Während Erziehungsfachleute heutzutage besorgt sind, daß Taiwans Universitäten im Niveau absinken und nur noch automatenähnliche Absolventen hervorbringen, die lediglich wirtschaftliche Ansprüche erfüllen können und nach persönlichem Profit streben, haben buddhistische Mönche Universitäten gegründet, die auf dem Prinzip beruhen: "Durch die Erziehung ganze Menschen heranbilden ". Stellen diese Einrichtungen eine Alternative zur herkömmlichen Hochschulbildung dar?
"Ich stamme aus einem Haushalt mit nur einem Elternteil, meinem Vater. Seit meiner Kindheit habe ich mir eine Mutter gewünscht, die mir ein leckeres Mittagessen in der Reisschachtel herrichten und zur Schule mitgeben würde. Als ich an die Tzu-Chi-Krankenpflegeschule (慈濟護專)kam, habe ich durch Mutter Yi Teh(懿德媽媽)zum ersten Mal so etwas wie Mutterliebe gespürt. Einmal habe ich Mutter Yi Teh in Taichung besucht. Am frühen Abend, als es Zeit für die Rückfahrt zur Schule war, brachte sie mich zum Bahnhof. Ehe ich auf den Bahnsteig ging, gab sie mir eine viereckige Schachtel und sagte, sie habe Angst, daß ich während der Fahrt hungrig werden könnte. Sie hatte mir eine Mahlzeit vorbereitet. Ich konnte kein Wort herausbringen, weil ich so gerührt war und Angst hatte, in Tränen auszubrechen, wenn ich den Mund aufmachte. Wie betäubt lief ich auf den Bahnsteig, und erst als ich im Zug saß, erholte ich mich langsam. Doch als mir bewußt wurde, daß das Essen in der Schachtel noch warm war, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich hatte nie jemandem erzählt, daß ich mir eine für mich vorbereitete Reisschachtel wünschte; es war immer mein Geheimnis gewesen."
Diese bewegende Geschichte erzählte eine Studentin der Tzu-Chi-Krankenpflegeschule auf einer Versammlung der Freundschaftsgesellschaft der Tzu-Chi-Stiftung in Hualien im vergangenen Jahr, und viele der Zuhörer, darunter sogar einige "harte Männer", konnten die Tränen nicht zurückhalten.
Das Eingangstor des Hua-Fan-College für Geisteswissenschaften und Technologie(華梵人文科技學院)markiert ein großer Stein, auf dem die Worte eingemeißelt sind: "Der Weg der Großen Lehre"; und die Hallen des Verwaltungsgebäudes sind erfüllt von Weihrauchduft. Verwunderlich ist, daß man keine, normalerweise an Universitäten üblichen Anzeichen von hochtrabenden Diskursen findet; der Campus ist außergewöhnlich ruhig. Aber es ist kein anonymer Ort. Ein Student mit freundlichem, offenem Gesicht geht vorbei und grüßt den fremden Besucher in einer natürlichen und willkommenheißenden Weise.
Vor zwei Jahren besuchte ein Gast aus Indien das Hua-Fan-College, um an einer internationalen Konferenz über Buddhismus teilzunehmen. Er war so überrascht über die von den Studenten gezeigte Aufrichtigkeit und Wärme, daß er sogleich beim College-Präsidenten Tien Po-yuan(田博元)vorstellig wurde, um sich zu erkundigen, wie die Einrichtung geleitet wurde. Die hier angeführten zwei Beispiele sind kleine Einblicke in das Leben und die Atmosphäre am Tzu-Chi- und am Hua-Fan-College.
Die Humanität wieder zu einem Teil der Erziehung machen
1989 erließ das Erziehungsministerium den "Leitfaden zur Gründung neuer Privatschulen". Man ging in weiten Kreisen der Gesellschaft davon aus, daß große Unternehmen die Gelegenheit ausnutzen und neue Schulen einrichten würden; kaum jemand aber hatte erwartet, daß die buddhistische Gemeinde an die Spitze treten sollte.
