04.05.2025

Taiwan Today

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Metamorphose eines Museums

01.03.1996
Meisterwerke wie diese Kalligraphie des Künstlers Mi Fei aus der Sung-Dynastie werden aufgrund ihres brüchigen Zustands nur selten aus­gestellt. Im Jubiläumsjahr waren in einer Sonderausstellung erstmals alle empfindlichen Stücke gleichzeitig zu sehen.

Im letzten Jahr feierte das Nationale Palastmuseum seinen siebzigsten Geburtstag mit einer Serie von Sonderausstellungen, die seine erfolgreiche Wandlung von der bloßen Aufbewahrungsstätte für die Kunstschätze des Kaiserhofs zu einem modernen Museum unterstreichen.

Das Nationale Palastmuseum, unter dessen Dach sich die größte Sammlung chinesischer Kunst der Welt befindet, beging im letzten Jahr den siebzigsten Jahrestag seiner Gründung. Aus diesem feierlichen Anlaß veranstaltete es eine Reihe von Sonderausstellungen. Den größten Besucherandrang verzeichneten die Leihgaben aus dem Pariser Louvre, die drei Monate lang von Mitte September bis Mitte Januar zu bewundern waren. Doch auch jede der anderen 19 Jubiläumsschauen hatte ihren ganz besonderen Charakter. Viele Meisterwerke der chinesischen Kunst wurden zum ersten Mal öffentlich ausgestellt. Sie waren nicht nur repräsentativ für die einzigartige Sammlung des Museums, sondern zeugten mit ihrem hervorragenden Zustand auch von der gewissenhaften Pflege, die ihnen während einer der turbulentesten Perioden der nur allzu ereignisreichen chinesischen Geschichte zuteil wurde.

Ein spektakuläres Beispiel war die Sonderausstellung von siebzig der bedeutendsten Gemälde und Kalligraphien, die größtenteils während der Dynastien der Tang (唐, 618-907), Yuan (元, 1279-1368) und Ming (明, 1368-1644) geschaffen wurden. Früher hatte das Museum aus Besorgnis über ihren brüchigen Zustand nur sehr selten einzelne Exemplare präsentiert, doch im Jubiläumsjahr wurden erstmals alle zur gleichen Zeit ausgestellt. Alle Sonderausstellungen waren in Umfang und Vielfalt ein Beleg für die erfolgreiche Befreiung des Museums von dem Stigma, lediglich die Sammlung des kaiserlichen Hofs zu sein, und seine Wandlung hin zu einem wirklichen Landesmuseum.

Nach Taiwan kam die Sammlung auf Umwegen, und sie hatte dabei so manche Gefahr zu überstehen.

Der letzte chinesische Kaiser lebte nach der Gründung der Republik im Jahr 1912 noch bis 1924 in der Verbotenen Stadt, die eine unermeßliche Zahl von der Ch'ing-Dynastie zurückgelassener Kunstwerke beherbergte. Ein Jahr später wurde dort das Nationale Palastmuseum eröffnet. Als das Museum erstmals für das Volk geöffnet wurde, strömten die Massen herbei, um die kostbaren Schätze zu sehen, die Chinas Herrscher so lange Zeit vor den Augen Normalsterblicher unter Verschluß gehalten hatten.

Dem Museum fehlen noch die nötigen Mittel, um Werke moderner Künstler, wie dieses mit dem Titel "Der Berg Lu" von Chang Ta-chien, anzukaufen. Nur durch Spenden und Leihgaben ist es in der Lage, auch solche Gemälde zu zeigen.

Zwei Jahre vor Ausbruch des sino-japanischen Krieges beschloß die Kuomintang-Regierung 1935, daß die kaiserliche Sammlung an einem sichereren Ort gelagert werden müsse. Die wertvollsten Schätze wurden in Holzkisten verpackt und über Nacht aus dem Palast geschafft - die erste Etappe einer scheinbar unendlichen Reise von einem Ort zum anderen. Nach der Vereinbarung des Waffenstillstands von 1945 wurden die über 13 000 Holzkisten noch einmal nach Nanking gebracht.

