10.06.2025

Taiwan Today

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Chu Ko, der "Krieger des Pinsels"

01.03.1994
Wege und Werke eines bedeutenden Künstlers der Gegenwart

Die Verfasserin unterrichtet seit 1990 das Fachgebiet Ostasiatische Kunstgeschichte am Seminar für Orientalische Kunstgeschichte an der Universität Bonn; die zeitgenössische Kunst Chinas bildet ein besonderes Interessensgebiet in ihren Studien. Sie hat einige Studienjahre auf Taiwan verbracht und ist seither mit einem Chinesen verheiratet.

Einer der bekanntesten chinesischen Künstler aus der Republik China (Taiwan) präsentiert bis zum 31.1.1994 rezente Gemälde in einer ersten deutschen Einzelausstellung, zu sehen in der Galerie Lommel, Leverkusen, und beim Kunsthandel Klefisch in Köln. Liebhabern moderner fernöstlicher Malerei ist Chu Ko inzwischen ein Begriff geworden durch zahlreiche Ausstellungen in Asien, den USA und Europa - zuletzt 1992 aus Anlaß der Olympischen Sommerspiele von Barcelona, als er mit 49 namhaften Künstlern aus aller Welt (darunter Penck, Tàpies, Arman, Paik) eingeladen wurde, eine Lithographie zum Thema der Spiele auszustellen. Daß Chu Ko erst relativ spät in der internationalen Kunstszene Fuß faßte, hängt sicher auch damit zusammen, daß er seine Exilheimat bis vor wenigen Jahren nie verlassen hatte. Zu tief verwurzelt fühlte er sich im chinesischen Kulturkreis, zu eng verbunden auch mit den vielfältigen Veränderungen innerhalb der zeitgenössischen chinesischen Kunst, die er wie kaum ein anderer seit Jahrzehnten praktisch und theoretisch mitgestaltet.

Die Vielseitigkeit diese Künstlers findet neben schriftstellerischer Tätigkeit auch Ausdruck in Bildhauerei und Töpferei. Zum Wahrzeichen der Stadt Taichung ("Mitte von Taiwan") wurde inzwischen seine 1989 vor dem dortigen Kunstmuseum errichtete Monumentalplastik in Form mehrerer ineinandergreifender, aus massiver Bronze gegossener Schriftzeichen für das Wort "Mitte", chinesisch chung. Chu Ko's Muse bleibt jedoch die Malerei. In der Tradition der sogenannten "Literatenmaler", die seit rund tausend Jahren die Entwicklung der chinesischen Malerei bestimmte, gilt ihm das "Schwingen des Pinsels", jenes hochsensiblen, jede kleinste Regung der Hand übertragenden Mediums als Ausdrucksmodus seiner Persönlichkeit, nur viel rigoroser und direkter als es in der traditionellen chinesischen Malerei je akzeptiert wurde. Ein "Dolmetscher" ist für diese Gemälde folglich auch kaum vonnöten. Ihre Vitalität und Intensität spricht eine allgemein verständliche Sprache, die gefühlvoll und offen ist, für chinesische Verhältnisse geradezu leidenschaftlich. Sie zielt auf einen freimütigen Diskurs mit dem Betrachter, wie sie auch einer spontanen Emotionalität entspringt. Chu Ko will Lebensfreude und Leidensdruck so authentisch wie möglich in seine Kunst einbringen. Physische und psychische Kämpfe um lichtvolle Siege bilden für ihn die Schnur, an der ein Schaffen emporrankt, der er unbeirrbar folgt wie ein Kämpfer dem Trieb ums Überleben.

Wie viele Chinesen nach alter Tradition im Erwachsenenalter einen neuen Namen annehmen, wählte der junge Dexing aus der Familie Yuan anstelle seines bürgerlichen Namens den Künstlernamen Chu Ko. Ko bedeutet soviel wie "Lanze" oder, im übertragenen Sinne, "Krieger", Chu ist ein alter Name der Provinz Hunan auf dem chinesischen Festland, wo der Künstler 1931 geboren wurde. Aufgewachsen als Sohn eines Kleinbauern und Kaufmannes konnte Chu Ko trotz zweier Kriege eine grundlegende Erziehung in klassischer Literatur und Kalligraphie erhalten. Die Mutter, die als Stickerin arbeitete, hatte ihn früh ermutigt zu malen - meist nach Abbildungen bekannter Gemälde in Büchern oder Zeitschriften, die er, ohne je im konventionellen Sinne Malunterricht gehabt zu haben, zum Vorbild nahm. Daneben entwickelte er eine eigenwillige Vorliebe für moderne Gedichte, die sein Seelengepäck wurden auf langen Märschen durch die Landschaften Südchinas im Gefolge der Armee Chiang Kaishek's, der er sich 1949 anschloß. Im selben Jahr noch flohen die Truppen auf die Insel Taiwan, überzeugt, daß man in wenigen Monaten zurückkehren werde ...

