Für jene mit Durst auf ein verpacktes Teegetränk bietet Taiwan eine große Auswahl, darunter auch den grünen Tee, den viele gesundheitsbewusste Verbraucher bevorzugen.
In der Taipeh-Niederlassung von Uni-President Enterprises Corp., einem der größten Nahrungsmittelproduzenten Taiwans, präsentiert Selina Wu, Leiterin der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens, mehrere auf einem Tisch ausgebreitete fertig verpackte Teegetränke von Uni-President. „Jedes dieser Getränke hat sein eigenes typisches Image“, verkündet sie. Der Zitronentee in seiner bunten Pappverpackung aus Giebeldachkarton wendet sich an sportbewusste Oberschüler und College-Studierende. Der Rosentee in Flaschen mit rosa Etikett soll Frauen betören. Und dann ist da noch Chai Li Won, zu Deutsch „Teekönig“. „Zielgruppe von Chai Li Won sind junge Büroarbeiter, die erst kurz zuvor ihr College-Examen gemacht haben, und in der Fernsehwerbung zeigen wir solche Leute“, erläutert Wu. „Das Zeug verkauft sich nicht schlecht.“
Chai Li Won, eine 2001 gestartete Teemarke, hält bei trinkfertigem grünen Tee und Oolong-Tee den größten Marktanteil. Das ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil Teegetränke in Taiwan mehr Einkünfte erzeugen als jede andere Art verpackter Getränke und grüner Tee seit Jahren das beliebteste Teegetränk im Inland ist.
Laut Chen Chung-i, dem Vorsitzenden des Getränkeindustrieverbandes Taiwan (Taiwan Beverage Industries Association, BIA), verzeichnete Taiwans Getränkesektor über die letzten zehn Jahre im Schnitt Jahreseinnahmen von 50 Milliarden NT$ (1,1 Milliarden Euro). Rund 40 Prozent davon entfielen auf Teegetränke, auch wenn die Zahl im Jahre 2008 leicht auf 38 zurückging, vor allem weil sich gleichzeitig ein geringfügiger Anstieg beim Verkauf verpackter Obst- und Gemüsesäfte ereignete.
Den Durst des Marktes stillen
Vor 1991 wurden in Taiwans Getränkesektor die größten Einnahmen mit kohlensäurehaltigen Getränken sowie Obst- und Gemüsesäften erwirtschaftet, die jeweils in den zwanziger Jahren und den sechziger Jahren in Taiwan eingeführt wurden. Mittlerweile haben Teegetränke allerdings tüchtig aufgeholt.
Im Jahre 2008 tauchten 285 neue verpackte Softdrinks auf dem Markt auf, davon zählten 107 zur Tee-Kategorie, 85 waren Obst- und Gemüsesäfte sowie 20 neue Sorten kohlensäurehaltiger Getränke. Von den neuen Tees auf dem Markt waren 32 Produkte mit grünem Tee, 25 Früchtetees und 16 Oolongtee-Getränke.
Grüner Tee macht heute annähernd 35 Prozent der gesamten Einkünfte aus verpackten Teegetränken aus. Interessanterweise war das erste abgepackte Teegetränk in Taiwan ein schwarzer Tee mit Gerstenaroma und dem Namen „Mine Shine“, der 1983 von Uni-President auf den Markt gebracht wurde und in den rund um die Uhr geöffneten Mini-Supermärkten der Kette 7-Eleven zu haben war. (Diese Supermarktkette wurde 1979 in Taiwan von Uni-President eröffnet und hat heute über 4500 Filialen.)
