Bei ihm handelt es sich nicht um einen dieser Durchschnittserfinder, die ihre Entdeckungen in der Garage zusammenbasteln. Ingenieur David Hon(韓德瑋)ist ein begeisterter Radler, der eine klassische Forschungsroute zu jener Erfindung nahm, die das tägliche, lästige Auseinanderbauen seines Rads zum Zweck des Unterstellens beenden sollte. Dieses Vorhaben beanspruchte seine ganze Freizeit sieben Jahre lang. Er kämmte die Literatur zum Thema durch und musterte die auf dem Markt erhältlichen Klappräder. Er entwickelte und verbesserte seine eigenen Prototypen. "viele Wissenschaftler und Ingenieure haben noch viel Energie nach der Arbeit übrig", sagt Hon. "Ich habe meine so eingesetzt." Zu jener Zeit war er Manager der kalifornischen Forschungslabors von Hughes Aircraft.
Als Hon 1979 schließlich das Fahrrad kreiert hatte, welches er wollte, stellte es eine Neuheit dar: ein schlankes, stabiles, leichtes Rad, das sich so flach zusammenklappen ließ, daß es in jeden Kofferraum paßte und in Sekundenschnelle wieder aufgebaut war. Schrauben, Muttern oder Bolzen waren nicht nötig. Die Verbindung dieser genialen Kreation mit einem unbekannten Erfinder weckte bald das Interesse der Medien - und der Investoren.
Hon hatte damals nicht die Absicht, seine Stelle aufzugeben, um mit der Serienproduktion seiner Erfindung zu beginnen. Er hoffte stattdessen darauf, das Design zu vermarkten. Doch die Investoren standen bald mit 3,5 Millionen US$ vor seiner Tür und drängten ihn, sowohl die Leitung der Produktion als auch die Vermarktung zu übernehmen. Und schließlich begannen Hon und seine Geldgeber, nach einer geeigneten Produktionsstätte im Ausland zu suchen.
Seit 1982 hat Dahon eine Serie in Größe und Ausstattung unterschiedlicher Räder entwickelt, die eines gemein haben: sie lassen sich in Sekundenschnelle zusammenklappen.
Auf dem Heimweg von einer Präsentation vor der Wissenschaftsakademie Chinas auf dem Festland stattete Hon aus Neugierde Taiwan einen Besuch ab. Auch wenn er in Festlandchina geboren wurde und in den Vereinigten Staaten aufgewachsen ist, war er vom Fortschritt der Insel beeindruckt. "Als ich hier ankam, wußte ich, daß es der richtige Ort ist", erzählt er. "Die Emsigkeit der Arbeiter und die Findigkeit der Auftragshersteller haben mich beeindruckt. "
1982 begann Dahon Inc. mit der Produktion in Taipei. Seither hat das Unternehmen eine Serie von Klapprädern entwickelt, deren Größe von 16-Zoll-Rädern bis hin zu 28-Zoll-Rädern reicht. "Im Grunde genommen haben wir die Möglichkeit, jedes Zweirad zusammenzuklappen, ohne eine Funktion zu beeinträchtigen", bemerkt Hon.
Es ist eine Erfolgsstory. Dahon vermarktet jetzt jährlich über 100 000 Klappfahrräder. Der Jahresumsatz liegt bei 14 Millionen US$, und Dahon hat 60 Prozent der internationalen Märkte für Klappräder erobert. Die Einführung der Dahon-Marke war ein solcher Erfolg, daß führende Fahrradhersteller Dahon unter Vertrag nehmen wollen, um ein zusammenklappbares Zweirad für ihr Sortiment zu entwerfen und zu produzieren. Hon erzählt: "Unser Name ist so bekannt in der Branche, daß einige Hersteller unseren Namen und nicht ihren in der Werbung benutzen wollen." Solche Anerkennung ist großartig, aber sie bringt auch Risiken mit sich. Hon läßt es nicht zu, daß der Name Dahon auf einem nicht von ihm überwachten Produkt auftaucht.
Dahon hat sich durch die strenge Befolgung einiger grundlegender Prinzipien das Vertrauen der Kunden erworben. Beständige Qualität erfordert ständige Kontrolle der Fabrik. Alle Fahrräder werden nur im fertigen Zustand verschifft, um das Risiko des unsachgemäßen Zusammensetzens zu verhindern. Fix und fertige Verkaufsunterlagen werden vom Hauptunternehmen veröffentlicht, um weltweit eine einheitliche Botschaft und ein konsequentes Image zu gewähren; die Händler bezahlen nur für die Übersetzung. Weil die Dahon-Klappräder durchschnittlich fünfzig bis hundert Prozent teurer als vergleichbare normale Fahrräder sind, muß das Verkaufspersonal gut geschult und bereit sein, sich Zeit für eine Darstellung des Klappvorteils zu nehmen. Dahon verläßt sich hauptsächlich auf Fach- und Spezialgeschäfte, die in der Lage sind, seine preislich hoch angesetzten Produkte zu vertreiben.