Dann brach jedoch ein neuer Krieg aus, diesmal zwischen den chinesischen Kommunisten und der Kuomintang-Regierung. Die nationalen Schätze wurden erneut verpackt und an einen sicheren Ort befördert. Rund 230 000 Kunstgegenstände wurden auf drei Schiffen nach Taiwan verfrachtet, wo sie an der Nordküste im Hafen von Keelung landeten. Dies ereignete sich 1949, also in dem Jahr, als die Kommunisten das Festland in ihre Gewalt brachten. Kurz darauf wurden die Schätze nach Wufeng in Zentraltaiwan weitertransportiert, wo sie vorläufig in Höhlen lagerten. 1957 wurde dort ein kleiner Ausstellungsraum errichtet, in dem einige der Stücke gezeigt werden konnten. Acht Jahre später wurde die Sammlung dann an ihren heutigen, weitläufigen Standort in Waishuanghsi im Norden Taipeis gebracht, und 1965 fand schließlich die offizielle Einweihung des Nationalen Palastmuseums statt.

Die kaiserliche Sammlung brauchte drei volle Jahrzehnte, um ihre rastlose und über 10 000 Kilometer lange Irrfahrt zu beenden. Direktor Chin Hsiao-yi (秦孝儀) stellt auf diese Ära in der Geschichte des Museums zurückblickend fest: "Kein Museum auf der ganzen Welt hat je so stürmische Ereignisse durchgemacht."

Während der nächsten zwanzig Jahre erweiterte das Nationale Palastmuseum seine Räume und seine Bestände, klassifizierte die einzelnen Stücke und modernisierte seine Restaurierungs- und Aufbewahrungseinrichtungen. Mit der Zeit wurde es zum weltweiten Zentrum für Studien der chinesischen Kunst und zur meistbesuchten Touristenattraktion auf Taiwan. Chin sagt stolz: "Fast jeder bekannte Wissenschaftler auf dem Gebiet der chinesischen Kunst hat hier irgendwann einmal studiert oder geforscht."

Die Exponate repräsentieren 7000 Jahre Geschichte der chinesischen Kultur. Dieses Bild des Künstlers Ma Lin stammt aus dem 13. Jahrhundert.

Vor ungefähr zehn Jahren begann das Museum mit der Arbeit an einem ehrgeizigen Programm, um sich von einer kaiserlichen Kunstsammlung in ein nationales Museum für alle Chinesen zu verwandeln. Chin, der seit 1983 Direktor ist, erklärt dazu: "Als das Museum vor siebzig Jahren gegründet wurde, hat niemand darüber nachgedacht, wie es geführt werden sollte. Es sollte nur die kaiserliche Sammlung bewahren, und daher galt es auch immer als ein Hofmuseum. Noch heute erinnert sein Name an diese Zeit, obwohl es dem Originalkonzept durch seine kontinuierliche Weiterentwicklung längst entwachsen ist." In der Tat umfaßt das Inventar des Museums mittlerweile 640 000 Kunstobjekte; damit hat sich die ursprüngliche Anzahl verdreifacht.

Verschiedene Ideen förderten den stetig fortschreitenden Umgestaltungsprozeß. Eine davon war, Kunstgegenstände zu sammeln, anhand derer sich die kulturelle Entwicklung der Chinesen im Verlauf der siebentausendjährigen Geschichte vom Neolithikum bis heute nachzeichnen läßt. Diese Sammlung enthält Stücke, die innerhalb der letzten rund zehn Jahre bei Ausgrabungen sowohl auf Taiwan als auch auf dem chinesischen Festland gefunden worden waren und die das Museum durch verschiedene Kanäle erwerben konnte. Laut Chin wurden viele Objekte ursprünglich nicht in die kaiserliche Sammlung aufgenommen, da die Herrscher der Ch'ing-Dynastie aus verschiedenen Gründen an ihnen keinerlei Interesse hatten. Antike Waffen galten zum Beispiel als unheilverheißend, also wurden sie nicht bewahrt. Bilder von Künstlern der späten Ming-Dynastie, die sich nicht dem siegreichen Haus der Ch'ing unterwerfen wollten, ereilte ein ähnliches Schicksal. "Aus diesem Grund waren in der Verbotenen Stadt keine Werke von Pa-ta-Shan-jen (八大山人, ein vollendeter und besonders für seinen minimalistischen Stil bekannter Künstler der Ming-Dynastie) zu finden", berichtet Chin. "Die heute hier ausgestellten Bilder dieses Künstlers hat jedoch nicht das Museum erworben." Laut Chin seien einige dieser Werke Spenden und der Rest Leihgaben privater Sammler.

