10.05.2025

Taiwan Today

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Starthilfe für die Wirtschaft

01.07.1995
Der Hafen von Kaohsiung ist bereits der drittgrößte Containerhafen der Welt. Sein Ausbau und die Einrichtung von "offshore"-Umschlags­zentren, die den direkten Verkehr ausländischer Schiffe über die Tai­wanstraße zulassen würde, sollen Taiwan in Asien zu einem Knoten­punkt für die Frachtschiffahrt machen.
Wirtschaftsstrategen haben ihren Blick bereits auf das 21. Jarhundert gerichtet, und sie wollen die starke Konkurrenzfähigkeit Taiwans in Asien aufrechterhalten. Die Verwandlung der Insel in ein regionales Wirtschaftszentrum ist eine Methode, die der stagnierenden Wirtschaft auf die Sprünge helfen soll.

Wie kann sich ein Land, das über sechs aufeinanderfolgende Jahre hinweg ein jährliches Wachstum von mehr als sechs Prozent verzeichnen konnte, über ein Stagnieren einer Wirtschaft Sorgen machen? Obwohl der Handel durch die weltweite Rezession der letzten Jahre nur unwesentlich geschwächt worden ist, sind Taiwans Politiker um das langfristige wirtschaftliche Wohlergehen der Insel besorgt. Der Grund dafür ist, daß die heimischen Hersteller Projekte auf der Insel umgehen und dafür immense Investitionen im Ausland tätigen; die Modernisierung der Industrie erfolgt langsamer als erwartet, und der Anteil der verarbeitenden Industrie an der Gesamtwirtschaft ist stark im Abnehmen begriffen. Überdies erzielen andere neu industrialisierte Staaten der Region, darunter Singapur, Südkorea und Malaysia, höhere Wachstumsraten und sind eifrig dabei, ihre Infrastruktur aufzubauen. Der regionale Wettbewerb wird von Tag zu Tag härter.

Regierungsmitglieder der Republik China sind der Meinung, daß die Entwicklung der Insel zu einem Wirtschaftszentrum eine Methode ist, mit der die wirtschaftliche Modernisierung angeregt und Taiwans Wettbewerbsfähigkeit Auftrieb gegeben werden kann. Der Exekutiv-Yüan (das Kabinett) hat am 1. Januar 1995 nach mühseligen Entwürfen und Diskussionen offiziell den Plan zum Aufbau Taiwans zu einem regionalen Wirtschaftszentrum im asiatisch-pazifischen Raum (Plan für Developing Taiwan as an Asia-Pacific Regional Operations Center, im folgenden "APROC-Plan" genannt) verabschiedet. Der Zweck dieses Plans besteht darin, sicherzustellen, daß Taiwan im kontinuierlichen Wandlungsprozeß der asiatischen Wirtschaft im 21. Jahrhundert eine zentrale Rolle spielt.

Das konkrete Ziel lautet, die Insel sowohl zu einer Basis für inländische Unternehmen als auch gleichzeitig zu einem Tor für nordamerikanische und europäische Staaten zu machen, welche die asiatischen Märkte ansteuern, besonders jene in Südostasien und Festlandchina. Darüber hinaus erwartet man, daß der Plan zu einer Beschleunigung der wirtschaftlichen Liberalisierung Taiwans beiträgt, indem er mehr Aufmerksamkeit auf jene Gesetze und Bestimmungen lenkt, die den Fluß von Kapital, Gütern, Personen und Informationen von und nach Taiwan einschränken. Die Planer glauben, daß liberalisierte Gesetze in Kombination mit der strategisch ausgezeichneten Lage Taiwan als regionales Zentrum sogar noch attraktiver machen werden.

Der Entwicklungsplan umfaßt die Einrichtung von sechs Operationszentren in den Bereichen Verarbeitung, Seetransport, Luftverkehr, Finanzwesen, Telekommunikation und Medien. Jeder dieser Bereiche wird eine ausführliche, detaillierte Planung und Vorbereitung erfordern, die für eine Entwicklung in drei Phasen ausgelegt ist:

1. Von 1995 bis 1997 soll laut Plan eine Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur und der Aufbau kleinerer Operationszentren in allen Bereichen erfolgen. Indem man klein anfängt, kann man die Durchführbarkeit der Zentren testen und Schlüsse daraus ziehen, die Zeit, Geld und Mühen während der anschließenden Erweiterung der Zentren sparen sollen.