Hon ist der Ansicht, daß die Seriosität des Unternehmens auch durch die Verkaufs- und Vertriebskanäle gefördert werden muß. Als Dahons belgischer Händler beispielsweise auf den Markt des holländischen Händlers drängte, kündigte Dahon dem Belgier seine Vertriebsrechte. "Loyalität geht in beide Richtungen", sagt Hon. Er verteilt auch eine Liste mit Mindestpreisen für jedes Land, um Preiskriege zu verhindern.
Die effektive Verkaufsförderung ist ebenfalls ein entscheidender Punkt beim Aufbau des starken Produktimages. Dahons jährliches Budget für die Verkaufsförderung liegt zwischen 300 000 und 400 000 US$. Das Unternehmen hat sich gegen das Fernsehen als Werbekanal entschieden, weil sich mit einer Kombination von Anzeigen in Druckerzeugnissen und Produktschenkungen bei populären Fernseh-Spielshows, darunter die beliebte US-amerikanische Sendung "Der Preis ist richtig", bessere Ergebnisse erzielen lassen. In einer Ecke der Dahon-Büros sind über zwanzig Auszeichnungen ausgestellt. Sie repräsentieren eine andere Vermarktungsstrategie des Unternehmens: durch die Teilnahme an Wettbewerben zur eigenen Berühmtheit beitragen. Jedes Mal, wenn Dahon eine Auszeichnung gewinnt, egal ob für Geschwindigkeit oder ausgezeichnetes Marketing, weckt die Berichterstattung in den Medien die öffentliche Aufmerksamkeit und spornt die Angestellten in der Produktion und im Vertrieb an.
Dahon hat auch von der "Es ist sehr gut hergestellt in Taiwan"-Kampagne des Außenhandelsrats der Republik China (China External Trade Development Council, CETRA) profitiert. Letztes Jahr haben die 16- und 18-Zoll-Fahrräder des Unternehmens eine der Herausragendes Produkt-Auszeichnungen (Outstanding Product Award) gewonnen, was eine Welle öffentlicher Aufmerksamkeit mit sich brachte. Die Dahon-Produkte weisen weiterhin das "Symbol hervorragender Qualität" auf, welches ihnen kürzlich von der Regierung verliehen wurde. "Das Symbol ist nützlich, auch wenn ich glaube, daß es für einen Neuling mehr bedeutet", sagt Hon. "Dahon hat sich schon einen Namen für Qualität gemacht." Er fügt an, daß Dahon vielleicht vom anhaftenden Vorurteil, Taiwan-Produkte seien minderwertig, verschont bleibe, da es amerikanische Technologie nach Taiwan bringe.
Hon glaubt, daß seine Fahrräder zu der sich schnell vergrößernden Anzahl von Made-in-Taiwan-Produkten gehören, die Anerkennung im Ausland gewinnen. "Viele gebildete Menschen rund um die Welt mögen auf Taiwan wegen seiner Fälschungen und seiner Umweltprobleme herabschauen. Und viele denken schlecht von Taiwan wegen der Rhinozeroshorngeschichte", meint Hon. "Doch bezüglich der Wirtschaft und Menschen respektiert man Taiwan für seine Fähigkeit, aus wenig viel zu machen."
Einheimische Unternehmen beklagen, daß sie durch die Verwendung der Made-in-Taiwan-Etiketten an Vertrauenswürdigkeit verlieren, aber Hon sieht darin die unbewußte Suche nach einem Sündenbock. Er vermutet, daß fehlerstrotzende Beilagen und Bedienungsanleitungen, schlechte Verpackungen oder unbeständige Qualität viel größere Hindernisse auf dem Weg zu internationaler Anerkennung bedeuten als das Vorurteil gegen Taiwan-Produkte. Auch in Taiwan ist das Vorurteil gegen einheimische Erzeugnisse vorhanden. Hon rechnet es CETRA's Imageförderungsplan hoch an, daß er die einheimischen wie auch die ausländischen Käufer auf die hohe Qualität vieler Taiwan-Produkte aufmerksam macht.
