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Taiwan Today

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Nicht abwarten, sondern Tee trinken

01.07.2009
Teeanbau im Landkreis Miaoli. Im Jahre 2007 bedeckten Taiwans Teeplantagen eine Fläche von über 16 000 Hektar, und es wurden gut 17 500 Tonnen Tee produziert.

Durch die Entwicklung neuer Sorten und Schwerpunkt auf Qualität behauptete sich das taiwanische Tee-Gewerbe gegen starke ausländische Konkurrenz und bewahrte eine starke Präsenz auf dem Inlandsmarkt.


Nach einem Nickerchen am Nachmittag zelebriert der 72-jährige Hou Wen-ho ein weiteres tägliches Ritual -- Tee zubereiten und mit Genuss ein Kännchen schlürfen. Diese Gewohnheit hat er seit Jahrzehnten, und wenn er an einem bestimmten Tag sein Lieblingsgetränk nicht bekommen kann, fehlt an diesem Tag etwas. Selbst bei Reisen im Inland oder ins Ausland sorgt Hou dafür, dass er taiwanische Teeblätter, Tassen und eine Kanne im Gepäck hat, damit er keine Gelegenheit für ein Schlückchen versäumt.

Hous Lieblingssorte ist Oolong-Tee aus dem Hochgebirge, der zumeist in Höhenlagen zwischen 1000 und 1500 Metern in den südtaiwanischen Landkreisen Chiayi und Nantou angebaut wird. „Man sagt, Teetrinken fördert die Verdauung und spült Giftstoffe aus dem Körper“, sagt er. „Außerdem ist die Zubereitung von Tee und der gemeinsame Genuss mit Freunden ein guter Zeitvertreib und eine vortreffliche gesellschaftliche Aktivität. Für mich gibt es kein größeres Vergnügen, als eine Tasse gut gebrauten Tee zu trinken.“

Hou und andere Teefreunde haben in einer Zeit heftiger Konkurrenzkämpfe, ausgelöst durch umfangreiche Einfuhren billigen Tees, dazu beigetragen, Taiwans Teegewerbe flott zu halten. „Ich denke, ich bin süchtig nach taiwanischem Tee, weil ich so an das Aroma gewöhnt bin“, sinniert er. „Besonders Oolong-Tee hat ein feines Aroma, und der leicht süße und milde Geschmack ist wohltuend für den Hals. Importierten Tee mag ich nicht, obwohl er billiger ist, denn das Zeug ist nicht nach meinem Geschmack. Außerdem mache ich mir wegen Pflanzenschutzmittelrückständen Sorgen darüber, wie sicher solcher Tee ist.“

Während Hou die Ansichten eines wahren Teeliebhabers repräsentiert, hält sein Lieblingstrunk auf dem Inlandsmarkt für Getränke allgemein einen starken Anteil, der sogar noch zu wachsen scheint. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Tee in Taiwan stieg von 0,344 Kilogramm im Jahre 1980 auf 1,3 Kilo im Jahre 1998, 2007 waren es sogar 1,54 Kilo, wie Zahlen vom Teeherstellerverband Taiwan (Taiwan Tea Manufacturers’ Association, TTMA) belegen. Von den verschiedenen in Taiwan produzierten Teearten erfreuen sich hochwertige halbfermentierte Sorten wie Oolong und Baozhong großer Beliebtheit, und teilweise durch diesen Trend konnte im Inland angebauter Tee beachtliche Preise erzielen, sehr zur Zufriedenheit der lokalen Bauern.

In Taiwan angebauter Tee findet auch im Ausland Zuspruch, da laut dem TTMA-Vorsitzenden Norman Shu immer mehr ausländische Touristen, die Taiwan besuchen, hochklassigen taiwanischen Tee als Geschenk kaufen und in die Heimat mitnehmen wollen. Seiner Ansicht nach haben solche Einkäufe in den letzten Jahren erheblich zugenommen.

 

Viele der Spezialtees aus Taiwan werden manuell gepflückt. Dieses sorgfältige Ausleseverfahren trägt zu ihrer hervorragenden Qualität und dem guten Aroma bei.