2. Von 1997 bis zum Jahr 2000 sieht der Plan vor, auf der Grundlage der Erfahrungen, die man mittels der zuvor durchgeführten Operationen in kleinem Rahmen gewonnen hat, eine Anpassung und Feinabstimmung vorzunehmen, um die Bereiche auszumachen, deren wirtschaftliche und rechtliche Infrastruktur noch einer Stärkung bedarf. Dies wird ein notwendiger Schritt sein, bevor die sechs Zentren erweitert werden können.

3. Für die dritte Phase ab dem Jahr 2000 gehen die Planer davon aus, daß Taiwans Status als regionale Wirtschaftszentrum bis dahin bereits anerkannt sein wird. Das Hauptgewicht wird dann darauf liegen, den Ruf der Insel für Leistungen von hoher Qualität und wirtschaftliche Stärke zu festigen.

Obwohl angenommen wird, daß sich die Zentren in den Bereichen Finanzwesen, Telekommunikation und Luftverkehr während des nächsten Jahrzehnts beträchtlich entwickeln werden, erwarten die Politiker, daß die Zentren für Herstellung, Seetransport und Medien die schnellsten Ergebnisse hervorbringen werden.

Premierminister Lien Chan hat die enorme Wichtigkeit der ersten Planphase hervorgehoben. Lien selbst ist der Leiter einer Sondergruppe, die sich um die Förderung des Plans kümmert, um seine Durchführung zu beschleunigen und in den entsprechenden Ministerien und Abteilungen bürokratischen Enthusiasmus anzufachen. Die heimische und internationale Geschäftswelt wird von einem Büro für besondere Investitionen Hilfe erhalten, das vom Wirtschaftsministerium und von einer besonderen Abteilung des Rats für wirtschaftliche Planung und Entwicklung ins Leben gerufen worden ist. Dieses Büro existiert bereits.

Anfang März hat der Rat für wirtschaftliche Planung und Entwicklung in einem kürzlich fertiggestellten Gebäude in der Sungchiang-Straße in Taipei sein Koordinations- und Servicebüro für das regionale Wirtschaftszentrum im asiatisch-pazifischen Raum, das sogenannte "APROC-Fenster", eröffnet. Dieses Büro wird der Geschäftswelt zur Verfügung stehen und außerdem die Bemühungen der Ministerien und Regierungsabteilungen, die mit der Verwirklichung des Plans betraut sind, koordinieren. Das Büro wird besonders bei speziellen Projekten eine Hilfe zur Verfügung stellen und bei der Organisation von Werbedelegationen, die Investitionen nach Taiwan locken sollen, zur Seite stehen. Außerdem wird es den juristischen Rahmen überprüfen, der für die Operationszentren benötigt wird. Im übrigen ist das Büro für die Veröffentlichung des Plans und die Überwachung seiner Fortschritte verantwortlich.

Es wird erwartet, daß das APROC-Fenster bei der Vereinfachung der Bürokratie für die Investoren hilft, indem es verschiedene Dienstleistungen der Regierung unter einem Dach vereint. Es kann mit einem großen Einkaufszentrum verglichen werden, in dem man an ein und demselben Ort alles auf einmal bekommt, so daß die Anzahl der verschiedenen Behördengänge, die Investoren, Geschäftsleute und andere erledigen müssen, reduziert wird. Ebenso soll ein Beratungsservice für die Investoren angeboten werden.

Die Regierung möchte Taiwan zu einer "Insel der Wissenschaft und Technologie" machen, was die Einrichtung einer Reihe von Industrieparks einschließt. Unser Foto zeigt die Mikrochip-Produktion im Hsinchu-Wissenschaftspark in der Nähe von Taipei.

