehmenden Umweltkonflikten zu suchen.
Zusätzlich verschaffte der bewegte Börsenmarkt hiesigen Unternehmern Zugang zu finanziellen Grundlagen für die ausländischen Investitionen. Die hohe Bewertung des NT-Dollars machte Auslandsinvestitionen rentabel, und nachdem die Regierung 1987 die den Währungswechsel betreffenden Kontrollen aufgehoben hatte, vereinfachte sich die Kapitalanlage im Ausland.
Hiesige Computerunternehmen können durch die Übernahme einer etablierten Firma in den USA Zugang zu Informationen und Vertriebskanälen erhalten. Ein solcher Schritt hilft, Marktanteile in der extrem konkurrenzträchtigen Branche zu sichern. Hier ein Blick in die jährliche Computerausstellung im Taipeier Welthandelszentrum.
Ein repräsentatives Beispiel ist die Firma Teco Electric & Machinery, Taiwans größter Hersteller von Elektroartikeln und führend auf dem Gebiet der Haushaltsgeräte, die 1990 eine Fabrik in Malaysia eröffnete. "Als wir vor der Entscheidung standen, entweder unseren Betrieb in Taiwan zu vergrößern oder ein Unternehmen in Malaysia zu eröffnen, erfuhren wir, daß ein knapp 10 Hektar großes Stück Land in einer von Taiwans Industriezonen eine Milliarde NT$ (40 Millionen US$) kostete und sich die gesamten Ausgaben für Grundstück, Gebäude und Einrichtung auf 1,8 Milliarden NT$ (76 Millionen US$) belaufen hätten", blickt der Firmenpräsident T. S. Shieh(謝天下)zurück. "Die Aufwendungen für die Firma in Malaysia dagegen betrugen lediglich 800 Millionen NT$ (31 Millionen US$)", führt er weiter aus.
Shieh schätzt, daß die Produktionskosten in dem Werk in Malaysia 15 Prozent niedriger liegen als in der Fabrik auf Taiwan. Ein weiterer Vorteil der Herstellung in Malaysia ist, daß die dort gefertigten Motoren bevorzugte Tarife in den Vereinigten Staaten erfahren, während aus Taiwan stammende mit 21 bis 25 Prozent Importzöllen belegt werden. Außerdem liegen die Zollgebühren der Vereinigung Südostasiatischer Nationen (Association of South East Asian Nations) für in Malaysia gefertigte Produkte sehr viel niedriger.
Viele südostasiatische Regierungen heißen die Investitionen aus Taiwan besonders willkommen, da es sich dabei meistens um kleinere oder mittlere Projekte in arbeitsintensiven Branchen handelt, welche eine hohe Anzahl von Arbeitsstellen schaffen. Natürlich tragen diese Unternehmen zur Steigerung des Lebensstandards und wirtschaftlichen Entwicklung des jeweiligen Gastlandes bei.
In Festlandchina beispielsweise haben sich die Investitionen aus Hongkong und Taiwan als einer der Hauptfaktoren für den schnellen Aufstieg des Landes zum führenden Exporteur erwiesen. Im Jahr 1991 lagen die sich auf über 72 Milliarden US$ belaufenden festlandchinesischen Exporte nicht weit unter den bei 76 Milliarden US$ liegenden Exporten aus Taiwan und plazierten Festlandchina hinter der Republik China an 13. Stelle der Handel treibenden Nationen weltweit.
Rund 70 Prozent der Produktion aus von taiwanesischen Unternehmern finanzierten Betrieben in Festlandchina geht in die Vereinigten Staaten. Beispielsweise lieferten die mit Kapital aus Taiwan unterhaltenen festlandchinesischen Schuhhersteller 1991 200 Millionen der insgesamt 500 Millionen produzierten Schuhpaare mit einem Wert von 2 Milliarden US$ in die USA.