Formosa-Tee

In Taiwan ist Tee ein jahrhundertealtes Gewerbe, und die ersten auf der Insel angebauten Sorten waren im 18. Jahrhundert aus der festlandchinesischen Provinz Fujian eingeführt worden. Das einheimische kommerzielle Teegewerbe entwickelte sich in Taiwan während der Qing-Dynastie (1644-1911 auf dem chinesischen Festland, 1683-1895 in Taiwan) mit der Gründung eines Teehändlerverbandes und der Förderung des Tee-Exports unter dem Namen Formosa-Tee, der überwiegend nach Festlandchina und Südostasien ausgeführt wurde. Mit seinem einzigartigen Duft und Geschmack wurde Oolong-Tee aus Taiwan bald international bekannt, und er erzielte hohe Preise.

Die Exportorientierung des Gewerbes hielt auch während der japanischen Kolonialzeit (1895-1945) an, und die Produktion war vor allem auf die amerikanischen und europäischen Märkte ausgerichtet, wo voll fermentierter schwarzer Tee vorherrschend war. Neben dem Aufbau von Tee-Agronomieschulen, Forschungsorganisationen und gewerblichen Bestimmungen kamen unter den Japanern moderne Anbau- und Verarbeitungsmethoden herein, außerdem neue Schwarztee-Kreuzungen aus Indien und Thailand. Während der japanischen Kolonialherrschaft stieg die Fläche des mit Teesträuchern bebauten Landes von 26 000 Hektar auf einen Spitzenwert von 46 000 Hektar an, so dass Taiwans Teeproduktion auf 20 000 Tonnen im Jahr erhöht werden konnte.

Nachdem der Zweite Weltkrieg 1945 mit der Niederlage der Japaner zu Ende gegangen war, begann die Regierung der Republik China, neben schwarzem Tee auch für unfermentierten grünen Tee zu werben. Dies läutete die Blütezeit taiwanischer Tee-Exporte ein, und Lieferungen in über 60 Länder machten 75 bis 85 Prozent der gesamten Teeproduktion der Insel aus. So war Tee ein wichtiges Anbauprodukt, das dem Land beachtliche Außenhandelseinkünfte einbrachte.

Als in den siebziger und achtziger Jahren Land- und Lohnkosten anstiegen und durch die Industrialisierung landwirtschaftliche Arbeitskräfte immer schwerer zu finden waren, verlor Taiwan allmählich seinen Export-Wettbewerbsvorteil an andere größere teeproduzierende Länder wie Indien und Sri Lanka (ehemals Ceylon). Die Teelieferungen Taiwans und die Gesamtproduktion begannen abzunehmen, viele Teepflanzungen wurden aufgegeben oder mit anderen Anbauprodukten bestellt. Laut Statistiken vom Landwirtschaftsrat (Council of Agriculture, COA) hatte das im Jahre 1997 mit Tee bebaute Land eine Fläche von 21 199 Hektar, der Gesamtertrag lag bei 23 505 Tonnen Tee. Im gleichen Jahr wurden 7692 Tonnen Tee importiert und 2918 Tonnen exportiert. Bis zum Jahr 2007 war die Tee-Anbaufläche auf 16 256 Hektar gefallen, das Produktionsvolumen ging auf 17 502 Tonnen zurück. Die Teeimporte wiederum stiegen 2007 auf 25 000 Tonnen, Exporte erreichten gerade mal 2004 Tonnen.

TTMA-Vorsitzender Shu sagt, als Reaktion auf die schwindenden Ausfuhren verschoben Taiwans Teebauern ihr Augenmerk von der Erzeugung schwarzen und grünen Tees auf die Sorten Oolong und Baozhong, die von den taiwanischen Verbrauchern bevorzugt werden. Infolgedessen breitete sich der Tee-Anbau vom Nordteil der Insel in die Zentralregion und nach Süden aus, insbesondere in die Zonen mit günstigem Anbauklima im Hochland des Zentralmassivs. Laut Lin Mu-lien, Direktor der Teeforschungs- und ausbreitungsstation (Tea Research and Extension Station, TRES) im COA, sind momentan die Landkreise Nantou, Chiayi und Taipeh die größten Teelieferanten Taiwans.

Mitarbeiter der Teeforschungs- und —ausbreitungsstation im Landkreis Taoyuan sind mit der Qualität von inländischem Tee zufrieden.