Der APROC-Plan ist mit einer umfassenden institutionellen Reform verbunden, die den Erlaß oder die Änderung von ungefähr vierzig Gesetzen und mehr als einhundert Verordnungen mit sich bringt. Von einer derartigen Feinabstimmung erhofft man sich eine Anregung zu weiterer wirtschaftlicher Internationalisierung und Liberalisierung. Der Premierminister hat bereits den Rat für wirtschaftliche Planung und Entwicklung angewiesen, dem Legislativ-Yüan die Mehrzahl der empfohlenen Gesetzesänderungen in einem Sammelgesetz vorzulegen. Ein Großteil dieser Änderungen ist auch in Hinblick auf den Aufnahmeantrag in die WTO (World Trade Organization, vormals GATT) notwendig. Besonders komplizierte Reformvorschläge werden einzeln vorgelegt werden. Abgeordnete des Exekutiv-Yüans hoffen, daß die Legislative die Gesetzesänderungen bis zum Ende dieses Jahres verabschieden wird.

Als einen weiteren positiven Nebeneffekt des Plans erwartet man eine beschleunigte Liberalisierung der Wirtschafts- und Handelspolitik gegenüber dem Festland. Der Premierminister hat bereits zum Ausdruck gebracht, daß diese Politik einen direkten Einfluß auf den Erfolg des Plans haben wird. Einer der wichtigsten Schritte, geplant für Mitte nächsten Jahres, wird die Einrichtung von sogenannten "offshore" [d.h. offiziell vor der Küste Taiwans gelegenen] Umschlagszentren zwischen Taiwans fünf internationalen Seehäfen und festlandchinesischen Häfen. Dies würde unter ausländischer Flagge fahrenden Containerschiffen direkte Fahrten über die Taiwanstraße ermöglichen.

Die Regierung behauptet, daß unter diesen Umständen ihre Politik, keine direkten Kontakte mit dem Festland zu pflegen, aufrechterhalten werde, da es weder Personen noch Gütern, die von den Schiffen befördert werden, erlaubt sein werde, den Zoll der Republik China zu passieren und die Insel zu betreten. Dies bedeutet, daß die Schiffe nur Umschlagsfracht aus ausländischen Staaten über Taiwan zum Festland und umgekehrt transportieren dürfen. Unter der Flagge der Republik China fahrenden Schiffen würde es nicht gestattet sein, die direkte Route über die Taiwanstraße zu nehmen. Politiker betonen, daß die Idee eines solchen "offshore"-Umschlagszentrums ein Versuchsballon ist. Weitere Liberalisierungsmaßnahmen werden von der Antwort Pekings auf dieses Arrangement abhängig sein.

Der APROC-Plan enthält ebenfalls grundlegende Anpassungsregelungen für Taiwans Makroökonomie. Er fordert eine Beschleunigung der Liberalisierung von Handel und Investitionen, einschließlich Zolltarifkonzessionen und Maßnahmen zur Marktöffnung, die mit dem WTO-Aufnahmegesuch in Verbindung stehen. Weitere Schritte beinhalten die Vereinfachung von ausländischen Investitionen und der Überprüfungsverfahren für dieselben. Ebenso soll die Höchstgrenze für Geschäftsbeteiligungen zugunsten von Firmen angehoben werden, die in bestimmte Industriezweige investieren. Zusätzliche Punkte sind:

• Eine Erleichterung der Ein- und Ausreise für ausländisches Personal; indem man es multinationalen Firmen gestattet, Mitarbeiter nach Taiwan zu bringen, und inländische Unternehmen so viele ausländische Fachleute und Techniker wie nötig einstellen können.

• Die Lockerung von Bestimmun­gen für den Kapitalzu- und -abfluß, indem man inländischen Unternehmen erlaubt, im Ausland erwirtschaftetes Kapital auf die Insel zu transferieren.

• Eine Anhebung der Höchstgrenze für jährliche Überweisungen ausländischer Währung von oder nach Taiwan durch einheimische Privatpersonen oder Firmen.

• Eine Überholung der Telekommunikationsgesetze, um das Wachstum einer auf Informationsaustausch basierenden Gesellschaft anzuregen.

