"Chinesisch? Kann man das denn überhaupt lernen?" wird manch einer, der mit dem ABC aufgewachsen ist, ungläubig fragen. Die Deutschen, die sich in Taiwan mit den ungewohnten Tönen und Zeichen beschäftigen - seien es angehende Sinologinnen, Chinainteressierte, ehrgeizige Wirtschaftswissenschaftler, Ehefrauen oder Missionare -, geben die Antwort und darüber hinaus einen Einblick in die Umstände und Besonderheiten eines Sprachaufenthaltes in Taiwan.
Die Voraussetzungen
"Eine Fremdsprache lernt sich am besten im Land selbst", heißt es, und Taiwan bietet ein ideales sprachliches Umfeld zum Chinesischlernen. Die Nationalsprache der Republik China auf Taiwan ist das kuo-yü, welches auf dem chinesischen Festland als p'u-t'ung-hua und im Deutschen als Mandarin-Chinesisch bekannt ist. Sie basiert auf dem Pekingdialekt und wurde bereits 1913 in ganz China eingeführt, um die vielen Millionen von Chinesen mit ihren verschiedenen Dialekten auf einen gemeinsamen sprachlichen Nenner zu bringen. Die Regierung der Republik China hat seit 1949, d.h. seit ihrer Übersiedlung vom Festland nach Taiwan, die Verbreitung des Mandarin-Chinesisch auf der Insel forciert. Als Amtssprache ist ausschließlich Mandarin zugelassen; alle Schüler werden darin unterrichtet, und auch im Radio und Fernsehen überwiegen Beiträge in Mandarin-Chinesisch. Neben der Nationalsprache hört man vor allem in ländlichen Gebieten und in Südtaiwan noch einen anderen Dialekt, nämlich das tai-yü. Diesen Dialekt haben Einwanderer vor über dreihundert Jahren aus der Festlandprovinz Fukien nach Taiwan mitgebracht.
Ehe nun entschlossene Sprachschüler aber ihren Koffer packen können, werden sie sich den lästigen Anmelde- und Visaformalitäten widmen müssen. Ausländer benötigen für einen längeren Aufenthalt in Taiwan ein Visum, welches über die Repräsentationsbüros der Republik China im Ausland erhältlich ist. Laut Angaben der Abteilung für internationale Angelegenheiten im Erziehungsministerium gibt es derzeit zehn anerkannte Sprachinstitute auf Taiwan, deren Chinesischschüler im Ausland ihr Visum beantragen und nach sechs Monaten im Land eine längerfristige Aufenthaltsgenehmigung beantragen können. Dazu gehören in und um Taipei: das Mandarin-Trainingszentrum der Nationalen Pädagogischen Hochschule, die katholische Fu-Jen-Universität, die Nationale Chengchi-Universität, das Gemeinschaftliche Universitätsprogramm für chinesische Sprachstudien in Taipei, das Sprachzentrum der Tageszeitung Mandarin Daily News, das Sprachinstitut Taipei und das Sprachzentrum der Tamkang-Universität. Weiterhin werden die in Taichung angesiedelte Nationale Feng-Chia-Universität und die Tunghai-Universität, sowie die im südlichen Tainan gelegene Nationale Cheng-Kung-Universität vom Ministerium anerkannt.
Das Angebot
Das Angebot an Chinesischkursen in und um Taipei ist groß und sehr unterschiedlich. Da gibt es zum Beispiel die Universitäten, welche auf dem Campus eine Abteilung für Chinesischkurse eingerichtet haben. Die ausländischen Schüler werden in das Universitätsleben integriert, sie können die Einrichtungen wie Sportplatz, Schwimmbad, Bibliothek und Mensa benutzen und kommen leicht in Kontakt mit einheimischen Studenten. Man muß berücksichtigen, daß sich Taiwans Universitäten grundlegend von den deutschen unterscheiden. Hier liegen alle universitären Einrichtungen auf einer meist durch eine Mauer eingegrenzten Anlage, die einen Deutschen eher an ein Internat als an eine Universität denken läßt. Die Bewerbung bei den Universitäten muß im allgemeinen mindestens ein halbes Jahr vor dem gewünschten Studienbeginn erfolgen. Broschüren, die bei den Chinesischabteilungen angefordert werden können, informieren über die Anmeldeformalitäten und Voraussetzungen.
Weiterhin veranstalten Fremdspracheninstitute sowie von Universitäten etablierte Bildungszentren Chinesischunterricht für Ausländer. Der Vorteil bei diesen Einrichtungen ist, daß sie zentral liegen, Kurse monatlich beginnen und die Anmeldung kurzfristig erfolgen kann sowie unbürokratisch abgewickelt wird. Allerdings haben Ausländer hier kaum Möglichkeiten, chinesische Studenten kennenzulernen, und müssen sich daher andernorts um Kontakte bemühen, wenn sie das im Unterricht Erlernte praktisch anwenden wollen.
Das Lehrmaterial ist an den meisten Einrichtungen ähnlich; tatsächlich sind viele vom Mandarin-Trainingszentrum der Nationalen Pädagogischen Hochschule entwickelten Lehrbücher, darunter besonders der grüne Band eins und der rote Band zwei des Lehrbuchs "Praktische chinesische Dialoge", zu Standardwerken geworden. Die auf dem chinesischen Festland sowie in den meisten in Deutschland angewendeten Lehrbüchern übliche Lautschrift pin-yin, eine Romanisierung der chinesischen Schriftzeichen, findet man auf Taiwan nicht. Stattdessen gibt es ein aus 37 Symbolen bestehendes Lautschriftsystem namens bo-po-mo-fo, anhand dessen die Kinder in Taiwans Grundschulen die Aussprache der Schriftzeichen erlernen. Auch die Sprachschüler werden im allgemeinen zu Anfang eines Chinesischkurses darin unterrichtet.
Daniela Küster ist seit August an der Fu Jen und sagt: "Es ist sehr gut hier. Man merkt, daß es den Lehrern Spaß macht. Sie bemühen sich, einem etwas beizubringen."