Während die Investitionen aus Taiwan unbestritten positive Auswirkungen für die jeweiligen Länder zeigen, haben einheimische Beobachter Angst vor einer Aushöhlung der hiesigen herstellenden Industrie. Eine Studie des Wirtschaftsministeriums zeigt, daß 16 Prozent der Auslandsinvestoren entweder die Produktion hierzulande eingestellt oder zurückgeschraubt haben. Bei den in Festlandchina engagierten Unternehmern lag die Rate bei 25 Prozent.
Am Beispiel der Schuhindustrie läßt sich klar darstellen, wie die Entwicklung vor sich geht: 1987 produzierten Schuhbetriebe auf Taiwan 800 Millionen Paare mit einem Wert von 3,7 Milliarden US$; bis zum Jahr 1991 war die Produktion auf 370 Millionen Paare im Wert von 2,4 Milliarden US$ gefallen. In der gleichen Zeitphase sank die Zahl der bei Taiwans Vereinigung der Schuhhersteller eingetragenen Unternehmen von 1600 auf 720.
Private Investitionen in Taiwan fielen um 8 Prozent im Jahr 1990 - die erste Senkung seit einem Jahrzehnt - und erreichten lediglich ein 1,8prozentiges Wachstum im darauffolgenden Jahr. Der Anteil der verarbeitenden Industrie an der gesamten Wirtschaft des Landes büßte zwischen 1987 und 1991 beinahe fünf Prozent ein und sank von 39 auf 34 Prozent. Obwohl Wirtschaftsexperten die Senkung des Anteils, den die verarbeitende Industrie in der Gesamtwirtschaft einnimmt, als unumgänglich erachten, wenn sich ein Land auf ein höheres Niveau hebt, ist das Tempo, mit dem sich der Vorgang auf Taiwan vollzieht, alarmierend.
Aber für viele Unternehmer Taiwans bedeuten die ausländischen Investitionen die einzige Überlebenschance, und im Rückblick scheint sich die Auswanderung eher positiv auf Taiwans wirtschaftliche Lage ausgewirkt zu haben. Einer der führenden Hersteller von Tennisschlägern, Kunnan Enterprise Ltd., beispielsweise errichtete 1988 eine Tennisschlägerfabrik in Thailand. "Der Hauptgrund für unsere Entscheidung", erklärt der Vizepräsident der Firma, Jeff Yao(姚鸛鳴), "war der Mangel an Arbeitern in Taiwan. Vor diesem Problem stehen viele Hersteller, doch für uns war es aufgrund der anstrengenden Arbeit und Hitze in unserer Fabrik besonders schwerwiegend. Obwohl wir den Lohn beträchtlich auf rund 800 US$ monatlich erhöht haben, können wir immer noch nicht genug Arbeiter anziehen. Darum bedeutet die Errichtung von Fabriken im Ausland die einzige Möglichkeit der Expansion."
Cal-Comp Electronics Inc., einer der weltweit führenden Taschenrechnerhersteller, sah sich ähnlichen Schwierigkeiten ausgesetzt, ehe er 1990 eine Fabrik in Thailand einrichtete. Pearce Chiu(邱平和), Vizepräsident der Firma, erklärt: "Wir hatten in unserem Werk in Shenkeng, einem Vorort von Taipei, so große Schwierigkeiten, genug Arbeiter zu finden, daß wir eine große Anzahl von Studenten als Aushilfskräfte einstellen mußten. Wir sahen ein, daß wir zum Fortbestehen unserer arbeitsintensiven Taschenrechnerproduktion sie in ein weniger entwickeltes Land verlagern mußten."
Viele Hersteller berichten, daß ihre ausländischen Betriebe einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg des Gesamtunternehmens leisten. Ohne diese Fabriken, so behaupten sie, würden sie sich heutzutage in ernsten Schwierigkeiten befinden.
Bessere Artikel immer billiger herzustellen ist das Ziel der Industrie heutzutage. Während die meisten Firmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, bleiben jedoch ihre Wurzeln fest auf Taiwan verankert.