Der Plan gibt eine Anzahl allgemeiner politischer Richtlinien vor. Im Herstellungsbereich beabsichtigt die Regierung, den Ruf Taiwans als ein Zuhause der High-Tech-Industrie zu festigen. Taiwan soll Singapur bei der Verwandlung in eine "Insel der Wissenschaft und Technologie" in nichts nachstehen, was eine Reihe von spezialisierten, "intelligenten" Industrieparks einschließt. Von der Privatwirtschaft wird erwartet, daß sie zu der Verwirklichung dieses Ziels beiträgt. Internationale Firmen sollen beispielsweise dazu ermutigt werden, Zweigwerke zu errichten, um so heimischen Unternehmen die Möglichkeit zu geben, mit ihnen strategisch wichtige Geschäftsverbindungen zu knüpfen.

Im Frachtschiffahrtsbereich ist das Ziel der Ausbau des bereits für seine Leistungsfähigkeit bekannten Hafens von Kaohsiung zu einem Containerhafen der Weltklasse, indem man seine Umschlagskapazität steigert, um den ostasiatischen Raum noch effizienter bedienen zu können.

Das Luftverkehrszentrum ist als Knotenpunkt für den Güter- und Personentransport zwischen Ostasien und Nordamerika vorgesehen. Der Erfolg dieses Projekts hängt vor allem davon ab, ob innerhalb kurzer Zeit ein Expreßpaket-Verladezentrum im internationalen Chiang-Kai-shek-Flughafen eingerichtet werden kann. Ein Langzeitprojekt ist die Umgestaltung des Flughafens in eine regionale "Luftfahrtstadt". Hier kommt es vor allem darauf an, inwieweit die Beziehungen zwischen den beiden Seiten der Taiwanstraße verbessert werden können und daß der Ausbau des Flughafens rechtzeitig erfolgt. Visumsbestimmungen und die Zollabfertigung sollen ebenso an die Bedürfnisse von Geschäftsleuten und Touristen angepaßt werden. Der Bau eines zweiten internationalen Flughafens im Süden Taiwans existiert bereits auf dem Reißbrett.

Der Ausbau Taiwans zu einem Finanzzentrum ist ein langfristiges Ziel, und der APROC-Plan soll bei der Überwindung der Hindernisse helfen, die ein Voranschreiten in diesem Bereich bisher blockiert haben. Der Regierung geht es darum, Taiwan zu einem Stützpunkt für die Abwicklung internationaler Geschäfte für in- und ausländische Banken zu machen. Solch ein Zentrum würde die Reichweite der wirtschaftlichen Möglichkeiten und Handelsaktivitäten der Insel weiter vergrößern und dem Bedürfnis taiwanesischer Unternehmen nach internationalem Finanzservice gerecht werden.

Taipei bietet attraktive Geschäftsbezirke wie das Tunhua-Viertel im Osten der Stadt. Um jedoch multinationale Unternehmen dazu zu bewegen, hier ihr Hauptquartier für die asiatische Region aufzuschlagen, bedarf es noch einiger Verbesserungen des Lebensumfelds. Ein Problem ist neben der Luftverschmutzung z.B. der Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln für Pendler - die im Vordergrund zu sehende Stadtbahn befindet sich noch in der Testphase.

Zu den konkreten Maßnahmen, die für das Finanzzentrum vorgeschlagen werden, gehören weniger strenge Bedingungen für die Einrichtung ausländischer Banken oder deren Zweigstellen und eine Reduzierung der Beschränkungen ihrer Geschäfte. Steuern für finanzielle Transaktionen müssen internationalen Standards angeglichen werden, und Finanzierungsgesellschaften soll die Eröffnung von Büros erlaubt werden, um die im Untergrund existierenden Kreditgeschäfte zu normalisieren. Des weiteren ist im Osten Taipeis nahe dem Rathaus der Bau eines neuen internationalen Finanzkomplexes geplant, der internationale Finanzunternehmen beherbergen soll.

