Das chinesische Neujahr, welches nach dem Mondkalender errechnet wird, ist das wichtigste Fest in der chinesischen Kultur und fiel in diesem Jahr auf den 23. Januar. Der Jahreswechsel wird traditionell von einer Vielzahl an Sitten und Gebräuchen begleitet, die heute noch in Taiwan gepflegt werden. In den letzten Tagen des alten Jahres müssen Schulden beglichen werden, Angestellte erhalten eine Art 13. Monatsgehalt zum Neujahr und werden am 16. Dezember von ihren Chefs zum Abendessen eingeladen. Früher nahm manch ein Arbeitnehmer mit flauem Gefühl im Bauch daran teil, da nämlich durch ein aufgetischtes Hähnchen, welches mit dem Kopf auf den Sitzplatz eines Gastes zeigte, in diskreter Weise die Entlassung jenes Angestellten mitgeteilt wurde.
Laut Volksglauben fährt am 24. Tag des letzten Monats der Küchengott zum Himmelskönig auf, um über das Betragen "seiner" Familie Bericht zu erstatten. Damit er nur Gutes erzählen soll, schmiert man Süßigkeiten auf sein papiernes Antlitz, welches daraufhin verbrannt wird. Vor dem Fest wird zu Hause saubergemacht, womit alles Schlechte des vergangenen Jahres symbolisch hinausgefegt werden soll, dann wird aufgeräumt und der Kühlschrank und die Vorräte aufgefüllt, um für die Feiertage, an denen selbst Geschäfte und Restaurants geschlossen bleiben, vorbereitet zu sein. Viele Leute kleben neben und über ihre Haustüren rote Spruchbänder, deren goldene Aufschriften beispielsweise Glück, Wohlstand oder Frieden im neuen Jahr verheißen. Daneben gibt es Bilder von Türgöttern, die die Familie beschützen sollen, und Schriftzeichen für "Frühling" oder "Glück", die in der Wohnung oder an der Tür aufgehängt werden - oftmals verkehrt herum, weil das chinesische Wort für "umgekehrt" ähnlich klingt wie "ankommen" und somit das Eintreten des entsprechenden Wunsches symbolisieren.
Die meisten der hiesigen Bürger verbringen die Feiertage traditionellerweise im Kreis der Familie, und auf der Autobahn und sogar auf den Landstraßen, wo sich die Autos vor dem Fest Richtung Süden stauten und nach den Feiertagen wieder gegen Norden drängelten, war Geduld gefordert. Für die Strecke Taipei-Kaohsiung, für die man normalerweise viereinhalb Stunden benötigt, mußten die Heimkehrenden zehn Stunden und länger in Kauf nehmen. Viele Bürger nutzten die Feiertage aber auch, um eine Urlaubsreise zu unternehmen, und Flüge waren vor und während der Feiertage restlos ausgebucht.
Der Neujahrsabend ist - vergleichbar mit dem christlichen Heiligabend - die Gelegenheit, alle Familienmitglieder zu versammeln und mit einem üppigen und ausgedehnten Essen das Zusammenkommen zu feiern. Nach dem Essen, während man auf den Jahreswechsel wartet, werden Papierscheine - Geld für die Götter - verbrannt, Feuerwerkskörper losgelassen, um durch den Lärm unheilstiftende Geister abzuschrecken, und die Kinder erhalten hongpao, das sind rote Umschläge mit Geld darin. Auch Eltern bekommen solche Geldgeschenke von ihren Kindern, wenn diese eigenes Geld verdienen. Am ersten Tag des neuen Jahres tragen Kinder ihre neuen Kleider zur Schau, die extra zu dem Anlaß gekauft worden sind, die Familie besucht Freunde und Verwandte oder geht in den Tempel, um pai-pai zu machen, d. h. den Göttern Opfergaben darzubringen und für ein gutes Jahr zu beten. Am zweiten Tag besuchen die verheirateten Töchter ihre Eltern und feiern ein Wiedersehen mit ihrer Familie. Die Götter kehren am darauffolgenden Tag von ihrem Besuch im Himmel zu ihren Tempeln und Schreinen zurück und werden von den Leuten mit dem Zünden von Feuerwerkskörpern, Verbrennen von Papiergeld und Räucherstäbchen begrüßt. Spätestens am fünften Tag des neuen Jahres müssen die meisten Bürger zurück zur Arbeit und das alltägliche Leben nimmt erneut seinen Lauf. Viele Geschäfte feiern die Wiedereröffnung am vierten oder fünften Tag mit einem ohrenbetäubenden Feuerwerk und einige Besitzer lassen vor ihren Läden und Büros symbolträchtige Löwentänze aufführen, die Glück und guten Umsatz im neuen Jahr bescheren sollen. Entsprechend dem Bauernkalender, welcher über alle wichtigen Daten des chinesischen Jahres sowie über günstige bzw. ungünstige Zeitkonstellationen informiert und in den meisten Haushalten zu finden ist, endet das Neujahrsfest erst am 15. des ersten Monats mit dem Laternenfest.
Neue Direktflüge verbinden Taipei mit Europa
Wie die britische Regierung am 22. Januar verkündete und das Außenministerium der Republik China bestätigte, wurde nach monatelangen Verhandlungen mit Beginn am 29. März eine direkte Flugverbindung zwischen London und Taipei eingerichtet. Zwei Flüge pro Woche von Gatwick nach Taipei werden von der British Asia Airways, einer Tochtergesellschaft der British Airways, die eigens zum Zwecke des Anflugs von Hongkong und Taipei gegründet worden war, mit Maschinen des Typs Boeing 747-400 bedient; die Route führt via Hongkong. Die einheimische EVA-Airways Corp. bedient mit ihren Boeings 767 dreimal wöchentlich die Strecke, indem sie die bereits bewährte Linie Taipei-Wien (Flugzeit 17 Stunden) um die Strecke Wien-London/Gatwick erweitert.
