Die Kaohsiung World Games 2009 sind die bislang größte Sportveranstaltung in Taiwan überhaupt, und sie markieren auch einen entscheidenden Punkt in der Entwicklung der südtaiwanischen Hafenmetropole.
Im Juni 2004 erklärte der Internationale Weltspieleverband (International World Games Association, IWGA) die Hafenstadt Kaohsiung im Südwesten Taiwans offiziell zum Veranstaltungsort der Achten World Games 2009. Im erfolgreichen Wettbewerb gegen die Städte Cleveland, Houston (beide USA), Birmingham (Großbritannien) und Rotterdam (Niederlande) bewies Kaohsiung seinen Ehrgeiz und die Bereitschaft, dieses internationale Sportereignis mit seinen zahlreichen Disziplinen auszurichten, und die Spiele werden der umfangreichste Sportwettkampf in Taiwans Sportgeschichte sein. Eine Rekordzahl von über 4000 Athleten aus gut 80 Ländern werden zwischen dem 16. und 26. Juli an 30 offiziellen Sportarten und 5 Einladungssportarten in sechs großen Kategorien teilnehmen: Artistik- und Tanzsport, Ballsport, Kampfsport, Präzisionssport, Kraftsport und Trendsportarten. Sechs weitere Disziplinen, darunter die traditionellen chinesischen Künste des Taijiquan und Yuanji-Tanzes, werden als Demonstrationssportarten vorgeführt und könnten in zukünftigen offiziellen oder Einladungssportprogrammen enthalten sein.
Die ersten World Games hatten 1981 in Santa Clara (Kalifornien, USA) stattgefunden. Die Spiele 2009 sind nicht nur ein Meilenstein für Taiwans Sportszene, sondern markieren auch einen wichtigen Abschnitt in der Entwicklung der Gastgeberstadt. In einer Erklärung zum Beginn des 365-tägigen Countdown zu den Spielen im Juli vergangenen Jahres sagte Chen Chu, Kaohsiungs Oberbürgermeisterin und Präsidentin des Organisationskomitees der World Games Kaohsiung 2009 (World Games 2009 Kaohsiung Organizing Committee, KOC), die Auswirkungen für Kaohsiung, als Gastgeber der World Games zu fungieren, würden immer stärker augenfällig durch die Bauarbeiten und Fertigstellung der beiden wichtigsten Veranstaltungsorte, des Hauptstadions und der Kaohsiung Arena, und auch durch die Entwicklung von Verkehrssystemen, vor allem der Schnellbahn (Mass Rapid Transit, MRT). Nach den Worten von Liu Shyh-fang, der geschäftsführenden Direktorin von KOC und ehemaliger Generalsekretärin des Regierungskabinetts der Republik China, rufen die architektonischen Entwicklungen, mehr öffentliche Kunst und bessere Straßensysteme bei den Einwohnern von Kaohsiung einen neuartigen Stolz auf ihre Stadt hervor. Diese Verbesserungen bieten eine subtile kulturelle Kraft, die dazu beiträgt, die Hafenstadt in die Richtung eines sport- und freizeitorientierten Musterbeispiels urbaner Entwicklung zu bewegen.
Die World Games finden alle vier Jahre statt, immer ein Jahr nach den Olympischen Spielen, und sie werden vom IWGA unter der Schirmherrschaft des Internationalen Olympischen Komitees (International Olympic Committee, IOC) organisiert und verwaltet. Der IWGA war 1981 unter schweizer Recht gegründet worden, und seine Zentrale befindet sich im US-amerikanischen Bundesstaat Colorado. Die Organisation ist Mitglied des Generalverbandes internationaler Sportbünde und besteht derzeit aus 32 internationalen Sportverbänden, welche die Sportarten vertreten, die für die Aufnahme ins offizielle Sportprogramm der World Games in Frage kommen. Zwar sind die World Games Teil der olympischen Bewegung, doch es wird dabei in sportlichen Disziplinen gewetteifert, die nicht bei den Olympischen Spielen zugelassen sind. Im Jahr 2000 unterzeichneten das IOC und der IWGA ein Memorandum über die Beibehaltung und Förderung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen. Manche Sportarten wie Badminton, die früher Bestandteil des World Games-Programms waren, wurden später zu olympischen Disziplinen aufgewertet, wogegen andere wie Softball in der Vergangenheit einmal olympische Sportarten gewesen waren.
Das World Games-Stadion Kaohsiung erfüllt mit seiner Leichtathletik-Anlage und dem Rasen-Spielfeld internationale Standards.