Um Taiwan in der Region als Telekommunikationszentrum wettbewerbsfähig zu machen, sieht der Plan eine Kostensenkung und eine Qualitätsverbesserung des Telekommunikationsservices vor. Dies wird in- und ausländische Unternehmen dazu anregen, regionale Telekommunikationsnetze einschließlich modernster Informationsdienste aufzubauen. Die Liberalisierung im Bereich der Telekommunikation wird Verbesserungen in zusätzlichen Servicebereichen wie drahtloser Telekommunikation (einschließlich tragbarer Telefone, Beeper und Satellitenkommunikation in kleinem Rahmen) und für Orts,- Fern- und internationale Gespräche mit sich bringen. Zusätzlich sollen die Verbindungen zu internationalen Kabelnetzwerken im asiatisch-pazifischen Raum ausgebaut und die Übertragungskapazitäten für internationale Ferngespräche erhöht werden.

Der das Medienzentrum betreffende Teil des Plans sieht eine Entwicklung der Massenmedien vor, die sowohl Satelliten- und Kabelfernsehen betrifft als auch die Umwandlung Taiwans in einen wichtigen Stützpunkt für die Produktion chinesischsprachiger Femsehprogramme und Filme für den asiatisch-pazifischen Raum. Die Regierung beabsichtigt, den Markt zu öffnen, indem im Medienbereich eine Zusammenarbeit zwischen Taiwan, Festlandchina, Hongkong und Macau gefördert wird. Überdies ist ein Joint-venture zwischen der Regierung und Privatunternehmen für einen High-Tech-Medienpark in Arbeit, um in erster Linie chinesischsprachige Fernsehprogramme und Filme zu produzieren bzw. weiter zu bearbeiten.

Der Vorsitzende des dem Exekutiv-Yüan unterstehenden Rats für Festlandsangelegenheiten, Vincent Siew, sagt, daß der APROC-Plan Taiwans wirtschaftliche Stärke ankurbeln und ein Meilenstein in der Modernisierung der Insel sein wird. Siew spielte in seiner Eigenschaft als ehemaliger Vorsitzender des Rats für wirtschaftliche Planung und Entwicklung eine Schlüsselrolle beim Entwurf des Plans. Dem Rat sitzt nun Vizepremierminister Hsu Li-teh vor.

Auf der Grundlage einer Untersuchung von 103 ausländischen Firmen in Taiwan betont der Rat für wirtschaftliche Planung und Entwicklung, daß Taiwan vier Hauptvorteile genießt, aufgrund derer sich die Insel als regionales Wirtschaftszentrum eignet: eine solide Basis für die Herstellungsindustrie, eine herausragende geographische Lage, ein starker Binnenmarkt und ein umfassendes inländisches Industrienetz. Viele internationale Geschäftsleute halten ebenfalls die kulturelle Verwandschaft mit Festlandchina und Hongkong für einen der Hauptvorteile.

Beobachter merken an, daß Taiwan vielleicht aufgrund seiner soliden industriellen Basis, der zentralen geographischen Lage, des großen Handelsvolumens und seiner engen wirtschaftlichen Verbindungen mit der restlichen Region das vielversprechendste Potential für ein regionales Industriezentrum hat.

Aber gibt es auf der Insel genug infrastrukturelle Entwicklung, um mehr internationale Firmen dazu zu bewegen, ihr regionales Hauptquartier auf Taiwan aufzuschlagen? Einige Anforderungen sind schon erfüllt. Taiwan besitzt ein die ganze Insel umspannendes Telekommunikationssystem, und die Generaldirektion der Telekommunikationsgesellschaft hat Glasfaserkabel und ISDN (Integrated Service Digital Network) installiert.

Diese Systeme werden in der Lage sein, sowohl mündliche Kommunikation als auch geschriebenes Material, Graphik, Bilder und Photos zu übertragen. Die Einführung von ISDN ist für Juni geplant. Zu diesem Zeitpunkt wird die Insel eines der wenigen Länder dieser Region sein, das über ein solch fortschrittliches Telekommunikationssystem verfügt. Die Regierung hat ebenfalls in ein asiatisch-pazifisches Glasfasernetz investiert, das eine größere Übertragungskapazität ermöglichen wird und durch das Verbindungen mit mehr Ländern zur Verfügung stehen werden, als man es je zuvor in dieser Region gesehen hat. Das Netz, das 1996 fertiggestellt werden soll, wird Taiwan mit neun Ländern verbinden, darunter Japan, Südkorea, Festlandchina, Hongkong und einige Staaten der Vereinigung Südostasiatischer Nationen.