Am chinesischen Neujahrstag, dem 23. Januar, landete nach zwölf Stunden Flugzeit die erste Maschine der staatlichen bulgarischen Balkan Airlines auf dem internationalen Chiang-Kai-Shek-Flughafen. Die Linie Taipei-Sofia bedeutete die erste Flugverbindung Taiwans mit einem osteuropäischen Land und wurde einmal pro Woche mit Zwischenstops in Dubai und auf den Malediven geführt. An Bord des Erstfluges war nur ein Passagier nach Taipei gekommen, und der Rückflug tags darauf war mit 238 Fluggästen besetzt, wobei für 210 Reisende die Malediven das Ziel darstellten. Nach einem Monat Flugbetrieb wurde dieser Ende Februar jedoch wegen Passagiermangels vorübergehend eingestellt.
Weiterhin zeigen die Detailverhandlungen über eine Luftverbindung zwischen Taiwan und Deutschland Fortschritte, da der Lufthansa-Abteilungsleiter für die asiatisch-pazifische Region, Herbert Steppat, am 6. Januar in Taipei nach Gesprächen mit dem Ex-Verkehrsminister Eugene Chien die Unterzeichnung eines Abkommens für Direktflüge ankündigte. Die Luftfrachtgesellschaft Condor, eine Tochter der staatlichen Deutschen Lufthansa AG, soll für die Aufbringung der Passagierflugzeuge verantwortlich sein. In der Vergangenheit haben sich Verhandlungsschwierigkeiten aus der Tatsache ergeben, daß Lufthansa bereits stabile Geschäftsverbindungen zu Festlandchina besitzt, die sich darin äußern, daß die deutsche Luftlinie täglich Peking anfliegt, ein Hotel und Konferenzzentrum dort betreibt und 4000 festlandchinesische Angestellte beschäftigt. Laut Vertretern der Lufthansa auf Taiwan hofft man, Zielflughafen der neu eingerichteten Linie werde Frankfurt sein. Daneben steht auch Berlin zur Debatte. Eine Delegation von Vertretern des Flughafens München-Erding besuchte am 15. Februar den damals amtierenden Verkehrsminister Eugene Chien, um auf die hohen Kapazitäten des neueröffneten Flughafens im Süden der Bundesrepublik hinzuweisen. Laut Aussagen von Jürgen Franzen, Direktor des Deutschen Wirtschaftsbüros in Taipei, könnten die Direktflüge im Sommer beginnen.
Französische und Schweizer Vertretung stellen neuerdings Touristenvisa aus
Die ehemals voneinander unabhängigen französischen Einrichtungen auf Taiwan, nämlich das Französische Institut Taipei (French Institute in Taipei, FIT), die französiche Handelskommission (France Trade Commission) sowie die Visastelle, begannen im März unter einer gemeinsamen Adresse und unter Leitung des FIT ihre Arbeit auszuführen. Die Zusammenlegung wurde am 11. Februar in Taipei bekanntgegeben. Als Direktor der französischen Vertretung löste der 51jährige Jean-Paul Reau seinen Vorgänger Marc Menguy ab. Reau hatte in seiner früheren Laufbahn hohe Stellen bei den französischen Botschaften in Washington, London und Peking inne, und es ist das erste Mal, daß ein Berufsdiplomat die FIT-Leitung übernimmt, seit Frankreich 1964 die diplomatischen Beziehungen zur Republik China abbrach. Das Büro wird daneben ab Juni dieses Jahres in der Lage sein, Touristenvisa auszustellen. Bislang konnten auf Taiwan nur Visa für Geschäftsreisende erteilt werden, während Einreisegenehmigungen für Touristen vom Generalkonsulat in Hongkong bearbeitet werden mußten. Mit diesen Änderungen will man Taiwans Bedeutung als Handelsnation, seiner günstigen geographischen Lage sowie dem Kontakt zwischen den Intellektuellen der beiden Länder Genüge tun. Die Einrichtung wird weiterhin bestrebt sein, kulturellen und technologischen Austausch zwischen Frankreich und der Republik China zu fördern und wird französische Firmen bei ihren Bemühungen um Beteiligung an Projekten des Sechsjahresplans auf Taiwan unterstützen. Besonderes Interesse von seiten der Franzosen besteht an dem geplanten Bau von Kernkraftwerken und der Hochgeschwindigkeitsbahn.
Das Schweizer Handelsbüro in Taipei (Trade Office of Swiss Industries, TOSI) begann ebenfalls am 15. Februar, seine vordem auf Einreisegenehmigungen für Geschäftsleute beschränkten Visaleistungen um die Ausstellung von Touristen- und Studentenvisa zu erweitern. Damit will man den Bedürfnissen nachkommen, die sich durch die wachsende Zahl von Urlaubreisenden aus Taiwan in die Schweiz ergeben haben, und durch Vereinfachung der Formalitäten sollen die gegenseitigen Beziehungen gestärkt und mehr Touristen angezogen werden.
