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Medizinische Hilfe ohne Grenzen

01.05.2009
Ein Mitglied eines Medizinerteams vom TIMTC (Zweiter von rechts) leistet im Mai 2008 Hilfe für Opfer des Zyklons Nargis in Myanmar. (Foto: Courtesy TIMTC)

Taiwan ist entschlossen, bedürftigen Ländern medizinische Expertise zu bieten, um die Rolle der Republik China als globaler Gesundheitspartner zu stärken und sich gegenüber der internationalen Gemeinschaft erkenntlich zu zeigen.

Der 39-jährige Arzt für Allgemeinmedizin Johnny Borjas aus Honduras hatte schon 12 Jahre als Arzt gearbeitet, bevor er beschloss, ins ferne Taiwan zu reisen und an einer Schulung für fortgeschrittene Medizin teilzunehmen. Trotz der Entfernung wusste er etwas über Taiwan -- ihm war bekannt, dass Taiwan zwar eine kleine Insel ist, aber weniger entwickelten Ländern hilft. „In Honduras weiß man, dass Taiwan vielen öffentlichen Institutionen Hilfe und Schulung in wissenschaftlichen Bereichen zukommen lässt, darunter auch Medizin“, kolportiert er. Doch da Taiwan weit von Honduras entfernt liegt, ist eine Reise dorthin wegen der hohen Kosten schwierig, ergänzt er.

Trotzdem kam Borjas im Oktober 2008 nach Taiwan und nahm an einem dreimonatigen Schulungsprogramm im Internationalen Medizinischen Schulungszentrum Taiwan (Taiwan International Medical Training Center, TIMTC) teil. Das TIMTC wird vom taiwanischen Gesundheitsministerium betrieben und befindet sich im Taipei Hospital in Hsinchuang (Landkreis Taipeh). Borjas’ Besuch wurde möglich durch Arrangements, welche Taiwans Botschaft in Honduras getroffen hatte, und ein TIMTC-Stipendium für Reise, Unterkunft und Lebenserhaltungskosten. „Es war eine großartige Gelegenheit für mich, etwas in verschiedenen medizinischen Feldern wie Echokardiografie (Ultraschallbetrachtung des Herzens) dazuzulernen, die für Allgemeinärzte in meinem Land nicht zur Ausbildung dazugehörten“, freut sich Borjas. „Ich konnte [durch die Reise] auch etwas über ein Gesundheitssystem erfahren, das sich von denen in lateinamerikanischen Ländern unterscheidet.“ Der Doktor merkt noch an, dass er die Gelegenheit nutzte, während des Aufenthaltes in Taiwan so viel wie möglich zu lernen, „so wie ein Schwamm, der sich mit Wasser vollsaugt“.

Borjas glaubt, dass die vom TIMTC gebotenen Programme für alle, die im medizinischen Bereich arbeiten, von großem Nutzen sind, da die Schulungsteilnehmer neue Diagnose- und Behandlungsmethoden erlernen können. Er hält es für wichtig, dass diese Programme weiterhin Ländern zugute kommen, die bei medizinischer Forschung und Entwicklung hinter Taiwan zurückliegen und denen die finanziellen Mittel fehlen, Mediziner ins Ausland zu schicken, um ihre medizinischen Kenntnisse und Techniken zu verbessern.


Der honduranische Arzt Johnny Borjas (sitzend links) erhält von einem taiwanischen Arzt klinische Schulung in Echokardiografie.

Expertise teilen

Das 2002 gegründete TIMTC hat die Aufgabe, Medizinern aus der ganzen Welt kostenlose Schulung zu bieten, besonders denen aus weniger entwickelten Ländern, sowie Aktivitäten und Konferenzen in dem Bereich Medizin und Gesundheit zu organisieren. Das TIMTC schickt zudem Medizinerteams, Bedarfsartikel und Ausstattung für internationale Hilfseinsätze ins Ausland, und es werden im Ausland Stützpunkte für langfristige medizinische Hilfe eingerichtet.

„Taiwans medizinische Expertise und öffentliche Gesundheit haben sich in einem Tempo entwickelt, das weltweit Aufsehen erregt“, prahlt Lin Shoei-loong, Superintendent des Taipei Hospital. „Heute ist Taiwan in der Lage, Beiträge in der internationalen Gemeinschaft zu leisten, etwa indem man bei der Ausbildung medizinischen Nachwuchses hilft. Ich denke, Menschen in aller Welt werden uns zustimmen, dass gut ausgebildete Gesundheitsfachleute zu den wichtigsten aller unterschiedlichen Ressourcen gehören.“

Laut Lin zeigt Taiwans öffentlicher Gesundheitsbereich gute Leistungen, besonders bei der Verhütung ansteckender Krankheiten, und mehrere medizinische Technologien aus Taiwan wie für Herzoperationen, Notfall- und Intensivmedizin ebenso wie traditionelle chinesische Heilkunde haben internationales Niveau erreicht. Außerdem hat sich Taiwans nationale Krankenversicherung (National Health Insurance, NHI) mit niedrigen Versicherungsbeiträgen und gutem Service einen Namen gemacht.