Die Einrichtungen
Das Mandarin-Trainingszentrum der Nationalen Pädagogischen Hochschule
Das 1956 gegründete Mandarin-Trainingszentrum (Mandarin Training Center, MTC) der Nationalen Pädagogischen Hochschule in Taipei (National Taiwan Normal University), kurz Shida genannt, ist die mit am längsten bestehende und größte Einrichtung, an der Ausländer Chinesisch lernen können. 1105 Sprachschüler aus 54 Ländern waren laut Aussage der Direktorin Teh-Ming Yeh Fu(葉德明)im letzten, von Dezember bis Februar dauernden Quartal eingeschrieben. Die größte Gruppe machten die Schüler aus Japan (275) aus, gefolgt von 249 koreanischen Studenten und 174 Amerikanern; die Deutschen waren nur 17mal vertreten. Das MTC befindet sich mitten in der Stadt, im sechsten Stock des Unions-Gebäudes der Shida. Um vier Uhr nachmittags herrscht hier reger Betrieb: Studenten aller Nationalitäten treffen sich vor oder nach ihrem Unterricht im Aufenthaltsraum; einige stehen vor dem Schwarzen Brett und lesen die Aushänge bezüglich Sprachaustausch, Bücherkauf, Zimmersuche und -vermietungen; im Lesesaal ist kaum ein Sitzplatz oder eine Zeitung zu ergattern; und vor dem Verwaltungszimmer steht eine lange Schlange von Studenten, die ihre Verlängerung für das kommende Semester einreichen wollen.
Die Direktorin, die seit über viereinhalb Jahren das Trainingszentrum leitet, berichtet: "Die meisten unserer Sprachschüler sind Studenten, die in ihrem Heimatland Sinologie, Chinesisch, Jura oder Politikwissenschaft studieren. Die Zahl der Studenten hat in den vergangenen Jahren ständig zugenommen. 1988 lag sie nur zwischen 800 und 900, aber im vergangenen September stieg sie auf über eintausend an, und in diesem Semester haben wir 1105 Studenten. Ich mache mir Sorgen, daß wir nicht genug Klassenräume und Lehrer haben. Wir haben 350 Bewerbungen für das Frühlingssemester ablehnen müssen." Aber Yeh weist darauf hin, daß das MTC im Juni dieses Jahres in einen Neubau gleich hinter dem Unions-Gebäude umziehen wird, wo dem Sprachzentrum dann statt wie bislang sechzig rund hundert Klassenräume zur Verfügung stehen. Dann werde das MTC mehr Schüler aufnehmen können.
Der Unterricht am MTC ist in vier Semester eingeteilt, die jeweils im September, Dezember, März und Juni beginnen. Zusätzlich gibt es einen Sommerkurs vom 1. Juli bis 24. August. Die Kurse werden von Montag bis Freitag zwei Stunden täglich abgehalten; Studiengebühren für ein zirka zwölfwöchiges Semester betragen 15 000 NT$ (938 DM). "Die meisten Studenten bleiben neun Monate hier, von September bis Ende Mai", berichtet die Direktorin. "Wenn die neuen Studenten kommen, geben wir ihnen einen individuellen Einstufungstest in Hörverständnis, Sprechen, Lesen und Schreiben." Der Lehrer entscheide dann, welcher der neun Kursstufen ein Schüler zugeteilt wird. Yeh erwähnt: "Die Auslandschinesen können sprechen, aber nicht lesen oder schreiben, darum werden sie zusammen eingeteilt", während beispielsweise Sinologiestudenten meistens schon eine Reihe von Schriftzeichen beherrschten, aber in Konversation schwach seien. Für die Dauer des Semesters werden die Schüler von einem Lehrer betreut. Neben dem Unterricht können die Schüler jederzeit das Sprachlabor für Hausaufgaben und zum Selbststudium nutzen. Auch der Computerraum steht ihnen zur freien Verfügung; es sind allerdings nur drei Übungsprogramme vorhanden.
Gabi Winkler ist bereits zum zweiten Mal auf Taiwan und am MTC der Shida. Die 28jährige hat in München Sinologie studiert, war während des Studiums von 1989 bis 1990 zu einem zehnmonatigen Sprachaufenthalt an der Shida und hat im Januar 1993 den Magisterabschluß in Deutschland gemacht. "Ich hätte gleich zwei Jahre bleiben sollen. Für mein Chinesisch wäre das günstiger gewesen", denkt sie an den ersten Aufenthalt zurück. "Ich bin herausgerissen worden, nachdem ich gerade anfing, sicherer zu werden. Aber ich dachte: 'Mach lieber schnell zu Hause deinen Magister fertig.'" Im Mai 1993 ist Gabi mit der Absicht zurückgekommen, für ein weiteres Jahr Chinesisch zu lernen, aber "auch mit der Überlegung, daß ich, wenn ich eine Arbeitsstelle finde, länger bleibe."
Wie gefällt ihr der Unterricht am MTC? "Was ich an der Shida gut finde, sind die kleinen Klassen. Keine Klasse hat mehr als fünf Schüler, und es passiert sehr oft, daß nur zwei oder drei Studenten zusammen sind", sagt sie, fügt jedoch an, daß die Möglichkeiten, den Unterricht selbst zu gestalten, für Anfänger nicht so groß seien. "Es gibt vorgeschriebene Bücher, und die mußt du machen, inklusive Tests alle vier oder sechs Lektionen. Da mußt du durch. Aber die Tests finde ich gut", betont sie, "denn du bist gezwungen zu lernen, weil unter den Studenten Wettbewerb besteht. Egal, wie entspannt der Unterricht auch eigentlich ist, wenn es zum Test kommt, dann findet es jeder peinlich, wenn er nur sechzig Prozent schafft statt neunzig wie der andere. Daher strengt sich jeder an."
Auf die Frage, ob der dreimonatige Unterricht bei nur einem Lehrer nicht zu einseitig sei, erklärt Gabi: "Wenn du mit deinem Lehrer zufrieden bist und dir die Methode, die er in seinem Unterricht verwendet, liegt, dann ist es angenehm. Du weißt, was dich jeden Tag erwartet, du kannst dich vorbereiten, und du mußt nicht unsicher oder nervös sein." Sie weist aber auch auf ein Problem hin, wenn sie sagt: "Es kann passieren, daß man auf Lehrer trifft, die zwar sehr viel wissen und sehr viel selbst erzählen, bei dem der Schüler aber keine Chance hat, selbst zu sprechen. Dann muß man eben versuchen, sich einen Ausgleich zu schaffen, indem man sich chinesische Freunde oder Sprachaustausch sucht, um Übung zu bekommen."
Gabi findet es nicht schwierig, Kontakt zu Chinesen zu finden und erklärt dazu: "Sehr viele chinesische Studenten suchen Sprachaustausch in Englisch, Französisch oder Deutsch", und würden Zettel im Unions-Gebäude aufhängen, um Ausländer zur Konversation in Chinesisch und einer Fremdsprache zu finden. "Durch diese Methode kann man schon Leute kennenlernen", sagt sie und fügt hinzu, daß man auch häufig in der Nähe der Shida auf der Straße von Chinesen angesprochen werde, die wissen wollten, wo man herkäme. "Manchmal ergibt sich dann eine Bekanntschaft." Unter den Schülern des MTC herrsche eine aufgeschlossene Atmosphäre, obwohl es viele Cliquen von beispielsweise Schülern gleicher Nationalität gebe. Gabis Freundeskreis, den sie hier gefunden hat, besteht unter anderem aus "Japanern, Dänen, Amerikanern. Es geht ohne Probleme, weil eine gemeinsame Grundlage da ist. Jeder will halt Chinesisch lernen. Alleine das ist ein unerschöpfliches Thema", erzählt sie. Über die Verständigung untereinander sagt die Sinologin: "Es heißt von der Schule, daß wir alle chinesisch miteinander sprechen sollen. Aber ich weigere mich einfach, mit einer Französin oder einer Engländerin chinesisch zu reden. Ich spreche dann lieber englisch, muß ich gestehen."