Joint-ventures mit britischen Unternehmen beschlossen
Am 19. Januar unterzeichneten die Taiwan Aerospace Corp. (TAC) und die British Aerospace Plc ein Abkommen zur Schließung eines Joint-venture-Unternehmens mit dem Namen "Avro International Aerospace Ltd.", um gemeinsam Passagier- und Frachtflugzeuge für den Regionalverkehr zu bauen. Die Verhandlungen, die schließlich zur Vertragsunterzeichnung führten, hatten bereits im Sommer vergangenen Jahres begonnen. Der Präsident von TAC, Dr. Denny Ko, nannte es ein "historisches Abkommen zur Gründung einer neuen Gesellschaft, welche wir beabsichtigen, zum internationalen Führer in ihrer Klasse zu machen." Dafür wird TAC bis Ende dieses Jahres 120 Millionen britische Pfund (185 Millionen US$), ihre 50 Prozent-Einlage bei dem Unternehmen, in Raten an die britische Gesellschaft zahlen und außerdem nach Fertigstellung des ersten in Taiwan gebauten Flugzeugs voraussichtlich im nächsten Jahr weitere 25 Millionen US$ überweisen. Diese Summe gilt als Vergütung für den uneingeschränkten Technologietransfer, den die britische Gesellschaft TAC zugesagt hat.
Die im Oktober 1991 gegründete TAC ist ein privates Unternehmen, welches von der Regierung unterstützt wird. Ihr Startkapital von rund 250 Millionen US$ stammt zu 29 Prozent aus Regierungsgeldern und die verbleibenden 71 Prozent kommen von führenden Industrieunternehmen hierzulande, beispielsweise Formosa Plastics, Evergreen, Tatung, Yue Loong, Hua-lon und Pacific Electric Wire & Cable Co.. Ltd. TAC möchte als Vermittler zwischen der einheimischen Industrie, Regierungsprogrammen und ausländischen Luftfahrtunternehmen fungieren. Als ihr Ziel formuliert sie unter anderem, eines der wichtigsten Luftfahrtunternehmen in Asien zu werden sowie eine für die Luftfahrtindustrie nötige Infrastruktur in Taiwan zu schaffen. Der Unternehmungsbereich der TAC umfaßt Flugzeugbau und -montage, Motoren, Bauteile, spezielle Elektrotechnik und Dienstleistungen.
Bei den geplanten Flugzeugen handelt es sich um viermotorige Frachtmaschinen sowie Passagierflugzeuge mit 75 bis 115 Sitzen. Außerdem will man ein zweimotoriges Passagieflugzeug mit 120 Plätzen für den Regionalverkehr entwickeln. Die Maschinen sollen zu rund einem Drittel im Entwicklungszentrum für Luftfahrtindustrie (Aero Industry Development Center, AIDC) in Taichung sowie in Woodford, England, zusammengebaut werden, während Marketing- und Wartungszentralen in Großbritannien, im asiatisch-pazifischen Gebiet und in den Vereinigten Staaten eingerichtet werden, heißt es in der von TAC herausgegebenen Presseinformation. Außerdem wird die neue Avro-Gesellschaft die Betreuung und Wartung für rund 200 Flugzeuge vom Typ 146 übernehmen, welche die British Aerospace bis dato gefertigt und ausgeliefert hat und auf deren Grundlage die neuen Regionalmaschinen entwickelt werden. Nach Worten des Vorsitzenden der British Aerospace, John Cahill, wird das Joint-venture bedeutende Absatzchancen sowohl in Europa als auch im asiatisch-pazifischen Gebiet haben, welches er die am schnellsten wachsenden Märkte für kommerzielle Fluglinien nannte.
Ein Abkommen über ein weiteres Joint-venture konnte am 2. März zwischen dem staatlich geförderten Institut für industrielle Technologie und Forschung (Industrial Technology Research Institute, ITRI) Taiwans und dem britischen Autohersteller Lotus Cars Ltd. unterzeichnet werden. Dies bedeutet den Beginn der zweiten Phase eines fünfjährigen, vom Wirtschaftsministerium erlassenen Plans zum Zwecke des Aufbaus einer unabhängigen Technologiebasis für die Automotorenindustrie auf Taiwan. Die beiden Unternehmen begannen bereits im vergangenen Jahr mit der kooperativen Entwicklung von Automotoren. Das sogenannte "gemeinsame Motoren-Projekt", beläuft sich auf rund 1,5 Milliarden NT$ (rund 60 Millionen US$), wobei die an dem Joint-venture beteiligten vier hiesigen Autohersteller, nämlich Yue Loong, China Motors, Yeu Tyan und San Yang, 210 Millionen NT$ (8,4 Millionen US$ ) in bar und personelle Leistungen beitragen werden. Durch die Unternehmung sollen hochwertige, den modernen Standards entsprechende 1,2-Liter-Motoren für Personenwagen der Klein- und Mittelklasse kostengünstig und für den Einsatz durch die Vertragsunterzeichner produziert werden. Die Serienfertigung soll 1996 anlaufen.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident bemüht sich um wirtschaftliche und akademische Beziehungen
Am 30. Januar kam der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Werner Münch, mit einer Regierungs- und Wirtschaftsdelegation nach Taiwan. Als Hauptziele des sechstägigen Besuches nannte der Ministerpräsident die Diskussion von Investitionsmöglichkeiten und eine bessere wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Kooperationsförderung im Bereich Technik sowie Schaffung eines kulturellen Austauschs. Münch machte klar, daß sich die Kooperation mit der Republik China nicht auf den Wirtschaftssektor beschränken, sondern auch die Bereiche Kultur, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Umwelt umfassen solle. Er hoffe, daß man ein Partnerschaftsabkommen zwischen der Nationalen Chengchi-Universität in Taipei sowie der Nationalen Sun-Yat-sen-Universität in Kaohsiung einerseits und den Universitäten Magdeburg und Halle auf deutscher Seite erzielen könne.