Zu den vom TIMTC organisierten Schulungsprogrammen zählen innere Medizin, Geburtshilfe und Gynäkologie, Augenheilkunde, Kinder- und Jugendmedizin, Reha-Pflege, Chirurgie und traditionelle chinesische Medizin (TCM), und sie dauern meistens drei Monate. Es werden nicht nur die Einrichtungen und Laboratorien des Taipei Hospital genutzt, das TIMTC verfügt daneben noch über eine Bibliothek und ein Wohnheim, in dem bis zu 26 Kursteilnehmer logieren können. Im Taipei Hospital gibt es 27 medizinische Abteilungen und 588 Krankenhausbetten, der Personalbestand beträgt 780 Mitarbeiter, darunter fast 200 Ärzte.

 

Die Neurologin Soyolmaa Puntsag (Zweite von rechts) aus der Mongolei glaubt, das im TIMTC neu erworbene Wissen werde die Entwicklung von Geriatrie in ihrem Land voranbringen.

Bis Ende 2008 waren schätzungsweise 185 Mediziner und Gesundheitsfachleute, unter ihnen Ärzte, Pfleger, Praktikanten und Verwaltungspersonal aus über 20 Ländern (Brasilien, Burkina Faso, Honduras, Neuguinea, Indonesien, Mongolei, Russland und andere), zum TIMTC gekommen, um klinische Schulung zu erhalten und Kurse über Gesundheitspflege und Krankenhausverwaltung zu belegen. Das Zentrum hatte im Rahmen von Austauschbesuchen auch fast 300 politische Würdenträger und führende Mediziner aus rund 30 Ländern zu Gast. Zusätzlich hat das Schulungszentrum 2007 auf den Marschallinseln das Taiwan-Gesundheitszentrum eingerichtet und hat dort dauerhaft zwei Mediziner stationiert, die Gesundheitserziehung und hochwertige medizinische Dienstleistungen fördern.

„Taiwans Gesundheitsinitiative belegt die Hingabe des Landes, internationales Gesundheitsbewusstsein und medizinische Pflege voranzutreiben“, sagt Lin Shoei-loong. „Der Betrieb unseres Zentrums zählt zu den mannigfaltigen Bemühungen der Regierung bei diesem Streben. Wir hoffen außerdem, dass die Förderung der internationalen medizinischen Schulungsprogramme und die Besuche ausländischer Würdenträger dazu beitragen können, Taiwans Außenbeziehungen zu konsolidieren und neue diplomatische Möglichkeiten zu eröffnen.“

Lin fügt hinzu, dass in den letzten Jahren eine Reihe von Gesundheits- und Krankenhausbeamten aus verschiedenen Ländern im TIMTC geschult wurde und ihre Resonanz positiv war. Bei einem Treffen des Jahres 2007 zwischen Taiwan und Saudi-Arabien über bilaterale Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Technologie zum Beispiel schlug das saudische Gesundheitsministerium vor, dass Taiwans TIMTC und das NHI-Amt gemeinsam ein Sonderprojekt entwerfen könnten, um Taiwans NHI-Programm Ministerialbeamten und Krankenhaus-Führungskräften aus Saudi-Arabien vorzustellen. Etwa zwei Monate, nachdem die ersten fünf Vertreter Mitte 2008 Taiwan besucht hatten, um sich über das NHI zu informieren, erkannte das saudische Ministerium den Erfolg des Programms an, indem es eine weitere fünfköpfige Delegation herschickte.

Zusätzlich sponserten die Asian Development Bank und die Regierung des Großherzogtums Luxemburg 2008 einen Besuch von Medizinern aus der Mongolei im TIMTC, wo diese an Kursen über Gesundheitspflegeverwaltung und öffentliche Gesundheit teilnahmen und überdies klinische Schulung in Echokardiografie erhielten.

 

Bis Ende 2008 hatten schätzungsweise 185 Beschäftigte aus dem internationalen Gesundheitswesen (Medizin, Pflege usw.) an theoretischem Unterricht und praktischer klinischer Schulung im TIMTC teilgenommen.