Was die Suche nach einer Bleibe anbelangt, hat Gabi viel Erfahrung. Sie hat vier Umzüge unternommen, ehe sie die jetzige Wohnung fand, die "meinen Vorstellungen am nächsten kommt." Dabei sagt sie nüchtern: "Die Wohnung ist katastrophal, uralt, das Parkett blättert ab, so daß ich ständig darüberfalle". Aber für sie sei Ruhe sowie die Atmosphäre zu Hause am wichtigsten, und mit ihren Mitbewohnerinnen - eine Chinesin und eine Deutsche - verstehe sie sich sehr gut. Bedenken wegen der Wohnungssuche hatte sie keine, als sie hierherkam. "Ich habe mir gedacht, für den Anfang finde ich immer etwas. Da war ich auch bereit, mehr zu zahlen." Ihre Vermutung hat sich bestätigt, aber als sie im Mai zum zweiten Mal nach Taipei kam, ist ihr ein Unterschied aufgefallen. "Vor drei Jahren waren 5000 NT$ (313 DM) für ein Zimmer in einer WG oder bei einer chinesischen Familie viel, aber heute ist das eigentlich unteres Preisniveau. Wenn jetzt eines für 4500 NT$ angeboten wird, dann fragt jeder gleich: 'Was ist denn da faul?'" Solche Zimmer hätten dann beispielsweise kein Fenster. "Heute sind 10 000 NT$ (625 DM) schon keine Seltenheit mehr", sagt sie über Zimmer in Shida-Nähe und ergänzt: "Je weiter du rausgehst, um so billiger wird es."
Jürgen Wiesmann ist fast um die ganze Welt gereist, aus hauptsächlich akademischen Gründen: von Münster nach Illinois, und dann an das renommierte Stanford-Center in Taipei. DerVolkswirtschaftler interessiert sich für chinesische Umweltpolitik - und darum paukt er zunächst einmal die Sprache.
Die Fu-Jen-Universität
Die katholische Fu-Jen-Universität liegt im Vorort Hsinchuang, rund zehn Kilometer vom Stadtzentrum Taipeis entfernt. Im Januar und Februar 1994 lag die Zahl der am Zentrum studierenden Ausländer bei 118, wie Stella Lai(賴淑真), Sekretärin des Sprachzentrums, sagt. Darunter befanden sich 24 Amerikaner, 17 Deutsche, zehn Indonesier, neun Studenten von den Philippinen, jeweils acht aus Japan und Korea, je sechs Italiener und Franzosen sowie weitere Studenten aus Australien, Pakistan, Indien, Thailand, Vietnam, Nigeria, Argentinien, Kanada, Belgien, Polen und Irland. Über die Motive der Chinesischlernenden weiß die Sekretärin: "Die meisten unserer Schüler sind Sinologen oder Studenten einer Chinesischabteilung. Und wir haben hier noch ein besonderes Phänomen, weil rund ein Drittel unserer Schüler katholische Priester und Nonnen sind." Ein geringer Teil der Studenten, hauptsächlich Koreaner, lerne aus geschäftlichen und beruflichen Gründen die Sprache.
Die von zwei Lehrern betreuten Kurse dauern zwei Monate, und die Gebühren richten sich nach der Form des jeweils zweistündigen Unterrichts, für die sich die Sprachschüler entscheiden: Einzelunterricht kostet 280 NT$ (17,50 DM) pro Stunde, eine Zweierklasse 165 NT$ (10,30 DM), eine Dreierklasse 145 NT$ (9.1 0 DM), eine Klasse mit vier oder mehr Schülern 120 NT$ (7,50 DM) und eine Stunde Sprachlabor-Unterricht 100 NT$ (6,25 DM). Anhand dieser Preise und der tatsächlichen Unterrichtstage wird die jeweilige Studiengebühr für einen zweimonatigen Kurs ermittelt. "Sie sind sehr fair hier", sagt die Tübinger Sinologiestudentin Ulrike Jakob, die seit November 1993 am Sprachzentrum eingeschrieben ist. "Man muß für keine Stunde zahlen, die nicht tatsächlich gegeben wird."
Lai berichtet, daß die meisten Studenten zehn Stunden Unterricht pro Woche nehmen, um die Bedingung für eine Visumsverlängerung zu erfüllen. "Neben dem Chinesischunterricht gibt es Extrakurse wie Kalligraphie und chinesische Malerei und außerdem Fernsehnachrichten. Damit haben wir kürzlich begonnen", beschreibt sie das Angebot. "Daneben haben wir noch Gebetskurse für Priester. Das ist ein besonderer Unterricht, weil unsere Universität eine katholische Einrichtung ist." Taiwanesisch wird auch angeboten, wozu Lai erklärt, daß es sich bei den daran Interessierten ebenfalls hauptsächlich um Priester und katholische Ordensschwestern handele, die diesen Dialekt für ihre missionarische Tätigkeit in Taiwans ländlichen Gebieten lernen müssen.
Zur Klasseneinteilung und Unterrichtsgestaltung sagt Lai: "Für den Unterricht teilen wir die Studenten entsprechend ihres Könnens ein, und dann können die Studenten mit ihren Lehrern über das Lehrbuch entscheiden. Das ist flexibler so." Ulrike erklärt, daß die meisten Studenten mit Chinesischkenntnissen zunächst mit dem zweiten Band des Lehrbuchs "Praktische chinesische Dialoge" beginnen, dessen Studium als eine Art allgemeine Grundlage dient. "Und dann kann man sich praktisch aussuchen, was man machen will. Wenn du spezielle Wünsche hast, kannst du die auch vorbringen. Gerade beim Einzelunterricht sind sie sehr flexibel."
Susanne Geiger nimmt seit September 1993 am Sprachzentrum der Fu-Jen-Universität Einzelunterricht und findet den Unterricht und die Lehrer prima. Die Atmosphäre sei ungezwungen, und "es besteht eine recht freundschaftliche Beziehung zu den Lehrern. Sie helfen einem auch, wenn man ein Restaurant sucht oder etwas über Taipei wissen will", erzählt die 24jährige Sinologiestudentin aus Trier. Sie betont aber gleichzeitig: "Ein gewisser Druck ist da. Man muß Hausaufgaben machen, und nach jedem zweimonatigen Semester findet eine Prüfung statt." Ihre Chinesischkenntnisse "sollten Fortschritte gemacht haben", sagt sie lachend.