Daneben besuchte der Ministerpräsident am 1. Februar die Nationale Chung-Hsing-Universität in Taichung, wo er mit Vertretern der Uni-Verwaltung und Professorenschaft Gespräche führte. Die Taichunger Universität unterhält bereits Partnerschaften mit den Universitäten München und Tübingen, und derzeit lehrt eine Münchner Gastprofessorin im Bereich der Veterinärmedizin in Taichung. Der Direktor des Ausschusses für internationale Zusammenarbeit an der Chung-Hsing-Universität, Dr. Johannes S.-M. Tschen, erklärte, daß man in Taichung ein Zusammenwirken mit den Universitäten Halle auf dem Gebiet der Agrarwissenschaft und Magdeburg im Bereich der Ingenieurwissenschaft wünsche. Man denke an einen gegenseitigen Austausch von Studenten und sehe auch die Möglichkeit einer weiteren, mit zwischen 3000 und 4000 US$ dotierten Gastprofessur für einen deutschen Wissenschaftler an der Chung-Hsing-Universität.
Zu Fragen bezüglich der Situation für ausländische Investoren in Sachsen-Anhalt betonte Ministerpräsident Münch mit Verweis auf den Europäischen Binnenmarkt, daß es keine Bevorzugung für deutsche bzw. Benachteiligung ausländischer Unternehmer gebe. Dies gelte auch für Banken aus Taiwan, die sich in seinem Bundesland niederlassen wollten und die er herzlich willkommen hieß.
Münch traf während des Aufenthalts mit Außenminister Fredrick Chien, dem damals amtierenden Finanzminister Pai Pei-ying, dem ehemaligen Wirtschaftsminister Vincent Siew sowie Altprovinzgouverneur Lien Chan zusammen. Mitglieder der Delegation aus Sachsen-Anhalt waren, neben dem Ministerpräsidenten und seiner Gattin, Dr. Horst Rehberger vom Wirtschaftsministerium und Dr. Wolfgang Böhmer vom Finanzministerium der Landesregierung, Landesregierungssprecher Gerd Dietrich sowie Wirtschafts- und Pressevertreter.
Abgeordnete der österreichischen Sozialdemokraten besuchten Taiwan
Vom 4. bis 11. Februar stattete der SPÖ-Fraktionsvorsitzende im Nationalrat, Dr. Willi Fuhrmann, mit seiner Gattin der Republik China einen Besuch ab. In seiner Begleitung befanden sich weiterhin Peter Marizzi, Abgeordneter zum Nationalrat und Zentralsekretär der SPÖ, sowie Ing. Gerald Tychtl, Abgeordneter zum Nationalrat und SPÖ-Bezirksvorsitzender. Die österreichischen Parlamentarier waren Gäste des hiesigen Außenministeriums. Ihr Besuch diente dazu, persönliche Eindrücke zu gewinnen und allgemeine Informationen über Außen- und Innenpolitik, soziale Fragen und die Wirtschaftsstruktur der Republik China auf Taiwan zu sammeln. Zu diesem Zwecke trafen die Österreicher einige Vertreter der hiesigen Regierung, unter anderem den damaligen Erziehungsminister Mao Kao-wen sowie den damals amtierenden Wirtschaftsminister Vincent Siew und Außenminister Fredrick Chien. Zudem führte die Gruppe Gespräche mit dem Vorsitzenden der größten Oppositionspartei DPP, Hsu Hsin-Liang, sowie mit dem zu jener Zeit als Generalsekretär der Regierungspartei KMT fungierenden James Soong.
Dem traditionellen Interesse der Sozialdemokratischen Partei Österreichs für die Arbeiterschaft verliehen die Funktionäre dadurch Ausdruck, daß sie dem Vorsitzenden des Rats für Arbeitsfragen, Chao Shou-po, einen Besuch abstatteten. Begeistert zeigten sich die Besucher von der Besichtigung der Industriegebiete um die Stadt Kaohsiung, namentlich der China Steel Corporation, der China Shipbuilding Corporation, dem Containerhafen sowie der Exportproduktionszone.
Es sei dies die erste Delegation österreichischer Sozialdemokraten auf Taiwan gewesen, sagten Vertreter des hiesigen Außenministeriums und wiesen ausdrücklich auf die Bedeutsamkeit des Besuches hin. Die SPÖ ist eine der zwei Großparteien Österreichs und befindet sich in Koalition mit der christlichsozialen ÖVP an der Regierung; die Sozialdemokraten stellen den Bundeskanzler. Die mitteleuropäischen Gäste sprachen während ihres Aufenthalts auf Taiwan von einer weiteren Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Eine wesentliche Rolle spiele dabei die seit mehr als einem Jahr bestehende Flugverbindung zwischen Taipei und Wien; diese habe bereits wesentlich zur Vermehrung der Anzahl von Reisenden nach Österreich beigetragen.
Gründung des Germanisten- und Deutschlehrerverbandes Taiwan
Am 24. Oktober 1992 konnte nach langer Vorbereitung und der Überwindung vieler bürokratischer Hürden der Germanisten- und Deutschlehrerverband gegründet werden. Er ist seit Dezember 1992 als gemeinnütziger Verein registriert und kann als solcher Mitglied der internationalen Deutschlehrer- und Germanistenverbände werden. Dies ist ein wichtiger Schritt, die Isolation, in der sich die Germanisten auf Taiwan vielfach befinden, zu überwinden. Die auf den Gebieten der deutschen Sprache oder Kultur arbeitenden Akademiker meinen, es sei höchste Zeit, sich bemerkbar zu machen und an der Diskussion teilzunehmen.
