Seit langem spielt die Taiwan-Teeforschungsstation eine zentrale Rolle für die landwirschaftliche Entwicklung und das wirtschaftliche Überleben der Teeindustrie auf der Insel.
Seit im alten China erstmals mit der medizinischen Wirkung von Teeblättern experimentiert wurde, hat die Pflanze Camellia sinensis einen langen Weg zurücklegen müssen, um zur Grundlage für eines der beliebtesten Getränke der Welt zu werden. Über die Jahrhunderte hat es im Teeanbau und in seiner Verarbeitung viele Veränderungen gegeben, und so unterscheidet sich die heutige Tasse Tee doch sehr von der, die etwa vor langer Zeit die chinesischen Literaten genossen haben. Die Taiwan-Teeforschungsstation (Taiwan Tea Experimentation Station, TTES) ist eine sehr moderne Institution, die sich der wissenschaftlichen Seite des Teeanbaus widmet und sich bei ihrer Arbeit auf die jahrhundertelange Tradition der Veredelung stützt. Im Zeitalter von Verbrauchermärkten und aggressivem Produktmarketing sind die Wissenschaftler der TTES in gewissem Sinne auch Geschäftsleute, die ständig versuchen, neue Verkaufs- und Vertriebswege für Tee aus Taiwan aufzutun. So wollen sie zum Erhalt einer der ältesten Traditionsindustrien auf der Insel beitragen.
Genügend Forschungsmaterial gibt es allemal auf der Station. Die ältesten schriftlichen Aufzeichnungen über Tee und das Teetrinken stammen vom Festland. Wie aus dem Werk "Der Klassiker des Tees" des Gelehrten Lu Yu (陸羽, 733-804) aus der Tang-Dynastie hervorgeht, entdeckten die Chinesen vor etwa zweieinhalbtausend Jahren den Tee. Zuerst wurde er als eine Zutat für Kräuterarzneien benutzt, die den Körper von Giftstoffen befreiten. Dank verbesserter Anbau- und Verarbeitungsmethoden verlor der Tee bald sein Dasein als Luxusartikel und wurde zum Volksgetränk. Im chinesischen Volksmund wurde Tee neben Feuerholz, Reis, Öl, Salz, Sojasoße und Essig zu den sieben täglichen Bedürfnissen gezählt.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts fand der Teeanbau über die Provinz Fukien seinen Weg auf die Insel Formosa. Die Topographie und das Klima auf der Insel eigneten sich ideal für den Anbau, und die Teepflanzen konnten pro Jahr vier- bis sechsmal abgeerntet werden. In den kälteren Regionen des Nordens war dies nur dreimal möglich. So gewann der Tee aus Taiwan recht schnell einen guten Ruf, und während der Ch'ing-Dynastie (1644-1911) wurde das Wachstum der taiwanesischen Teeindustrie stark gefördert. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden bereits an die 10 000 Tonnen Tee ins Festland und andere Länder Südostasiens exportiert. Nach Reis und Zucker gehörte Tee zu den wichtigsten Exportgütern der Insel.
"Sowohl der Ch'ing-Hof als auch die Japaner förderten aus eigenem wirtschaftlichen Interesse heraus die Entwicklung der Teeindustrie auf Taiwan", erzählt der Direktor der TTES, Juan I-ming (阮逸明). "So haben sie das Fundament für die Industrie geschaffen." Der Ch'ing-Hof gründete seinerseits die Vereinigung Taiwanesischer Teehändler, welche bei der Erstellung der Rahmenbedingungen für den Handel mit Tee half, während die Japaner (die von 1895 bis 1945 die Herrschaft über Taiwan hatten) fortgeschrittenere Methoden für Anbau und Verarbeitung einführten.