Auch Daniela Küster, die im vergangenen August in Taiwan eintraf, ist vom Unterricht angetan. Sie hat bei zwei verschiedenen Lehrern zehn Stunden Chinesisch pro Woche in einer Zweier-Klasse. "Es ist sehr gut hier. Man merkt, daß es den Lehrern Spaß macht. Sie bemühen sich, einem etwas beizubringen." Obwohl Daniela zwei Jahre lang Sinologie in München studiert hat, habe sie bei ihrer Ankunft überhaupt nicht sprechen können. Das sei jetzt schon viel besser. Doch sie beeilt sich einzuwerfen: "Es ist natürlich noch nicht gut, aber jetzt verstehe ich wenigstens etwas. In Deutschland haben unsere Lehrer immer nur Deutsch mit uns gesprochen, aber meine beiden Lehrer hier sprechen sehr wenig Englisch im Unterricht."
Den deutschen Studentinnen, die alle über Kommilitonen in Deutschland von der Fu-Jen-Universität erfahren haben, gefällt der Aufenthalt offensichtlich. Daniela Küster meint: "Man hat viele Möglichkeiten, chinesische Studenten kennenzulernen, weil der Campus ein Gebiet für sich bildet und weil die Universität viele Kurse, wie T'ai-chi-ch'üan (Schattenboxen), Tennis und andere anbietet, wo man Chinesen trifft. Und auch im Wohnheim komme ich mit Chinesinnen zusammen." Neben ihrem Chinesischunterricht nimmt sie noch am Kalligraphiekurs des Zentrums teil und hat sich für 300 NT$ (18,75 DM) pro Unisemester einer Gruppe der Universität angeschlossen, die Schattenboxen betreibt. Die 22jährige betont: "Auf dem Campus ist es angenehm, weil man ein bißchen Grün um sich herum hat", während sie über die Stadt sagt: "Am schlimmsten finde ich die Luftverschmutzung. Weil ich in Deutschland auf dem Land wohne, war das für mich ein richtiger Schock."
Die Fu Jen ist die einzige Universität in Taipei, an der ausländische Sprachschüler im Wohnheim auf dem Campus wohnen können. Ein Aufenthalt im Doppelzimmer kostet hier nur 2000 NT$ (125 DM) pro Monat, doch Lai weist darauf hin, daß es meist nicht genügend Plätze gibt. Susanne Geiger teilt sich zusammen mit einer anderen Ausländerin ein Zimmer im Mädchenwohnheim der Fu-Jen-Universität. Das sei zwar billig, aber sie hat auch festgestellt: "Es ist ganz anders als in Deutschland. Es gibt keine Küche, keine Kochgelegenheit und nur ein Gemeinschaftsbad." Das sei etwas umständlich, und sie fügt hinzu: "Ich glaube, das kann man nur für eine begrenzte Zeit machen - im Wohnheim wohnen." Daniela ist auch im Wohnheim untergekommen, und auf die Frage, wie ihr das gefalle, verzieht sie grinsend das Gesicht und antwortet: "Es geht". Sie sei nicht daran gewöhnt, daß man um elf Uhr abends zu Hause sein muß, weil dann die Türen des Mädchenwohnheims verschlossen werden. Die 23jährige Ulrike Jakob fand mit Glück schon gleich am ersten Tag an der Fu-Jen-Universität ein Zimmer außerhalb des Campus. Sie ist kürzlich erneut umgezogen und lebt jetzt in einer Wohngemeinschaft mit zwei Ausländern, wo sie 3500 NT$ (219 DM) monatlich zahlt. "Ein Zimmer zu finden, ist überhaupt kein Problem hier", sagt sie aus eigener Erfahrung.
Und was würden die deutschen Schülerinnen des Fu-Jen-Sprachzentrums deutschen Studenten raten, die ein Studium in Taiwan in Erwägung ziehen? "Ein chinesisch-deutsches Wörterbuch mitbringen", fällt Daniela spontan ein. Sie erklärt, sie sei wohl auf das englischsprachige Lehrmaterial durch ihr Studium in München vorbereitet gewesen, nicht aber darauf, daß sie hier kein chinesisch-deutsches Wörterbuch finden kann. "Ich hätte mein mitgenommen, wenn ich das gewußt hätte", sagt sie nachdrücklich. Ulrike rät: "Warme Klamotten mitbringen. Man denkt, wenn man die Klimatabellen sieht, daß 15 Grad im Winter ziemlich warm sind." Aber wegen der Feuchtigkeit kämen einem 15 Grad Celsius in Taiwan viel kälter als in Deutschland vor.
Kerstin Pfeiffer sagt über das Tamkang-Institut: "Als ich dort angefangen habe, bin ich schon mit der Erwartung hingegangen, daß es kein origineller Unterricht sein wird. Aber jetzt bin ich wesentlich motivierter zu lernen, und ich weiß, daß ich selbst etwas tun muß, egal wie die Schule ist."
Nationale Chengchi-Universität
Auch die Nationale Chengchi-Universität, mit Kurzform Chengda, liegt außerhalb Taipeis, im südöstlich gelegenen Vorort Mucha. "Hier draußen ist die Luft besser als in Taipei", hebt Betty I. Pai(白蒂), Angestellte des Sprachzentrums der Chengchi-Universität, die vorteilhafte Lage am Fuße des Chihnan-Bergs hervor. Das Sprachzentrum ist in einem schon von weitem sichtbaren, roten Neubau untergebracht, und von hier oben hat man einen weiten Ausblick auf den Chingmei-Fluß und die gegenüberliegenden Hügel.
