29.04.2025

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Die Spielzeugtruhe der erwachsenen Kaiser

01.05.2009
Vergoldete Bronzeskulptur von Tsongkhapa (1347-1419) aus der Qing-Dynastie, datiert auf 1781. Höhe: 55,2 cm; Breite: 36 cm

Gegenstände aus Tibet und England heben die Einflüsse anderer Kulturen auf die Werke hervor, welche vom Hof der Qing-Dynastie gesammelt wurden.

Diese Auswahl aus der Sammlung „geschätzte Objekte“ (zhenwan) des Nationalen Palastmuseums in Taipeh enthält Objekte, welche die Lebensweise und die Vorlieben am Hof der Qing-Dynastie (1644-1911) widerspiegeln. Buddhistische Geräte enthüllen die religiösen Neigungen des Hofes, Kleidung und Schmuck gewähren einen Blick auf die offizielle Qing-Hierarchie, Schnupftabaksfläschchen (biyanhu) deuten kaiserliche Gebräuche an, und Ruyi-Zepter liefern ein Beispiel für extravagantes Beschenken innerhalb des Hofes. Zur Sammlung zählen außerdem Tributobjekte (gongwu), die etwas über die Vermischung von Merkmalen chinesischer, japanischer und westlicher Kunst verraten, und kunstvolle Kostbarkeiten-Kabinette (duobaoge), welche die Großartigkeit der Künstler jener Zeit vorführen.

Buddhistische Geräte

Am Qing-Hof fanden religiöse Zeremonien der Buddhisten, Taoisten und Schamanen statt, doch die Kaiserfamilie war offenbar dem tibetischen Buddhismus besonders zugetan. Dies geschah zum einen aus politischen Erwägungen, um die Mongolen zu befrieden, denn gute Beziehungen mit Tibet galten als wesentlich für gute Beziehungen mit der Mongolei. Um in den Regionen, die von Tibetern und Mongolen besiedelt waren, die Herzen der Bewohner zu gewinnen, förderte der Qing-Hof die Gelug-Sekte, eine auch „Gelbmützen“ genannte Richtung des tibetischen Buddhismus.

Andererseits waren viele Angehörige der Qing-Kaiserfamilie selbst gläubige Anhänger des tibetischen Buddhismus. Tatsächlich war die Yangxin-Halle (yangxindian), die Residenz des Kaisers Qianlong (1711-1795, Regierungszeit 1736-1795), mit buddhistischen Bildern geschmückt und enthielt Geräte für den Gebrauch in religiösen Zeremonien, was darauf hindeutet, dass der Kaiser persönlich den Glauben des tibetischen Buddhismus angenommen hatte. Aus diesem Grund wurde der politische Führer der Gelbmützensekte, der Fünfte Dalai Lama (Ngawang Lobsang Gyatso, 1617-1682, Regierungszeit 1642-1682), 1652 nach Beijing eingeladen, und 1780 kam der Sechste Panchen Lama (Lobsang Baidain Yexe, 1738-1780) nach Beijing, um zum Geburtstag des Kaisers seinen Segen zu bieten. Beide wurden mit den höchsten Ehren empfangen, und infolgedessen wurde der Hof mit Objekten überhäuft, die als Geschenke von mongolischen und tibetischen Mönchen dargeboten wurden.

In den kaiserlichen Werkstätten des Qing-Hofes wurden buddhistische Bilder und Geräte verschiedener Art hergestellt, und sie wurden mit großer Kunstfertigkeit und Präzision gefertigt. Mit Intarsien aus edlen Materialien wurden viele als Geschenke des Hofes tibetischen und mongolischen Tempeln und Angehörigen des Klerus überreicht.

Damit die Arbeiten auch gewiss den religiösen Anforderungen entsprachen, arbeiteten mehrere tibetische und nepalische Handwerker mit chinesischen, mandschurischen und mongolischen Kollegen am Qing-Hof zusammen, um buddhistische Geräte und Bilder zu schaffen. Dieser Austausch von Techniken und Stilen hatte eine gegenseitige Beeinflussung in der Kunst der jeweiligen Kultur zur Folge. Zusammen mit den Beiträgen des Kaisers wurde die Verschmelzung chinesischer und tibetischer Stile eines der typischen Merkmale der am Qing-Hof erzeugten buddhistischen Objekte.

Schnupftabaksfläschchen aus der Qing-Dynastie mit einer Höhe zwischen ca. 4,9 cm und 7,7 cm.