Das von Meister Hsiao Yun(曉雲法師)gegründete Hua-Fan-College für Technologie (dessen Name im letzten Jahr in Hua-Fan-College für Geisteswissenschaften und Technologie geändert wurde) steht seit 1990 auf der Liste der von der Regierung anerkannten nationalen Colleges; und auch die von Meisterin Cheng Yan(證嚴法師)etablierte Tzu-Chi-Krankenpflegeschule wurde in die Reihe der Junior-Colleges Nordtaiwans aufgenommen. Derzeit bereiten sich Meister Hsing Yun's(星雲法師)Fokuang-Universität(佛光人文學院), das Hsuan-Tsang-College der Vereinigung chinesischer Buddhisten(玄奘技術學院), Meister Sheng Yan's(聖嚴法師)Fa-Ku-College für Geistes- und Sozialwissenschaften(法鼓人文社會學院)sowie zwei weitere von Meisterin Cheng Yan gegründete Bildungseinrichtungen, nämlich das Tzu-Chi-College für Medizin(慈濟醫學院)und das Tzu-Chi-College für Geisteswissenschaften(慈濟人文學院), auf die Zulassung vor.
Vereinzelt werden Fragen laut, warum diese buddhistischen Meister nicht ihre Mittel zusammenlegen und eine große Institution gründen. Meister Sheng Yan sagt: "Jeder Meister hat seine speziellen Gründe für die Etablierung einer Schule, denn die Erfahrungen sind unterschiedlich." Aber auch wenn ihre Motive unterschiedlicher Natur sein mögen, so haben sie etwas gemeinsam, nämlich den Wunsch, einen neuen Weg in der höheren Bildung aufzuzeigen.
"Taiwans Universitäten bringen ständig Fachleute hervor, um die Bedürfnisse der Wirtschaft zu befriedigen. Von den fünf Bildungszweigen ist nur der des Sachwissens weiterentwickelt worden. Wie viele Studenten erachten das Verstehen genauso wichtig wie praktische Fähigkeiten oder kultivieren sowohl Wissen als auch Moral?" fragt der ehemalige Leiter des Colleges für Geisteswissenschaften an der Tamkang-Universität(淡江大學), Kung Peng-cheng(龔鵬程), derzeitiger Leiter des Ausschusses zur Etablierung der Fokuang-Universität und gleichzeitig Anwärter auf das erste Präsidentenamt der Universität.
Da in der Vergangenheit die nationale Politik hauptsächlich auf industrielle und kommerzielle Entwicklung zielte, richteten die Universitäten zahlreiche technische und wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten ein - auf Kosten der geisteswissenschaftlichen Fächer. Über 300 000 von Taiwans 530 000 Studenten sind in den Ingenieurswissenschaften eingeschrieben, aber nur 30 000 in geisteswissenschaftlichen Fächern. Bei den Promotionsstudiengängen ist die ungleiche Verteilung sogar noch gravierender, da es entscheidend mehr weiterführende Studienprogramme in den Ingenieurs- und Naturwissenschaften als in den Geisteswissenschaften gibt.
Unterschiedliche Motivation
Um dem gesellschaftlichen Trend, der das Hauptgewicht auf Profit legt, gegenzusteuern und die Menschlichkeit wieder in die Erziehung einzubeziehen, entschloß sich Meister Hsing Yun, eine Universität zu gründen, die sich hauptsächlich auf Management, Geisteswissenschaften und Kunst konzentriert. Da Kung Peng-cheng auf der gleichen Wellenlinie lag, taten sich die beiden zusammen.
Der ehemalige Hochschullehrer, Meister Hsiao Yun, wurde bei der Universitätsgründung hauptsächlich von dem Wunsch geleitet, Studenten heranzubilden, die "wirklich in der Lage sein werden, Technologie zur Verbesserung des menschlichen Lebens einzusetzen." Meisterin Cheng Yan richtete die Tzu-Chi-Krankenpflegeschule ein, um die medizinische Versorgung in Ost-Taiwan zu verbessern, tüchtige, mitfühlende Ärzte heranzubilden und um außerdem das Problem der vielen jungen Mädchen in dieser Gegend, die weder einen Schulabschluß noch eine Arbeit haben, zu lindern.
Meister Sheng Yan vom Fa-Ku-Shan-Institut gibt offen zu, daß der Hauptgrund für die Gründung einer eigenen Bildungseinrichtung in dem Wunsch liegt, die Studenten unter dem "China Buddhismus Institut"(中華佛學研究所)studieren zu lassen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, einen staatlich anerkannten Abschluß zu erlangen, wodurch man junge Kräfte für die buddhistische Gemeinde heranbildet. Dafür ist es notwendig, eine Universität einzurichten und Studenten anzuziehen, und weiterhin muß man sich der humanitären Erziehung mit religiösem Geist bedienen, um "ganze Menschen" zu erziehen, die gleichermaßen Wert auf Vernunft und Gefühl legen.