Was als Abenteuer aus Idealismus begann, wurde zum Schicksal eines 40 Jahre währenden Exils. Die Erfahrung von Einsamkeit, Fremde und Trennung von der Familie in einem als zukunftslos empfundenen Armeealltag führte zu einer schweren Lebenkrise. Damals entstanden seine ersten eigenen Gedichte um Heimweh, Kameradschaft und Liebe, wurden ihm zum "emotionalen Rettungsanker", wie er heute auch gerne seine Malerei umschreibt. Gefühle und Stimmungen nicht nur durch Poesie, sondern auch durch Malerei auszudrücken, wagte er damals noch nicht - verständlich vielleicht, wenn man sich den seinerzeit generell ungleichen Entwicklungsstand beider Kunstformen vor Augen hält.

Die chinesische Literatur hatte seit den 20er Jahren des Jahrhunderts auf breiter gesellschaftlicher Basis eine kraftvolle Erneuerung erfahren, die auch theoretisch bereits fundiert war, während die Malerei wie oft zuvor in der Geschichte in ihrer Entwicklung zurückstand. Einzelne Maler der 20er und 30er Jahre hatten zwar die Notwendigkeit erkannt, die in jahrhundertelanger Überlieferung erstarrten Inhalte und Ausdrucksformen einer kritischen Analyse zu unterziehen und im Hinblick auf das veränderte Lebensumfeld der Menschen nach neuen gestalterischen Wegen zu suchen. Jedoch war eine geistige Konsolidierung der zwischen konservativer Literatenmalerei und westlich inspirierter Ölmalerei pendelnden Stilrichtungen noch nicht erreicht, geschweige denn hatten sich theoretische Konzepte durchgesetzt.

Auf Taiwan hatten sich in den 50er Jahren immer mehr Möglichkeiten aufgetan, sich über die Entwicklungen der westlichen Moderne zu informieren, vor allem über den Zugang zu ausländischen Publikationen. Die interne Diskussion um die Rolle der Malerei in der zeitgenössischen Kunst drehte sich zunehmend um die zentrale Frage der kulturellen Identität, um Sinn oder Unsinn von Traditionen der eigenen kulturellen Vergangenheit. Einen ersten Höhepunkt erlangte die Kontroverse 1957 mit der Gründungsausstellung der Malergruppe "5. Mond" (wu yueh, zu deren Mitbegründern der auch in Deutschland bekannte Maler Liu Guosong gehörte). Die zum Teil heftig ablehnende Reaktion der Öffentlichkeit auf die als provokant empfundenen ungewöhnlichen, auch abstrakte Formulierungen bietenden Gemälde veranlaßte Chu Ko, mit Pressebeiträgen für die Künstler in die Bresche zu springen. Er stellte analog seiner Auffassung von Poesie die Forderung nach reinem Selbstausdruck in der Malerei auf. Damit war der Anfang gemacht für sein Engangement als Kunstkritiker ebenso wie für die Neuorientierung seiner eigenen Malerei.