Gewänder und Accessoires

Die Sammlung des Nationalen Palastmuseums umfasst eine große Zahl von Kleidungsstücken und Accessoires aus dem Bereich der Kaiserfamilie, etwa Kronen und Hüte, kaiserlichen Schmuck, Fingernagelschoner (zhijiatao), Beutel, Feuersteinkästchen (huolianhe) und Hofgürtel (chaodai). Diese wurden samt und sonders gemäß den Bestimmungen gefertigt, die für das Tragen von Kleidung und entsprechenden Objekten am Qing-Hof galten. Verschiedene Beamtenstufen sowie diverse Anlässe und Zeremonien erforderten jeweils Objekte unterschiedlicher Farben, Materialien und Mengen, die im Einklang mit Zeremonial- und Ritualvorschriften benutzt wurden. So waren beispielsweise die Hüte von hohen Beamten des ersten Ranges mit Rubinen besetzt, die von Beamten des zweiten Ranges mit Korallen, beim dritten Rang mit Türkisen. Bei diesen Etiketten wurden keinerlei Ausnahmen geduldet.

Der Qing-Hof war besonders angetan von einer bestimmten Art von Süßwasserperlen, die unter dem Namen „Östliche Perle“ (dongzhu) bekannt war und in den Flüssen der Mandschurei, der Heimat des herrschenden Qing-Klans Aisin Giorro, gefunden werden konnte, und nur Angehörige der kaiserlichen Familie durften solche Perlen tragen. Zwar sahen sie so aus wie Perlen des buddhistischen Rosenkranzes, doch die Schnüre mit 108 Perlen, wie sie am Qing-Hof getragen wurden, enthielten zusätzliche Anhängerketten, wobei Männer zwei Ketten vorne links und eine vorne rechts trugen, bei Frauen waren es zwei vorne rechts und eine vorne links. Eine weitere lange Kette mit einem wolkenförmigen Anhänger wurde auf dem Rücken des Trägers drapiert.

Hofdamen schmückten sich überdies mit prangenden Accessoires wie Fingernagelschonern, die zum Schutz ihrer überlangen Fingernägel angelegt wurden. Diese am Qing-Hof einzigartigen Schutzhülsen wiesen feines Kunsthandwerk in Gold und Silber auf, Perlen und Jade-Intarsien, und sie hoben das große Können und die hervorragenden Designfähigkeiten der Hofwerkstätten hervor.

Schnupftabaksfläschchen

Die Substanzen für Prisen am Qing-Hof bestanden aus aromatischen Kräutern und sollten die Stimmung heben. Als in der Frühphase der Qing-Dynastie Schnupftabak nach China eingeführt wurde, wurde er bei Mitgliedern der Kaiserfamilie populär, ebenso bei Tibetern und Mongolen. Importiert wurde die Ware in großen Kisten, anschließend wurde sie oft in kleine Flaschen umgefüllt, wie man sie sonst zum Aufbewahren von Arzneimitteln benutzte. Später wurden viele Arten exotischer und wertvoller Materialien, darunter Gold, Silber, Porzellan, Jade, Achat und Halbedelsteine, für die Herstellung von Fläschchen verwendet, die eigens zum Aufbewahren von Schnupftabak vorgesehen waren. Die beliebteste Art von Schnupftabaksfläschchen am Qing-Hof bestand indes aus Glas. Die kaiserlichen Hofwerkstätten stellten klares und farbiges Glas unterschiedlicher Art her, und sie entwickelten auch Techniken, Glasschichten verschiedener Farben miteinander zu verbinden, in die man anschließend mit einer unter dem Namen „Peking-Glas“ (Beijing boli) bekannten Überzugstechnik schöne Muster schneiden konnte. Bei einer anderen Technik wurde mit feiner Pinselarbeit glänzende Emaille auf weiße Glas-Schnupftabaksfläschchen gemalt. Zusammen mit einem Elfenbeinlöffel und Glasstopfen sind diese Fläschchen zweifellos Meisterwerke der Palastwerkstätten. Bis zum Ende der Qing-Dynastie hatte man sogar eine Technik entwickelt, das Innere der Fläschchen zu bemalen. Unter der Bezeichnung „Innere Malerei“ (neihua) erlangte diese Technik allenthalben Popularität.