"Wir bringen unseren Studenten nicht nur Fachwissen bei, sondern vielmehr hoffen wir, bei ihnen ein Bewußtsein zu wecken." Diese Aussage von Tien Po-yuan drückt die Ideale von Meister Hsiao Yun aus und kann als Essenz des den derzeitigen Trend buddhistischer Erziehung bestimmenden Geistes gesehen werden. "In jedem Menschen ist ein guter Kern vorhanden, aber jeder muß die richtige Umgebung und den Ansporn haben, ihn zu entwickeln", sagt Tien.
Man kann die Wärme und guten Absichten dieser religiösen Bildungseinrichtungen auf den Campusgeländen, in den Lehrplänen, den Lehrer-Schüler-Verhältnissen und bei jeder schulischen Veranstaltung spüren.
Im Wald lernen
Alle diese Bildungseinrichtungen liegen in abgelegenen, kleinen Orten oder Berggegenden, weil zum einen die Möglichkeiten wegen der himmelhohen Grundstückspreise beschränkt sind, zum anderen weil man Studenten erziehen möchte, welche "die Natur und das Leben respektieren". Das Hua-Fan-College liegt auf dem Gipfel des Talun-Berges in der ländlichen Gegend von Shihting, Kreis Taipei; die zukünftige Fokuang-Universität wird in einem von drei Flüssen gebildeten Tal in Chiaohsi, Kreis Ilan, gebaut werden; das Hsuan-Tsang-College befindet sich im Kulturpark am Hsian-Berg, in Hsinchu; und das Fa-Ku-College für Geistes- und Sozialwissenschaften wird auf einem Berg in der Nähe des Küstenorts Chinshan, im Kreis Taipei eingerichtet werden.
Wenn man das Gelände der Tzu-Chi-Krankenpflegeschule betritt, hat man aufgrund der vielen Pflanzen und eleganten Gebäude den Eindruck, daß man sich an einer mittelalterlichen, europäischen Universität befindet. Von dem überdachten Wandelgang aus sieht man weiße Wattewolken, die über den Hügeln hängen. "Da wir so naturverbunden liegen, fordere ich die Studenten oft auf, hinaus auf die Wolken und Berge zu sehen, und frage sie, ob sich die Wolken oder die Berge bewegen", erzählt Hung Su-jeu(洪素貞), Leiterin der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Einrichtung.
Sowohl das Hua-Fan-College als auch die Tzu-Chi-Krankenpflegeschule verfügen über "Waldklassenzimmer", und die Lehrer können ihre Studenten ins Freie führen. Da das Hua-Fan-College in den Bergen liegt, gibt es dort sogar noch bessere Möglichkeiten: sobald man die Unterrichtsgebäude verläßt, bieten sich Waldwege, ein Fluß, ein Bambuswald oder auch ein herrlicher Sonnenaufgang dar.
An der Fokuang-Universität hat man sich gegen die Einrichtung eines Sportplatzes entschieden, um den Boden und das Wasser im Flußtal nicht unnötig zu belasten. "Heutzutage werden Sportplätze nur für Wettkämpfe benutzt. Wir aber wollen den natürlichen Charakter der Körperertüchtigung wieder einführen und glauben, daß die Bergpfade genug Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung bieten." Kung Peng-cheng beschreibt die zukünftige Fokuang-Universität als eine Waldhochschule mit Gebäuden, die im Stil traditioneller, chinesischer Lehreinrichtungen gehalten werden, und einer das Tal überspannenden Hängebrücke, auf der man beim Überqueren wie die Wolken im Wind schaukelt. "Eine natürliche Umgebung kann Herz und Geist der Menschen öffnen und ihnen dabei helfen, über den Sinn des Lebens nachzudenken."
Lernen, Mensch zu sein
Doch die richtige Umgebung ist nur der erste Schritt in der Erziehung. Um den humanitären Geist mit Fachwissen zu verbinden und diese Kombination den Studenten so zu verinnerlichen, daß sie Teil ihrer Persönlichkeit wird, bedarf es verschiedener Kurse und Lebensumstände.