Lin meint, im Prinzip besuchen Mediziner aus verschiedenen Ländern das Zentrum, um ihre beruflichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Praktiken zu verbessern. Während sie ihre Kompetenz in grundlegender Medizin durch Teilnahme an Vorträgen und praktischer Schulung erhöhen, können sie auch ihre Forschungsergebnisse und praktischen Erfahrungen untereinander austauschen.

Lin fährt fort, dass Mediziner aus Entwicklungsländern die Gelegenheit erhalten zu lernen, wie man modernes medizinisches Gerät bedient, das in ihren Ländern noch nicht verfügbar ist, und auch wie man Informations- und Kommunikationstechnologie bei medizinischer Pflege einsetzen kann. Das TIMTC hat sich dem Globalen Unterstützungs- und Serviceprogramm für medizinische Instrumente (Global Medical Instruments Support and Service Program, GMISS) angeschlossen, einem einheimischen Projekt, das 2005 vom Amt für internationale Zusammenarbeit im Gesundheitsministerium initiiert worden war und bei dem das Zentrum armen Ländern medizinische Ausrüstung spendet, so Lin.

Wirkliche Fortschritte

Der honduranische Arzt Johnny Borjas staunt über Taiwans Computerisierung medizinischer Daten und die Nutzung von Chipkarten durch die NHI, was seiner Ansicht nach außerordentliche Effizienz und Bequemlichkeit bringt. Er sagt, in seinem Land verlasse man sich noch auf Patientenakten auf Papier, so dass die Ärzte und Pfleger viel Papierkram zu erledigen haben, und der Zugang zu medizinischen Akten und ihr Transfer von einem Arzt zum anderen kann recht schwierig sein.

Borjas ist zudem beeindruckt, dass die Mehrheit der Taiwaner vom Krankenversicherungssystem erfasst ist und sie auch die Freiheit haben, sich auszusuchen, in welches Krankenhaus sie gehen und von welchem Arzt sie sich untersuchen lassen möchten. „Taiwan hat ein gutes Gesundheitssystem, und die medizinischen Dienstleistungen sind von guter Qualität“, urteilt er. „Zwar mag es in meinem Land wegen Unterschieden bei Führung, Wirtschaft, Infrastruktur und Kultur noch nicht möglich sein, ein solches System umzusetzen, doch ich werde mich bemühen, die Expertise, die ich in Taiwan erworben habe, später in meiner Praxis anzuwenden, um besser meinen Mitbürgern dienen zu können.“

 

 

Das TIMTC arrangiert für internationale Kursteilnehmer auch Besuche bei Touristenattraktionen wie etwa dem Sonne-Mond-See, damit die ausländischen Gäste die Schönheit Taiwans erleben können. (Foto: Courtesy TIMTC)

Soyolmaa Puntsag, eine mongolische Neurologin mit 15 Jahren Erfahrung als Ärztin, ist gleichermaßen dankbar für die Schulung, die sie zwischen Oktober und Dezember 2008 im TIMTC erhielt. Nach der Rückkehr in ihre Heimat wolle sie gerne das in Taiwan Gelernte mit ihren Kollegen teilen, sagte sie und fügte hinzu, dass sie wegen ihrer neu erworbenen Kenntnisse große Beiträge bei der Entwicklung des Bereichs Geriatrie in ihrem Land wird leisten können. „Taiwans medizinische Wissenschaft ist gut entwickelt und bleibt auf dem Stand der neuesten medizinischen Entwicklungen“, lobt Puntsag. „Das neueste Knowhow und die modernste Ausrüstung werden prompt in den medizinischen Dienstleistungen des Landes eingesetzt. Die Mediziner sind zudem hochgradig spezialisiert, fähig und verantwortungsbewusst. Dank ihrer eifrigen Anleitungen hatte ich hier eine wunderbare Lernerfahrung im Bereich Physiotherapie.“

Martijn Molenaar aus den Niederlanden, Akupunktur- und Massage-Therapeut, erhielt gleichfalls klinische Schulung im TIMTC. „Ich reise gerne in unterschiedliche Länder in Asien, um die traditionelle chinesische Heilkunde besser zu begreifen und zu sehen, wie sie Teil des täglichen Lebens in verschiedenen Kulturen ist“, begründet er. „Aufgrund entsprechender Bildung im TIMTC konnte ich mein Grundwissen auffrischen und mehr klinische Kenntnisse erwerben, wodurch ich auf die richtige Spur bei Diagnostik, Verordnen von Medikamenten und Behandlung kam. All dies ist für mein Praktizieren und meine Forschungsarbeit in der Heimat förderlich.“