"1989, nach dem Tiananmen-Massaker in Peking, hat das Erziehungsministerium unsere Universität angehalten, Chinesischkurse für Ausländer einzuführen", erzählt Pai über die Anfänge des Sprachzentrums. Doch erst im August 1992, nachdem das bereits vorher bestehende Fremdsprachenzentrum in ein neues Gebäude umgezogen war, konnte man mit den Chinesischkursen beginnen. Pai berichtet, daß in jedem der Semester, welche jeweils in der zweiten September-, Dezember-, März- und Juni-Woche beginnen, durchschnittlich fünfzig Ausländer eingeschrieben sind, darunter hauptsächlich Koreaner. Der Unterricht wird in Gruppen von fünf bis sieben Schülern oder als Einzelunterricht abgehalten; die Gebühren liegen pro Stunde bei 110 NT$ (6,90 DM) für den Gruppen- und bei 400 NT$ (25 DM) für den Einzelunterricht. In den mittleren und fortgeschrittenen Stufen werden die Klassen von zwei Lehrern betreut, die sich tageweise abwechseln. Da das Zentrum derzeit nicht viele Schüler habe, finde nur vormittags Gruppenunterricht statt, erklärt Pai. Den Schülern stehen außerdem zwei Sprachlabors, wo sie selbst das Lehrmaterial begleitende Kassetten hören und auch Videos schauen können, sowie ein Aufenthalts- und Leseraum zur Verfügung. Einmal in jedem Semester organisiert das Sprachzentrum eine kulturelle Veranstaltung, wie einen Ausflug in das Nationale Palastmuseum in Taipei oder auf eine der in der Nähe von Mucha gelegenen Teeplantagen, das Basteln von chinesischen Laternen, chinesisches Makrameeknüpfen oder die Zubereitung von traditionellen chinesischen Speisen.
Daniela Efler studiert Biologie und Chemie in Ulm und ist mit einem Stipendium der Studienstiftung des Volkes mit Sitz in Bonn nach Taiwan an die Chengda gekommen. "Das ist extra ein Stipendium für Nicht-Sinologen, damit die auch einmal etwas von China mitkriegen", erläutert sie. Das Jahresstipendium umfasse sämtliche Studiengebühren, welche vom Erziehungsministerium der Republik China getragen werden, sowie eine finanzielle Unterstützung von zirka 750 DM pro Monat seitens der deutschen Stiftung. Sie hat zuvor schon zwei Jahre lang Chinesisch an der Uni in Ulm gelernt, aber da es sich nur um zwei Stunden wöchentlich handelte, sei ihr Sprechvermögen bei der Ankunft "unter aller Würde" gewesen. "Ich konnte nicht einmal sagen, wo ich hinwollte", denkt sie zurück.
Daniela ist im August 1993 in Taiwan eingetroffen, und sie ist begeistert. Nicht nur vom Unterricht am Sprachzentrum der Chengda, sondern auch von den Menschen, dem Leben, den hier gewonnenen Eindrücken und Erfahrungen – einfach allem. "Die Chinesen sind mir unwahrscheinlich sympatisch", sagt sie mit Überzeugung und erzählt davon, wie die zwei chinesischen Sitznachbarinnen im Flugzeug ihr bei der Ankunft geholfen hätten, die Universität zu finden. "Das erste, was ich erfahren habe, war die chinesische Hilfsbereitschaft", betont Daniela und fügt an: "Ich hatte hier nur gute Einstiege, und ich bin noch genauso begeistert wie am ersten Tag." Sie rät nach Taiwan kommenden Deutschen, offen und aufgeschlossen zu sein; damit habe sie die besten Erfahrungen gemacht und sehr nette, unerwartete Bekanntschaften geschlossen.
Die derzeit einzige deutsche Schülerin und außerdem erste Stipendiatin am Sprachzentrum hat pro Woche zehn Gruppen- und außerdem noch sechs Einzelstunden, in denen viel Wert auf das Sprechen gelegt werde. "Ich halte den Unterricht für ausgezeichnet", sagt Daniela. "Die Lehrer sind jung, und der Unterrichtsstil ist unheimlich lebendig." Die blonde Deutsche hebt besonders positiv die persönliche Atmosphäre am Sprachzentrum hervor. Die Lehrer und die Leiter würden die Schüler alle persönlich kennen, und bei Problemen könne man sich jederzeit hilfesuchend an die Leitung des Sprachzentrums wenden. Man werde nicht wie eine Nummer behandelt, wie sie es von anderen deutschen Studenten über die Situation an der Shida gehört habe, bemerkt sie.
Das Gemeinschaftliche Universitätsprogramm für chinesische Sprachstudien in Taipei
Ein besonders anspruchsvolles Angebot bietet das seit 1963 bestehende Gemeinschaftliche Universitätsprogramm für chinesische Sprachstudien in Taipei (The Inter-University Program For Chinese Language Studies In Taipei, IUP), ein akademisches Gemeinschaftsunternehmen der Vereinigten Staaten und Taiwans. Unter den Schülern des IUP sind die auf dem Gelände der Nationalen Taiwan-Universität in Taipei gelegenen Einrichtungen besser als Stanford-Center bekannt; das private Lehrprogramm wird nämlich von der US-amerikanischen Stanford-Universität in Kalifornien sowie einem aus zehn US-amerikanischen Universitäten und der Nationalen Taiwan-Universität bestehenden Vorstand verwaltet.
Das IUP bietet ein von September bis Juni dauerndes, aus drei Semestern bestehendes Studienjahr-Programm sowie einen achtwöchigen Sommerkurs von Anfang Juni bis Ende August an. Wer sich für eine der zwei Möglichkeiten bewerben will, benötigt nicht unbedingt die US-amerikanische Staatsbürgerschaft, sollte aber bereits über einen Universitätsabschluß verfügen, mindestens zwei Jahre Chinesischunterricht auf Hochschulniveau nachweisen können und ein fettes Sparschwein oder ein Stipendium haben. Die Studiengebühren betragen für ein zehnwöchiges Semester des Studienjahr-Programms 3000 US$ und für den achtwöchigen Sommerkurs 2500 US$; darin sind weder Unterbringung noch Lebenshaltungskosten eingeschlossen. Allerdings stellt IUP je nach finanzieller Lage des Bewerbers Studienbeihilfen zur Verfügung.
Das Studium am Stanford-Center in Taipei ist keine Erholung, sondern eine Vollzeitbeschäftigung: Die Schüler des Jahresprogramms haben von Montag bis Freitag täglich vier Stunden Kleingruppen- und Einzelkurse. Daneben "wird von ihnen erwartet, daß sie fünfzehn bis zwanzig Stunden pro Woche für die Unterrichtsvorbereitung aufwenden", heißt es in einer Informationsschrift. Jede Stunde wird von einem anderen Lehrer unterrichtet, und nach einem Semester werden die Lehrer gewechselt. Der Schwerpunkt des Unterrichts liegt auf dem korrekten Sprechen und der Ausdrucksfähigkeit; Unterrichtsinhalte umfassen Konversation, klassische und zeitgenössische Literatur, Radio- und Fernsehsendungen, Geschichte, Philosophie und klassisches Chinesisch. Das eingesetzte Lehrmaterial wurde größtenteils selbst vom IUP entwickelt.