Zwar war Mine Shine das erste Teegetränk dieser Art auf der Insel, doch es war die Popularität des trinkfertigen Oolong-Tees, der das Interesse der Öffentlichkeit an verpackten Teegetränken immens steigerte. Viel ist dabei dem Kaisi Oolong Tea zu verdanken, den die Sinn Si Industrial Co. 1985 in Dosen auf den Markt brachte. Anfangs verkaufte sich das Produkt nicht besonders gut, doch um 1990 erschien in Fernsehwerbung eine grinsende ältere Dame aus dem ländlichen Taiwan, mit der die Marke ein auffälliges Image erhielt, vergleichbar mit den derzeitigen Marketingbemühungen für ein Image von Chai Li Won. Dank der cleveren Werbung wurde Kaisi Oolong Tea ein riesiger Erfolg.
Nach Schätzungen von Selina Wu erzeugte Kaisi Oolong Tea, in Taiwan eines der beliebtesten verpackten Getränke aller Zeiten, in seinem besten Jahr Einkünfte von etwa 6 Milliarden NT$ (133,3 Millionen Euro). Die Frau in dem Fernsehwerbespot war auf der Insel sogar allgemein unter dem Namen „Alte Kaisi-Dame“ bekannt. Bald kamen auch Grünteeprodukte auf den Markt, und 1993 stieg Uni-President von den rechteckigen Kartons alten Stils auf die modernen Modelle mit Giebeldesign um, wo wie bei Milchkartons an der Oberseite eine Ausgießtülle entfaltet werden kann, nach Angaben der Firma weltweit das erste solche Design bei Grünteegetränken.
„Seit dem Debüt von Chai Li Won und dem Royal Tea Garden Tea von der Vitalon Foods Company im Jahre 2001 hat sich grüner Tee auf dem Markt verpackter Getränke fest etabliert“, bemerkt Wang Sue-mei, Wissenschaftlerin am Forschungs- und Entwicklungsinstitut des Nahrungsmittelgewerbes (Food Industry Research and Development Institute, FIRDI), einer von der Regierung und dem Dosenverpackungsverband Taiwan gegründeten gemeinnützigen Organisation.
Taiwans Hersteller trinkfertiger verpackter Teeprodukte verlassen sich auf modernste Fabrikationsmethoden, um den Ansprüchen der Verbraucher bei Geschmack und gesundheitlichem Nutzen gerecht zu werden. (Foto: Courtesy Uni-President Enterprises Corp.)
Gesundes Gebräu
Unterdessen strengen die Unternehmen sich an, als Reaktion auf die schnellen Veränderungen bei den Vorlieben der Verbraucher für Getränke eine größere Vielfalt bei Teeprodukten zu schaffen. „Verglichen mit Produkten wie Instantnudeln, einer anderen bedeutenden Einkommensquelle von Uni-President, ist es schwieriger, sich die Treue der Kunden im Getränkebereich zu sichern, denn bei Drinks wollen sie immer etwas Anderes“, analysiert Selina Wu.
Deswegen wurde der Mine Shine-Tee von 1983, ursprünglich als Einzelprodukt vermarktet, in eine ganze Getränkefamilie mit Gerstengeschmack weiterentwickelt, und neben schwarzem Tee gibt es Variationen zum Beispiel mit grünem Tee und Milchtee. Bei Obsttee haben die Produzenten neben altbekannten Aromen wie Zitronen- und Pflaumentee eine Vielzahl von Früchten ausprobiert, etwa Passionsfrucht, Pfirsich, Himbeere und so weiter. Wer etwas Neues sucht, könnte den Milchtee mit Lavendelgeschmack probieren oder den Chrysanthemen-Pu’er-Tee, der nach dem Landkreis Pu’er in der festlandchinesischen Provinz Yunnan benannt ist.
Ein wichtiger Grund für die Beliebtheit von grünem Tee ist die wachsende Zahl von Belegen, die darauf hindeuten, dass grüner Tee, der nicht fermentiert ist, die größte Menge von Catechinen enthält. Diese oxidationshemmenden Verbindungen sind dafür bekannt, wirksame Eigenschaften zur Bekämpfung von Krebs zu besitzen. Im Vergleich dazu sind halbfermentierter Oolong und voll fermentierter schwarzer Tee bei den heutigen gesundheitsbewussten taiwanischen Verbrauchern nicht so beliebt wie grüner Tee.