Die Beschäftigung mit den Meistern westlicher Moderne wurde für Chu Ko eine Enthüllung: Picasso, Miró, vor allem aber Paul Klees Gemälde und Zeichnungen übten einen nachhaltigen Einfluß auf ihn aus. In den 60er Jahren entstanden neben moderner aufgefaßten Tuschegemälden traditioneller Thematik auch die ersten semi-abstrakten und gegenstandslosen Gemälde, die geprägt waren vom Ringen um die authentischen Ausdrucksformen und Ausdrucksmedien. Die Suche nach den Wurzeln der eigenen Kultur war schließlich entscheidend für Chu Ko's Entschluß 1968, in das Nationale Palastmuseum in Taipei einzutreten, wo man ihm die Gelegenheit zur Erforschung neolithischer Keramiken und antiker Ritualbronzen der kaiserlichen Sammlung bot. Diese ältesten künstlerischen Zeugnisse einer chinesischen Hochkultur, ihre Formen und Dekors von meist magisch-mythischer Bedeutung sollten ihn nie wieder loslassen. Ihre Gestaltungsprinzipien prägten sich fest in sein Unterbewußtsein ein und ziehen sich bis heute wie ein Leitfaden durch sein gesamtes Œuvre, nähren vor allem die unendliche Faszination von der Linie und der ihr seit Jahrtausenden von chinesischen Künstlern verliehenen Dynamik.

Die Ergebnisse seiner kunsthistorischen Studien veröffentlichte Chu Ko in zahlreichen Artikeln und Büchern. Das wohl meist beachtete zweibändige Werk zur Einführung in die Geschichte der chinesischen Kunst (Zhonghua lishi wenwu) erscheint 1976. Zuvor finden erste Ausstellungen seiner Gemälde, Zeichnungen und bemalten Keramiken auf Taiwan sowie seit Beginn der 70er Jahre in Japan, den USA und Korea statt. Zwei erfolgreiche Einzelausstellungen graphischer Blätter bestärken ihn Anfang der 80er Jahre im Experimentieren mit den Ausdrucksmöglichkeiten moderner Drucktechniken.

1981 scheint allem abrupt ein Ende gesetzt zu sein, als ihm aufgrund eines Krebsbefundes in fortgeschrittenem Stadium nur noch eine kurze Lebensdauer diagnostiziert wird. Chu Ko kann die Krankheit überwinden und geht mit gestärkter Schaffenskraft daraus hervor. Der neugewonnene kreative Schub wirkt sich spürbar in einer Malerei aus: Die Pinselarbeit gewinnt an Energie, die Linienführung an Schwung, die Farbgebung wird leuchtender und kombiniert unkonventionelle Töne, Kontraste werden kräftiger, Spannung und Dynamik bahnen sich Ausdruck. Endlich lernt Chu Ko bei einer ersten Amerikareise 1985 Originalwerke namhafter moderner Meister kennen. 1989 und 1990 nimmt er erstmals an internationalen Ausstellungen in Paris teil. Während all dieser Jahre wächst in ihm die Überzeugung, daß trotz allem, was die westliche Moderne der chinesischen Gegenwartskunst vermitteln kann, die chinesische Kunst ihrerseits wertvolles Potential zur Neuorientierung der westlichen Kunst in sich trägt, vor allem aber, daß sie einem eigenen Schaffen den eigentlich wahren, ursprünglichen Impetus gibt.

Die seither entstandenen Arbeiten veranschaulichen Chu Ko's Vision einer Synthese zwischen den durch Herkunft und Erziehung vertrauten und den durch die Veränderungen der modernen Zeit bedingten Ausdrucksweisen: Seine Malerei vermag auf menschlicher Ebene Brücken zu schlagen, obgleich oder vielleicht gerade weil ihr asiatischer Charakter unverkennbar ist. Hauptthema in Chu Ko's Malerei ist neben traditionellen Motiven der Pflanzenwelt die Landschaft, die seit rund tausend Jahren das klassische Thema chinesischer Malerei überhaupt bildet. Wie sich aus der wörtlichen Übersetzung des chinesischen Begriffes für Landschaft, nämlich "Berg" und "Wasser" (shan shui) ergibt, gelten Landschaftsdarstellungen weniger als Raum für konkrete Aktivitäten des Menschen denn als visuelle Konzepte einer philosophischen Idee. Im Berge bündelt sich nach chinesischer Auffassung alle Energie des Kosmos zu einem mächtig kompakten Kondensat. In den quirlig strömenden Wassern pulsiert lebensspendende Kraft wie in den vom Blut durchströmten Adern des menschlichen Körpers. So ist das Abbild einer Landschaft immer auch Sinnbild für die ewigen Gesetze des Universums, in die der Mensch sich zu seinem eigenen Glück einzufügen hat - ohne selbst und eigenmächtig zu handeln (wuwei), wie die Taoisten sagen.