Am Hua-Fan-College ist der Kurs "Bewußtseins-Erziehung" verpflichtend. Die Lehrer ermutigen die Studenten dazu, Fragen zu stellen wie "Was ist der Sinn des Seins?". Weiterhin ist jede Abteilung angehalten, Kurse aufzustellen, die den Bereich der Technologie mit den Geisteswissenschaften verbinden. Aus diesem Grund bietet die Abteilung für Industriemanagement 1994 besondere Kurse an wie "Zen und Management" und "Chinesische Kultur und Geschäftsverwaltung". Unter dem Lehrangebot an der Abteilung für Elektrotechnik finden sich die Seminare "Das Universum der Religion" und "Chaos und Religion".
Die noch in der Planung befindliche Fokuang-Hochschule wird Kurse anbieten wie "Das Universum und das Leben" und "Natur und Geisteswissenschaften", während das Fa-Ku-College für Geistes- und Sozialwissenschaften gedenkt, eine Abteilung für soziale Umweltarbeit einzurichten, welche die erste solche Abteilung auf Taiwan sein wird. Sind die Lehrpläne aufgestellt, stellt sich das Problem der effektiven Ausführung. Die zum Beispiel von der Abteilung für Geisteswissenschaften an der Tzu-Chi-Krankenpflegeschule angebotenen Kurse sind lebhaft und an der Praxis orientiert. Es gibt Unterricht in Blumenbinden und der zeremoniellen Teezubereitung; weiterhin hat die Einrichtung für den Kurs "Philosophie im Leben" (ein Fach, welches die Studenten an anderen Universitäten als bittere Medizin ansehen) die leitende Direktorin der Hong-Stiftung für Erziehung und Kultur(洪健全文教基金會), Hong Chien Ching-wei(洪簡靜惠), als Lehrerin verpflichtet. Das war ein besonderes Bonbon für Studenten und Lehrer.
Studenten im Mittelpunkt
Hong erklärt, daß sie die Lehrverpflichtung nur angenommen hat, weil ihr zum einen die Unterrichtsgestaltung völlig freigestellt wurde, zum anderen die Schule ihrem Prinzip der "menschenorientierten Erziehung" entspricht. Was versteckt sich hinter der "menschenorientierten Erziehung"? Der Ausdruck bezeichnet ein System, bei dem die Studierenden und nicht die Lehrer im Mittelpunkt stehen.
Diesem Konzept folgend wird in ihrem Unterricht Wert auf Kommunikation gelegt. Als zu ihrer ersten Unterrichtsstunde viele der Studenten mit einer Null-Bock-Stimmung und Ablehnungshaltung kamen, fragte sie: "Was ist die Philosophie des Lebens?" Ein Student antwortete: "Eine langweilige Unterrichtsstunde für alte Herren und Damen." Dann fragte Hong die Studenten, was sie im Unterricht zu lernen hofften. Die Antworten reichten von Liebe über persönliche Beziehungen bis hin zu angemessenem sozialem Verhalten; und so wurden die Themen bestimmt, die im Unterricht als Diskussionsstoff dienen sollten.
In jeder Unterrichtsstunde sprachen Hong und die Studenten über Lebenserfahrungen und philosophische Theorien. Hong teilte die Studenten in Gruppen auf und ließ sie jeweils die Arbeiten der anderen Studenten prüfen und korrigieren. Laut Einschätzung der Studenten haben sie während des Semesters in ihrer Denk- und Ausdrucksfähigkeit sowie in ihrer Lerneinstellung die größten Fortschritte gemacht.
In der letzten Unterrichtsstunde regte Hong bei ihren Studenten eine gemeinsame Feier an. An der Diskussion über die Bedeutung von Festen sowie am Ablauf der Party konnte Hong erkennen, daß ihre Studenten bereits von den typischen Partyvorstellungen abgekommen waren und neben dem üblichen Singen und Tanzen auch geistreichere Programmbeiträge wie Theaterstücke und Gedichtvorträge einbauten. "Ich würde den Unterrichtserfolg mit 80 von 100 möglichen Punkten bewerten", sagt sie beurteilend. Viele Studenten vertrauten Hong an, daß sich ihre Lebenseinstellung geändert hätte, ihr Selbstwertgefühl gestiegen wäre und sich ihre persönlichen Beziehungen verbessert hätten.
Natürlich können nicht alle Lehrer so erfolgreich sein wie Hong, doch aufgrund der von der schulischen Umgebung verbreiteten positiven Atmosphäre sind auch viele Lehrer bemüht, ihre Unterrichtsmethoden zu verbessern. Die Professoren der Abteilung für Maschinenbau am Hua-Fan-College zum Beispiel halten jede Woche eine Informationsveranstaltung ab, die eine Anwesenheitsrate von durchschnittlich 90 Prozent verbuchen kann.