Fabriken in Malaysia und Thailand haben beispielsweise Taiwans Taschenrechnerherstellern geholfen, trotz Konkurrenz aus Hongkong und vom chinesischen Festland, Aufträge für Billigausführungen zuruckzugewinnen. Das trug dazu bei, daß die Gesamtproduktion taiwanesischer Taschenrechnerhersteller im In- und Ausland von 58 Millionen Einheiten im Jahr 1989 auf 70 Millionen im Jahr 1990 anstieg. In Japan belief sich der Taschenrechnerausstoß für das Jahr 1990 auf 20 bis 30 Millionen Stück, und in Hongkong wurden 70 Millionen Einheiten produziert. Jedoch lag der Preis von Taschenrechnern aus Hongkong durchschnittlich nur bei der Hälfte von Taiwans Modellen.
Die Profite aus ausländischen Investitionen haben den Unternehmen bei dem schwierigen Unterfangen geholfen, die Produktion im eigenen Land zu verbessern. Die Aufwertung ist Voraussetzung für ein Überleben der hiesigen Werke. In vielen Fällen beziehen die Betriebe auf Taiwan arbeitsintensive Produktionsteile für die Weiterverarbeitung von ausländischen Fabriken und können dadurch die Produktionskosten gering halten sowie das Problem des Arbeitermangels auf Taiwan umgehen. Einheimische Schuhhersteller beispielsweise bekommen Oberteile und Sohlen von ihren Fabriken in Festlandchina. Daneben tragen die ausländischen Unternehmungen zur Absicherung von Rohstofflieferungen bei und helfen den taiwanesischen Herstellern, sich einen Platz auf dem Markt des Investitionslandes zu erobern.
Die ausländischen Unternehmungen in Festlandchina und Südostasien führen zu einem enormen Bedarf an Materialien, Einzelteilen und Maschinen aus Taiwan. Während Taiwans Gesamtexporte im Jahr 1990 nur um 2,9 Prozent stiegen, erfuhren die Verschiffungen nach Malaysia, Indonesien und Thailand einen enormen Aufschwung um jeweils 59, 34 und 29 Prozent.
Die investitionsbedingte Zunahme der Exporte nach Festlandchina ist ebenso beeindruckend: Die Lieferungen über Hongkong nach dem chinesischen Festland kletterten im Jahr 1991 um 42 Prozent (derweil Taiwans Gesamtexporte nur um 13 Prozent stiegen) auf 4,66 Milliarden US$ und machten damit 6 Prozent der gesamten Exporte des Landes aus. In den ersten acht Monaten des vergangenen Jahres stiegen die indirekten Lieferungen nach Festlandchina um weitere 38 Prozent auf 3,9 Milliarden US$ und machten damit 7 Prozent der Gesamtexporte aus. Die große Nachfrage in Festlandchina konnte zum Ausgleich der spärlichen Aufträge anderer Länder und zur Aufrechterhaltung eines stetigen wirtschaftlichen Wachstums auf Taiwan beitragen.
Der Schritt ins Ausland hat sich als gewagte Odyssee für Taiwans Hersteller, besonders für kleine und mittelgroße Betriebe, erwiesen. Eine der sich ihnen stellenden Hauptschwierigkeiten ist, daß sie nicht mit den jeweiligen Gesetzen und Bestimmungen des Landes vertraut sind, was sie in einigen Fällen den betrügerischen Tricks ausländischer Partner auslieferte. Außerdem tun sich die Unternehmer im Umgang mit dem komplizierten Behördenkram schwer.
Eine weitere Schwierigkeit stellen sprachliche und kulturelle Barrieren zwischen den Investoren aus Taiwan und den einheimischen Arbeitern dar. Pearce Chiu von Cal-Comp's erinnert sich: "Ehe wir unser erstes Team, bestehend aus 28 Managern und Technikern, in unser Werk in Thailand entsenden konnten, mußten sie drei bis sechs Monate lang die thailändische Sprache lernen."