Aus dem gleichen Grund gewinnen ungesüßte Teegetränke in Taiwan an Boden, etwa der so genannte grüne Tee im japanischen Stil, der seine Bezeichnung vor allem der Tatsache verdankt, dass er zuckerfrei ist. Laut FIRDI betrug das Verkaufsvolumen von ungesüßtem Tee im Jahre 2006 ein Drittel aller verkauften Grünteegetränke und rund 50 Prozent des Oolong-Tees.
Nahrungsmittel- und Getränkeunternehmen haben zudem versucht, ihren Marktanteil zu vergrößern, indem sie Kapital aus den Gesundheitsaspekten ihrer Teegetränke schlagen oder diese Aspekte noch verstärken. Der ungesüßte grüne Tee japanischer Art unter der Marke Chai Li Won wird mit Hinweis auf die oxidationshemmenden Eigenschaften vermarktet, und im Jahre 2005 wurde er als erstes verpacktes Teegetränk in Taiwan vom Gesundheitsministerium als Gesundheitsnahrung anerkannt. Dieses Qualitätsmerkmal, das mit einem offiziellen Siegel in Form einer grünen Figur repräsentiert wird, wurde auch einem von Vitalons zuckerfreien Grünteegetränken zuteil. Zusätzlich zu Catechinen, einer Art von Polyphenol, die schon in den Teeblättern enthalten ist, fügt Vitalon Zutaten hinzu, die dazu beitragen können, Cholesterin zu reduzieren und Verstopfung zu lindern.
Obwohl es einen Trend hin zu Teegetränken gibt, sind Übertreibungen über ihren gesundheitlichen Nutzen seit der Verkündung des Gesundheitsnahrungs-Verwaltungsgesetzes im Jahre 1999 verboten. „Man darf nur dann für bestimmten gesundheitlichen Nutzen werben, wenn man dafür eine Genehmigung vom Gesundheitsministerium bekommen hat“, warnt Wang Sue-mei. Vor zwei Jahren deutete ein Werbespot für ein Grünteegetränk überdeutlich an, der Verbraucher könne dadurch abnehmen, was aber nicht wissenschaftlich bewiesen war. Daraufhin wurde der Hersteller gezwungen, seine Werbung abzumildern, und bekam zudem eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt fast 290 000 NT$ (6444 Euro) aufgebrummt.
Im vergangenen Jahr kamen 107 neue verpackte Teegetränke auf den Markt, mehr als in jeder anderen Softdrink-Sparte.
Frisch aus der Kanne
Forschung und Technologie spielen heute bei der Entwicklung von Teegetränken eine wichtige Rolle, da der Wettbewerb auf dem Markt härter wird und die Verbraucher von Teegetränken sowohl beim Geschmack als auch dem gesundheitlichen Nutzen mehr erwarten. Die jüngsten Zahlen von FIRDI legen nahe, dass im Jahre 2005 die einheimischen Hersteller von verpackten Getränken 6500 Tonnen Tee verbrauchten, wovon 14 Prozent von lokalen Pflanzern bezogen wurden. Taiwanischer Tee wird in einheimischen Getränkefabriken häufig mit importierten Teeblättern verschnitten, überwiegend Ware aus Vietnam.