Zunächst aber ist der Verein für die Bedürfnisse der Mitglieder im Lande erforderlich. Jedes Jahr kommen ausgebildete Lehrer für deutsche Sprache und promovierte Germanisten aus dem Ausland, vorwiegend aus Deutschland, nach Taiwan zurück, um hier ihre Lehrtätigkeit aufzunehmen. Für diese, wie auch für diejenigen, die schon jahrelang an den verschiedenen Institutionen im Fach Deutsch unterrichten, ist es unbedingt notwendig, miteinander ins Gespräch zu kommen, von der jeweiligen Forschungs- und Lehrtätigkeit zu wissen und voneinander zu lernen. Dieses soll vor allem in Form einer jährlichen großen Tagung und gelegentlichen Vorträgen und Veranstaltungen kleineren Umfangs geschehen. Für die Zukunft ist auch ein regelmäßiges Publikationsorgan geplant. Ein Rundbrief, der fachlich interessante und wichtige Informationen und Anregungen weitergibt, soll in Verbindung mit dem deutschen Kulturzentrum in Taipei erstellt werden.
Die Vorträge der ersten Tagung am 24. und 25. Oktober 1992 werden bald in Form eines Tagungsberichtes in Druck erscheinen. Ein ausdrückliches Ziel der Mitglieder des Verbandes ist es, im immer reger werdenden internationalen Verkehr Kulturarbeit zu leisten, die zur gegenseitigen Verständigung beider Kulturen, der chinesischen und der der deutschsprachigen Länder, beiträgt.
Der Sitz des Verbandes ist das Institut für deutsche Sprache und Literatur an der Fu Jen-Universität. Erste Präsidentin des Verbandes ist Agathe Bramkamp, PH. D., zur Zeit Leiterin des Institutes. Mitglieder können alle werden, die im Fach Deutsch lehren oder im deutschsprachigen Kulturraum ein Studium abgeschlossen haben und nun in verwandten Fächern lehren und/oder forschen, zum Beispiel deutsche Geschichte, Philosophie, Kunstgeschichte, Musik und Pädagogik. Auch Studenten/innen der Magisterprogramme für Deutsch sind eingeladen, Mitglieder zu werden.
Aktion und Messe für die Umwelt
Sowohl im In- als auch im Ausland hat man erkannt, daß Taiwan etwas für seine Umwelt tun muß. Mit dem anhaltenden wirtschaftlichen Wachstum erfährt das Land auch die Kehrseite des industriellen Wohlstands und Fortschritts, nämlich den Dreck, der dabei anfällt. Laut Angaben des Amts für Umweltschutz (Environmental Protection Administration, EPA) produziert jeder Bürger durchschnittlich 1,09 Kilogramm Müll pro Tag; 1992 belief sich der Gesamtabfall hierzulande auf insgesamt 21 900 Tonnen. Um das Bewußtsein der Bürger zu wecken, organisierten das Amt für Umweltschutz in Zusammenarbeit mit der chinesischen Tageszeitung China Times, der englischsprachigen The China News und "Enprotech '93", einer Gesellschaft, welche für die Durchführung der gleichnamigen Messe zuständig war, einen Tag der "Liebe deine Erde-Bewegung". Unter dem Motto "Yes, we care! Umweltschutz kümmert uns!" gab es am 7. Februar vor der Sun-Yat-sen-Gedächtnishalle in Taipei ein buntes Programm, welches sich hauptsächlich um die Frage drehte, wie die Bürger zum Erhalt ihres Lebensraumes beitragen können. Dazu gehörte eine Ausstellung von Kunst aus Abfall, Informationsstände zum Thema Umweltschutz sowie Sammelstellen, wo die Besucher ihren wiederverwertbaren Hausmüll abliefern konnten.
Um den Müll und Schmutz bzw. dessen Beseitigung ging es bei der "ENPROTECH '93", einer von Seminaren und Konferenzen begleiteten Ausstellung zum Umweltschutz. Sie fand vom 8. bis 11. Februar im Taipeier Welthandelszentrum statt und war vom niederländischen Büro für Handelsförderung (NHC) mit finanzieller Unterstützung unter anderem vom Amt für Umweltschutz, dem Büro für industrielle Entwicklung im Wirtschaftsministerium, einheimischen Industrieunternehmen sowie vom Außenhandelsrat Chinas (CETRA) und der Euro-Asiatischen Handelsorganisation (Euro Asia Trade Organisation, EATO) initiiert worden. 350 Aussteller aus 22 Ländern präsentierten Technik, Verfahren und Konzepte für Abwasserklärung, Müllbeseitigung, Lärmschutz und -reduzierung sowie gegen die Luftverschmutzung; daneben waren mit Umweltaufgaben betraute Regierungsämter der Republik China vertreten. Bei den verschiedenen Seminaren und Konferenzen, welche während der Messe täglich stattfanden, hatten die Firmen Gelegenheit, ihre Erfahrungen und technischen Fortschritte dem taiwanesischen Publikum zu präsentieren und zu erläutern.
