12.05.2025

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Die Max-Ernst-Sammllung der Deutschen Lufthansa als "fliegender Botschafter" in Taiwan

01.11.1994
Von Mitte August bis Mitte September fand in Taipei eine Ausstellung mit Bildern des deutschen Dadaisten und Surrealisten Max Ernst statt, die zur Sammlung der Deutschen Lufthansa gehören. Das Ereignis fiel zusammen mit dem rund einjährigen Bestehen der Lufthansa-Direktflüge zwischen Deutschland und Taiwan, die sich als so erfolgreich herausgestellt haben, daß die Fluglinie eine Erweiterung ihres Service plant.

Die Chiang-Kai-shek-Gedächtnishalle im Zentrum von Taipei darf bei keiner Besichtigungstour fehlen und ist darüber hinaus auch beliebtes Ausflugsziel für die Taipeier selbst. Am Wochenende bevölkern sie den umgebenden Park und den weitläufigen Platz oder wohnen der zackigen Wachablösung zu Füßen der Bronzestatue des ehemaligen Staatspräsidenten bei. Ein Stockwerk tiefer im Erdgeschoß der Gedächtnishalle sind Uniformen, Orden, Dokumente und andere Erinnerungsstücke zu sehen, die das Leben des Generalissimus und die Geschichte der Republik China dokumentieren. Vom 13. August bis 13. September waren in der gleich neben diesen Räumen untergebrachten Chung-Cheng-Galerie Exponate zu betrachten, die für die taiwanesischen Besucher schwerer zugänglich waren als die eigene Geschichte, nämlich Werke des deutschen Surrealisten und Dadaisten Max Ernst.

Durch eine Zusammenarbeit der Deutschen Lufthansa, des Deutschen Kulturzentrums und des Instituts für Kunsterziehung (Art Education Institute) der Republik China konnte die Lufthansa-Sammlung von Werken Max Ernsts in Taipei präsentiert werden. Leicht verständlich waren die über zweihundert Werke, die da nebeneinander an den Wänden der zwei weitläufigen Räume aufgehängt worden waren, für viele der chinesischen Besucher nicht, da sie weder Farbe noch eindrucksvolles Format oder berühmte Motive zu bieten hatten. Es handelte sich ausschließlich um Grafiken und Buchillustrationen, von denen manche so kleinformatig waren, daß man fast mit der Nase ans Bild gehen mußte, um die Darstellungen im Detail erkennen zu können.

Details aber gab es viele zu entdecken; Max Ernst "begeisterte sich für die preiswerten Techniken der Massenproduktion. Mit Hilfe von Bildromanen, technischen Anleitungen und wissenschaftlichen Katalogen aus dem 19. Jahrhundert brachte er seine berühmten 'Collage-Romane' hervor", heißt es in einem Sonderdruck aus dem Lufthansa Bordbuch 2/91. Die gezeigte Sammlung umfaßt einen Schaffenszeitraum von 1919, als Max Ernst die Kölner Dada-Gruppe gründete, bis 1974, als er zwei Jahre vor seinem Tod das letzte Bilderbuch erstellte. "Für Bücher, die er illustrierte, von Freunden, französischen Dichtern wie Paul Eluard und Benjamin Peret oder Phantasten wie Lewis Carroll und Franz Kafka, benutzte Ernst jede denkbare Drucktechnik und erfand zuweilen seine eigenen. Er rieb, kratzte, riß, klebte, radierte, kleckste, kämmte und betrachtete kein Material als unwürdig, um der Kunst zu dienen", erklärt der Lufthansa-Artikel. "Die Grafiken von Max Ernst sind spannend", meint Heidegert A. Hoesch, Leiterin des Deutschen Kulturzentrums in Taipei, "weil sie Vorstudien sind zu seinen großen Werken." Dieser Kunstbereich sei für Taiwan völlig neu und sie räumt ein: "Die Max-Ernst-Ausstellung ist nicht ganz leicht; A, weil es Grafik und B, weil es für hiesige Verhältnisse ein unbekannter Künstler ist."