Fast alle Teegetränkhersteller behaupten, ihre verpackten Produkte schmeckten so, als seien sie gerade frisch aufgegossen worden, und die gut 200-köpfige Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Uni-President in Tainan hat eine einzigartige Extraktionstechnik ersonnen, bei der die Zellwände der Teeblätter aufgebrochen werden und sie damit die darin enthaltenen Catechine vollständig freigeben. In den jüngsten Jahren haben Hersteller verpackter Getränke wie der Molkereikonzern Kuang Chuan Dairy Company es mit einer Technik versucht, Tee bei niedrigen Temperaturen zu brauen, um das Aroma des Endproduktes zu verbessern und einen Wettbewerbsvorteil für ihre Ware zu erzielen. Mit einer solchen Methode werden nach den Worten von Joy Yu, einer Projektaufseherin bei Kuang Chuan, Catechine und auch Aminosäure-Moleküle freigesetzt, die den Teesaft-Extrakt auf natürliche Weise versüßen können. „Gleichzeitig wird die Menge von Tannin und Koffein aus den Teeblättern verringert, so dass der Saft nicht so bitter schmeckt“, erläutert sie.
Kuang Chuan, 1974 gegründet, war ursprünglich ein Hersteller von Molkereiprodukten und erzeugt heute gut zehn Kategorien von Getränken und kalten Nachspeisen. 1987 wurde das erste Teegetränk auf den Markt gebracht, und nachdem das Unternehmen das Potenzial für verpackte Teegetränke in Taiwan erkannte, wurde beschlossen, 2004 eine neue Marke ins Leben zu rufen, bei der die Niedrigtemperatur-Braumethode hervorgehoben wird. Dieses Produkt wird von Kuang Chuan schlicht „Leng Pao Cha“ genannt, zu Deutsch „kalt aufgegossener Tee“. „Diese Methode der Teezubereitung gibt es zwar schon eine Weile, aber wir füllen das Getränk in Flaschen“, sagt Yu. Später entstanden noch einige andere Marken, während Leng Pao Cha sich weiterhin gut verkauft, besonders seit 2006, als die Sängerin Chang Hui-mei, einer der bekanntesten Popstars Taiwans, für das Getränk zu werben begann. Laut Yu verzehnfachte sich der Absatz zwischen 2006 und 2008, und heute werden Kuang Chuans Einkünfte aus Teegetränken nur noch von den Milchgetränken des Unternehmens übertroffen.
Während Nahrungsmittelfirmen sich bemühen, Teegetränke mit verschiedenen Aromen und gesundheitlichem Nutzen zu vermarkten, verändert sich auch die Verpackung. Die Ware ist je nach Marke und Produkt in unterschiedlichen Behältern aus Pappkartons und Kunststoffflaschen erhältlich, und fast 60 Prozent der trinkfertigen Teegetränke sind in Plastikflaschen abgefüllt. „Man kann die Flasche nach dem Öffnen bequem transportieren, und man fühlt sich sicher, wenn man gut sehen kann, was drin ist“, findet Selina Wu von Uni-President.
Augenscheinlich herrscht auf dem Inlandsmarkt bereits ein munterer Wettbewerb, zahlreiche Unternehmen buhlen um die wählerische Gunst der einheimischen Verbraucher. Nur ein kleiner Anteil (unter 7 Prozent) der verpackten Teegetränke aus einheimischer Produktion wird exportiert, vor allem nach Hongkong und in mehrere südostasiatische Länder. „Getränke eignen sich ja gar nicht für den Export“, begründet Chen Chung-i vom BIA. „Solche Produkte sind schwer, erzielen aber nur vergleichsweise niedrige Preise, deswegen ist Transport unrentabel.“
„Der Markt für verpackte Teegetränke scheint nun gesättigt zu sein, doch Getränkefirmen sehen immer noch Raum für Entwicklung und überschlagen sich dabei, neue Produkte loszulassen“, analysiert Joy Yu von Kuang Chuan und ergänzt: „Taiwans Bevölkerung altert, deswegen wird die Entwickung von Teegetränken sicherlich stärker gesundheitsorientiert werden.“ Offenbar sind verpackte Teegetränke in Taiwan jetzt fest etabliert und werden weiterhin den Getränkemarkt dominieren, wobei trinkfertiger grüner Tee und zuckerfreier Tee wahrscheinlich für lange Zeit viel Zuspruch erhalten werden.
(Deutsch von Tilman Aretz)