Vergoldetes Ruyi-Zepter der „Acht Unsterblichen“ (baxian) mit Intarsien, Qing-Dynastie. Länge: 52,8 cm; Breite des Kopfes: 13,6 cm

Ruyi-Zepter

Ein Ruyi-Zepter ist ein etwa henkelförmiger Gegenstand, den man in der Hand hält und dessen „Kopf“ leicht geschwungen ist wie die Innenseite der menschlichen Hand. Solche Objekte lassen sich bis zur Zeit der Streitenden Reiche (ca. 475-221 v. Chr.) zurückverfolgen. Bis zur Zeit der Sechs Dynastien (220-589) kam der Begriff ruyi auf, und es war bei den Buddhisten und der gelehrten Gentry zu einem verbreiteten Gerät geworden. Die Verzierungen, Muster und Motive auf den Zeptern haben allesamt mit der Funktion des ruyi als glückverheißendes Symbol zu tun.

Die Sammlung des Nationalen Palastmuseums enthält über 120 Ruyi-Zepter, von denen die meisten während der Qing-Dynastie hergestellt worden waren. Unter den herausragendsten Exemplaren in der Sammlung findet man größere Zepter mit Intarsien aus halbedlen Materialien wie Jade. Wegen der glückverheißenden Bedeutung des Begriffes ruyi, zu Deutsch „wie gewünscht“, „wunschgemäß“ oder „nach Wunsch“, wurden die Zepter zu geschätzten Geschenkartikeln, die zu Feiertagen und Festlichkeiten von den Qing-Höflingen untereinander ausgetauscht wurden. Trotz der Versuche des Kaisers Jiaqing (1760-1820, Regierungszeit 1795-1820), diesen Trend der extravaganten Geschenke zu unterbinden, hielt er ungebrochen bis zum Ende der Kaiserzeit an.

Tribut und Geschenke

In der gesamten chinesischen Geschichte erhielten die Kaiser im Zuge ihrer außenpolitischen Aktivitäten mit Nachbarstaaten Tributgeschenke. Ausländische Emissäre boten dem chinesischen Kaiserhof oft Tribut an, häufig in der Form seltener und kostbarer Produkte aus ihrer Heimat. Im Gegenzug gab der Hof normalerweise ein Präsent in Form eines wertvollen Gegenstandes aus einheimischer Herstellung. Bei diesem Austausch von Geschenken zwischen Staaten wechselten oft Objekte von großem Wert den Besitzer, damit man sich beliebt machte oder Belohnungen verteilte.

Unter den vom Qing-Hof vergebenen Geschenken fanden sich erlesene Werke der Handwerkskunst wie Ruyi-Zepter, Emaille, Porzellan, bestickte Beutel und Songhua-Tuschereibsteine (Songhua yan). Die seltenen und exotischen Objekte von ausländischen Staaten für den Qing-Hof umfassten Kristallkugeln, Straußeneier, Teleskope, mechanische Uhren, westliche Emaille und japanische Lackwaren, und sie wurden alle in den verschiedenen Palästen des Hofes ausgestellt.

 

Kostbarkeiten-Kabinett aus bemaltem und goldgraviertem Lack mit Drachen- und Phönixmuster, Qing-Dynastie. Inhalt: 43 Kunstgegenstände; Höhe des äußeren Kastens: 26,6 cm; Länge des äußeren Kastens: 25,6 cm; Breite des äußeren Kastens: 17,4 cm

Man freute sich nicht nur über diese Geschenke, sie regten auch noch den Austausch künstlerischer Stile und Techniken zwischen Ost und West an. So war zum Beispiel mit Goldfarbe bemalte chinesische Lackware beeinflusst von der maki-e-Lackwarenform aus Japan. Außerdem wurde das Interesse des Qing-Hofes an Emaille und Glasgegenständen zum Teil durch Tributgeschenke aus dem Westen angeregt. Entsprechend wurde im 17. und 18. Jahrhundert infolge des Austausches mit dem Reich der Mitte Chinoiserie in Europa immer beliebter.