Integrierte TCM

Molenaar meint, er habe im Taipei Hospital viele ältere Patienten mit unterschiedlichen Beschwerden gesehen, und er bekam mit, wie wirksam anspruchsvolle Akupunktur und TCM gegen ihre ernsten Gesundheitsprobleme eingesetzt werden können. Nach seinen Worten wird seine Erfahrung angesichts der aktuellen Herausforderungen für das niederländische Gesundheitssystem durch das steigende Durchschnittsalter und die Zunahme altersbedingter chronischer Krankheiten wie Arthritis und Diabetes hilfreich sein. Gleichzeitig gibt es in seinem Land eine steigende Nachfrage nach Forschung über TCM im Hinblick auf Anwendung und Wirksamkeit von Kräuterarzneien. Viele Patienten suchen nach natürlichen Alternativen, besonders in Fällen, bei denen herkömmliche Behandlungsmethoden nur begrenzten Nutzen haben.

„Die Verwendung chinesischer Medizin ist in Taiwan viel mehr Bestandteil des Gesundheitssystems als in den Niederlanden“, berichtet Molenaar. „Die meisten taiwanischen Krankenhäuser haben ihre eigenen Abteilungen für chinesische Medizin, und Ärzte der westlichen Schulmedizin unterhalten enge Kommunikation mit TCM-Heilkundlern. Es ist daher ein viel stärker integriertes System als im Westen. Das und die Effizienz, mit der viele Patienten behandelt werden, beeindrucken mich sehr.“

 

 

Im Jahre 2007 gründete das TIMTC auf den Marschallinseln das Taiwan Health Center, um für Oralhygiene zu werben und hochwertigen medizinischen Service zu fördern. (Foto: Courtesy TIMTC)

Molenaar sagt, dass er während seines Aufenthaltes am TIMTC die Gelegenheit hatte, Ärzte und Therapeuten aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Spezialgebieten kennen zu lernen und Ideen mit ihnen auszutauschen, da das Zentrum Schulung in zahlreichen Bereichen anbietet. Solchen Austausch fand er interessant und anregend. Neben der Schulung konnte er außerdem einige kulturelle und touristische Attraktionen in Taiwan besuchen, darunter das Nationale Palastmuseum und den Sonne-Mond-See. „Vor meinem Aufenthalt in Taiwan wusste ich nur wenig über das Land“, bekennt er. „Durch die gut durchdachten Arrangements des TIMTC konnte ich aber die Schönheit und Kultur Taiwans erleben. Es war wirklich ein wertvoller und erinnerungswürdiger Besuch.“

Nach Ansicht von Yang Che-ming, Generaldirektor des Amtes für internationale Zusammenarbeit im Gesundheitsministerium, spielt das TIMTC eine wichtige Rolle bei Taiwans Förderung der internationalen Gesundheitshilfe. Das Zentrum hat das Ziel, die Fähigkeiten von Medizinern aus bedürftigen Ländern zu vergrößern, damit sie später dazu beitragen können, in ihren Heimatländern selbsttragende Gesundheitssysteme aufzubauen und die Lebensqualität dort zu verbessern. „Medizinische Schulung zu bieten ist eine praktische Methode, die eine lang anhaltende Wirkung in den Empfängerländern haben kann“, wirbt er. „Deswegen sponsert das Gesundheitsministerium diese Programme, so dass sie weiterlaufen können, und wir hoffen, sie können als Grundlage für den Aufbau starker Partnerschaften zwischen Gesundheitsfachleuten aus aller Welt dienen.“

Yang lobt das TIMTC für das erfolgreiche Organisieren der Schulungsprogramme und verweist auf einen anhaltenden Anstieg der Zahl von geplanten Fachkursen und der Zahl der Teilnehmer, die im Laufe der Zeit dort ausgebildet wurden. Er erwartet, dass die Kurse noch systematischer werden, und hofft, das TIMTC möge mehr Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Instituten und Schulen im In- und Ausland pflegen. „Als Antwort auf die Position der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass Gesundheit eine gemeinsame Verantwortung ist und es dabei um gleichberechtigten Zugang zu wesentlicher Pflege sowie um gemeinsamen Kampf gegen grenzüberschreitende Bedrohungen geht, ist Taiwan bereit, seine medizinischen Ressourcen mit anderen zu teilen und ein internationaler Gesundheitspartner zu werden“, verkündet Yang. „Hoffentlich kann Taiwans Hingabe zunehmende Anerkennung von der internationalen Gemeinschaft und Unterstützung für Taiwans Aufnahme in die WHO gewinnen.“

(Deutsch von Tilman Aretz)

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