Des weiteren vergrößerten die Japaner die Gesamtanbaufläche von 26 000 auf 46 000 Hektar, und sie führten für die Herstellung von schwarzen Tees Neuzüchtungen ein, die für den Weltmarkt - auf dem sie 90 Prozent des gesamten Handels ausmachen - gedacht waren. Den weitaus bedeutendsten Beitrag der Japaner sieht Juan I-ming in der Gründung von Teeanbauschulen und Forschungsinstituten sowie der Einfuhr von Teeverarbeitungsmaschinen, mit deren Hilfe der jährliche Ertrag auf 20 000 Tonnen erhöht werden konnte.
Welken - Die frisch gepflückten Blätter werden in flachen Körben ausgebreitet und getrocknet, so daß sie einen Teil ihrer Feuchtigkeit verlieren.
Schütteln - Die Blätter werden oft gewendet, um ein gleichmäßiges und gründliches Trocknen zu garantieren.
Ruhen - Die Blätter werden in nasse Tücher eingewickelt, so daß sie weicher werden und ein wenig Feuchtigkeit zurückgewinnen können.
Schwenken - Die Blätter werden unter Hitze gewendet, um den Fermentierungsprozeß zu verzögern und den Feuchtigkeitsgehalt zu reduzieren.
Rollen - Die Blätter werden gewendet, perforiert und gebrochen, wodurch Teeöle und Enzyme freigesetzt werden, die die Blätter bedecken und den Fertimentierungsprozeß in Gang setzen.
Brechen - Die Blätterknoten, die sich während des Rollens gebildet haben, werden zerbrochen, um für ein gleichmäßiges Trocknen zu sorgen.
Ballrollen - Um Tieh-kuanyin-Tee herzustellen, werden die Blätter zu Bällchen gerollt, in Tücher gewickelt und geknetet, was eine Fermentierungsstufe bewirkt, die von Oolong- und Paochong-Tees nicht erreicht wird.
Erstes / Zweites Trocknen - Die Blätter werden erhitzt, um den Fermentierungsprozeß zu unterbrechen und den Restfeuchtigkeitsgehalt vor der Lagerung zu entfernen.
Quelle: Taiwan-Teeforschungsstation
Für die Dauer des Zweiten Weltkriegs lagen viele Teeplantagen brach oder wurden für den Anbau anderer, den Kriegsanstrengungen der Japaner nützlicherer Feldfrüchte verwendet. Aus diesem Grund fiel die Gesamtproduktion bis 1945 auf 1400 Tonnen zurück. Mit Unterstützung der Regierung der Republik China steigerte sich die Produktion bis zum Jahre 1949 wieder auf 10 000 Tonnen. Obgleich die Teeproduktion zu diesem Zeitpunkt überwiegend für den Export bestimmt war, führte die neue Regierung ein Programm ein, mit den neuen Teesorten für den einheimischen Markt hervorgebracht und zugleich die Entwicklung der Branche unterstützt werden sollte. 1968 wurde die 1903 von den Japanern gegründete Teeverarbeitungsforschungsstation unter der Aufsicht des Land- und Forstwirtschaftsministeriums umstrukturiert und in Taiwan-Teeforschungsstation umbenannt. Seitdem ist sie das einzige Teeforschungszentrum auf Taiwan geblieben.
"Unser Ziel ist ganz einfach: Die Förderung und Entwicklung der Teeindustrie auf Taiwan", sagt Juan I-ming. Die TTES ist in drei Hauptabteilungen aufgeteilt: Agronomie, Produktion und Maschinenbau. Die Forschungsstation betreibt außerdem noch ein Ausstellungszentrum, welches der Öffentlichkeit die Forschungsergebnisse und Produktentwicklung näherbringen soll, sowie vier kleinere Außenstellen, deren Aufgabe es ist, Forschungen auf den Gebieten Herstellungstechnik, Zucht, Klima, Bodenbeschaffenheit und über andere für den Teeanbau in ihren Regionen relevanten Elemente zu betreiben. Zum Beispiel beschäftigt sich die Wenshan-Station im Norden Taiwans hauptsächlich mit der Erzeugung von Paochong-Tee in den Landkreisen Taipei und Ilan.