Ein heimatliches Gebräu

Insgesamt befassen sich rund 16 000 Haushalte in Taiwan mit dem Teeanbau; die meisten Felder werden von unabhängigen Bauern bestellt und haben im Schnitt eine Fläche von nur einem Hektar. Solche Landwirtschaft im kleinen Maßstab hält die Produktionskosten hoch, was die lokalen Pflanzer dazu brachte, den Markt für Teesorten der Oberklasse zu erkunden, anstatt zu versuchen, im Massen-Exportmarkt für billigen Tee und Teesorten der Mittelklasse zu konkurrieren.

Shu vom TTMA sagt, Taiwans Spezialtees wie der Weißspitzen-Oolong werden in den nordtaiwanischen Regionen Taoyuan, Hsinchu und Miaoli angebaut und verarbeitet, wogegen der Hochgebirgs-Oolong überwiegend in der Nähe der Alishan-Autobahn in Südtaiwan gedeiht. Diese Spitzentees sind wegen ihres reichen Aromas und milden Geschmacks beliebt und munden auch noch nach mehreren Aufgüssen.

„Taiwans Klima und Geografie sind günstig für den Teeanbau“, versichert Shu. „Und dank der Erfahrungen, die wir im Laufe der Jahre gesammelt haben, hat Taiwan hervorragende Anbau- und Verarbeitungstechniken entwickelt. All diese Faktoren ermöglichen es der Insel, Qualitätstees mit angenehmem Aroma zu produzieren, die den geschmacklichen Vorlieben der Verbraucher entsprechen. Ein einzigartiges Merkmal taiwanischer Spezial-Teesorten ist außerdem, dass ihre Blätter per Hand gepflückt werden. Deswegen ist ihre Qualität den mit Maschinen geernteten Tees, wie sie aus Südostasien eingeführt werden, weit überlegen.“

Der TTMA besteht seit 1954 und hilft seinen Mitgliedern, ihre Produkte zu vermarkten, und er organisiert Delegationen zur Teilnahme an Handelsmessen im Ausland, überwiegend in Japan und den USA, um dort für Tee aus taiwanischem Anbau zu werben. Er arbeitet überdies mit dem COA zusammen, um die jährliche Teemesse Taiwan International Tea Expo zu veranstalten, auf der die Teekultur vorgestellt sowie Tee, Snacks, Getränke, Geschenkkartons und Utensilien aus inländischer Produktion präsentiert werden. Daneben veröffentlicht der Verband eine Monatszeitschrift, um Teebauern, Hersteller, Kaufleute und Verbraucher über die neuesten gewerblichen Trends auf dem Laufenden zu halten.

Bauernverbände auf der ganzen Insel stehen den Teepflanzern ebenfalls zur Seite, um Verkaufskanäle zu entwickeln und für ihre Produkte zu werben. Der Bauernverband im Landkreis Taipeh hat etwa das Wenshan Tea Extension Center (WTEC) aufgebaut, um die Baozhong-Variationen zu fördern, die in den Bergregionen von Xindian, Pinglin, Shenkeng, Xizhi, Pingxi und Shiding in diesem Landkreis angebaut werden.

„Unser Ziel ist, den Markennamen Wenshan Baozhong-Tee aufzubauen und bekannt zu machen, indem wir Werbung ausstrahlen, in Printmedien und im Internet Reklame machen, Veranstaltungen organisieren wie Handelsmessen, Wettbewerbe, Vorführungen von Teekunst und kultur, und durch gratis gebotene Kostproben“, erklärt Lin Chin-kun, stellvertretender Direktor des WTEC. „Gleichzeitig kaufen wir Tee direkt bei den Bauern, um Ausbeutung durch Mittelsmänner zu vermeiden, und wir verkaufen die Ware in Supermärkten, Einkaufszentren und Direktverkaufsgeschäften, die von unseren Bauernverbänden betrieben werden.“

 

Diese traditionelle Teezeremonie für Kinder soll das Teetrinken fördern.

Lin Chin-kun fügt hinzu, dass der WTEC die Bewertung von Tee in Qualitätsstufen empfiehlt, um bei potenziellen Käufern Vertrauen zu schaffen, und rät zudem zu Verpackung der Ware, damit höhere Preise erzielt werden können. Er freut sich, dass die meisten Teepflanzer im Landkreis Taipeh sich an das Sortierungssystem halten, wodurch sie Tee mit einheitlicher Qualität anbieten können. Viele Teebauern schenken auch dem Punkt Verpackung erhöhte Aufmerksamkeit, indem sie künstlerische Gestaltung, Kompaktheit und eine Vielfalt von Behältergrößen und materialien betonen.