Zweimal täglich wurde in dem gleich neben den Austellungsräumen gelegenen Vorführraum ein Film in Kinolänge gezeigt, der das abwechslungsreiche Leben und umfangreiche Schaffen des deutschen Kosmopoliten dokumentierte. Aufnahmen des Künstlers, wie er an seinem Haus in Frankreich phantastische Gestalten aus Putz anbringt oder wie er in der Wüste von Arizona ein Haus zusammenzimmert, vermittelten einen Eindruck von der ungeheuren, zum Teil kindlich anmutenden Kreativität, die sein gesamtes Leben bestimmte und seinem künstlerischen Werk zugrunde liegt.

Der 1891 geborene Max Ernst, dem zu Lebzeiten die künstlerische Anerkennung in Deutschland versagt blieb und der die meisten Jahre seines Lebens im Exil in Frankreich und in den Vereinigten Staaten verbrachte, gilt mittlerweile als eine Schlüsselfigur der Moderne. In Deutschland wurde dem großen Dadaisten und Surrealisten gerade durch eine bis zum 23. Oktober gezeigte Ausstellung seiner frühen Ölwerke im Bonner August-Macke-Haus gedacht. Die Deutsche Lufthansa hat die Max-Ernst-Sammlung als "reisenden deutschen Botschafter" auf Tournee geschickt, und sie war bereits in Europa, Japan und Korea zu sehen. In dem Lufthansa-Artikel heißt es: "Die Motive des Künstlers, seine experimentelle Kraft, die technische Vollkommenheit seiner Arbeit und die Offenheit, die ihn schließlich zu einem Weltbürger machte, waren alle Faktoren, die die deutsche Fluggesellschaft überzeugten, eine eigene Sammlung aufzubauen. So würdigt Lufthansa symbolhaft, daß Fluglinien nicht nur Menschen und Güter befördern, sondern auch Kultur."

Die Max-Ernst-Ausstellung in Taipei fiel zusammen mit dem ungefähr einjährigen Bestehen der direkten Lufthansa-Flugverbindung zwischen Deutschland und Taiwan, welche sich sehr bewährt hat. "Die Linie ist nach einjähriger Einführung bereits so erfolgreich, daß Lufthansa ab April 1995 den Flug nicht mehr über Bangkok führt, sondern Taipei-Frankfurt nonstop operieren wird", sagt Hagen Keilich, Generalmanager für Lufthansa in Taiwan. Damit wird Lufthansa die einzige Fluglinie sein, die Verbindungen ohne Zwischenstopp nach Europa anbietet "mit Umsteigemöglichkeiten nach 102 Zielen innerhalb Europas", fügt Keilich an. Derzeit sieht die zweimal wöchentlich erfolgende Direktverbindung nach Deutschland einen einstündigen Zwischenstopp in Bangkok vor, wo allerdings nur Passagiere zusteigen, nicht aber aussteigen können, da Lufthansa keine Verkehrsrechte zwischen Taipei und Bangkok hat. Mit Rücksicht auf die deutschen Interessen in Festlandchina fliegt Lufthansa Taiwan nicht mit ihren blau-gelb-weißen Maschinen an, sondern mit Boing 747-400 Combis der Lufthansa-Tochtergesellschaft Condor Flugdienst GmbH, die sowohl Passagiere als auch Fracht befördern. Neben den Direktflügen unterhält die deutsche Luftlinie weiterhin täglich Umsteige-Verbindungen über Hongkong und durch eine Partnerschaft mit United Airlines auch über Bangkok. "Wir bieten im Grunde genommen 16 Flüge pro Woche an", bemerkt Keilich.