Nachdem Dahon durch Überwachung des Entwurfs, der Herstellung, des Marketings und des Vertriebs erfolgreich seinen Namen international etabliert hat, nimmt das Unternehmen nun einschneidende Veränderungen vor. Im vergangenen Sommer stellte es die Produktion ein. Dahon verkaufte seine Fabrik und läßt nun auf Auftrag herstellen. "Es kostete uns zuviel Zeit, die Fabrik zu leiten", sagt Hon. "Das überlassen wir nun den Experten, und die Taiwanesen sind Experten im Betreiben von Fabriken." Er ist zuversichtlich, daß seine Taiwan-Partner die günstigten Arbeitsmärkte, einschließlich Festlandchina erschließen können, wenn die Zeit gekommen ist.
Der Schritt gestattet es Dahon, sich auf Forschung und Entwicklung sowie Marketing zu konzentrieren. Das Unternehmen verkleinert außerdem eine Produktpalette. Warum führt es diese Einschränkungsmaßnahme durch? Derzeit verteilt Dahon seine für Forschung und Entwicklung vorgesehenen Mittel auf über vierzig Prozent der 120 Bauteile eines Klapprads. Das bedeutet nicht nur, daß die Gelder für Forschung und Entwicklung zu dünn gestreut sind, sondern auch, daß das Unternehmen sich in Entwicklungsbereichen bemüht, in denen andere Unternehmen bessere Voraussetzungen haben. "Bei der Entwicklung von Fahrradrahmen und Klappmechanismen sind wir marktführend. Und darum werden das die Bereiche sein, auf die wir uns spezialisieren", bemerkt Hon.
Es gibt noch einen anderen Impetus für die Veränderung. Obwohl Dahon den Markt in seinem Produktbereich anführt, befürchtet das Unternehmen, sich seinem Höhepunkt in der Wachstumskurve zu nähern. Untersuchungen in den Vereinigten Staaten und Europa zeigen, daß acht Prozent aller Radfahrer ein Klapprad kaufen würden, wenn es nicht mehr als 25 Prozent über dem Preis eines nicht-klappbaren, aber ansonsten vergleichbaren Fahrrades liegt. Doch Dahon kann die Kosten nicht soweit senken, um zu diesem Preis produzieren zu können. Daher mußte sich das Unternehmen entscheiden: entweder klein bleiben und sich auf die Marktnische der teuren Spezialfahrräder konzentrieren oder mit anderen Fahrradherstellern kooperieren. Der Zusammenschluß mit den Marktriesen bietet den Vorteil, daß die großen Unternehmen die Möglichkeit haben, die Fahrräder in großen Mengen und daher erheblich billiger herzustellen, wodurch sich die Absatzmärkte vergrößern würden. Die Klappräder könnten sich dann ein weites Feld erobern.
Laut neuem Drehbuch soll die Produktion folgendermaßen ablaufen: Dahon konzentriert sich auf die Verbesserung des Klappmechanismus und die Entwicklung von leichten Rahmen, während es andere Unternehmen mit der Produktion beauftragt. Dann verkauft Dahon diese Spezialrahmen an international führende Fahrradhersteller hauptsächlich in den USA, Asien und Euro, und diese Hersteller übernehmen die Werbung und den Vertrieb der fertigen Fahrräder.
Im Idealfall würde dieses Szenario Dahon ermöglichen, Nutzen aus der groß angelegten Produktion und den wichtigen Verkaufskanälen zu ziehen, während es gleichzeitig seine Klappradtechnologie schützen könnte. Das Unternehmen hat sich in den vergangenen zwei Jahren darauf vorbereitet, seine Technologien mit anderen Firmen zu teilen, aber auf eine Weise, die einen Profit und seine Integrität schützt. Dahon hat seine Markennamen und Warenzeichen in 26 Ländern registrieren lassen und Patente für eine Reihe von Fahrradmodellen und Klappmechanismen angemeldet. Nun hält es Ausschau nach dem richtigen Partner.
"Es ist eine schwierige Veränderung", sagt Hon. "Die meisten von Taiwans Herstellern versuchen, sich von der OEM-Produktion abzuwenden und eigene Markenprodukte zu entwickeln. Sie wollen ihr eigener Herr sein und selbst über Produktion und Marketing entscheiden. Wir haben diese Autonomie, aber wir haben nicht die finanzielle Stärke, um die Produktion zu vergrößern." Hon sieht dem Wandel seines Unternehmens zuversichtlich entgegen. "Im Vergleich zu anderen Herstellern ist unsere Produktion winzig", meint er. "Wenn wir jetzt mit großen Herstellern kooperieren, können wir unseren Markt vergrößern. Das wird für uns auf lange Sicht von Vorteil sein."
(Deutsch von Jessika Steckenborn)