TRES, das einzige Teeforschungsinstitut des Landes, spielt seit langem eine wesentliche Rolle dabei, die Qualität von im Inland angebautem Tee zu entwickeln und fördern. Die im Jahre 1903 von den Japanern eingerichtete Station blieb in Betrieb, als die Verwaltungsgeschäfte im Jahre 1945 an die Regierung der Republik China übergeben wurden. 1999 wurde das Institut dem COA unterstellt und neu organisiert.

Im Einklang mit seiner Mission, den einheimischen Teebauern dabei zu helfen, ihren allgemeinen Betrieb zu verbessern, die Produktqualität zu steigern und die Anbautechnologie zu modernisieren, stehen bei den Forschungs- und Entwicklungsbemühungen der TRES die Verbreitung von Spitzensorten, Agronomie, Herstellung und Gerät im Mittelpunkt. Entsprechend organisiert die Station für Teepflanzer regelmäßige Schulungsprogramme, Vorträge, Workshops, Vorführungen und Ausstellungen. TRES bemüht sich auch um die Förderung biologischen Anbaus, Boden- und Wasserschutz sowie umweltschonende Schädlingskontrolltechniken -- alle diese Dinge schützen die Umwelt und sollen dazu beitragen, die Sicherheit der einheimischen Teeprodukte zu gewährleisten.

TRES-Direktor Lin Mu-lien teilt mit, seine Station habe bislang insgesamt 21 registrierte Teesorten mit hervorragendem Aroma verbreitet, die überdies widerstandsfähig gegen Krankheiten, Schädlinge und Dürre seien. Zwei Drittel dieser neuen Sorten sind Oolong-Tees, und sie wurden allesamt einheimischen Pflanzern zum Anbau angeboten. Neben Tee als Getränk hat TRES außerdem eine breite Palette von Produkten mit Teegeschmack entwickelt, darunter Bonbons, Saucen, Weine, Cocktails und Snacks, um eine größere Vielfalt bei Teeprodukten zu schaffen und die Verkaufsmöglichkeiten der Pflanzer zu steigern.

Darüber hinaus hat TRES für die zahlreichen Erhitzungs- und Trocknungsstadien bei der Teeverarbeitung automatische Maschinen erfunden. Mit den Maschinen lassen sich Personalkosten und Verarbeitungszeit einsparen, und sie wurden im einheimischen Gewerbe bereits von vielen Beteiligten angenommen.

Nach Lin Mu-liens Ansicht sind Taiwans Teebauern fleißig und glänzen beim Anbau von Sorten, die zu den lokalen Bodenbedingungen, dem Klima und Verbrauchervorlieben passen. Zudem haben die Pflanzer ihre Bereitschaft bewiesen, Forschungsergebnisse, Technologien und neue Sorten zu akzeptieren und zu übernehmen, um den Geschmack ihrer Produkte zu verbessern.

 

Liao Sheng-kai (Mitte) aus dem Landkreis Taoyuan sucht ständig nach Informationen zur Verbesserung des Tee-Anbaus und nimmt auch an Teewettbewerben teil. (Foto: Huang Chung-hsin)

Hinsichtlich der Qualitätskontrolle meint der TRES-Direktor, die einheimischen Pflanzer von heute seien sich ihrer Verpflichtung bewusst, sichere Ware anzubieten. Zu diesem Zweck betreibt die Organisation zwei Labors im Landkreis Nantou, die den Bauern dabei helfen, die Menge von Pestizidrückständen in ihren Produkten zu messen. In einem anderen Bereich haben viele Bauern Zertifizierung unter dem System der Landwirtschafts- und Nahrungsmittel-Rückverfolgbarkeit Taiwan (Taiwan Agriculture and Food Traceability, TAFT) beantragt, das dazu da ist, Erzeugnisse über jeden Schritt der Produktionskette zurückzuverfolgen.