Tatsächlich bieten die beiden christlichen Universitäten, Fu Jen(輔仁大學)und Tunghai(東海大學), seit langem ähnlichen Unterricht an, wie zum Beispiel den Kurs "Philosophie des Lebens" an der Fu-Jen-Universität, durch den die Lehrer die Studenten zum Nachdenken über ihr Leben anregen wollen. Die Tunghai-Universität verlangt von ihren Studenten, daß sie an dem Seminar "Arbeitserziehung" teilnehmen; indem die Studenten die Umwelt säubern, sollen sie ein besseres Verständnis für die Natur bekommen. Chang Kuo-pao(張國保), ein Sektionsleiter in der Abteilung für höhere Bildung des Erziehungsministeriums, erklärt, daß die Absicht der meisten religiösen Schulen die "persönlichkeitsfördernde Erziehung" sei. Der einzige Unterschied besteht darin, daß die Fu-Jen- und die Tunghai-Universität eine große Anzahl Studenten haben und inmitten aller weltlichen Verlockungen angesiedelt sind, wodurch sich die konkreten Auswirkungen schwieriger erkennen lassen.
Wie die Schüler so die Lehrer
Die buddhistischen Universitäten sind in abgelegenen Gebieten angesiedelt, wodurch die Studenten von der mondänen Welt getrennt sind und sich die Auswirkungen der Erziehung leichter erkennen lassen. Lin Shih-chieh(林士傑), der aus Neugierde vom China-Junior-College für Industrie- und Handelsmanagement in Taipei an die Tzu-Chi-Krankenpflegeschule wechselte, erinnert sich noch gut an seine Lieblingsbeschäftigungen in Taipei, nämlich Rauchen, Trinken und Billiard spielen. Doch seit er an der Tzu-Chi-Schule in Hualien ist, hat sich sein Charakter verändert, und nach der Teilnahme an freiwilligen Arbeitseinsätzen und am buddhistischen Studienlager hat er erkannt, daß "es viel bedeutungsvoller ist, sich um und für andere zu bemühen, als nur einem eigenen Vergnügen nachzugehen."
Da die Schulen ziemlich weit abgelegen sind, leben die Studenten und Fakultätsangehörigen größtenteils in den Einrichtungen, wodurch sie größeren Einfluß aufeinander ausüben. Das Hua-Fan-College und die Tzu-Chi-Krankenpflegeschule haben bei der Lehrereinstellung ganz klar auf die Schulpolitik hingewiesen, in der Hoffnung, daß die Lehrer auch durch ihr gutes Beispiel lehrten.
An der Tzu-Chi-Schule leben die im Durchschnitt 30 Jahre alten Lehrer in den Studentenwohnheimen und holen genauso wie die Studenten ihre Essensmarken ab. Die Schule besteht weiterhin darauf, daß die Lehrer acht Stunden am Tag im Einsatz sind. Auch wenn manche Lehrer dies unsinnig finden, kann man nicht leugnen, daß die Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern denen zwischen Geschwistern gleichen; sie gehen nicht einfach nach dem Unterricht aus der Klasse und ihren eigenen Wegen nach. "Oft klopfen Studenten noch in der Nacht an meine Tür, um mir ihre Probleme zu erzählen", sagt die 30jährige Li Shu-yuan (李淑媛), Lehrerin für chinesische Literatur. Sie glaubt, daß durch eine solch enge Lehrer-Schüler-Beziehung die im Unterricht besprochenen Lebensreflektionen im täglichen Leben zusätzlich verdeutlicht werden können. Es gibt allerdings auch Schwierigkeiten bei der Bewahrung dieser Lehrer-Schüler-Beziehung.
Alle diese Einrichtungen wollen die Zahl ihrer Studenten beschränken, um die Erziehung auf dem angestrebten Niveau halten zu können. Die Fokuang-Universität möchte die Studentenzahl unter 6000 und das Fa-Ku-College sie unter 3000 halten. Auch die Tunghai-Universität hatte bei der Eröffnung die Absicht, eine Elite-Universität, die "Qualität über Quantität" erhebt, zu werden.