Viele Investoren wenden sich an Überseechinesen, um die Distanz zu den einheimischen Angestellten im Ausland zu überbrücken. Shieh von der Firma Teco erklärt: "Einer der Hauptgründe, unser geplantes Malaysia-Werk in Penang anzusiedeln, war die Anwesenheit einer großen Mandarin-Chinesisch sprechenden Gemeinde von Auslandschinesen. Aus ihr können wir Angestellte anwerben, die in mittleren Positionen in unserem Werk arbeiten und als Brücke zur einheimischen Arbeiterschaft dienen."
Aber es gibt noch weitere gravierendere Probleme für die ins Ausland entsandten Angestellten aus Taiwan, da sie oftmals mit unbequemen Lebensumständen, anderen kulturellen Sitten und Gebräuchen sowie familiären Problemen wie die Trennung vom Ehepartner oder die Frage der schulischen Erziehung der Kinder konfrontiert werden. Daneben gibt es in den Betrieben oftmals nicht genug Personal, und darum müssen sie lange ermüdende Arbeitszeiten in Kauf nehmen. "Das sind Pioniere", beschreibt Chiu von Cal Comp. "Selbst nach Arbeitsschluß müssen sie häufig noch die Anlage inspizieren und Maschinen reparieren."
Um die Arbeit im Ausland attraktiver zu machen, befördern die meisten Firmen die ausgesandten Angestellten, gewähren ihnen Extra-Vergütungen, regelmäßigen Urlaub, bezahlte Flüge nach Taiwan und regen auch den Umzug des Ehepartners an. Von der Regierung der Republik China unterstützte Vereinigungen von Auslandsinvestoren haben in Penang, Kuala Lumpur und Jakarta chinesischsprachige Schulen eingerichtet, wo die Kinder der Angestellten aus Taiwan unterrichtet werden.
Auch das Fehlen angemessener Unterstützung durch Banken erweist sich als Problem in den Gastländern. Um ihren Bedarf an Betriebskapital zu decken, haben sich einige Investoren aus Taiwan an von Auslandschinesen betriebene Geldinstitute gewandt.
Jene, die sich auf dem chinesischen Festland ansiedeln, stehen vor anderen Problemen, darunter das Fehlen eines klar definierten gesetzlichen Rahmens, die kostspielige Aufnahme und Unterhaltung von "guten Beziehungen" zu dortigen Beamten, unkonventionelle Arbeitsgewohnheiten der dortigen Arbeiter (an modernen Produktionsstandards gemessen), strenge Devisenkontrollen, eine unterentwickelte Infrastruktur und fehlende Unterstützung durch Finanzinstitutionen.
Der Erfolg im Ausland bedeutet derweil nicht, daß Taiwans Enterpreneure ihre Unternehmungen zu Hause vernachlässigen. Viele einheimische Hersteller haben ein System der Arbeitsteilung zwischen dem ausländischen und dem Betrieb auf Taiwan eingeführt. Kunnan Enterprise zum Beispiel fertigt in seinem Werk in Thailand Tennisschläger in der Preisklasse von 100 bis 150 US$, während auf Taiwan Schläger im Wert von 150 bis 400 US$ hergestellt werden. In der Thailand-Niederlassung von Cal-Comp werden Billigtaschenrechner produziert, derweil die Fabrik auf Taiwan sich auf die Herstellung von hochqualitativeren Produkten wie Digitalrechnern, deren Verkaufswert zwischen 20 und 30 US$ pro Stück liegt, und Fax-Geräten konzentriert. Die Firma Teco stellt in ihrem malaysischen Werk Standardmotoren und im Betrieb auf Taiwan Sonderausführungen und Spezialanfertigungen her.