Auf der Ausstellung wurde Österreich durch einen Gemeinschaftsstand von sechs Firmen repräsentiert, bei denen sich laut Aussage von Werner Somweber aus der österreichischen Bundeswirtschaftskammer alles ums Abwasser bzw. dessen Klärung drehte, Das Schweizer Handelsbüro (Trade Office of Swiss Industries) veranstaltete am 9. 2. ein halbtägiges Seminar, und unter Leitung des Schweizer Verbands der Maschinenhersteller präsentierten Firmen ihre Konzepte und Produkte in der Ausstellungshalle.
Mit Umwelttechnik beschäftigte Firmen aus Nordrhein-Westfalen stellten sich erstmals geschlossen als Bundesland bei dieser dritten ENPROTECH-Messe vor. Von den dreizehn Firmen, die an dem nordrhein-westfälischen Gemeinschaftsstand vertreten waren, haben bislang die Ferrostaal AG, Dr. Lange GmbH - Witratemp, der RWTÜV sowie die L. & C. Steinmüller GmbH Repräsentationsbüros bzw. Vertretungen auf Taiwan. Letztere ist bereits an einer Kooperation mit Taiwans größtem Bauunternehmen Ret-Ser zum Bau einer Müllverbrennungsanlage beteiligt, bei dem Steinmüller die Basistechnologie aus Deutschland liefern und Ret-Ser als Hauptauftragnehmer fungieren wird. Die Leistungen des rheinland-westfälischen TÜV beschränken sich nach Aussagen von Chefingenieur Hans-Joachim Busche auf Dienstleistungen. Besonders auf dem Gebiet der Abgaswerte-Messung, des Schallschutzes sowie der Beratung bei Altanlagensanierung ist der Technische Überwachungsverein engagiert und spezialisiert. Auf der ENPROTECH '93 stellte die Ingenieurs- und Beratungsorganisation aus Essen unter anderem das deutsche Recycling-Programm "Der grüne Punkt" vor. Das Wiederverwertungssystem, durch welches Hersteller gesetzlich verpflichtet sind, Verpackungsmaterial für ihre Produkte zurückzunehmen bzw. für die Wiederverwertung zu sorgen, betrifft auch ausländische Hersteller, die ihre Produkte auf dem deutschen Markt verkaufen und wird in Zukunft ebenfalls Motorfahrzeuge, Druckerzeugnisse und Elektroprodukte umfassen. Der RWTÜV bietet in diesem Zusammenhang Taiwans Herstellern Schulungen für Angestellte, Konzepterarbeitung für Betriebe und Beratung über das deutsche Gesetz an. Ein Zusammenschluß umwelttechnischer Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen präsentierte sich unter dem Namen "Pro Asia" in Taipei. Der nicht gemeinnützige Verein möchte eine Brücke zwischen den rheinischen Unternehmen der Umwelttechnik und dem asiatischen Markt schlagen. Dazu will Pro Asia gemeinsame Aktionen wie Messen und Seminare in Asien durchführen, asiatische Besucher in Nordrhein-Westfalen betreuen und den Erfahrungsaustausch zwischen in Asien engagierten Unternehmen und der Landesregierung fördern. Laut Aussage von Knut Schiffer, leitender Direktor von Pro Asia, wird die Aktionsgemeinschaft in Kürze eine Repräsentationsstelle in Taiwan einrichten.
Zur Unterstützung der nordrhein-westfälischen Präsentation kam eigens der Minister für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Bundeslandes, Klaus Matthiesen, am 7. Februar zu einem zweitägigen Besuch nach Taiwan. Er nahm an der Messeeröffnung am 8. Februar teil und hielt abends eine Rede auf dem von der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Nordrhein-Westfalen organisierten Seminar über Umwelttechnologie und ausgewählte Umweltverfahren. Außerdem traf Minister Matthiesen mit dem damaligen Wirtschaftsminister Vincent Siew und dem leitenden Beamten des Amtes für Umweltschutz, Chang Lung-sheng, zusammen.
Terrakotta-Krieger in Taipei
Beiderseits der Taiwanstraße leben Menschen, die das reiche Erbe einer jahrtausendealten Geschichte teilen. Die "Vision Foundation" ist eine Stiftung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Kulturaustausch zwischen Festlandchina und Taiwan zu fördern. Mit einer sechsmonatigen Ausstellung in den zu diesem Zweck gemieteten Räumen des "Taipeier Kunstzentrums" (Taipei Art Center) bietet sie Taiwans Bürgern erstmals Gelegenheit, bedeutende Ausgrabungsstücke aus Festlandchina zu sehen. Dabei handelt es sich um einige der berühmten Terrakottafiguren, die man im Grab des Ch'in-Kaisers Shih Huang nahe der Stadt Hsian in der nordchinesischen Provinz Shanhsi gefunden hat und die eine Leihgabe des "Museums der Ch'in-shihhuang-Tonarmee" darstellen sowie Fundstücke aus zwei weiteren Gräbern in der Provinz Hopei.