Womit beginnt also die Zubereitung einer duftenden Kanne Tee? Natürlich mit Camellia sinensis - der Teepflanze! Obwohl sie alle zu einer Familie gehören, haben die verschiedenen Zuchtpflanzen bestimmte Eigenschaften, die für die Herstellung spezieller Teesorten besonders geeignet sind. Um die Entwicklung dieser spezifischen Eigenschaften zu fördern, werden aus alten Pflanzen neue Züchtungen gekreuzt. Einige Hybriden haben ihren Ursprung in Pflanzen aus der Provinz Fukien und sind bis heute sehr beliebt, aber die TTES ist dabei, eigene Formen zu entwickeln, die noch resistenter gegen Schädlinge und Krankheiten sind, schneller wachsen oder auch einfach nur besser schmecken. Seit ihrer Gründung hat die TTES 17 Neuzüchtungen hervorgebracht. Einige von ihnen, wie etwa TTES #12, die für die Herstellung von Oolong- und Paochong-Tee geeignet ist, werden in großen Mengen angebaut.
Die Entwicklung neuer und verfeinerter Zuchtpflanzen ist nur der erste Schritt. Die Station befaßt sich zusätzlich mit Problemen, die im modernen Teeanbau auftreten können. Zum Beispiel werden von den Anbauern viele chemische Düngemittel und Pestizide eingesetzt. Mit der Zeit können die Düngemittel jedoch den Boden übersäuern, und die Zahl derer steigt, die ungern mit Pestiziden behandelten Tee zu sich nehmen. Die TTES experimeniert seit einiger Zeit mit einigen biologischen Schädlingsbekämpfungsmethoden, wie unter anderem der Einsatz harmloser Insekten, die sich von Teepflanzenschädlingen ernähren. Des weiteren regt sie die Bauern dazu an, anstelle von chemichen Düngemitteln organische wie Tiermist zu benutzen.
Ein weiteres Problem ist der Schutz vor Wasserverlust und Bodenerosion auf Teefeldern, die an einem Hang liegen. Auf Taiwan sind etwa 70 Prozent der 21 000 Hektar, auf denen Tee angebaut wird, Berghänge. Die TTES bewirtschaftet selbst einen Berghang, der als Modellanbaufläche für die Teilnehmer an Fortbildungskursen benutzt wird. Mitarbeiter der TTES besuchen regelmäßig Teebauern, um sie über die neuesten Erkenntnisse und Praktiken der Wasser- und Bodenkonservierung zu informieren. Ein Vorschlag lautet, Unkraut, einst der Fluch aller Pflanzer, in den Teefeldern ungehindert wuchern zu lassen, um damit einem Feuchtigkeitsverlust und der daraus resultierenden Bodenerosion vorzubeugen. "Die meisten Anbauer akzeptieren, daß der Umweltschutz zu einem Teil der Industrie geworden ist, und sie sind willens, darin zu investieren", meint Juang I-ming. "Der Boden ist ihre Lebensgrundlage. Ohne ihn wären sie am Ende."
Eine Kombination aus guten Anbaubedingungen, veredelten Zuchtpflanzen und kluger Feldbestellung ist die Voraussetzung für eine gute Ernte. Danach gibt es aber noch sehr viel zu tun, bevor der Tee in die Kanne kommt. "Qualitätstee ist sehr, sehr wichtig, aber auf dem Weg zu einem hochwertigen Endprodukt ist mit der Ernte nur die erste Hälfte der Arbeit getan", erklärt Cheng Cheng-hung, Forschungsmitglied und Leiter der Produktionsabteilung der Wenshan-Station der TTES. "Die andere Hälfte besteht aus der Verarbeitung."
Sorgfältige Forschung - Die TTES ist eine der weltweit führenden Forschungsinstitutionen im Bereich des Teeanbaus.