Kostbarkeiten-Kabinette

Kostbarkeiten-Kabinette sind besonders gestaltete Behältnisse mit verschiedenen Fächern, Ebenen und Schublädchen, in denen sich viele Arten von Kleinkunst-Objekten bequem und ordentlich aufbewahren lassen, damit man sie überallhin mitnehmen und bestaunen kann. Diese Art von Kasten hat ihren Ursprung in Antiquitäten und wurde aus Behältern für Pinsel, Studierzimmerobjekte, Kämme, Reisebedarf und Parfüm weiterentwickelt, wie sie in den höheren Schichten der Gesellschaft in Gebrauch waren. Der Gestaltung und Produktion solch verschachtelter Schreine wurde häufig große Mühe gewidmet, so dass sie zu ihrem kostbaren Inhalt passten. Mit großem Scharfsinn wurde auch der kleinste Raum optimal genutzt. Oft wurde eine einzelne Ebene in mehrere Unterebenen unterteilt, oder ein Fach wurde in mehrere kleinere Fächer geteilt. Manchmal enthielt ein Fach Schubladen oder umgekehrt. Bei anderen Schatullen wurden Geheimfächer, die auf besondere Weise geöffnet und geschlossen werden mussten, geschickt in das Behältnis integriert. Techniken aller Art waren erforderlich, um an die Objekte in den Kabinetten heranzukommen, etwa ziehen, drücken, anheben oder bestimmte Teile der Kästchen loshaken. Die Herstellung eines Kostbarkeiten-Kabinetts kann in der Tat als Kunst bezeichnet werden, Raum zu gestalten, so wie bei Innenarchitektur, wobei praktisch alles möglich ist. Verglichen mit Kosmetikkoffern im Westen und japanischen Tuscheblocketuis steckt in den chinesischen Kostbarkeiten-Kabinetten viel mehr, als man durch den bloßen Augenschein meinen mag.

Zwar heißt es, dass Handwerksmeister an vielen Orten der südchinesischen Jiangnan-Region (also südlich des Yangtze) schon in der Spätphase der Ming-Dynastie (1368-1644) diese Art von Kostbarkeiten-Kabinetten herstellten, doch viele der schönsten Kästen dieser Art in der Sammlung des Nationalen Palastmuseums entstanden unter der Aufsicht des Qing-Hofes.

 

Viereckiges Kostbarkeiten-Kabinett aus Sandelholz, Qing-Dynastie. Inhalt: 30 Kunstgegenstände; Höhe: 25 cm; Länge: 25 cm; Breite: 21 cm

Einerseits konzentrierte sich der Qing-Hof auf die äußere Erscheinung der Behälter und wies die Handwerkskünstler an, bei neuen Arbeiten geschnitztes Sandelholz, Porzellanintarsien, Bambusbeschläge und Durchbruchkunst aus Perlmutt zu verwenden und die Oberfläche mit Lack, Hervorhebung durch Gold und Farbe zu verzieren. Antiquitätenetuis und japanische Lackkästchen wurden ebenfalls in Kostbarkeiten-Kabinette umgewandelt. Andererseits legte der Hof auch Gewicht auf die zahllosen kleinen Objekte, die in diesen Kassetten aufbewahrt wurden. Dabei handelte es sich um Objekte aus alter Zeit bis hin zu Gegenständen, die zur gleichen Zeit wie die Kostbarkeiten-Kabinette gefertigt worden waren. Die schmuckvollen Schatullen bargen sinnreich angeordnete Jadeornamente aus der Jungsteinzeit, westliche Emailleuhren, kleine japanische Lackobjekte und seltene mehrfarbige (doucai) Tassen aus der Regierungszeit des Ming-Kaisers Chenghua (1464-1487).

In den Archiven des Qing-Hofes gibt es viele Belege für persönliche Anweisungen des Kaisers, welche Objekte in die Kästen zu platzieren seien. Der Himmelssohn ordnete gelegentlich an, dass Handwerker aus den Palastwerkstätten Miniaturarbeiten aus Porzellan, Bronze oder Jade und sogar Rollen und Alben mit Malerei herstellen sollten, die in diese Boxen passten, was zu einem überwältigenden Sammelsurium einer unendlichen Vielfalt von Formen, Farben und Materialien führte.

Die Kostbarkeiten-Kabinette im Nationalen Palastmuseum stammen aus den ehemaligen Kollektionen in der Yangxin-Halle und dem Chuxiu-Palast (chuxiu gong) des Qing-Hofes, den offiziellen Residenzen des Kaisers und der Kaiserin. Die Objekte in den Kostbarkeiten-Kabinetten des Museums sind daher wahrscheinlich Lieblingsgegenstände des Kaiserpaares, welche sie in ihrer Freizeit zwecks Ergötzung hervorholten. Aus diesem Grund bezeichnet man die Kostbarkeiten-Kabinette zuweilen als „Spielzeugtruhen der Kaiserfamilie“.

(Deutsch von Tilman Aretz)


Tsai Mei-fen ist Kuratorin im Nationalen Palastmuseum.

Copyright © 2009 National Palace Museum

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