Doch dies war nur einer der Ansätze. Der Direktor und die Kustoden des Museums beschränkten sich nicht nur darauf, eine Aufbewahrungsstätte für chinesische Kulturgegenstände zu verwalten. Sie haben sich auch vorgenommen, ein Bewußtsein für Geschichte in die verschiedenen Ausstellungen einzubauen. Daher sind die Exponate jeder Kategorie in chronologischer Reihenfolge arrangiert worden. Chin sagt: "Die Besucher können die chinesische Kultur viel besser verstehen, wenn ihnen gleichzeitig die historische Entwicklung der Kunst vermittelt wird." Er betont, daß das Museum heute die umfangreichste Sammlung von Jadeobjekten der Welt berherbergt, die einen Zeitraum vom Neolithikum bis in die Neuzeit abdeckt. Ein Höhepunkt war die Jubiläumsausstellung von runden Jadestücken – sogenannte Bi (璧)-Scheiben - die das ganze Jahr hindurch zu sehen war. Über achtzig Exponate verschiedener Stile konnten hier bewundert werden, die zwischen dem fünften Jahrhundert v.Chr. und dem Jahr 200 unserer Zeitrechnung entstanden sind.

Um die historische Komponente noch stärker zu betonen, legte das Museum einen seiner Schwerpunkte auf den Vergleich zwischen der chinesischen Kultur und den Zivilisationen in anderen Teilen der Welt. Zu diesem Zweck wurde die ständige Ausstellung im Erdgeschoß des Hauptgebäudes unter dem Titel "Die Beziehung zwischen der chinesischen und anderen Kulturen der Welt" eingerichtet. In einer geräumigen Halle zieht sich eine reich bebilderte Zeittafel in chronologischer Reihenfolge die Wände entlang, auf der die Entwicklung der chinesischen Geschichte oberhalb und zum Vergleich die im Rest der Welt unterhalb einer Jahreszahlenskala dargestellt ist. Die Ursprünge der menschlichen Zivilisation reichen bis ins Paläolithikum zurück. "Diese chronologische Tafel der menschlichen Zivilisation führt den Besucher in die Welt von vor siebentausend Jahren zurück", sagt Chin. "Nach dem Betrachten der Ausstellung hat man nicht nur eine Ahnung von der Entwicklung der chinesischen Kultur, sondern auch davon, wann sie weiter fortgeschritten als andere Kulturen war oder wann sie zurücklag."

Auf dem Gelände können sich die Besucher nach ihrer Museumstour in dem im Stil der Ming-Dynastie gestalteten Garten ein ruhiges Plätzchen suchen, um die gerade gewonnenen Eindrücke zu "verdauen".

Als die herausragende Stätte für chinesische Kunst auf Taiwan besteht die Aufgabe des Nationalen Palastmuseums nicht nur in der Bewahrung seiner Sammlung, sondern auch darin, Chinesen sowie Ausländern die chinesische Kultur näherzubringen. Seit vielen Jahren schon bietet es Kurse für verschiedene Altersgruppen an. Neben denen, welche die Ausstellungen näher erklären, gibt es laut Chou Kung-shin (周功鑫), dem für die Ausstellungen zuständigen Kustos des Museums, noch weitere zur Einführung in sämtliche Bereiche der chinesischen Kunst wie Kalligraphie, Jade, Keramik, Malerei, Porzellan und andere. Ältere Teilnehmer sind in den "Evergreen"-Kursen willkommen, die speziell für sie konzipiert wurden, und für Ausländer gibt es auf Englisch gehaltene Seminare. Das Kursangebot während der Sommer- und Winterferien ist besonders auf Teenager zugeschnitten. "Wir hoffen, das Interesse der jungen Leute an ihrer eigenen Kultur fördern zu können", sagt Chou. "Eines Tages, wenn sie älter sind, werden sie dann vielleicht bei uns ehrenamtliche Führer oder Dozenten."

Besonders gute Arbeit hat das Museum mit seinem Kursprogramm für Kinder geleistet, mit dem die Kleinen im Spiel mit Pinseln, Farbpigmenten, Ton und Papier an die chinesische Kunst herangeführt werden. Diese Kurse erfreuen sich großer Beliebtheit. Laut Chin Hsiao-yi "bewerben sich über achthundert Kinder um die dreißig Plätze pro Klasse. Im Interesse der Fairneß wenden wir das Losverfahren an."