Der Verarbeitungsprozeß beginnt mit dem Pflücken, einer zeit- und arbeitsaufwendigen Tätigkeit, bei der die jungen Blätter - meist per Hand - von den Pflanzen gezupft werden (unter natürlichen Bedingungen können Teepflanzen vier bis neun Meter hoch werden, für den Anbau werden sie jedoch auf Höhen zwischen 60 Zentimetern und 1,50 Metern gehalten). Der Zeitpunkt der Ernte und Schnelligkeit beim Pflücken sind sehr wichtig. Werden die Blätter zu früh gepflückt, ist das Aroma noch nicht voll ausgereift. Werden sie hingegen zu spät gerupft, sind die Stiele schon zu alt, dick und knorrig. In beiden Fällen würde die Qualität des Endprodukts sehr schlecht ausfallen. Die Blätter einiger Teesorten müssen sofort nach der Ernte in der Sonne getrocknet werden. So muß der Ernteprozeß schnell vorangehen, um das Tageslicht voll ausnutzen zu können. Die Pflücker fangen ihren Tag zwar sehr früh an, aber die besten Blätter werden zwischen zehn Uhr morgens und zwei Uhr nachmittags geerntet. Während dieser Zeit ist der Morgentau von den Blättern verdunstet, und das Sonnenlicht reicht noch aus, um die Blätter vorzutrocknen.
Die Jahresproduktion pro Hektar liegt bei ungefähr vier Tonnen frischer Blätter, aus denen eine Tonne getrockneten Tees gewonnen werden kann. Ein Arbeiter kann pro Tag bis zu 25 Kilo an frischen Blättern pflücken, aber mittlerweile sind die Ansprüche an die Mengen, die Pflückleistung und den Erntezeitpunkt so stark gestiegen, daß sie zu einem der gravierendsten Probleme in der Branche geführt haben - es herrscht absoluter Arbeitskräftemangel. "Es ist bestimmt nicht gerade sehr angenehm, den ganzen Tag lang in der unbarmherzigen Sonne den Rücken zu krümmen und Teeblätter zu pflücken", meint Lai Jeng-nan (賴正南), ein Assistent im Ausstellungszentrum der TTES. "Es ist extrem schwierig, Leute für diese Arbeit zu gewinnen." Im Landkreis Taipei, wo der Tee zum Beispiel noch per Hand gepflückt wird, erhält ein Pflücker am Tag zwischen 1400 und 1500 NT$ (70 bis 75 DM), und trotzdem haben die Anbauer bei jeder Ernte Probleme, genügend Arbeiter zusammenzubekommen. "Der Lohn ist von den Teepreisen abhängig", sagt Cheng Cheng-hung. "In Gebieten, wo hochwertiger Tee angebaut wird, werden höhere Preise verlangt und folglich auch die Pflücker besser entlohnt. Das Problem betrifft eher die Gebiete, wo minderwertige Tees angebaut werden."
Viel Geld ist in die Entwicklung von Maschinen für den Teeanbau und die Weiterverarbeitung investiert worden, um sowohl den fortdauernden Arbeitskräftemangel zu beheben als auch die Produktionskosten zu senken. Die TTES hat Maschinen für die Düngung und Pestizidbehandlung, das Pflügen, Zurückschneiden, Pflücken, Verarbeiten und Verpacken eingeführt. Einige von ihnen können jedoch nicht an Hängen eingesetzt werden, und viele Teeliebhaber meinen, daß die Qualität maschinell geernteter Tees weitaus schlechter sei als die der von Hand gepflückten. Eine Ein-Mann-Pflückmaschine kann bis zu 350 Kilo frischer Teeblätter und eine Zwei-Mann-Pflückmaschine bis zu 2500 Kilo am Tag ernten.