Der 58-jährige Liao Sheng-kai befasst sich seit 30 Jahren mit dem Anbau, der Produktion und dem Verkauf von Tee im Landkreis Taoyuan. Liao ist ein ehrgeiziger Pflanzer, der permanent nach Informationen über die Fortschritte bei Teeanbau und -verarbeitung und nach sonstigen Möglichkeiten zur Verbesserung seines Geschäfts sucht. Liao konzentriert sich auf den Anbau von Oolong- und Baozhong-Sorten und beteiligt sich aktiv an örtlichen und landesweiten Tee-Wettbewerben, und seine Tees haben zahlreiche Preise errungen. Einen Teil seiner ausgezeichneten Erzeugnisse kann er direkt an Verbraucher verkaufen und erzielt dabei Preise von bis zu 100 000 NT$ (2222 Euro) pro Kilo. In Anerkennung seiner Leistungen wurde Liao im Jahre 2003 zu einem der Empfänger des COA-Preises für die zehn besten Bauern des Landes auserwählt.

Keine leichte Aufgabe

Landwirtschaftliche Arbeit, und gerade die Erzeugung hochwertigen Tees, ist kein leichtes Unterfangen. Liao erhielt seine erste Ausbildung im Teeanbau und produktion von seinem Vater. Als Liao Mitte zwanzig war, trat sein Vater in den Ruhestand, woraufhin Liao das Familien-Teegeschäft einer strengen Prüfung unterzog und beschloss, an Kursen teilzunehmen, die von der TRES angeboten wurden.

„Als ich heranwuchs, war ich oft traurig, wenn ich meinen Vater so hart arbeiten sah und manchmal seine Bemühungen vergebens waren, wenn die Qualität der Ernte nicht gut genug oder die Produktion nicht stabil war“, erinnert sich Liao. „Ich glaubte, es müsse da bessere Wege geben. Doch erst als ich die Gelegenheit hatte, professionelle Schulung an der TRES zu erhalten, erlernte ich die Wissenschaft, Tee anzubauen und zu produzieren.“

Liao fügt hinzu, dass er sich so die Techniken und das Timing bestimmter Schritte der Teeverarbeitung aneignete, darunter Dörren, Schütteln, Fermentieren, Schwenken, Rollen und Trocknen, und erlernte, wie jeder Schritt sich auf das Aroma, die Farbe und die Qualität des Endproduktes auswirkte. Das neu erworbene Wissen ermöglichte es ihm, geschmacksreichen Tee von stabiler Qualität zu erzeugen, und dies steigerte außerdem sein Vertrauen in seine Fähigkeit, ein Teegeschäft zu unterhalten.

Zur Erweiterung seiner Produktpalette begann Liao mit dem Anbau neuer Sorten, unter ihnen eine für schwarzen Tee, die er von der TRES bekam. Der Geschmack des Tees, den man mit der neuen Sorte kochen kann, hat einen Hauch von Minze und Zimt, und die Sorte wird vom Markt gut angenommen. Liao hat sich nicht nur dem TAFT-Zertifizierungssystem angeschlossen, sondern auch mit der Einführung biologischer Anbautechniken angefangen. Seine Bemühungen wurden dadurch belohnt, dass er eine Schar treuer Stammkunden in Taiwan und Kanada gewann.

Norman Shu (ganz links), Vorsitzender des Teeherstellerverbandes Taiwan, nahm 2007 mit einer Delegation an einem Tee-Festival im japanischen Shizuoka teil, um dort für taiwanischen Tee zu werben. (Foto: Courtesy Taiwan Tea Manufacturers' Association)


Der 50-jährige Teebauer Shen Chang-tseng, ebenfalls aus dem Landkreis Taoyuan, ist ein weiteres Beispiel eines einheimischen Pflanzers, der unablässig danach strebt, seine Produkte zu verbessern, um in dem harten Wirtschaftsklima zu überleben. Ebenso wie Liao ist Shen schon seit jungen Jahren im Teegeschäft und arbeitete zunächst für seinen Vater. Als Reaktion auf den veränderlichen Markt wandte er sich um Rat an die TRES, woraufhin er neue hochwertige Sorten anbaute und seine Produktionsverfahren automatisierte.