Wettkampf und Erholung
Laut Liu Shyh-fang haben die World Games ihren Ursprung in vielen westlichen Sportarten, aber es kommen auch typisch asiatische Sportarten wie Drachenbootrennen und Sumo-Ringen vor. Dana Tai, Ministerin des Rates für Sportangelegenheiten (Sports Affairs Council, SAC), erklärt, dass die Spiele zwar ein Sportwettkampf sind, aber auch einen Freizeit- und Erholungsaspekt haben. Manche der Disziplinen wie Faustball, Flossenschwimmen, Skydiving und Orientierungslauf sind in Taiwan recht neu, so dass die allgemeine Öffentlichkeit und sogar Menschen im Sportsektor nur wenig darüber wissen. Tai weist darauf hin, dass man bei der Werbung für solche Sportarten im Inland bei Null anfangen muss, und zwar mit der Gründung individueller Sportvereine.
Die Ministerin macht überdies darauf aufmerksam, dass die Teilnahme an den World Games das Wettbewerbsniveau und die Vielfalt vieler Sportarten in Taiwan verbessert hat. Liu Shyh-fang wiederum bemerkt, dass man jetzt in Kaohsiung zum Beispiel Menschen sehen kann, welche die World Games-Sportart Boule spielen. In den jüngsten Jahren haben sich taiwanische Athleten in bestimmten Bereichen gut geschlagen -- bei den World Games 2005 in Duisburg gewann Taiwans Damenmannschaft im Tauziehen die Goldmedaille, eine der größten Überraschungen bei jenen Spielen. Dieses Jahr will das Team diesen Erfolg vor heimischem Publikum wiederholen.
Außerdem schnitten taiwanische Mannschaften gut ab beim Korfball, einer ähnlich wie Basketball gespielten Disziplin. Bei der Jugendweltmeisterschaft im Korfball 2008, die in Kaohsiung ausgerichtet und sozusagen als Aufwärmveranstaltung für die World Games betrachtet wurde, sicherte sich Taiwan den zweiten Platz hinter den Niederlanden, wo die Sportart (gespielt von Mannschaften mit Spielern beider Geschlechter) herstammt. Seit die Disziplin 1985 bei den World Games in London eingeführt worden war, haben holländische Teams hintereinander sechs Goldmedaillen errungen, belgische Mannschaften sechs Silbermedaillen in Folge, und Taiwan holte sich 1997 und 2001 je eine Bronzemedaille.
Im Mai dieses Jahres wurde das neue World Games-Stadion in Kaohsiung mit einem Konzert und Feuerwerk offiziell eingeweiht. (Foto: Central News Agency)
Liu ist recht zuversichtlich, dass die athletischen Leistungen sich auf dem höchsten Niveau bewegen werden und die Intensität der Wettkämpfe bei den World Games die Zuschauer in ihren Bann ziehen wird. „Die Sportler werden ihr Bestes geben, um in die Annalen ihrer jeweiligen internationalen Sportverbände aufgenommen zu werden“, prophezeit sie. Auch bei anderen Aspekten der Wettkämpfe wird das Niveau gleichermaßen hoch sein. „Strenge Bestimmungen werden für die Gymnastikwettbewerbe angenommen, etwa dass die Sportler und die Juroren nicht im gleichen Hotel wohnen und die Austragungsstätte nicht einmal durch den gleichen Eingang betreten.“ Gymnastik ist in die Disziplinen Rhythmische Sportgymnastik, Sportaerobic, Sportakrobatik sowie Trampolin und Tumbling unterteilt und beim einheimischen Publikum ein beliebter Sport. Ebenfalls populär sind Tanzsportarten wie die Unterdisziplinen Standdardtanz, Latein und Rock 'n' Roll.
Die größte Aufmerksamkeit werden vermutlich die Eröffnungs- und die Abschlusszeremonie auf sich ziehen, die von Tchen Yu-chiou, der Vorstandsvorsitzenden der Nationalen Theater- und Konzerthalle und ehemaliger Ministerin des Rates für Kulturangelegenheiten (Council for Cultural Affairs, CCA), koordiniert wurden und auch von ihr beaufsichtigt werden. Die in Paris ausgebildete Pianistin Tchen folgt als künstlerische Direktorin der World Games 2009 dem Thema der „einheimischen Methode“ für die Veranstaltungen und präsentiert Taiwans Natur- und Kulturmotive mit Hightech-Bühnenvorstellungen, Musik und Beleuchtung in einem Spektakel, das für die ganze Welt vor Ort und durch Medienübertragung zu sehen sein soll. „Es ist eine gute Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, was wir unsere Stadt nennen können und was mit internationalem Niveau gezeigt werden kann“, sinniert sie.