Kaohsiung, der bedeutendste Standort für ein Frachtumschlagszentrum, ist bereits der drittgrößte Containerhafen der Welt. Die Hafenbehörden arbeiten im Schnelltempo an der Fertigstellung des fünften Containerzentrums. Durch dieses Projekt werden zusätzlich drei neue Docks gebaut, und ein bereits vorhandenes wird verbessert. Ein Dock wird rund um die Uhr in Betrieb sein.

Der internationale Chiang-Kai-shek-Flughafen besitzt die zwölftgrößte Abfertigungskapazität für Luftfracht in der Welt. Gerade wird ein zweiter Passagierterminal gebaut. Nach der Fertigstellung 1996 wird sich die jährliche Passagierabfertigungskapazität um mehr als das Doppelte der momentan zwölf Millionen auf 26 Millionen Personen erhöhen.

Einer der Hauptvorteile, den die Insel als regionales Finanzzentrum bietet, ist ihr reichlich vorhandenes Kapital. Ende 1994 überschritten die Devisenreserven 90 Milliarden US$. Zusätzlich nehmen ein "offshore" [d.h. ein offiziell nicht innerhalb des taiwanesischen Hoheitsbereichs liegendes] Finanzzentrum und ein Markt für täglich kündbare Devisenkredite langsam Gestalt an. Die Verwirklichung des Plans für ein Medienzentrum wird durch die reichlich vorhandenden qualifizierten Arbeitskräfte, Spitzentechnologie und Kapital in Schwung gebracht.

Für eine erfolgreiche Umsetzung des APROC-Plans wird die Effizienz der Regierung erheblich verbessert werden müssen. Dieses Problem ist bereits von hier arbeitenden multinationalen Firmen aufgebracht worden. Effizienz ist sogar von noch größerer Wichtigkeit, da Taiwan mit anderen asiatischen Standorten konkurriert, die ebenfalls zu einem regionalen Wirtschaftszentrum werden wollen, darunter Tokio, Shanghai, Singapur, Manila und Sydney.

Ein anderer kritischer Faktor für den Erfolg des Plans ist die Verbesserung des Lebensumfelds. Leitenden Angestellten von multinationalen Firmen und deren Familien kann ein Leben auf Taiwan nicht zugemutet werden, wenn die Schulen, Erholungsgebiete und die Umweltbedingungen in den Städten nicht angemessen sind. In Taipei ist dies ein ernsthaftes Problem, aber in dem wissenschaftlich orientierten Industriepark in Hsinchu sieht das etwas anders aus. Die Aufmerksamkeit, die man dort den Wohnungen, Parks, Schulen und der Umwelt zukommen lassen hat, hat High-Tech-Fachleute, darunter auch Ausländer, in dieses Gebiet gelockt. Dieses Modell könnte ohne weiteres an anderen Orten der Insel wiederholt werden.

Die wichtigste Priorität liegt jedoch vielleicht in der Anpassung der Wirtschafts- und Handelspolitik gegenüber Festlandchina. Die Regierungspolitik, die nur indirekte Kontakte erlaubt, verlängert und verzögert die geschäftlichen Aktivitäten über die Taiwanstraße sowohl für hiesige Geschäftsleute als auch für multinationale Firmen erheblich.

Die freie Bewegung von Kapital, Personal, Fracht und Informationen über die Taiwanstraße ist für internationale Unternehmen, die ihr regionales Hauptquartier auf der Insel aufschlagen möchten, unverzichtbar. Daraus ergibt sich, daß jedweder Erfolg bei der Durchfüh­rung des Plans für ein regionale Zentrum mit einer grundlegenden Überprüfung der wirtschaftlichen Verbindungen über die Taiwanstraße verbunden ist.

(Deutsch von Annabella Weisl)

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