Doch nicht nur Kindern und Senioren kommt besondere Aufmerksamkeit zu. Das Museum ist eine Institution mit Sitz in Taipei. Wie also macht man am besten die Bürger in anderen Teilen der Insel mit der großartigen Sammlung des Museums vertraut? Die Kustoden des Museums beschlossen, daß es nicht mehr genüge, die Leute zu ihnen kommen zu lassen; es war an der Zeit, hinaus zu den Leuten zu gehen.

Dafür gab es ein Vorbild. Seit 1976 hatte das Nationale Palastmuseum jedes Jahr Replikate seiner Ausstellungsstücke auf Tournee durch verschiedene Kulturzentren auf der Insel geschickt. Im Oktober letzten Jahres ging es sogar einen Schritt weiter und führte im Kunstmuseum von Kaohsiung eine Sonderausstellung mit Jade-, Porzellan- und Emaillestücken sowie den Utensilien der Kalligraphiekünstler - Schreibpinsel, Tuschstein, Tintenstift und Papier - durch. Dies war seit dem Umzug nach Taipei 1965 das erste Mal, daß das Museum in einer anderen Stadt auf Taiwan statt der üblichen Replikate eine Auswahl seiner echten Stücke zeigte. Über 200 000 Besucher aus ganz Südtaiwan kamen zu dieser Ausstellung. Der Andrang war so groß, daß die Schau von zwei auf drei Monate verlängert wurde.

Während der letzten zehn Jahre hat sich das Museum verstärkt darum bemüht, das unnahbare und distanzierte Image loszuwerden, welches ihm von Beginn an anhaftete. Nach einem kühnen und einschneidenden Bruch mit der Tradition begann es, in Zusammenarbeit mit privaten Organisationen Ausstellungen zu organisieren. Im Jubiläumsjahr 1995 festigte das Museum seine Beziehungen zum privaten Sektor mit einer Ausstellung von 150 Jadestücken aus verschiedenen taiwanesischen Sammlungen. Direktor Chin erklärt: "Viele sehr schöne chinesische Kunstgegenstände sind in den letzten Jahren auf den internationalen Antiquitätenmarkt gekommen, und die Kaufkraft der Taiwanesen ist auf dem Kunstmarkt mittlerweile legendär. Während private Sammler das Geld haben, um die Stücke zu kaufen, hat das Museum die Fähigkeit, diese von ihrer besten Seite zu präsentieren."

Wie Chin weiter berichtet, waren die fünf beteiligten Sammler so erfreut über die Einladung, ihre Schätze im Museum zu zeigen, daß sie nichts dafür verlangten. "Sie boten uns sogar an, die Stücke kostenfrei anzuliefern und wieder abzuholen", erzählt er. Die Jadegegenstände wurden in chronologischer Reihenfolge arrangiert, beginnend mit dem späten Neolithikum bis zur Han-Dynastie (206 v.Chr. - 221 n.Chr.). Die meisten Objekte sind Einzelstücke. Das Design, die Handwerkskunst und die Materialien galten sogar zur Zeit ihrer Entstehung als etwas Besonderes. Die Ausstellung lief über drei Monate, vom Oktober letzten Jahres bis zum Jahresende.

Die Beteiligung privater Organisationen und Einzelpersonen ist jedoch nicht der einzige wichtige Aspekt dieser großen Ausstellungen. Das Museum hat sich endlich von seiner selbstangelegten Fessel befreit, daß es ausschließlich chinesische Kunst darbieten sollte. 1987 zeigte es eine erstaunliche Ausstellung von über zweihundert Beispielen für buddhistische Bildhauerei; eine Leihgabe eines in Japan lebenden Überseechinesen und eine der bestorganisierten Ausstellungen in der jüngsten Geschichte des Nationalen Palastmuseums. 1993 half die Tageszeitung China Times bei der Finanzierung einer Ausstellung mit Bildern von Claude Monet, dem Begründer des Impressionismus. Der Zeitungsverlag United Daily News Group erfüllte eine ähnliche Funktion für die vielbesuchte Louvre-Schau im letzten Jahr. Die gemeinnützige Kunststiftung Dimension Endowment of Art aus Taipei half bei der Organisation beider Ausstellungen ein weiterer Beleg für die gute Zusammenarbeit mit Privatorganisationen.