Chu Ko, Taoist aus Überzeugung, hat diese Anschauung zu seinem Lebensprinzip gemacht. Der Mensch spielt in seiner Kunst eine untergeordnete Rolle. Gelegentlich fügt er leere Boote, Häuschen oder nur Dächer als Zeichen menschlichen Lebens in seine Landschaften ein, skizziert vielleicht flüchtig eine kleine menschliche Gestalt - doch bleibt der Eindruck der Natur dominierend. Steile Berge aus bizarren Felsen stoßen da in den Himmel, oder es wölben sich breite Hügelrücken mächtig in die Weite des Raumes, charakterisiert durch diverse lineare Strukturen. Diese bilden sich aus dünnen, parallel gezogenen Tuschlinien, die mit Aussparungen des weißen Bildgrundes von exakt gleicher Breite parallel alternieren.

Die so entstehende Hell-Dunkel-Lineatur erinnert an die "Donnermuster" (leiwen) genannte Ornamentik antiker Ritualbronzen, doch sprengt Chu Ko ihre ursprüngliche Einbindung in horizontale Register. Manchmal wird zunächst das Papier stark zerknittert und dann farbig besprüht, so daß eine unregelmäßige, runzelige Struktur entsteht, die an eine schroffe Felsoberfläche denken läßt. Oder Chu Ko greift zu einem besonders breiten Pinsel für Ölfarben und zieht ihn mit wenig Farbe befrachtet über das Papier, so daß Hell-Dunkel-Linien von ungleicher Breite einen ähnlichen Effekt entstehen lassen wie das sogenannte "fliegende Weiß" (feibai) in der traditionellen Tuschemalerei. Die Linien weisen jedoch durch die Härte der Pinselhaare und die Konsistenz der schwarzen Farbe ungleich exaktere Konturen auf und bewirken somit eine schärfere Gegensätzlichkeit.

Spannungsvolle Kontraste bilden ein wichtiges Stilmittel in Chu Ko's Malerei, sei es im Hinblick auf Farbgebung, auf Formgebung oder Komposition. Letztere betont die Grundstrukturen der Schaufläche: Vertikale, Horizontale und Diagonale. Oft schließen lineare Partien ohne Überleitung an flächige durchgetuschte Lavis, an aufgespritzte Flecken oder einen völlig frei gelassenen Bildgrund an. Aus dem gleichen Impuls heraus setzt Chu Ko größere Farbflächen an kleinteilige lineare Figurationen, oder er laviert konkrete Motive flächig aus und verbindet sie mit linear strukturierten Partien.

In diesem Zusammenhang ist auch die Integration von Schriftelementen in die Bildgestaltung bedeutsam. Kurze Aufschriften wie Datierung und Signatur des Malers sind oft kaum zu entdecken, mehrzeilig gefaßte, eigene poetische Gedanken oder Zitate aus Gedichten berühmter Meister schmiegen sich den Konturen farbiger Flächen an oder auch in Linienknäuel hinein. Die ästhetische Funktion der Schrift wird noch hervorgehoben, wenn die Kalligraphie des Malers die frühe piktorale Entwicklungsphase chinesischer Schrift anklingen läßt wie z.B. in seinen phantastischen Piktogrammen für das Schriftzeichen Berg. Die Verbindung von Malerei und poetischer Aufschrift innerhalb einer Schaufläche basiert auf der seit dem 12./13. Jh. ausgeprägten Malerei literarisch hochgebildeter Freizeitkünstler, den im westlichen Schrifttum sogenannten "Literati". Die Wechselbeziehung zwischen Malerei und Dichtung ist bei Chu Ko nicht nur formal, sondern auch inhaltlich noch enger geworden, wenngleich Jahrhunderte vor ihm unter den exzentrischen Malern Chinas auch schon Vorläufer ähnlicher Konzepte zu finden sind.