Qualität kostet Geld
Die Tunghai-Universität wurde von einer amerikanischen christlichen Organisation in Taiwan eingerichtet. In den Anfängen gab es rund 800 Studenten und Fakultätsmitglieder, die Unterricht hielten oder daran teilnahmen und die zusammen wohnten; die Ausrichtung der Hochschule wurde von Wissensvermittlung und Persönlichkeitsbildung bestimmt. Weil der amerikanische Vorstand in finanzielle Schwierigkeiten geriet und die Geldmittel mit anderen Einrichtungen in Südostasien geteilt werden mußten, sah sich die Universität später jedoch gezwungen, finanziell unabhängig zu werden. "Wir mußten einsehen, daß es notwendig war, mehr Studenten aufzunehmen, um die Universität weiterzuführen", erinnert sich Hsieh Wan-chen(解萬臣), Direktor für Erziehungsangelegenheiten.
Daher begann die Hochschule, ihr Studienangebot auszuweiten und mehr Studenten zuzulassen. Mit wachsender Studentenzahl kühlte das Verhältnis zwischen Lehrern und Studierenden ab. Der anfängliche Grundsatz "Auf Wissen und Persöntichkeitsbildung den gleichen Wert legen" bleibt; doch unter dem starken Einfluß der gesellschaftlichen Umgebung "fühlen wir uns hilflos", sagt Hsieh.
Die meisten Gelder zur Gründung buddhistischer Universitäten stammen aus Spenden. Weil die buddhistischen Gemeinden in den vergangenen Jahren so erfolgreich waren und hunderte von Millionen Dollar an Spenden sammeln konnten, haben viele Leute den Eindruck, daß die buddhistischen Kreise "in Geld schwimmen". "Aber in Wahrheit stimmt das absolut nicht. Wir haben nicht soviel. Das Jahresbudget der Nationalen Taiwan-Universität beispielsweise liegt bei sechs bis sieben Milliarden NT$, und das der Chengchih-Universität übersteigt zwei Milliarden NT$, woran man sehen kann, daß die Kosten zur Betreibung einer Universität riesig sind", erklärt Kung Peng-cheng.
Die Anfangsausgaben des Hua-Fan-Colleges wurden durch Spenden von 300 000 Stiftungsmitgliedern und den Vorstandsmitgliedern abgedeckt. Im Fall der Tzu-Chi-Krankenpflegeschule hat die Stiftung die Baukosten übernommen, doch Personal, Lehrmittel und Einrichtungen werden durch Studien- und andere Gebühren beglichen werden müssen. Laut Statistiken müssen private Universitäten zwischen acht- und zehntausend Studenten anziehen, um die laufenden Kosten finanzieren zu können.
Was Geldmittel anbelangt, vertreten die Bildungseinrichtungen die Einstellung: "Geh und such dir Gönner!" Hsieh Wan-chen ist überzeugt, daß die buddhistische Gemeinde auf viele Quellen in der heutigen Gesellschaft zurückgreifen kann und daher keine großen Probleme mit Kosten oder Mitarbeitern hat. Es wird erwartet, daß die Institutionen ihre Vorstellung der Elite-Universitäten erfüllen können.
Viele Erziehungsfachleute beklagen den derzeitigen gesellschaftlichen Trend hin zu Profit und persönlichem Nutzen. Vielleicht kann man durch Kontrolle der Umwelt die Studenten vor der Ansteckung bewahren.
Die Samen des Guten pflanzen
An den buddhistischen Hochschulen bemühen sich die Verantwortlichen, eine "gute und reine" Umgebung zu schaffen, in der Hoffnung, Studenten heranzubilden, die sowohl fachlich kompetent als auch moralisch stabil sind. Ein Mitarbeiter am Hua-Fan-College fragt besorgt: "Können sich solche guten und wohlerzogenen Studenten an die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit gewöhnen, wenn sie hier rauskommen?" Auch die Studenten sehen das Problem. "Wenn wir die Schule verlassen, wird der Druck durch die Erwartungen unserer Eltern und der Gesellschaft groß sein. Das wichtigste ist, daß wir nicht auf Kosten anderer ein Fortkommen suchen", sagt mit großem Ernst Liao Ching-yu(廖青毓), Elektronik-Student im dritten Studienjahr.
Tien Po-yuan und Hung Su-jeu betonen wiederholt: "Wir streuen die Saat aus." Vielleicht werden diese Samen nicht keimen; oder vielleicht werden aus einigen dieser Samen schattenspendende Bäume wachsen, die zum Schutz im Sturm für unsere Gesellschaft werden. Diese Gruppe von Buddhisten wartet geduldig darauf, es herauszufinden.
(aus dem Chinesischen von Phil Newell; Deutsch von Jessika Steckenborn)