"Unser Strategie sieht so aus, daß wir in unserem Werk auf Taiwan kontinuierlich Neuheiten erfinden", beschreibt Jeff Yao von Kunnan Enterprise, "und ihre Produktion dann, wenn sie nichts Besonderes mehr sind, in unser thailändisches Werk verlegen." Für die Entwicklung neuer Produkte unterhält Kunnan ein großes Forschungs- und Entwicklungszentrum mit 60 Ingenieuren auf Taiwan. Diese Abteilung kostet die Firma rund drei Prozent ihrer Einkünfte.
Cal-Comp folgt einem ähnlichen Konzept. Vorstandsdirektor Ray Chen(陳瑞聰)stellt dar: "Wir sammeln Marktinformationen und tüfteln jedes Jahr entsprechend den Trends und der technischen Entwicklung neue Produkte aus, die wir dann unseren OEM-Kunden zur Auswahl vorlegen. Unsere Fähigkeit, ständig neue Produkte vorzuweisen, ist der Hauptgrund für unser Wachstum."
Für diese Anstrengungen, für welche die Firma zirka 2,5 Prozent ihrer Einnahmen aufwendet, unterhält das Unternehmen ein Forschungs- und Entwicklungszentrum mit 200 Ingenieuren auf Taiwan. Das Zentrum ist auch für die Entwicklung von automatisierten Produktionsmaschinen zu ständig, welche in den firmeneigenen Werkstätten hergestellt und dann in der Fertigungsstraße installiert werden. Darüber hinaus bemühen sich die Ingenieure um ein besseres Produktdesign, um beispielsweise die Zahl der Einzelteile zu reduzieren und dadurch die Herstellungskosten zu senken. Durch die Kombination von neuen Produkten, ökonomischem Design und hoher Produktivität war Cal-Comp in der Lage, langfristig gesicherte Aufträge von führenden internationalen Markenartikelherstellern zu erhalten.
Die auf Taiwan gebliebenen Schuhhersteller konnten nur überleben, indem sie eine Reihe von Maßnahmen durchführten, darunter Automatisierung der Produktion, Entwicklung neuer Materialien, Verbesserung des Designs (zum Teil durch die Umstellung auf computerunterstützten Entwurf und die Einstellung von ausländischen Designern), Aufwertung der Produktionsverfahren (wodurch man auch kleinere Aufträge annehmen kann) und Umstellung und Verbesserung der Vermarktungsstrategien.
Nach der Gründung von Fabriken im Ausland haben viele Hersteller ihre Betriebe auf Taiwan in Zentren für die Fertigung hochqualitativer Produkte, für Forschung und Entwicklung, Auftragsabwicklung, Materialverwaltung sowie Angebot von Ausbildungsprogrammen und Bereitstellung technischer Hilfe für die ausländischen Zweigstellen umgewandelt. Ray Chen von Cal-Comp stellt es so dar: "Der größte Vorteil auf Taiwan ist die gutausgebildete Arbeiterschaft, vor allem die qualifizierten Manager in mittleren Positionen und technisches Personal. Taiwan wird immer das Herstellungs- und Operationshauptquartier für unsere internationalen Unternehmungen bleiben."
Während in Südostasien und Festlandchina Kapital aus Taiwan größtenteils in den Herstellungssektor geflossen ist, hat man in den Vereinigten Staaten hauptsächlich investiert, um Absatzmöglichkeiten zu gewinnen (die USA sind Taiwans größter Exportmarkt) und Informationen über Märkte und fortschrittliche Technologien zu erwerben. Investitionen in Europa werden auch hauptsächlich im Hinblick auf Absatz und beispielsweise Vertriebslager getätigt.
Laut Aussagen des Koordinierungsrats für Nordamerikanische Angelegenheiten haben Taiwans Kapitalanleger in 220 Firmen im Sillicon Valley bei Los Angeles investiert. Diese Unternehmen, die in Bereichen der PC-, Computerchip- und Softwareherstellung tätig sind, haben ein Gesamtkapital von 690 Millionen US$ und bieten 13 000 Arbeitsplätze.