Seine eher traditionelle Motivik kombiniert Chu Lo mit völlig neuartiger Farbpalette von animierender, oft schockierender Art. Ohne Rücksicht auf die Farbgewohnheiten asiatischer Betrachter setzt der Maler mit immer leuchtender werdenden Farben seine Seh-Lust und Spieltriebe ins Bild. Hier stößt ebenso wie in seiner geradezu gestischen Pinsel­führung die Verbindung mit den Literatenmalern an eine Grenze, denen seit alters her die Abstufungen der Tuschewerte als das subtilere Substitut für Farbigkeit gilt. Chu Ko selbst schrieb einmal dazu: "In all den Jahren zuvor, in denen ich mit Tusche spielte, fühlte ich, daß etwas dabei fehlte. Ich sehnte mich danach, auch mit Farben zu spielen, und als diese Idee sich durchgesetzt hatte, fand ich, je stärker die Farben herauskamen, desto besser. Das Problem war aber, daß die starken Effekte, die ich anstrebte, mit den traditionellen chinesischen Pigmenten nicht erreichbar waren... Später entdeckte ich, daß Acrylfarben und Farben zum Stoffeinfärben sich sehr gut für meine Zwecke eigneten. Kräftige Farben schärfen die Sinne, scheinen regelrecht unser dunkelstes Inneres zu erleuchten ... " (Wanshua jingxingqu). In Chu Ko's Bildgefügen aber entgleiten sie nie der Kontrolle, sondern wirken, in deutlichen Flächen voneinander abgesetzt, wie von den allgegenwärtigen schwarzen Linien in Balance gehalten.

Chu Ko spricht mit diesen Worten einen weiteren Aspekt seines Schaffens an, der für das Verständnis seiner Werke von Bedeutung ist. Die Rede vom "Spielen" mit Tusche und Farben, was nichts anderes bedeutet, als daß der Malprozeß insgesamt als absichtsloser Vorgang im Sinne eines Spieles empfunden wird. Das Ideal des selbstvergessenen "spielenden" Künstlers basiert auf taoistischem Gedankengut: Im Spielen überläßt man sich den Kräften der Natur - seiner eigenen Natur - und damit zugleich dem Wirken des kosmischen Odems (ch 'i). Die Kunst ist nach dieser Auffassung zugleich ein Spiel der schöpferischen Kräfte, denen der Maler sich als Werkzeug überläßt. Auch wenn Chu Ko ein Werk beginnt, folgt er damit zunächst einem inneren Drang, der ihn Linien, Flächen, Farben setzen läßt. Nach und nach wird bewußter und gezielter gestaltet, werden etwa semi-abstrakte Elemente ergänzt, um einen inhaltlichen Bezug zur Natur erkennbar zu machen, ohne den für Chu Ko das Bild nur leere Form wäre.

Seiner Auffassung nach verkörpern sich die verborgensten Aspekte der Natur ganz besonders im Motiv der fortlaufenden Linien bei Paul Klee. Vielleicht zieht sich aus demselben Grund auch bei Chu Ko die markante Lineatur wie ein Leitmotiv durch das gesamte Œuvre. Seine Linien gewinnen ein Eigenleben von stiller Intensität bis hin zu ausdrucksstarker Dynamik. Sie sind variabel von lockerem kalligraphischem Duktus über musterartige Regelmäßigkeit bis hin zu exzentrisch gestischen Schwüngen. Im Spannungsfeld zwischen abstrakten und formbildenden Linien, zwischen Malerei mit poetischer Aufschrift und malerisch aufgefaßten Schriftzeichen, die selbst zum Bild werden, vernetzen sich die schwarzen Linien zu einem schmiegsamen, aber zähen Gespinst. Wie zum Zeichen für Chu Ko's ästhetisches Ideal einer in sich ruhenden, unpretentiösen Schlichtheit bleibt es immer überschaubar und einsehbar, ebenso wie bei linearen Verschlingungen zu einem schier "endlosen Knoten" immer zugleich der freigelassene oder einfarbige Bildgrund integriert bleibt und Raum läßt für Tiefenillusion.

Die Linie ist für Chu Ko Sinnbild für das alle Phänomene miteinander verbindende Urprinzip des Tao und zugleich für die Anfänge menschlicher Zivilisation, als Schnurbindung, Schnurmusterungen und Knotenschrift Werkmaterial und Ausdrucksmedium waren. So verknüpft sein "endloser Knoten" nach uraltem chinesischem Traum das Altertum mit der Gegenwart und vermag zugleich mit sanftem Zwang den westlichen Betrachter in den Bann chinesischer Gegenwartskunst zu ziehen. Es bleibt zu hoffen, daß Chu Ko's Arbeiten für die 1994/95 in Europa wandernde erste große Gemeinschaftsausstellung chinesischer Maler der Republik und Volksrepublik China auch in Deutschland noch einen Ausstellungsort finden...

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