Beim Betreten der Ausstellungsräume wird der Blick der Besucher unvermittelt auf ein großes Porträt des Kaisers gelenkt, dessen selbstverliehener Titel "Erster Herrscher" bedeutet. Er lebte von 259 bis 210 v. Chr. und eroberte die sieben bis dahin unabhängig existierenden Staaten im nordchinesischen Gebiet. Dadurch gelang ihm als erstem die Einigung des chinesischen Reiches unter der Ch'in-Dynastie und von dieser Dynastiebezeichnung stammt die phonetische Übersetzung "China" für das Reich der Mitte im Westen. Unter Shi Huang's Herrschaft und nach vielen Feldzügen dehnte sich das Reich nach Süden aus, und im Norden sicherte der Kaiser die Grenzen gegen die Steppenvölker durch die Errichtung eines kilometerlangen Verteidigungswalls aus aufgeschütteter Erde, dem Vorläufer der berühmten "Chinesischen Mauer". Außerdem vereinheitlichte und standardisierte der Ch'in-Kaiser das Währungssystem, die Maß- und Gewichtseinheiten sowie die chinesische Schrift, welche bis dahin bereits viele Modifikationen erfahren hatte und dadurch Gefahr lief, unlesbar zu werden. So groß die Schaffenskraft des ersten Kaisers auch gewesen sein mag, so groß war seine Angst vor dem Tod. Zu Lebzeiten konsultierte er auf der Suche nach physischer Unsterblichkeit Schamanen und Wunderheiler, und er sandte sogar Expeditionen aus, um die laut Legenden im Ostmeer liegenden "Inseln der Unsterblichkeit", ausfindig zu machen. Um den unausweichlichen Tod und einen würdigen Übergang in das chinesische Jenseits vorzubereiten, ließ er ein riesiges Mausoleum anlegen und daneben eine ganze tönerne Armee fertigen, die ihn auf seinem Weg und den Kämpfen nach dem Tod begleiten sollte.
Neben den sieben Kriegern, die in der Ausstellung im "Taipeier Kunstzentrum" zu sehen sind, gibt es außerdem einen aus Holz orginalgetreu nachgebauten Kampfwagen mit zwei kraftvollen lebensgroßen Pferden und einem Wagenlenker der Terrakotta-Armee. Auffällig ist die Art, nach welcher die Pferdeschöpfe seitlich zu den Ohren gekämmt sind - eine Frisur, die den kaiserlichen Rössern vorbehalten war. Texttafeln informieren die Besucher über geschichtliche Hintergründe; Lageskizzen sowie Fotos beschreiben die Grabstätte, dokumentieren die Ausgrabungsarbeiten und zeigen weitere Beispiele der vielen verschiedenen Fundstücke.
Im zweiten Stock des Gebäudes wurde der andere Teil der Ausstellung untergebracht, nämlich Kunstgegenstände aus dem Grab von Liu Sheng, dem Prinz von Jing zur Zeit der Han-Dynastie (202 v. - 220 n. Chr.), welches man 1968 in Manch'eng, Provinz Hopei, beim Bau einer Bergstraße entdeckte. Neben dem Jadeanzug, einigen wunderschönen und bestens erhaltenen Weinbehältern sowie einer exquisiten Lampe finden sich Tassen, Weihrauch-, Wasser- und Kochkessel aus Bronze sowie Gebrauchs- und Schmuckgegenstände aus Silber, Jade und Eisen, deren reiche Verzierungen und exquisiten Bären-, Vogel-, Fabeltier- oder Blumendetails von der Kunstfertigkeit der frühen Handwerksmeister zeugen. Ebenfalls aus Hopei, allerdings vom Institut für kulturelle Relikte, kommen ein 9teiliges bronzenes Kesselset sowie ein 14teiliges hängendes Glockenspiel aus Bronze, welche beide aus der Zeit der kämpfenden Reiche (403-221 v. Chr.) stammen und im Grab des Prinzen Tsuo von Chungshan in Hopei entdeckt wurden.
Bislang haben sich zirka 250 000 Einheimische und Ausländer die Ausstellung angesehen, die noch bis zum 5. Juni im "Taipeier Kunstzentrum" gegenüber vom Palastmuseum andauert.
Kältewelle zum Jahresbeginn
In der Zeit zwischen dem 15. Januar und dem chinesischen Neujahrsfest am 22. Januar erlebte Taiwan eine Kältewelle, die seine Berge in Schnee hüllte und die Bewohner zittern ließ. Das zentrale Wetterbüro vermeldete die niedrigsten Temperaturen dieses Winters mit unter 10 Grad Celsius; am 16. Januar wurden in Taipei 6,8 °C gemessen. Den kältesten Winter erlebte Taiwan jedoch 1963, als die Quecksilbersäulen in Taipei und Hsinchu auf unter null Grad sanken.
Im Vergleich zu Wintertemperaturen in Mitteleuropa mögen die Temperaturen gemäßigt erscheinen, jedoch muß man bedenken, daß es hierzuorten keine installierten Heizungen gibt, so daß heiße Suppe, Tee und warme Kleidung die einzige Möglichkeit darstellen, die Kälte abzuhalten. In der Folge stieg die Nachfrage nach elektrischen Heizgeräten sowie Zutaten für den beliebten chinesischen "Huoguo", einer Art Suppen-Fondue mit Gemüse, Meeresfrüchten, Fleisch und Fleischbällchen, verschieden gefüllten Teigtaschen und anderen Köstlichkeiten, stark an.
Einhergehend mit hoher Luft-feuchtigkeit fiel die Schneefallgrenze auf 1000 m, und viele von Taiwans Bürgern nutzten die Gelegenheit, die seltene weiße Pracht aus der Nähe zu betrachten. Groß und Klein vergnügte sich auf dem Yangminshan und Tatunshan in der Nähe von Taipei sowie in anderen hiesigen Bergregionen; die Ausflügler bauten Schneemänner, und manche setzten sie daraufhin auf die Dächer, Front- oder Kofferraumhauben ihrer Autos und fuhren stolz mit den Schneegebilden durch die Gegend.