Eine beträchtliche Anzahl taiwanesischer Firmen hat bestehende amerikanische Unternehmen wegen ihrer Absatzkanäle und Technologien übernommen. Ein herausragendes Beispiel ist der 335 Millionen US$-Aufkauf von Amerikas drittgrößtem Gebäckhersteller Wyndham Foods durch President Enterprise aus Taiwan im Jahr 1990.
Dieser Erwerb bringe Vorteile für beide Seiten mit sich, erklärt Kao Chin-yuan(高清愿), stellvertretender Vorsitzender von President Enterprise und Vorsitzender der President-Gruppe. "Wegen der ähnlichen Unternehmensstruktur von Wyndham und President können sich die beiden Unternehmen durch die Zusammenlegung gegenseitig bei ihren Operationen Rückhalt gewähren, und President kann seine Expansion beschleunigen. Beispielsweise helfen uns Wyndhams fest etablierte Verkaufskanäle, President-Enterprise-Produkte in den USA zu vermarkten", führt er aus. Der Kauf erwies sich als so erfolgreich, daß President im vergangenen September weitere 60 Millionen US$ für den Erwerb von Famous Amos, einem bekannten amerikanischen Plätzchenhersteller, aufwendete.
Einheimische Hersteller von Produkten für die Informationsindustrie sind ebenfalls begeisterte Käufer amerikanischer Unternehmen. Kun Yin Enterprise Co. beispielsweise erwarb den US-amerikanischen Computermaus-Hersteller, MSC, und Mitac International aus Taiwan kaufte den Computerhersteller Compaq auf. Aber solche Geschäfte sind wegen der komplizierten und konkurrenzträchtigen Struktur des US-amerikanischen Markts für Elektronik und Produkte der Informationstechnologie mit einem Risiko verbunden.
Eines der erwähnenswertesten Beispiele ist der 1989 abgewickelte 11 Millionen US$-Kauf der bekannten US-amerikanischen Vertriebsfirma für Verbrauchskommunikationsgüter Pactel durch Taiwans führenden Hersteller von schnurlosen Telefonen, Great Electronics Corp. Mit dem Erwerb wollte Great Electronics seine starke Abhängigkeit von OEM-Bestellungen durch die amerikanische Firma AT&T vermindern, die zu jener Zeit nur dünne Profite abwarfen. Kurz nach dem Geschäftsabschluß wurden die Vereinigten Staaten von einer schweren Rezession getroffen, und die Preise für Verbrauchskommunikationsgüter fielen um 20 Prozent. Darüber hinaus hatte AT&T seine Aufträge an andere Firmen in Taiwan, Hongkong und Festlandchina vergeben.
Bis Ende 1990 wies Pactel, dessen Name nach dem Besitzerwechsel in Great Technologies umgeändert worden war, Schulden in Höhe von 22 Millionen US$ auf. Rechnet man die Verluste aus anderen ausländischen Unternehmen hinzu, belief sich das Gesamtdefizit von Great Technologies in jenem Jahr auf 29 Millionen US$; das war eine höhere Summe als das Einlagekapital der Firma von 26 Millionen US$. Die Situation zwang schließlich den Gründer des Unternehmens, L. F. Shieh, zum Rücktritt von seinem Posten als Vorsitzenden.
Der Mißerfolg von Great Electronics illustriert den Fehler, den viele taiwanesische Firmen begangen haben: beflügelt durch den einfachen Zugang zu Investitionskapital in den glücklichen Tagen des blühenden Börsengeschäfts sprangen viele Unternehmer Hals über Kopf und ohne angemessene Überprüfungen in großartige Auslandsinvestitionen. Diese Geschäfte überstiegen häufig die finanziellen Möglichkeiten und Verwaltungsfähigkeiten.
In den kommenden Jahren wird die Stärkung dieser beiden Bereiche - Management und Finanzierung - die zur Unterstützung von internationalen Operationen unabdingbar sind, einen wunden Punkt für Taiwans Unternehmen darstellen.