Alle 36, im letzten Sommer am Stanford-Center eingetroffenen Schüler kommen von nordamerikanischen Universitäten - auch Jürgen Wiesmann. Den Deutschen hat es mit einem Volkswirtschafts-Diplom der Uni Münster in der Tasche im August 1991 nach Illinois, ins "Mutterland des Kapitalismus", gezogen. "Einerseits wollte ich noch nicht anfangen zu arbeiten, andererseits war ich der Meinung, daß ich noch nicht genug Ahnung von Volkswirtschaft hatte. Aber wenn du deinen Doktor in Deutschland machst, dann schreibst du von Anfang an nur noch an deiner Doktorarbeit. Sonst machst du gar nichts mehr. Das ist in Amerika sehr viel besser. Da hat man weitere zwei Jahre, in denen man lernt und auf den neuesten Stand der Theorien kommt. Das fand ich gut. Und dann war da auch der Reiz, ins Ausland zu gehen", erklärt der 29jährige.
Jürgens Pioniergeist hatte sich mit dem Schritt in die neue Welt noch nicht erschöpft. "Ich interessiere mich für chinesische Wirtschaft, vor allem für den Zusammenhang von Wirtschaft und Umweltpolitik. Das sind zwei sowohl in Taiwan als auch in Festlandchina ziemlich heiße Themen im Moment. Es werden viele Konferenzen veranstaltet, und das Bewußtsein der Wissenschaftler ist stark geweckt. Aber wenn man etwas über China machen will, lernt man am besten Chinesisch." Also kam er nach Taiwan, denn er hatte an der Universität von Illinois gehört, daß man am Stanford-Center die Sprache am schnellsten und intensivsten erlernen könnte. "Ich habe Glück gehabt", sagt er selbst, "denn ich habe ein Stipendium vom Sozialwissenschaftlichen Forschungsrat (Social Science Research Council) in Amerika bekommen, und die bezahlen das großzügigerweise", womit er sich auf die Studiengebühren und Lebenshaltungskosten bezieht.
Das Tagespensum der IUP-Schüler ist anstrengend, wie Jürgens Beschreibung illustriert: "Ich habe drei Klassen mit jeweils drei Studenten und eine Einzelklasse. Das macht also schon vier Stunden. Meistens hat man dann nochmal dieselbe Zeit an Vorbereitung. Da bleibt nicht mehr viel Zeit, und das ist auch der Punkt, wo es zum Nachteil wird, denn wir sind ja auch nach Taiwan gefahren, um mit der einheimischen Bevölkerung Kontakt aufnehmen zu können." Durch das Lernpensum sei dies fast unmöglich. Außerdem biete das Zentrum mit Schreibmaschinen, Computern, Zugang zu Fax-Geräten, einem schönen Aufenthaltsraum, Zeitungen und Zeitschriften eine Umgebung, wo man fast den ganzen Tag verbringen könne, was auch viele seiner Mitschüler täten.
Und wie gestalten sich die vier Stunden Chinesischunterricht pro Tag? Dazu Jürgen: "Die Besonderheit am Stanford-Center ist, daß man sich das Buch während des Unterrichts nicht anschauen darf. Es wird nur gesprochen und zu 99,9 Prozent nur Chinesisch. Es gibt keine Erklärungen in Englisch. Das sind die beiden grundlegenden Prinzipien." Er hat den Eindruck: "Der Unterricht ist eine Mischung aus traditionellem chinesischem Sprachunterricht und moderner Pädagogik." Anfangs habe der Lehrer vorgelesen und die Schüler nachgesprochen, wobei der Lehrer die Aussprache korrigiert habe. "Und der Text, der zu Hause gelesen worden ist, wird besprochen, wobei erwartet wird, daß man die Sätze möglichst so reproduzieren kann, wie man es auch gelesen hat. Das bedeutet oft auswendiglernen. Vielleicht nicht Wort für Wort, aber so ungefähr." Er fährt fort: "Im Unterricht wird nicht geschrieben, aber es gibt Hausaufgaben. Insbesondere muß man mit vorgegebenen Vokabeln oder grammatischen Strukturen Sätze bilden, oder wir müssen zu einem bestimmten Thema einen Aufsatz schreiben. Ab und zu muß man drei, vier Minuten lang eine Rede halten." Man darf ihm wohl glauben, wenn er über das Studium am Stanford-Center sagt: "Es ist eine ganze Menge Arbeit. Das ist nicht wie ein Bürojob, den man absitzt." Zum Vergleich fügt er an: "Es ist auf jeden Fall intensiver als das Studium in Deutschland."
Das Sprachinstitut Taipei, TLI
Das seit 38 Jahren bestehende Sprachinstitut Taipei, TLI hat drei Schulen in Taipei und weitere Filialen in Taichung und Kaohsiung, in denen es eine weite Auswahl von Fremdsprachenkursen für die chinesische Bevölkerung sowie Chinesischunterricht für Ausländer anbietet. Die Gebühren für den Unterricht, der sich soweit wie möglich nach Bedarf und Wunsch der Schüler richtet, liegen zwischen 80 NT$ (5 DM) pro Stunde in einer Klassse mit mehr als fünf Schülern und 330 NT$ (20, 60 DM) für Einzelunterricht. Das TLI arrangiert spezielle Kurse für Firmen, schickt seine Lehrer zu Chinesischstunden in die Unternehmen und bietet auch intensiven Unterricht in Taiwanesisch an.
Den Taiwan-Dialekt braucht Martin Wurster nicht mehr zu lernen, denn den spricht er fließend, nachdem er drei Jahre lang in Taichung gelebt, gelernt und gepredigt hat. Martin Wurster ist Missionar und von der Liebenzell-Mission 1987 nach Taiwan entsandt worden. Seit 1990 lebt er mit seiner Familie in Taipei, da er für den Aufbau einer Kirche im Taipeier Kreis Chungho eingeteilt worden ist. Vier Nachmittage in der Woche geht er zum TLI, um Mandarin-Chinesisch zu lernen, denn "in der Gemeinde, wo wir arbeiten, brauchen wir beides. Die Erwachsenenarbeit läuft ausschließlich auf Taiwanesisch ab und die Jugendarbeit in Mandarin-Chinesisch", erklärt er. Doch er ist kein blutiger Anfänger mehr. Er sagt: "Es ist für mich jetzt relativ einfach, Mandarin zu lernen, weil man schon eine Tonsprache gelernt hat. Drei von den vier Tönen im Mandarin kommen auch im Taiwanesischen vor", womit er sich auf die unterschiedlichen Tonhöhen bezieht, in denen die Schriftzeichen ausgesprochen werden.
Die Entscheidung für den Unterricht am TLI ist nicht von ihm, sondern von der Mission ausgegangen. Dabei hätte sowohl die für ihn günstige Lage als auch die Möglichkeit, auf seine besonderen Bedürfnisse abgestimmten Einzelunterricht zu nehmen, eine Rolle gespielt. Er ist zufrieden mit der Entscheidung, denn er findet: "Es gibt sehr gute Lehrer, die auf das Niveau des Studenten eingehen können", und das TLI eigene Lehrmaterial vermittle einen aktuellen, im Alltag einsetzbaren Wortschatz. Es kommt ihm entgegen, daß das TLI Erfahrung in Kursen für Missionare und spezielle Lehrbücher hat, und so sieht sein Stundenplan auch eine Unterrichtsstunde pro Woche über religiöses Vokabular vor.