Das Gesamt-Marktvolumen für auf Taiwan verkaufte Flüge nach Europa liegt laut Aussage des Lufthansa-Managers bei jährlich zirka 150 000 Tickets. Davon sei über die Hälfte touristischer Verkehr, d.h. "Taiwanesen, die dank ihrer enormen Arbeitsbemühungen und dem erlangten Wohlstand nun in der Lage sind zu verreisen - und es auch tun", sagt Keilich. Taiwanesische Touristen verreisen im allgemeinen in Gruppen, was aufgrund der Sondertarife ein preislich "hartumkämpftes Geschäft" ist. Aber die Reisegruppen seien ein wichtiger Faktor, da sie zur Auslastung der Flüge beitragen würden.

Der zweite wichtige Marktbereich, den die deutsche Fluglinie zusammen mit ihrem unabhängigen Verkaufsagenten in Taiwan, World Express Inc., anvisiert, ist der Messetourismus. "Ich schätze, daß im Jahr gut sechstausend Passagiere nach Deutschland fliegen", sagt Keilich. "Und Deutschland ist ja auch das Messeland Nummer eins, und alle wichtigen Messen spielen sich in Deutschland ab." Von den etwa 150 führenden internationalen Fachmessen finden laut Unterlagen der deutschen Bundesregierung 116 in Deutschland statt. Einen Aspekt hebt Keilich besonders hervor, wenn er sagt: "Taiwan ist eines der Länder, aus dem der Hauptanteil der Reisenden zu Messen Aussteller sind. Die anderen Länder schicken viele Besucher, aber die Besucher verkaufen nichts, während die Taiwanesen verkaufen. Sie fahren auf die Messen, um den Export anzukurbeln."

Nach Auskunft des Lufthansa-Verkaufsagenten reisen alleine zur Computermesse CEBIT in Hannover zirka 1200 Besucher und Aussteller aus Taiwan; die Internationale Frankfurter Messe zog in diesem Jahr um die fünfhundert, die Automechanika über tausend taiwanesische Geschäftsleute an. Für das kommende Jahr geht man von folgenden Zahlen taiwanesischer Reisender zu einigen deutschen Messen aus: 1000 zur Frankfurter Messe "Premiere", 1000 zur Metallwarenmesse in Köln, 550 zur Druck- und Papiermesse "Drupa" in Düsseldorf, 250 zur Münchener Ispo-Herbst-Messe, 500 zur Intercycle-Messe in Köln und 570 zur Plastik- und Gummimesse in Düsseldorf. In diesem einträglichen Geschäftsbereich arbeitet Lufthansa bzw. sein Verkaufsagent eng mit den Repräsentanten der deutschen Messen zusammen, wie der Hannover Messe, Kaigo Co. Ltd. und auch dem Deutschen Wirtschaftsbüro, das die Berliner und die Münchener Messe in Taiwan vertritt.

Dritter bedeutsamer Teil des Geschäfts ist die Luftfracht. "Das jährliche Frachtaufkommen von Taiwan nach Europa ist sehr beträchtlich. Es liegt bei ungefähr 65 000 Tonnen, und davon geht ein Drittel nach Deutschland", sagt Keilich. Aber auch die einkommende Frachtkapazität sei gut belegt. Befördert werden auf diesem Weg wertvolle oder eilige Güter, wie beispielsweise Autos. "Auf jedem Flug von Deutschland haben wir auch deutsche Autos dabei: Audis, Mercedes, BMWs", hebt Keilich hervor. Für auf Taiwan tätige deutsche Firmen befördert Lufthansa Maschinen, Materialien und arrangiert auch schon einmal einen "Kurierdienst", wenn es irgendwo brennt. "Als deutsches Unternehmen fühlen wir eine besondere Verantwortung gegenüber unseren deutschen Kunden hier", sagt Keilich. Man befördere nicht nur Passagiere und Fracht, sondern fungiere in Ausnahmefällen auch als Helfer in der Not. "Wir bieten manchmal einen Service, den man nicht kaufen kann."

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