Einmal geerntet, durchlaufen die Teeblätter einen langwierigen Prozeß, in dem sie vorgetrocknet, geschüttelt, geschwenkt, gerollt, gebrochen, getrocknet und verpackt werden. Der Prozeß variiert je nach der Teesorte, die hergestellt werden soll, aber jeder einzelne Schritt ist entscheidend für die Qualität. Ziel ist, einen bestimmten Fermentierungsgrad der Blätter zu erzielen, um verschiedene Teesorten zu gewinnen - unfermentierte Tees wie zum Beispiel grüner Tee, halbfermentierte Sorten wie Oolong oder vollständig fermentierte schwarze Tees wie Pekoe. Taiwan ist seit langem für seine halbfermentierten Tees berühmt. In den letzten zehn Jahren haben mehr als 5000 Anbauer an den Fortbildungskursen der TTES teilgenommen, in denen die neuesten Methoden und Konzepte in der Verarbeitung mittels Kursen, Vorlesungen und praktischen Arbeiten weitervermittelt werden. "Es ist wie beim Schwimmen oder Autofahren", sagt Juan I-ming. "Das kann man nicht aus Büchern, sondern nur in der Praxis lernen."
Erfindungen wie diese Zwei-Mann-Pflückmaschine haben geholfen, den Arbeitskräftemangel im Teeanbau zu überwinden. Kenner meinen jedoch, daß von Hand gepflückter Tee besser schmeckt.
Neue Anbau- und Verarbeitungsmethoden waren aber nicht die Hauptantriebsmotoren für den Aufschwung der taiwanesischen Teeindustrie in den letzten Jahrzehnten. Dafür zeichnet vielmehr der Markt selbst verantwortlich. Die im Vergleich mit anderen Teexportnationen wie Indien und Sri Lanka höheren Löhne gelten zusammen mit Faktoren wie erhöhten Grundstückspreisen als die Ursache für die sinkende Wettbewerbsfähigkeit Taiwans auf dem globalen Teemarkt. In den zehn Jahren zwischen Anfang 1985 und Ende 1994 fielen Taiwans Teexporte von 10 000 auf 4900 Tonnen zurück. Um überleben zu können, war eine Umstrukturierung der Branche von einer, die 80 Prozent ihrer Einnahmen mit Exporten erzielte, hin zu einer, die sich vorwiegend auf den einheimischen Markt stützt, unerläßlich. Um dies zu bewerkstelligen, wurde die Produktion auf Sorten umgestellt, die den Geschmack der einheimischen Verbraucher trafen. So bildeten Mitte der achtziger Jahre grüne und schwarze Tees noch etwa vier Fünftel der Gesamtproduktion, während heute die halbfermentierten Tees wie Oolong und Paochong den größten Teil ausmachen.
Natürlich ist die Umstellung auf andere Sorten nur ein Teil der Lösung. Als die Hersteller ihre Produktion auf halbfermentierte Tees umstellten, mußten sie die Kunden zugleich von der Qualität des Tees aus einheimischer Produktion überzeugen. Die Verantwortung dafür wurde auch der TTES zuteil. Zu einer ihrer effektivsten Methoden entwickelte sich das Veranstalten von Teewettbewerben, bei denen Qualität und Verarbeitung prämiert werden. Bei den Qualitätsvergleichen treten die Hersteller mit ihren Produkten gegeneinander an, und beim Verarbeitungswettbewerb erhält jeder Hersteller grüne Blätter der gleichen Teesorte, um zu sehen, wer von ihnen daraus das beste Endprodukt erzeugen kann. "Der Zweck dieser Veranstaltung ist die Teeverarbeitung", sagt Chen Hsuan (陳玄), Direktor der Wenshan-Station, die jährlich an die 30 Wettbewerbe dieser Art abhält. "Sie erwecken ein öffentliches Interesse am Tee und informieren zugleich, wo guter Tee erhältlich ist."