Aber was den einen zum Spaß gereichte, bedeutete für andere bitteren Ernst. Durch das kalte Wetter sind nach Schätzungen der Abteilung für Land- und Forstwirtschaft in Taiwans Proviozregierung über 25 Millionen Milchfische und 850 000 Fische anderer Arten nebst ihrer Brut in den Teichen erfroren, was einen Verlust von über 9,8 Millonen US$ bedeutet. Davon waren Fischfarmen auf einem Gebiet von 1800 Hektar in den südlich gelegenen Kreisen Changhua, Chiayi, Tainan, Kaohsiung sowie der Stadt Tainan betroffen. Der Landwirtschaftsrat hat beschlossen, den Fischzüchtern Kompensationen zu zahlen, während die Provinzregierung Taiwans finanzielle Hilfe zum Abkauf der toten Fische zusagte.
Auch die Landwirtschaft hatte unter den winterlichen Temperaturen zu leiden: Die Gemüse- und Obsternte verringerte sich erheblich, was besonders in Anbetracht gestiegener Nachfrage in den Tagen vor dem wichtigsten chinesischen Fest, dem Neujahrsfest nach dem Mondkalender, zu einem Preisanstieg von mindestens 20 Prozent bei Obst und Gemüse führte.
Das Jahr des Hahns
1993 steht unter dem Zeichen des Hahns, und aus diesem Grund gab es verschiedene Aktivitäten und Veröffentlichungen hierzulande, die sich alle um den tierischen Jahrespatron drehten:
- Die Oberpostdirektion hat ein Briefmarkenset gedruckt, für das sie die bunten, kindlich-einfachen Hahndarstellungen des Künstlers Tsao Chun-yan auswählte. Daneben veröffentlichte sie 27 500 Postkartensets mit zwölf von einheimischen Künstlern gemalten Hahnbildern.
- Eine Hühnerfamilie zierte eine der sechs Münzen, welche anläßlich des neuen Jahres von der Zentralbank am 11. 1. herausgegeben wurden. Es war das erste Mal, daß ein solches Münzset zum Verkauf stand, und die 30 000 Sets zum Preis von je 500 NT$ waren bis zum Neujahrstag am 23. 1. restlos vergriffen. Im März sollen weitere 20 000 Sets herausgegeben werden.
- Bereits einige Monate vor dem Jahreswechsel hatte der Rat für kulturelle Planung und Entwicklung das Kunstmuseum in Taichung mit der Ausschreibung eines Design-Wettbewerbs für Neujahrsdrucke betraut. Diese Glück, Wohlstand und Gesundheit symbolisierenden Darstellungen werden zur Begrüßung des neuen Jahres an Haustüren und in Wohnungen aufgehängt. Von den eingereichten Beiträgen wurden fünf zur Reproduktion ausgewählt - darunter das Bild von Chu Chin-cheng "Der Königshahn beschützt das Heim" - und neben anderen herausragenden Entwürfen bis Ende Februar im Kunstmuseum von Taichung ausgestellt.
Das Herzstück des 1993er Laternenfestes in Taipei, welches vom 6. bis 8. Februar stattfand, war ein 12,8 m hoher, 10 t schwerer Hahn, der vor der Chiang-Kai-shek-Gedächtnishalle auf einem Podest thronte. Die Riesenlaterne, eine Stiftung von China Airlines, war aus bronzefarbenem, rostfreiem Stahl gefertigt und enthielt viele bunte Lampen, welche den Hahn abends in einem Kaleidoskop von Farben erstrahlen ließen. Das Festival wird seit 1990 jährlich vom Amt für Tourismus zur Förderung des Fremdenverkehrs und chinesischer Kultur organisiert und ist zu einer Attraktion für jung und alt geworden.
Schon bei dem Eröffnungsspektakel am 6. Februar drängten sich Besuchermassen aus dem In- und Ausland auf dem Platz vor der Chiang-Kai-shek-Gedächtnishalle. Es war nicht weiter verwunderlich, daß in dem Gedränge über dreihundert Kinder ihren Eltern abhanden kamen - oder umgekehrt -, welche aber dank der extra eingerichteten Polizeizentrale wieder zueinander finden konnten. Am ersten Abend wurden rund 100 000 batterieerhellte Laternen kostenlos an Kinder verteilt, die mit den ringsum aufgehängten und aufgestellten Laternen den Platz in ein Lichtermeer verwandelten. Das dreitägige Programm bot eine Ausstellung, wo Besucher das traditionelle Anfertigen von Papierschirmen, Lederschnitzereien, Teigfiguren und weiterem Kunsthandwerk verfolgen konnten, Musik- und Tanzauftritte unter anderem von Schul- und Tempelgruppen, Ureinwohnern sowie bekannten einheimischen Ensembles. Es gab Laternenumzüge und täglich zu den Hauptbesuchszeiten halbstündlich aufgeführte Sound und Light Shows mit bunten Laserscheinwerfern, die in den Himmel strahlten, begleitet von über den Platz schallender Musik.
Auch im Süden Taiwans feierte man das traditionelle Fest: In Tainan gab es ein großes Feuerwerk neben Volkskunstveranstaltungen, Ureinwohnertänzen sowie einer typisch chinesischen Hochzeitszeremonie, und Kaohsiung bot eine Vielzahl von traditionellen Aufführungen, darunter ein Trommel- und Paukenkonzert, das sowohl auf dem Land als auch zu See abgehalten wurde. Es basiert auf einem 300 Jahre alten Brauch, demzufolge die vom Fischfang oder von Handelsfahrten heimkehrenden Seefahrer bei Näherung der Küste Gongs und Trommeln schlugen, um den Schutz der Götter zu beschwören.