Kulturelle Darbietung
Um Taiwans kulturelle Vielfalt vorzuführen, werden bei der Eröffnungszeremonie historische und kulturelle Symbole der Ureinwohner und Han-Chinesen gezeigt, etwa Folkloretraditionen von Tempelfesten. Bei der Abschlusszeremonie ist unter anderem eine Auswahl taiwanischer Popmusik vorgesehen, eine wichtige kreative Kraft im asiatischen Unterhaltungsbereich. Chen Sheng und Wu Bai, die sich dynamische Gesangskarrieren aufbauten, während sie Anfang der neunziger Jahre die Bewegung für neue taiwanische Lieder voranbrachten, wurden eingeladen, auf Holo, Hakka und Mandarin-Chinesisch zu singen. Kaohsiungs Geschichte als internationale Hafenstadt wird gleichfalls in beiden Zeremonien eine Rolle spielen. Außerdem stammen die meisten der auftretenden Ensembles aus dem Raum Kaohsiung und Nachbarregionen und wurden ausgewählt, um bei den Veranstaltungen ein deutlich lokales Flair zu übermitteln.
Die Haltestelle World Games Station der Schnellbahn in Kaohsiung.
Liu macht darauf aufmerksam, dass angesichts Taiwans begrenzter internationaler Präsenz die World Games eine einzigartige Gelegenheit darstellen, sich auf der Weltbühne zu produzieren, und sie erläutert, die Spiele seien wie eine Botschaft aus Südtaiwan, die um die ganze Welt gesendet werde. „Auf unserer eigenen heimatlichen Scholle können wir uns von unserer besten Seite zeigen und Menschen aus der ganzen Welt unsere warmherzige Freundschaft anbieten“, freut sie sich.
SAC-Ministerin Dana Tai bemerkt, dass die Vorbereitungen zur Ausrichtung der World Games Erwägungen und Maßnahmen aus einem weiten Bereich umfassten wie medizinische Fürsorge, Sicherheit, Zollfragen, mögliche Gefahr terroristischer Anschläge oder Epidemien und so weiter. Der SAC hat eine koordinierende und integrierende Rolle zwischen verschiedenen staatlichen Behörden auf der Zentralebene gespielt, da die Veranstaltung mit den Ressourcen der Lokalverwaltung allein nicht bewältigt werden kann. „In diesem beispiellosen Fall lernen wir alle während unseres praktischen Vorgehens von unseren Fehlern“, beschreibt die Ministerin. Sie glaubt, dass das Vermächtnis der Veranstaltung der World Games und auch der Gehörlosenolympiade in Taipeh im September dieses Jahres sich nicht auf den Bau neuer Stadien beschränkt, sondern überdies professionelle Erfahrungen einschließt, welche die Mitarbeiter sammeln können. Diese Dinge können sehr hilfreich sein für Taiwans laufende Bewerbungen als Gastgeber für die Wold University Games und die East Asian Games, und sie ergänzt: „Eine Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele ist derzeit nicht machbar, könnte aber ein Fernziel sein.“
Die SAC-Ministerin arbeitet an einem Projekt, welches das brandneue World Games-Hauptstadion in Kaohsiungs Bezirk Zuoying mit dem nahe gelegenen National Sports Training Center verbinden soll, und zwar durch die Gründung eines Nationalen Sportparks, zu dem auch ein Sportmuseum gehören könnte. Die frühere Leichtathletin Tai gehörte zu den ersten Sportlern, die in dem Zentrum, das 1975 für die an den 21. Olympischen Sommerspielen im kanadischen Montreal 1976 teilnehmenden Mitglieder der taiwanischen Mannschaft eingerichtet worden war, gewohnt und trainiert haben.
Heute ist das Zentrum in Zuoying recht alt und müsste dringend gründlich renoviert werden, und Tai sagt, der angeregte Sportpark in Kaohsiung würde Funktionen bei Bildung, Training, Freizeit und Fremdenverkehr erfüllen. Er wäre laut Tai eine Erweiterung des offenen Designs des World Games-Stadions, das seine langen „Arme“ ausstreckt, um Athleten aus aller Welt zu begrüßen, und es wird auch lange nach Abschluss der World Games Besucher unterhalten. „Manchmal scheinen sportliche Wettkämpfe vom normalen Leben abgekoppelt zu sein“, philosophiert Tai. „Wir würden uns freuen, wenn Sport zu einer Alltagsleidenschaft für alle Menschen werden würde.“
(Deutsch von Tilman Aretz)