Ein weniger erfreuliches Resultat dieser Wettbewerbe - den Herstellern hingegen ein äußerst willkommenes - ist, daß die preisgekrönten Tees meist extrem teuer werden. Zwischen 20 000 und 40 000 NT$ (1200 und 2400 DM) können dann 600 Gramm kosten, was das Zehn- bis Zwanzigfache der Preise für andere hochwertige Tees bedeutet. Es mag sich absurd anhören, aber in Asien wird ein Teekenner - ähnlich wie ein Kunstliebhaber - zu den feineren Kreisen gezählt. So können die Preise so hoch steigen, wie es der Markt zuläßt. Tsai You-jenn (蔡右任), Leiter der Abteilung für Agronomie der Wenshan-Station, erklärt dieses Phänomen folgendermaßen: "Es gibt Käufer, die bereit sind, solche Preise zu zahlen, und es herrscht ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage."
Eine weitere Vermarktungsstrategie ist die Entwicklung neuer Verwendungszwecke von Tee und seinen Nebenprodukten. "Traditionell galt Tee ausschließlich als Getränk", erläutert Juan I-ming. ."Nun haben wir eine wesentlich breitere Palette an Teegetränken und auch Eßwaren aus Tee entwickelt." Seit den achtziger Jahren hat die Produktionsabteilung der TTES eine große Vielfalt an aromatisierten Tees und Produkten mit Teegeschmack entwickelt, darunter Gelees, Süßigkeiten, Wein, als Beigabe für Cocktails und auch in Eiscreme. Mit Teeblättern gestopfte Kissen sind auf Taiwan zu einem Renner geworden, weil sie angeblich das Einschlafen erleichtern. Innovationen dieser Art sind von der Privatwirtschaft übernommen worden, und die meisten haben sich als profitabel erwiesen. "Produktvereinfachung und -diversifizierung sind die Zukunftstrends", meint Lai Jeng-nan. "Nehmen wir Büchsentee als Beispiel. Er ist so beliebt geworden, weil er bequem erhältlich ist. Viele mögen den Teegeschmack, und jetzt braucht man einfach nur an der Öffnungslasche zu ziehen, und schon kann man ihn genießen."
Ein Blick auf die Verbraucherzahlen der letzten zwei Jahrzehnte macht sehr deutlich, daß die Bemühungen der TTES gefruchtet haben. Der jährliche Pro-Kopf-Teeverbrauch stieg von 270 Gramm im Jahre 1971 auf 577 Gramm 1981, 1066 Gramm 1991 und beinahe 1300 Gramm im letzten Jahr. Taiwan exportiert pro Jahr immer noch etwa 5000 Tonnen - überwiegend in die USA und nach Japan -, importiert jedoch aus Vietnam und vom Festland an die 10 000 Tonnen, was ungefähr ein Drittel der Nachfrage im Inland deckt. Die Mehrheit des importierten Tees wird entweder von Büchsentee-Herstellern verwendet oder von den sehr beliebten "p'ao-mo hong-ch'a dian" (泡沫紅茶店, zu dt. etwa "Teeshake-Laden") erworben - Teehäuser, die auf kalte und preisgünstige alkoholische und alkoholfreie Getränkecocktails mit Tee als Grundzutat spezialisiert sind.
Der Erfolg der TTES soll nicht bedeuten, daß die Zukunft mit Rosen übersäht ist. Keine der höheren Bildungsstätten und Berufsfachschulen auf Taiwan bietet Kurse im Teeanbau oder in der Verarbeitung von Tee an, und folglich hat die Forschungsstation Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter und Nachwuchswissenschaftler aufzuspüren. So müssen die Wissenschaftler häufig auch die Werbearbeit übernehmen. "Während der Woche erledigen wir unsere Forschungsarbeiten, und am Wochenende müssen wir bei den Werbeveranstaltungen dabeisein", sagt Juan I-ming.
Aber die TTES hat eine lange und erfolgreiche Geschichte hinter sich, in der sie viele Probleme überwunden hat, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß sie die momentanen Schwierigkeiten nicht ebenso in den Griff bekommen wird. Viele Probleme im Leben werden über einer Tasse Tee gelöst und in welch einer anderen Einrichtung könnte man sich eines perfekt zubereiteten Tees sicherer sein!
(Deutsch von John B. Motzkuhn)