25.04.2025

Taiwan Today

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Der Beitritt gehört auf die Tagesordnung

01.09.1995
Der Rechtsanwalt Ortwin Lowack ist seit 1988 Präsident der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft e. V. Bonn. Als langjähriges Mitglied des Deutschen Bundestages von 1980 bis 1994 gehörte er zu den profiliertesten Außenpolitikern des Parlaments, der in zahlreichen Reden und Veröffentlichungen vehement für ein Umdenken in der deutschen Chinapolitik eintrat. 1989 baute er den Parlamentarischen Freundeskreis Bonn-Taipei zu einer der größten parlamentarischen Gruppen des Deutschen Bundestages aus. Seit 1994 ist er auch Präsident des Europäischen Chapter der Weltliga für Frieden und Demokratie. Für Freies China hat Ortwin Lowack den folgenden Beitrag verfaßt:

"Wir vertrauen, mit dem Glauben an die Zukunft und mit dem Geist der Zusammenarbeit, der uns hier zusammengeführt hat, daß andauernder Frieden und Wohlstand das Geschenk dieser neuen Organisation für die ganze Welt sein werden", waren die Worte des Vorsitzenden der chinesischen Delegation bei der Schlußkonferenz zur Gründung der Vereinten Nationen in San Francisco am 26. Juni 1945. Natürlich war dies keine kommunistische Delegation, sondern die der Republik China, mit der Chiang Kai-shek den Anspruch der Republik China, zu den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu gehören, bekräftigt hatte. Die Leistung der chinesischen Delegation war nicht nur, China in die Gruppe der Weltmächte zu führen und damit einen der größten außenpolitischen Erfolge in der Geschichte Chinas zu verbuchen (was ein kommunistisches Regime in Peking mit Sicherheit nicht geschafft hätte). Vielmehr waren die speziellen Beiträge der Republik China bei der Konferenz, wie auch zuvor, bemerkenswert: Die Republik China verlangte ein System der Gerechtigkeit und des Völkerrechts, das eines Tages die Entscheidungen der Mitgliedsländer sogar justitiabel machen könnte. Daneben spielte die kulturelle Zusammenarbeit und der enge Austausch bei Fragen der Erziehung eine entscheidende Rolle.

Die Republik China hatte damit die Punkte angesprochen, die, wären sie in Zukunft beachtet worden, die Vereinten Nationen tatsächlich zu der friedenstiftenden und wohlstandvorbereitenden Weltorganisation hätten machen können, die sich so viele Menschen in allen Teilen der Welt gewünscht hatten und die heute so dringend notwendig wäre. Über Jahrzehnte hat die mangelnde Justitiabilität oder Sanktionierung völkerrechtswidriger Entscheidungen von Mitgliedsländern zu Zynismus im Umgang mit den Prinzipien der Vereinten Nationen und Resignation bei denen geführt, die Vertrauen und Hoffnung in die Arbeit der Weltorganisation gesetzt hatten. Besonders der kommunistische Block hatte es hervorragend verstanden, die Vereinten Nationen oft als eigene Tarnorganisation erscheinen zu lassen.

Wer sich heute die Rolle der Republik China bei der Gründung der Vereinten Nationen vor Augen führt und die kluge chinesische Politik dieser Zeit erstaunt zur Kenntnis nimmt, kann sich nur noch über die Hartnäckigkeit wundern, mit der die UNO den Beitrittswillen der Republik China heute brüskiert. Dies weckt den Vedacht, daß die Vereinten Nationen weniger eine Rechts- als eine Machtgemeinschaft sein wollen, d.h., daß die viel beschworene Gerechtigkeit dort ihre Grenzen findet, wo die Vereinten Nationen als Instrument politischer Macht mißbraucht werden, z.B. am Alleinvertretungsanspruch der Volksrepublik China.