Tamkang-Institut
Kerstin Pfeiffer (25), Sinologiestudentin in Freiburg, ist auf gut Glück zum Chinesischlernen nach Taiwan gekommen. Sie hatte sich nicht vorher beworben, sondern wollte sich vor Ort für einen Kurs anmelden. Auf Empfehlung eines Bekannten schrieb sie sich zunächst am Sprachzentrum der Chinesischen Kultur-Universität ein, wo sie den Unterricht aber so langweilig fand, daß sie nach eineinhalb Semestern aufgab. Außerdem sei sie mit den Unterlagen der Sprachschule nicht in der Lage gewesen, im Ausland ein neues Visum zu beantragen, erwähnt sie. Nun nimmt sie an einem Kurs der Tarnkang-Universität teil.
Die in Tamshui, zirka vierzig Kilometer nördlich von Taipei gelegene Tamkang-Universität unterhält ein Bildungszentrum in der Stadtmitte von Taipei. Neben einem öffentlichen Hallenbad sind dort die Abteilung für erweiterte Erziehung sowie die Abteilung für Internationale Studienprogramme untergebracht, unter deren Zuständigkeit die Chinesischkurse für Ausländer fallen. Jeden Monat beginnen neue zwölfwöchige Sprachkurse; die Studiengebühr beträgt 14 000 NT$ (875 DM). Laut Aussage von Joy M.H. Ku(顧敏華), Leiterin der Abteilung für Erweiterte Erziehung, gibt es derzeit rund zweihundert, hauptsächlich aus Korea und Japan kommende ausländische Studenten. Die Klassen bestehen aus durchschnittlich vier bis sechs Schülern, die jeweils von einem Lehrer für die Kursdauer von drei Monaten betreut werden.
In Kerstins Klasse gab es während des Semesters einen Lehrerwechsel, und Kerstin rekonstruiert die erste Stunde folgendermaßen: "Die neue Lehrerin kam herein, hat noch nicht einmal unsere Namen erfragt, wir mußten uns nicht vorstellen, sie hat ein bissel geredet, und dann ging es los: 'shang-k'o!' (der Unterricht beginnt), 'pa k'o-pen ta-k'ai!' (schlagt das Buch auf), 'sheng-tzu!' (die Vokabeln)." Der Unterricht halte sich immer eng an das Lehrbuch "Praktische chinesische Dialoge". "Manche Vokabeln bespricht die Lehrerin freier, dann müssen wir Sätze bilden, wir machen alle Übungen, die im Buch stehen, und in dem Rahmen hält es sich. Zusatzmaterialien, Konversationsübungen oder Kassetten gibt es nicht", beschreibt Kerstin die Lehrmethode. Enttäuscht ist sie nicht, denn: "Als ich dort angefangen habe, bin ich schon mit der Erwartung hingegangen, daß es kein origineller Unterricht sein wird. Aber jetzt bin ich wesentlich motivierter zu lernen, und ich weiß, daß ich selbst etwas tun muß, egal wie die Schule ist."
Mandarin Daily News
Das Sprachzentrum der in Taipei ansässigen Tageszeitung Mandarin Daily News bietet monatlich beginnende Kurse an, die vier Wochen dauern. Der Einzelunterricht kostet 300 NT$ (18,75 DM) pro Stunde, die Gebühren für eine Gruppenstunde liegen je nach Schülerzahl zwischen 110 NT$ (6,90 DM) und 160 NT$ (10DM). Die Anmeldung für den Unterricht kann jeweils vom 20. bis 25. des vorhergehenden Monats im Sprachzentrum erfolgen.
Unter den im Februar eingeschriebenen 280 Sprachschülern gab es einen Deutschen: Mark Buecker hat gerade seinen zweiten Unterrichtstag hinter sich. Der 29jährige arbeitet als Tonmeister bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft in Hannover und ist Ende Januar nach Taiwan gekommen, um für vier bis sechs Wochen Chinesisch zu lernen. Das tut er aus Interesse an China und seiner Freundin zuliebe, die aus Taiwan stammt und in Deutschland studiert. Zudem sagt er: "Mich interessieren Sprachen sehr, und ich habe auch immer, wenn ich irgendwo Urlaub gemacht habe, versucht, die Sprache zumindest ein bißchen zu lernen." Außerdem will sich Mark in Taipei nach Arbeitsmöglichkeiten umhören, denn "wir planen, möglicherweise nach Taiwan zu gehen, wenn meine Freundin mit dem Studium fertig ist."
Mark erzählt über den Unterricht: "Ich konnte vorher schon ein paar Worte, da ich für mich selbst gelernt habe, aber da kommt man alleine nicht weiter. Ich finde es gut, daß man wie die chinesischen Kinder anfängt, also mit bo-po-mo-fo. Das ist zwar neu, aber so schwer ist es nicht." Es sei beim Erlernen der Aussprache sehr hilfreich. Er hat zwei Stunden Gruppenunterricht pro Tag, "und in der ersten Stunde wird nur gesprochen. Die Lehrer sprechen fast nur chinesisch und nur ganz wenige Worte in englisch als Hinweis, was es denn heißen könnte. Aber hauptsächlich wird es in chinesisch gemacht. Man kommt trotzdem ganz gut mit. In der zweiten Stunde wird dann geschrieben. In den ersten zwei Wochen erstmal die bo-po-mo-fo-Symbole und danach dann richtige Schriftzeichen", erzählt er. Er hebt hervor, daß der Unterricht von zwei Lehrerinnen gegeben wird, die sich ein über den anderen Tag abwechseln. Das findet er positiv, denn "von der Aussprache her ist es unterschiedlich, und man kann erkennen, worauf es ankommt." Die Atmosphäre sei sehr freundlich und offen, und die Lehrer könnten aufgrund der niedrigen Schülerzahl auf den Einzelnen eingehen. Den ersten Test - "der Lehrer sagt etwas und wir müssen es in bo-po-mo-fo aufschreiben" - hat er auch schon hinter sich.