Auch in anderen Bereichen gab es einfallsreiche Neuerungen. Vor etwa neun Jahren erkannte die Museumsleitung, daß sie etwas tun sollte, um die kulturellen Entwicklungen in der taiwanesischen Gesellschaft widerzuspiegeln. Seitdem hat das Museum unter der Überschrift "Aus der Tradition Neues schaffen" von Zeit zu Zeit seine Räume für Werke moderner taiwanesischer Künstler geöffnet. Die Ausstellung moderner Kunst im Jubiläumsjahr umfaßte 32 Werke verschiedener Kategorien wie Schnitzarbeiten, Skulpturen, Keramik, Lackarbeiten und Glaskunst. Das Museum ist jedoch noch nicht bereit, moderne Kunstwerke zu kaufen; eine Aufgabe, welche die Städtischen Kunsthallen in Taipei, Kaohsiung und Taichung erfüllen. Alle im Palastmuseum gezeigten Arbeiten sind Leihgaben der Künstler selbst.

Was steht also als nächstes an? Seit März befinden sich rund 450 Stücke aus der Sammlung des Museums auf einer 13monatigen Tournee durch die USA. Dabei machen sie in einigen der angesehensten Museen des Landes Station - im Metropolitan Museum of Art in New York, im Art Institute in Chicago, im Asian Art Museum in San Francisco und in der National Gallery of Art in Washington, DC. Wie Chin berichtet, begann das Museum im Juni 1991, mit seinen amerikanischen Pendants Kontakt aufzunehmen. "Erst nach zahllosen per Telefon, Briefkontakt und bei Treffen geführten Diskussionen konnte im Dezember 1994 endlich ein Vertrag zwischen dem Nationalen Palastmuseum und dem Metropolitan Museum of Art geschlossen werden", berichtet er. Der Titel der Wanderausstellung ist "Pracht der Kaiserlichen Schätze Chinas aus dem Nationalen Palastmuseum, Taipei". Erfreut bemerkt Direktor Chin: "Wir bewegen uns endgültig auf unser Ziel zu, ein internationales Museum zu werden."

Die Kosten der Tour belaufen sich auf geschätzte 6,2 Millionen US$. Die Hälfte davon stammt von den vier amerikanischen Gastmuseen, und der Rest kommt aus dem jährlichen Etat, den das Nationale Museum von der Regierung bekommt. "Das Ganze kostet die Regierung viel Geld, aber für beide Länder ist es auch ein bedeutender Kulturaustausch", bekräftigt Chin.

Sein Kommentar berührt ein heikles Thema. Viele Jahre galt es aus Furcht, das Festland könnte Ansprüche auf die Original-Kunstwerke des Museums erheben und sie könnten während des Rechtsstreits in irgendeinem Lagerhaus vermodern, als undenkbar, sie ins Ausland zu schicken. Geschickt und geduldig geführte Verhandlungen konnten diese Gefahr jedoch aus dem Weg räumen. Auch unter den Kunstliebhabern auf Taiwan gab es zahlreiche Gegner der USA-Reise. Seit Anfang Januar protestierten sie fast täglich mit Sit-ins in Taipei und Petitionen aus Kaohsiung. Die Gegner des Vorhabens verlangten, daß die Regierung Replikate statt der Originale schicken solle. Sie waren besonders über 27 empfindliche Rollbilder und Kalligraphien besorgt, die zu den Attraktionen der Ausstellung gehören sollten. Ihnen ging es vor allem darum, die Stücke vor Beschädigungen zu bewahren. Am 23. Januar beugte sich die Regierung schließlich dem Druck der Kunstliebhaber und beschloß, 23 besonders empfindliche Objekte aus der ursprünglich geplanten Sammlung von 475 Stücken herauszunehmen.

Nach dem Umzug des Museums nach Taiwan schickte es 1961 zum ersten Mal Kunstwerke nach Übersee, als rund 250 Objekte, darunter Gemälde, Kalligraphien und Jadestücke, durch fünf Museen in den USA tourten. 1991 wurde in der National Gallery of Art in Washington, DC., anläßlich der Fünfhundertjahrfeier der Reise Christopher Columbus' in die neue Welt, drei Monate lang eine Auswahl aus den Gemälde-, Kalligraphie-, Lackschnitzerei-, Emaille und Porzellansammlungen gezeigt. Jetzt richtet Chin nach dem Erfolg der kürzlichen Louvre-Ausstellung seinen Blick auf die Krönung seiner Anstrengungen, die chinesische Kultur in aller Welt bekannt zu machen: eine Ausstellung im Pariser Louvre. "So vieles aus Taiwan hat schon internationale Berühmtheit erlangt", sagt er mit einem Lächeln, "warum sollte das Nationale Palastmuseum da nicht nachziehen?"

(Deutsch von Christiane Gesell)

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