Haben wir die furchtbaren Ereignisse am Tienanmen-Platz vor sechs Jahren schon wieder vergessen? Haben wir vergessen, daß die Volksrepublik China eines der letzten Länder auf der Erde ist, in dem nach der Verfassung die Herrschaft einer Partei, der kommunistischen, festgeschrieben ist und jeder Widerstand mit aller Brutalität gebrochen wird? Dieses Regime, das aus Gründen politischer Opportunität den ständigen Sitz im Sicherheitsrat anstelle der Republik China erhielt, tritt täglich die Prinzipien der Vereinten Nationen mit Füßen und verachtet die Menschenrechte mit einem Zynismus und einer Brutalität, die weltweites Entsetzen wecken müßte. Zugleich soll es aber Hüterin der Menschenrechte und des Völkerrechts weltweit sein! Welches Paradoxon, welche Ignoranz und grenzenlose Dummheit! Schon zeigt sich, wohin die Hoffnung der Volksrepublik China durch die Weltgemeinschaft führt: Mit einem ungeheuren Aufrüstungsprogramm macht sich die Volksrepublik zur maritimen Großmacht in Fernost und bedroht die Interessenssphären der Anreiner, bedroht zunehmend das freiheitliche und demokratische System, das sich die Republik China auf Taiwan in mühsamer Arbeit aufgebaut und beispielhaft eingerichtet hat.

Es wird höchste Zeit, daß die mächtigen Industriestaaten der Erde endlich umdenken lernen. Gegen die täglichen Erpressungen aus Peking kann es nur eine Antwort geben: Zusammenarbeit und Koordination in der Chinapolitik, die vor allem die Politik der Republik China auf Taiwan unterstützt und dem Regime in Peking seine Grenzen aufzeigt. Dazu gehört die faire Behandlung des Dalai Lama genauso wie eine korrekte Behandlung des Präsidenten der Republik China auf Taiwan, Lee Teng-hui. Es muß endlich Schluß sein mit den ständigen Diffamierungen und Brüskierungen von Gästen aus Taiwan. Es muß endlich Schluß sein mit dem lächerlichen Versteckspielen, wenn es um die Bekenntnisse zur Freiheit und Demokratie in Fernost geht.

Die Rolle der deutschen Politik ist hier von einer merkwürdigen Haltung gegenüber Peking gekennzeichnet. Dies nimmt um so mehr Wunder, als Deutschland bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Oktober 1972 zur Volksrepublik keineswegs die Exklusivität dieser Beziehungen vereinbart hatte. Deutschland ist also völkerrechtlich frei, auch die Republik China auf Taiwan diplomatisch anzuerkennen. Sollte dies aus kurzsichtig machtpolitischen Gesichtspunkten unakzeptabel erscheinen, müßte sich die Bundesregierung zumindest dazu durchringen, Starrheit und Phlegma zu überwinden und den Wunsch der Republik China auf Taiwan zu unterstützen, Mitglied der Vereinten Nationen zu werden. Natürlich könnte auch dieser Schritt vorbereitet und die Koordinierung mit den G7-Staaten und anderen gesucht werden. In jedem Fall käme wieder jene Glaubwürdigkeit in die deutsche Politik, wie sie unser Grundgesetz und die Einbettung unserer Politik in die Normen des Völkerrechts vorsieht. Wir haben nicht diejenigen zu unterstützen, die das Völkerrecht täglich brechen, sondern diejenigen, die sich daran orientieren. Wann endlich wird sich die deutsche Politik aus Popanzdenken und kleinlichem Machtkalkül befreien? Die Zukunft gehört nicht diktatorischen Regimen. Sie gehört der Freiheit. Sie gehört der Gemeinschaft freiheitlich denkender demokratischer Staaten. Der Beitrag Chinas zur Weltpolitik darf nicht nur der eines kommunistischen Regimes sein. Der Beitrag Chinas muß von dem chinesischen Staat kommen, der Tradition und Kultur und chinesische Weisheit pflegt, wie kein anderes Land: Die Republik China auf Taiwan.

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