In dieser Hinsicht können die Erfahrungen von Teco als gutes Beispiel dienen. Heutzutage ist Teco ein multinationales Unternehmen mit Herstellungsstätten auf Taiwan und in Malaysia, sowie sieben Zweigstellen im US-amerikanischen Los Angeles und Houston, in Australien, Singapur, Thailand, Malaysia und Indonesien, welche für Marketing, Sammlung von Marktinformationen, Lagerung und Vertrieb sowie Kundendienst zuständig sind.
Einer der Schlüssel zum erfolgreichen Management von Tecos globaler Unternehmensstruktur liegt im Prinzip der Lokalverwaltung. Alle Zweigstellen werden von einheimischen Managern geleitet, während nur die Stellvertreterposten von taiwanesischen Angestellten bekleidet werden. Jeder Betrieb hat maximal nur zwei leitende Angestellte aus Taiwan, alle anderen Positionen in der Geschäfts- und Buchführung, im technischen Bereich und im Vertrieb sind mit einheimischem Personal besetzt.
"Unsere Firmenpolitik sieht vor, daß die Unternehmungen im Ausland ihre Arbeiterschaft und das Kapital hauptsächlich aus dem Gastland beziehen sollen", stellt T. S. Shieh dar. "Lokale Anpassung ist wichtig, um die Anerkennung der Bevölkerung des Gastlandes zu gewinnen, welche wiederum beim Aufbau von politischen, sozialen und geschäftlichen Beziehungen helfen kann. Und das stärkt natürlich die ausländischen Unternehmungen." Shieh fügt hinzu, daß die Lokalverwaltung darüber hinaus Probleme und Unkosten vermeidet, die entstehen, wenn Personal aus Taiwan ins Ausland geschickt wird.
Teco ist verständlicherweise vorsichtig bei der Auswahl der im Ausland rekrutierten leitenden Angestellten; sie müssen sich mit der Firmenphilosophie identifizieren können. Die lokalen Unternehmensleiter werden einmal pro Jahr nach Taiwan eingeladen, wo sie mehr über die Teco-Philosophie, -Struktur und das System lernen. "Die Unternehmungen unserer ausländischen Zweigstellen sollten den Gegebenheiten und Sitten des Gastlandes angepaßt werden", betont Shieh. "Doch die Philosophien, Ideale und Prinzipien der Leitung, welche den Betrieben zugrunde liegen, sollten einheitlich sein."
Die größte und zugleich schwierigste Herausforderung, der sich Taiwans Unternehmen stellen müssen, ist die Frage, wie man den Betrieb zu Hause in Schwung hält, damit er die leitenden, technischen und finanziellen Kräfte stellen kann, die für die fortschreitende Entwicklung der ausländischen Unternehmungen nötig sind. Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt werden kann, werden die mit taiwanesischem Kapital betriebenen Herstellungsstätten in anderen Ländern nicht mit der allmählich in den arbeitsintensiven Branchen aufkommenden einheimischen Konkurrenz Schritt halten können. In dem Fall werden taiwanesische Firmen allmählich ihre Konkurrenzfähigkeit und ihr Wachstum einbüßen.
Der Boom von ausländischen Investitionen in den vergangenen Jahren hat Taiwans Wirtschaft und seine Unternehmen drastisch verändert. Viele der großen Firmen hierzulande haben sich erfolgreich in multinationale Unternehmen gewandelt, und zahlreiche kleine und mittelgroße Betriebe haben weitreichende internationale Operationen entwickelt.
Dieser Trend hat Taiwans wirtschaftlichen Einfluß extrem erweitert. Doch ohne den Rückhalt einer starken Basis zu Hause werden diese weltweit engagierten Unternehmen langsam und allmählich eingehen, gerade wie eine Pflanze, deren Wurzeln man ausgegraben hat.
(Deutsch von Jessika Steckenborn)