Bei der Sorte des Weißspitzen-Oolong zum Beispiel, die er seit sechs Jahren anpflanzt, herrscht eine hohe Nachfrage. Es ist Shen gelungen, seine Ware für bis zu 5000-8000 NT$ (111-177 Euro) je Kilo zu verkaufen, was etwa zehn Mal so viel ist wie der Erlös für durchschnittliche Sorten grünen und schwarzen Tees. Bis zu einem gewissen Grad kann er damit den durch Importe und die Beliebtheit anderer Getränke wie Kaffee und Mineralwasser entstandenden Absatzverlust ausgleichen.

Weißspitzen-Oolong ist laut Shen eine Art von biologisch angebautem Tee, die nur in Taiwan erzeugt wird. Das Rohmaterial sind junge Teeblätter mit weißen Spitzen, die von chinesischen Laubblatt-Zikaden (auch „Blatthüpfer“ genannt) angeknabbert wurden. Beim Anbau darf man deswegen keine chemischen Dünger und Pestizide einsetzen, und die Blätter müssen von Hand gepflückt werden. Weißspitzen-Oolong ist nur in begrenzter Menge erhältlich und besitzt ein natürliches Aroma mit Spuren von reifem Obst oder Honig, und die Teesorte gilt als wertvoll, was sich auch in einem hohen Verkaufspreis niederschlägt.

TTMA-Vorsitzender Shu glaubt, die Orientierung an der oberen Sparte des Teemarktes sei der richtige Weg, und obwohl nach seinen Worten Taiwans Tee-Exporte gefallen sind, ist der durchschnittliche Kilopreis für Tee aus taiwanischem Anbau auf 9,50 US$ gestiegen, zwei bis drei Mal so viel wie der Preis für eingeführten Tee aus Indien, Indonesien, Vietnam und Sri Lanka. Shen stimmt ihm zu und sagt: „Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass wir keinen Preisvorteil haben, um mit Importen der unteren und mittleren Marktsegmente zu konkurrieren. Da der Markt für Tee und wohl auch für viele andere Artikel in Taiwan eine zunehmende Polarisierung zwischen oberem und unterem Ende erfährt, sollten wir unsere Nische aufbauen, indem wir uns auf die Produktion von hochwertigen Erzeugnissen konzentrieren. Es wäre auch gut zu erwägen, unsere Felder in Ferienfarmen umzuwandeln, damit es mehr Gelegenheiten zu direktem Kontakt mit den Verbrauchern gibt, was uns wiederum helfen würde, für unsere Produkte zu werben und unser Einkommen insgesamt zu erhöhen.“

Innovationen bei Farmbetrieb, Teeanbau und verarbeitung, Verbreitung neuer Sorten mit ansprechendem Aroma sowie aktive Verkaufsförderung dienten als Hauptkräfte, Taiwans Teegewerbe durch schwere Zeiten zu manövrieren. „Tee gilt weithin als natürliches Getränk, das in vielerlei Hinsicht gut für die Gesundheit ist“, wirbt der Händler Lee Ming-chang, der seit über 20 Jahren Tee verkauft. „Tee wird bei gesundheitsbewussten Verbrauchern im In- und Ausland immer beliebter. Durch Unterschiede bei Arten, Anbaubedingungen, Ernte und Verarbeitung heben Tees aus Taiwan sich geschmacklich von anderswo angebautem Zeug ab. Deswegen ist unser Marktanteil in Taiwan gewachsen.“

Jeder Teefreund wird bestätigen, dass ein guter Aufguss einen verlockenden Duft, ein erfrischendes Aroma und einen milden Nachgeschmack haben sollte. Durch die Erzeugung von hochwertigem Tee mit diesen erstrebenswerten Eigenschaften setzt Taiwans Teegewerbe auf eine dauerhafte und beständige Zukunft. Enthusiasten wie Hou Wen-ho, der ein Tässchen am Nachmittag schätzt, begrüßen diese Bemühungen voller Anerkennung. „Ich trinke nur Tee, der in Taiwan angebaut und verarbeitet wurde, denn da brauche ich keine Bedenken hinsichtlich guter Qualität und Aroma zu haben“, versichert er. Der Geschmack von taiwanischem Tee ist etwas Besonderes, und die Anstrengungen der Pflanzer, von gewerblichen und akademischen Organisationen sowie der Regierung tragen zu der Gewissheit bei, dass Teeliebhaber wie Hou sich auch in den kommenden Jahren an dieser besonderen Qualität werden erfreuen können.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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