Das Sprachkurs- und Testzentrum LTTC
Das Sprachkurs- und Testzentrum (Language Training and Testing Center, LTTC) ist eine eingetragene Kultur- und Erziehungsstiftung, die sich auf Fremdsprachenunterricht und -prüfungen für Angestellte der Regierung, privater Firmen sowie Privatpersonen spezialisiert hat. Seit Sommer 1992 veranstaltet das auf dem Campus der Nationalen Taiwan-Universität, im gleichen Gebäude wie das Stanford-Center angesiedelte LTTC auch Chinesischunterricht für Ausländer. Was anfangs als Angebot für die ausländischen Lehrer des LTTC bestimmt war, um ihnen das Leben und die Arbeit in Taiwan zu erleichtern, entwickelte sich zum Kursangebot für alle Interessierten mit dem Ziel "die interkulturelle Verständigung zu fördern", wie Rose Y. K. Hung(洪月貴), vorläufige Leiterin des LTTC, bemerkt. Die Schüler können zwischen einer Klasse mit maximal sechs Teilnehmern zu 4800 NT$ (300 DM) pro Monat und einer Zweierklasse zu 7200 NT$ (450 DM) wählen. Der Unterricht beschränkt sich auf Band eins und zwei des Lehrbuchs "Praktische chinesische Dialoge". In jeweils vierwöchigen Kursen können blutige Anfänger innerhalb von sieben Monaten die beiden Bücher durcharbeiten und sich dadurch hilfreiche Grundkenntnisse aneignen. Die Leiterin bezeichnet den Chinesischunterricht als eine Art Hilfsprogramm und sagt: "Unser Ziel ist es, daß die Schüler sich verständigen und auch ein bißchen lesen können. Wir haben derzeit keine Kurse für Fortgeschrittene, aber wir hoffen, daß wir in Zukunft solche anbieten können." Dann könnte das LTTC auch möglicherweise vom Erziehungsministerium anerkannt werden.
Eine der achtzehn im Februar für die Chinesischkurse eingeschriebenen Schüler und Schülerinnen ist Heidi Ettischer. Die 32jährige ist nicht als Studentin, sondern als Ehefrau nach Taiwan gekommen, da ihr Mann seit einem Jahr für eine deutsche Rückversicherungsgesellschaft in Taipei arbeitet. Sie ist Wirtschaftsingenieurin und hat zuvor in Deutschland bei einem Verlag gearbeitet. "Für mich war es nicht einfach, meinen Job aufzugeben", sagt sie. Vor der Versetzung ihres Mannes habe sie sich nicht für Chinesisch interessiert, und sie gesteht: "Der Schock war groß, als ich gehört habe, daß wir nach China gehen." Seit vier Monaten nimmt sie an den Sprachkursen des LTTC teil, und als Hauptgrund dafür führt sie an: "Ich war vorher in Deutschland ziemlich engagiert und habe alles von heute auf morgen aufgegeben. Ich möchte hier etwas Qualifiziertes machen. Man muß dazu sagen, daß wir zwischen drei und sechs Jahren hierbleiben. Das ist eine lange Zeit, und ich möchte nicht sechs Jahre hier leben, ohne Chinesisch zu können." Anfangs habe sie sich wie eine Analphabetin gefühlt, und deswegen sei es ihr auch wichtig, Lesen und Schreiben zu lernen. Die vier Monate Chinesischunterricht haben ihr schon sehr geholfen, unter anderem bei alltäglichen Problemen wie dem Entziffern der chinesischen Straßenschilder.
Auf der Suche nach einer Sprachschule hat Heidi Ettischer sich verschiedene Institute angeschaut, darunter das der Shida und der Mandarin Daily News sowie die TLI-Filiale in Tienmou. "Das LTTC hat den besten Eindruck auf mich gemacht", sagt sie, während bei den anderen Instituten, "ganz besonders der Shida", die Angestellten relativ unfreundlich und nicht sehr auskunftswillig gewesen seien. Im Vergleich zu den dreimonatigen Sprachkursen finde sie die vierwöchigen Kurse des LTTC für sich günstiger, da sie dadurch nicht so langfristig gebunden sei.
Zum Unterricht am LTTC erzählt die Deutsche, daß mit Beginn eines neuen Kurses der Lehrer gewechselt werde, damit sich die Schüler nicht zu sehr an eine Person und Aussprache gewöhnten. Deswegen hat Heidi schon eine Reihe verschiedener Lehrerinnen erlebt, darunter solche, die sich eng an das Lehrbuch halten, und solche, die viele Zusatzmaterialien in den Unterricht einfließen lassen. Auffallend bei allen sei: "Sie sind sehr enthusiastisch und sie verstehen es, einen zu motivieren." Ihr Problem nach vier Monaten sieht sie im Sprechen: "Ich kann immer noch nicht richtig reden. Das kommt im Unterricht einfach zu kurz." Zwar würden die Lehrer keine Monologe halten, doch sechs Schüler in einem Kurs seien vielleicht schon zu viele. Raschere Fortschritte könnten sich nach der von Heidi erwähnten, bevorstehenden Klassenteilung ergeben. Daß das Chinesischlernen kein Freizeitvergnügen ist, dem man sporadisch nachgehen kann, hat die Deutsche selbst feststellen müssen. "Es ist ein ziemlicher Aufwand", bemerkt sie. "Vor allem muß man unheimlich viel selbst lernen." Dafür wendet sie neben dem Unterricht rund zwei Stunden täglich auf. Ihre jetzige, aus sechs Schülern bestehende Klasse stellt sie als sehr lernmotiviert dar, wodurch jeder mitgezogen werde. Vor Prüfungen oder Tests könne es passieren, daß sie den ganzen Nachmittag pauke. "Aber ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, wie man das Schreiben lernen kann. Ich würde den Stoff nie im Leben so intensiv üben, wenn ich nicht wüßte, da kommt eine Prüfung. Und man muß einigermaßen vorbereitet sein, sonst bringt einem der ganze Unterricht nichts", weiß die entschlossene Deutsche, die über sich selbst sagt: "Wenn ich etwas mache, will ich es richtig machen."
Der Lichtblick
Wie die Darstellungen der verschiedenen Einrichtungen und die Aussagen der Deutschen zeigen, kann man die chinesische Sprache lernen. Es erfordert allerdings Zeit, Mühe und nicht zuletzt Geld. Besonders in Taipei sind die Studiengebühren und Lebenshaltungskosten nicht billig; da könnte eine finanzielle Unterstützung sehr gelegen kommen. Tatsächlich vergibt das Erziehungsministerium der Republik China Beihilfen in Höhe von monatlich 8000 NT$ (500 DM) für eine maximale Dauer von sechs Monaten an Ausländer, die bereits mindestens drei Monate an den anerkannten Lehrinstituten Chinesischunterricht nehmen, gute Leistungen und regelmäßige Anwesenheit nachweisen können. Daneben gibt es noch andere Arten von Stipendien der Republik China, für die man sich im Ausland bewerben kann; Auskünfte darüber erteilen die Repräsentationsbüros der Republik China im Ausland.